Urteil des LSG Bayern vom 15.02.2001

LSG Bayern: eugh, rentner, spanien, soziale sicherheit, verordnung, gemeinsamer haushalt, materielle rechtskraft, enkelkind, mitgliedstaat, anmerkung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.02.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 9 KG 58/97
Bayerisches Landessozialgericht L 14 KG 30/99
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. März 1999 wird - soweit es das Kindergeld für Y
... und J.C ... betrifft - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.
Januar 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1995 wegen Unzulässigkeit abzuweisen ist.
II. Die Berufung betreffend das Kindergeld für Sh ... für die Zeit bis 31. Oktober 1993 wird zurückgewiesen. III. Im
Übrigen wird das angefochtene Urteil - soweit über das Kindergeld für Sh ... ab 1. November 1993 und über die
außergerichtlichen Kosten entschieden worden ist - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurückverwiesen. IV. Die Entscheidung über die außergerichtlichen
Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten. V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Kindergeld für drei Kinder in bestimmten Zeiträumen zwischen
den Jahren 1970 und 2001.
Der am ...1929 geborene Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, war - mit Unterbrechungen - von 1957 bis 1973 in
Spanien (51 Monate Pflichtversicherung bis 1968 und weitere 10 Monate bis 1972/73) und von 1964 bis 1970 in der
Bundesrepublik Deutschland (15 Monate Beitragszeiten, 5 Monate Ausfallzeiten) beschäftigt. Der spanische
Versicherungsträger (INSS Valencia) setzte den "Beginn der Invalidität" mit " April 1970" fest (Schreiben vom
27.09.1975 an die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Düsseldorf - LVA -).
Die LVA gewährte unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Spanischen Staat über Soziale Sicherheit vom 04.12.1973 in der Fassung des Ergänzungsabkommens vom
17.12.1975, BGBl.1977 II, 687 und 722 (im Folgenden nurmehr als "Abkommen" zitiert) mit Bescheid vom 13.07.1976
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.06.1973 (Antrag vom 04.06.1973, Versicherungsfall vom 20.03.1970) mit zwei
Kinderzuschüssen für die ehelichen Kinder Y ..., geb. am ...1966, und J.C ..., geb. am ...1967 (Rente zum
01.06.1973: 19,30 DM zuzüglich zwei Kinderzuschüsse zu jeweils 21,20 DM = 71,40 DM. Rente zum 01.07.1976:
29,40 DM zuzüglich zwei Kinderzuschüsse zu jeweils 32,70 DM = 109,30 DM).
Der INSS Valencia teilte der LVA im Juli 1979 mit, dass in Spanien ein Rentenanspruch des Klägers ab 04.05.1979
bestehe.
Der Kinderzuschuss zur deutschen Rente für Y ... kam - mit Vollendung des 18. Lebensjahres, darüber hinaus keine
Ausbildung - mit Ablauf Juni 1984 in Wegfall (Mitteilung der LVA an den Kläger vom 12.04.1984), der Kinderzuschuss
für J.C ... aus demselben Grund mit Ablauf August 1985 (Mitteilung der LVA vom 26.07.1985). Der Kläger konnte
damals nur eine mit dem 08.05.1984 datierte Schulbescheinigung für Y ... für die Zeit von 1970 bis 1980 und eine
Arbeitslosmeldung des Sohnes zum 24.07.1985 vorlegen und gab bereits seit 1983 auf Formblättern und formlosen
Schreiben gegenüber der LVA an, dass seine Tochter die Ausbildung im Jahre 1980 abgebrochen habe und derzeit
nicht arbeite, im Übrigen beide Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres sich nicht in Schul- oder
Berufsausbildung befänden.
Im Juli 1983 zeigte er der LVA an, dass ein "neues Kind" namens Sh ... am ...1983 geboren worden sei, und begehrte
den Kinderzuschuss für "seine neue Tochter". In der beigebrachten Familienstandsbescheinigung war Sh ... mit
"nieta" (Enkelkind) angeführt, laut der weiterhin vom Kläger vorgelegten Geburtsurkunde erwies sie sich als Tochter
der (nicht verheirateten) Y ... Die LVA lehnte die Gewährung des Kinderzuschusses für Sh ... ab, weil eine Leistung
für Enkelkinder nach dem Abkommen nicht vorgesehen sei (Bescheid vom 12.06.1985).
Nach Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft (EG) und nach Einschaltung der Deutschen Botschaft im
Jahre 1988 berechnete die LVA die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers auf der Grundlage der Verordnung (EWG)
Nr.1408/71 (im Folgenden als VO zitiert) mit Bescheid vom 16.03.1989 ab 01.01.1988 neu (vor dem 01.01.1988 war
die Besitzstandsrente nach dem Abkommen höher), wobei sie nach wie vor 15 Pflichtbeiträge aus der deutschen
Rentenversicherung und 53 Monate an spanischen Zeiten berücksichtigte (Rente 1988 - nach Wegfall der
Kinderzuschüsse - 47,40 DM). Anläßlich dieses Verfahrens wurde der LVA vom INSS die Höhe der Bezüge einer
(spanischen) Rente zum 04.03.1986, 01.01.1987, 01.01.1988 und 01.01.1989 gemeldet (Schreiben vom 06.02.1989).
Mit Bescheid vom 03.03.1994 gewährte die LVA dem Kläger Regelaltersrente ab 01.04.1994 (149,02 DM monatlich;
Versicherungsfall vom 16.03.1994) unter Berücksichtigung der vorausgehenden Rentenbezugszeit; die Entgeltpunkte
für Beitragszeiten wurden aus 15 Monaten deutschen Beitragszeiten und 63 ausländischen Monaten bestimmt.
Am 04.05.1994 stellte der Kläger über die spanische Verbindungsstelle bei der Beklagten Antrag (u.a. Formblatt E
401) auf Kindergeld für Y ..., J.C ... und Sh ... (letztere als "nieta" bezeichnet) und gab an, die drei Kinder wohnten in
seinem Haushalt und befänden sich nicht in Schul- oder Berufsausbildung.
Zu den Eltern von Sh ..., sofern sie nicht im Haushalt des Klägers wohnen sollten, ist trotz einer entsprechenden
Frage im Antragsformular nichts ausgeführt. Die Frage, ob der Kläger eine oder mehrere Renten bezöge, hat er mit
"Caja de Pensiones (Düsseldorf)" beantwortet, und die Frage nach dem Bezug von Kinderzulage oder
Kinderzuschüssen seit Beginn des Rentenbezugs aus der deutschen Rentenversicherung und nach dem Bezug von
spanischen Leistungen für Kinder verneint. Ebenso sollen seine Ehegattin oder andere Personen keine Leistungen für
Kinder von Deutschland oder Spanien aus erhalten haben.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.01.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kindergeld ab, weil
hierfür gemäß Art.77 Abs.2 Buchst.b Ziff.i VO der spanische Träger zuständig sei. Die Zahlung eines Differenzbetrags
(gemeint: zwischen der niedrigeren spanischen Familienbeihilfe und dem höheren Kindergeld nach dem
Bundeskindergeldgesetz a.F. - BKGG a.F.) im Rahmen von Art.77 Abs.2 und Art.78 Abs.2 VO setze nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) voraus, dass der Anspruch auf Familienleistungen gegen
den nachrangigen Mitgliedstaat allein aufgrund dessen Rechtsvorschriften erworben worden sei. Da das Kindergeld für
Rentner und Waisen mit dem Rentenanspruch verknüpft sei, komme die Gewährung von Unterschiedsbeträgen nur in
Betracht, wenn der Anspruch auf eine der in Art.77 Abs.1 oder Art.78 Abs.1 VO genannten Renten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung ausschließlich aufgrund deutscher Versicherungszeiten erworben worden sei; dies
treffe vorliegend jedoch nicht zu.
Für Y ... und J.C ... käme eine Kindergeldzahlung ab "April 1994" in Betracht, da in Spanien kein Anspruch auf
Familienleistungen bei Überschreiten der dortigen Altersgrenze von 18 Jahren mehr bestehe; Nachweise für eine
Schul- oder Berufsausbildung der Kinder ab "Mai 1994" seien aber nicht vorgelegt worden.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger - vertreten durch das Spanische Generalkonsulat in
Düsseldorf - geltend, nach der Rechtsprechung des EuGH seien Familienleistungen für Kinder von Rentnern
unabhängig vom Wohnort zu zahlen, ohne dass es auf die Zurücklegung einer bestimmten Versicherungszeit nach
den Rechtsvorschriften des zuständigen Trägers ankomme.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.1995 zurück und
bezog sich u.a. auf den Beschluss Nr.158 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die
Soziale Sicherheit vom 26.06.1992 über die Voraussetzungen für die Zahlung von Differenzbeträgen seitens des
Nicht-Wohnsitzstaates.
Mit der hiergegen beim Sozialgericht erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst pauschal Kindergeld für seine in
Spanien lebenden Kinder. Die ihn vertretene Spanische Botschaft präzi- sierte - nachdem sie Ermittlungen zur
Berufsausbildung der Kinder angestellt und diesen Umstand, aber nicht die konkreten Ergebnisse dem Sozialgericht
mitgeteilt hatte - die Klage dahingehend, dass der "Unterschiedsbetrag" nur für die im Haushalt des Klägers lebende
"Tochter" Sh ... auf den Antrag des Klägers vom 04.05.1994 gefordert werde.
Das Verfahren wurde bis zur Entscheidung des EuGH in der Streitsache C-59/95 Bastos Moriana und andere ruhend
gestellt. In dem diesbezüglichen Urteil vom 27.02.1997 (SozR 3-6050 Art.77 Nr.4) entschied der EuGH, dass der in
einem EG-Staat lebende Bezieher von Renten aus zwei EG-Staaten (oder eine Waise) gegenüber dem Träger des
Nicht-Wohnsitzstaates gem. Art.77 Abs.2 Buchst.b Ziff.i (bzw. Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziff.i) VO keinen Anspruch auf
Familienleistungen als Zusatzleistung (Differenzbetrag) habe, wenn der Wohnsitzstaat niedrigere Familienleistungen
gewähre als sie im Recht des Nicht-Wohnsitzstaates vorgesehen seien, falls - so die in der VO nicht ausdrücklich
normierte, durch die frühere EuGH-Rechtsprechung formulierte Ausnahme - der Anspruch auf Rente gegenüber dem
Nicht-Wohnsitzstaat nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten in diesem Staat erworben worden sei.
Mit Schriftsatz vom 01.04.1997 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Sozialgericht die Niederlegung des
Mandats mit, weil der Kläger trotz dieses EuGH-Urteils den Prozess (selbst) weiterführen wolle. Der Kläger persönlich
kündigte an, dass er das EuGH-Urteil nicht akzeptiere, und begehrte zunächst "Kindergeld ab 01.01.1986", später
Kindergeld von "1970 (Invalidität vom 14.08.1970) bis 1984 für meine zwei Kinder" ("von Geburt bis zur Vollendung
des 18. Lebensjahres") sowie für Sh ... und noch später wiederum pauschal "Kindergeld ab 01.01.1986" bzw.
Kindergeld für Sh ... ab 01.01.1986. Er berief sich darauf, dass er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus
Deutschland beziehe, und (wie schon wiederholt im vorausgehenden Renten- und Kindergeldverfahren) darauf, dass
ihm auch eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer im Jahre 1969 in einem
deutschen Betrieb erlittenen Kopfverletzung zustehe, die zu bleibenden Gesundheitsstörungen (spätere
Krankschreibung in Spanien wegen disrhytmischer Migräne und Neurose) und seiner Erwerbsunfähigkeit geführt habe.
Während des Klageverfahrens behauptete der Kläger gegenüber der Beklagten (Schreiben vom 19.07.1995), er habe
Familienleistungen ab April 1994 für zwei Kinder erhalten (offensichtliches Missverstehen des Inhalts des Bescheids
vom 25.01.1995) und Sh ... beziehe vom Spanischen Staat 3.000 Peseten; die Beklagte habe die "Differenzleistung"
zu erbringen. Zur Begründung legte er die am 04. und 05.05.1995 ausgestellten Bescheinigungen über eine
Schulausbildung von Y ... bis 1980, von J.C ... bis 1981 und von Sh ... für das Schuljahr 1994/95 vor, später eine am
10.11.1998 von der örtlichen Stadtverwaltung von Quart de Poblet (Valencia) am 10.11.1998 ausgestellte
Bescheinigung, dass unter "Santa Cecilia Nr.9, Quart de Poblet/Valencia" der Kläger, eine am 14.05.1933 geborene
P.R.H ..., weiblichen Geschlechts, und eine am 19.08.1983 geborene S.R.R ..., weiblichen Gechlechts, wohnten (Y ...
und J.C ... sind in dieser Bescheinigung nicht angeführt).
Zu den Akten der Beklagten gelangte ferner ein formloses Schreiben des INSS vom 28.07.1999, dass der Kläger aus
der spanischen Versicherung eine Rente von derzeit 67.050 Peseten beziehe, aber keine spanischen
Familienleistungen; hierauf bestehe kein Anspruch, weil der Kläger nicht (sinngemäß: als Arbeitnehmer in Spanien)
beschäftigt sei und außerdem die Familienleistungen nicht beantragt habe.
Das Sozialgericht ermittelte, dass dem Kläger - auch nach seinen letzten Bemühungen um eine Unfallrente - ein
derartiger Anspruch aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nicht zustehe (klageabweisendes Urteil des
Sozialgerichts Mainz vom 13.03.1997 - S 2 U 20/97 Mz; zurückweisendes Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-
Westfalen vom 23.07.1998 - L 3 U 153/97; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des
Bundessozialgerichts vom 19.11.1998).
Mit Urteil vom 15.03.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab, wobei es das Begehren des Klägers weitestgehend
auslegte im Sinne einer auf Kindergeld für Y ... von 1970 bis Juni 1984, für J.C ... von 1970 bis August 1985 und für
Sh ... ab August 1983 fortlaufend gerichteten Klage. Das Sozialgericht hielt diese Klage für zulässig, aber
unbegründet. Im Tatbestand (und in den Entscheidungsgründen) fehlen Feststellungen, ob und für welche Zeiträume
der Kläger eine Rente (wegen Invalidität oder Alters ?) aus der spanischen Rentenversicherung bezieht;
wiedergegeben ist insoweit lediglich eine Mitteilung der LVA an die Beklagte vom 15.11.1994, dass der Kläger Rente
in Spanien ab 04.05.1979 laufend erhalte. Das Sozialgericht erwähnte im Tatbestand ferner, dass der Kläger unter
dem 14.08.1995 der Beklagten mitgeteilt habe, er (Anmerkung: der Kläger!) beziehe gegenwärtig Leistungen in Höhe
von 3.000 Peseten in Spanien für Sh ...
In den Entscheidungsgründen vertrat das Sozialgericht die Auffassung, für Sh ... bestehe im Zeitraum vor dem
01.01.1986 gemäß des anzuwendenden Art.40 des Abkommens kein Kindergeldanspruch, weil Enkelkinder nicht zu
dem Personenkreis der begünstigten Angehörigen zähle (Art.40 Abs.1 Nr.4 des Abkommens). Für Y ... und J.C ...
habe die Beklagte bis 31.12.1985 kein Kindergeld nach dem Abkommen zu leisten , weil der Kläger für diese zwei
Kinder Kinderzuschuss zur Rente in Höhe von 21,50 DM bezogen habe und das Kindergeld als Unterschiedsbetrag
zwischen den Kindergeldsätzen des Abkommens (10,- DM für das erste Kind und 20,- DM für das zweite Kind) gemäß
§ 8 Abs.2 Satz 2 BKGG a.F. nicht gezahlt werden könne. Ab Januar 1983 habe für Y ... und J.C ... kein Anspruch auf
Kindergeld bestanden, weil sie ihre Ausbildung bereits beendet hätten. Auch für die Enkelin Sh ... komme ein
Anspruch nicht in Betracht.
Das Sozialgericht kann mit seinen knappen Ausführungen nur gemeint haben: dem Kläger stehe nach § 8 Abs.1 Nr.1
BKGG a.F. das Kindergeld nicht zu, weil er Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen
habe. Gemäß § 8 Abs.2 Satz 1 BKGG a.F. sei jedoch die Differenz zwischen den niedrigeren Kinderzuschüssen für
zwei Kinder von insgesamt 21,50 DM und dem höheren Gesamtkindergeld nach dem Abkommen von insgesamt 30,-
DM, also 8,50 DM zu zahlen. Nach § 8 Abs.2 Satz 2 BKGG a.F. aber würden Unterschiedsbeträge unter 10,- DM
nicht geleistet. (Bei seinen verkürzten Ausführungen hat das Sozialgericht übersehen, dass dem Kläger von 1970 bis
einschließlich Mai 1973 keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zustand und er deswegen in dieser Zeit
keine Kinderzuschüsse zur Rente beziehen konnte; für die Zeit ab 01.06.1973 haben die monatlichen
Kinderzuschüsse 42,40 DM (zweimal 21,20 DM) und mehr betragen, sind also nicht niedriger, sondern höher als das
abkommensrechtliche Kindergeld von 30,- DM für zwei Kinder gewesen. Wegen fehlender Ausbildung hat nicht erst
seit Januar 1983, sondern seit 1980 für Y ... und seit 1981 für J.C ... kein Kindergeldanspruch nach nationalem Recht
bestanden. Auf den Tatbestand der Arbeitslosigkeit beider Kinder, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einem
Kindergeldanspruch führen kann, ist das Sozialgericht nicht eingegangen.)
Laut der anschließenden Urteilsbegründung des Sozialgerichts müsse ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach
dem BKGG in Verbindung mit Art.77 VO (gemeint wohl: Anspruch nur für Sh ... für die Zeit ab 01.01.1986) geprüft
werden. Nach wortlautgemäßer Zitierung des Art.77 VO führte das Sozialgericht sofort aus: "Seine bisherige
Rechtsanwendung konkretisierend und klarstellend legt die Kammer ihre Rechtsauffassung auf der Grundlage des
Urteils des EuGH vom 07.05.1998 in der Rechtsssache C-113/96 nunmehr zusammengefasst wie folgt dar: Art. 77
Abs.2 Buchst.b VO ist dahin auszulegen, dass Ziff.ii dieser Vorschrift nicht anzuwenden ist, wenn ein Anspruch auf
eine Familienbeihilfe im Wohnsitzstaat, der aufgrund der dortigen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, also
dem Grunde nach besteht oder bestand, wegen Erreichung einer Altersgrenze oder wegen Überschreitung einer
Einkommensgrenze weggefallen ist oder aus den vorbezeichneten Gründen oder aus anderen Gründen von Anfang
nicht verwirklicht werden kann oder konnte, während in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften für
den Versicherten ebenfalls gegolten haben, ein Anspruch auf Familienleistungen vorgesehen ist, aber der
Rentenanspruch gegenüber diesem ehemaligen Beschäftigungsstaat nicht allein aufgrund dessen Rechtsvorschriften
erworben wurde.
Die auf den Bereich der Familienleistungen insgesamt übertragbare Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-
113/96 hat zum Ergebnis, dass in Fällen, in denen ein Waisenrentenanspruch nicht allein aufgrund nationaler
Vorschriften gegenüber dem Nicht-Wohnsitzstaat besteht, (bei bestehendem Waisenrentenanspruch im
Wohnsitzstaat) überhaupt keine Waisenrente - auch kein Differenzbetrag - vom Nicht-Wohnsitzstaat zu zahlen ist,
obwohl durch den verstorbenen Wanderarbeitnehmer Pflichtbeiträge zum Rentenversicherungssystem des Nicht-
Wohnsitzstaates geleistet wurden. Erst recht muss dies für die steuerfinanzierten Familienleistungen gelten ... Aus
dem Hinweis des EuGH in Rdnr.28 und den Ausführungen (Anmerkung des Senats: des Vertreters der BRD) in
Rdnr.31 schließt die Kammer, dass Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziff.ii der Verordnung einerseits nicht anzuwenden ist,
wenn das nationale Recht des Wohnsitzstaats eine Leistung durch eine Altersgrenze einschränkt, und auch nicht (so
der EuGH ausdrücklich), wenn sonstige Leistungen (z.B. Ausbildungsbeihilfen) an die Stelle der Familienleistungen
(der EuGH verwendet im Rahmen des Art.78 der Verordnung den in dieser Vorschrift nicht enthaltenen Begriff
"Familienleistung") treten; andererseits - über die konkreten Begründungen des EuGH hinaus - aber auch dann nicht,
wenn die im Wohnsitzstaat dem Grunde nach vorgesehene Leistung wegen Überschreitens einer Einkommensgrenze
nicht zu zahlen ist ... Die in der Entscheidung des EuGH (a.a.O.) zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung baut
auf dem Urteil des EuGH vom 27.02.1997 in der Rechtssache C-59/95, Bastos Moriana u.a. auf, einer Entscheidung,
mit der der EuGH nach eigener Formulierung (vgl. Urteil vom 07.05.1998, Rdnr. 20) seine "Rechtsprechung zur
Zusatzleistung präzisiert", in Wirklichkeit aber nach Auffassung der Kammer eine deutliche Neuausrichtung seiner
Rechtsprechung vorgenommen hat. Der EuGH hat ... für die Auslegung des Art.78 Abs.2 Buchst.b (und damit
mittelbar für Art.77 Abs.2 Buchst.b) der Verordnung jedoch - soweit die Vergünstigungen nicht allein nach dem Recht
eines Mitgliedstaats zustehen - das Tatbestandsmerkmal "Anspruch ... besteht" des Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziff.i der
Verordnung nach der Auffassung und dem Verständnis der Kammer neu ausgelegt und gerade nicht gleichgesetzt mit
dem tatsächlichen Bezug von Leistungen im Wohnsitzstaat, sondern allgemein auf die Leistungen verwiesen, die
"grundsätzlich nach dem Recht allein dieses Mitgliedstaats gewährt" werden. Die im Wohnsitzstaat (dem Grunde
nach) als Anspruch vorgesehene Leistung kann somit auch im Einzelfall - z.B. wegen Überschreitens einer
Altersgrenze, aber auch aus anderen Gründen - tatsächlich nicht (oder nicht mehr oder für bestimmte Zeiträume nicht)
realisiert sein ... Dies führt zu dem rechtlichen Ergebnis, dass bei Rentnern, die nach den Rechtsvorschriften
mehrerer Mitgliedstaaten Rente beziehen, generell kein Anspruch auf Leistungen nach Art.78 und Art.77 der
Verordnung gegenüber dem Nicht-Wohnsitzstaat besteht, wenn der Rechtsanspruch gegen den Nicht-Mitgliedstaat
(Anmerkung des Senats: gemeint ist damit der Nicht-Wohnsitzstaat) nicht allein aufgrund dessen Rechtsvorschriften
besteht".
Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht der Kläger geltend, mit dem Urteil sei er nicht einverstanden, soweit ihm
von der deutschen Kasse nicht die Familienbeihilfen auf der Grundlage des Beitritts Spaniens zur EWG ab 01.01.1986
gezahlt würden. Seit 01.01.1986 habe er kein Kindergeld erhalten. Dies gelte auch für seine "Tochter" Sh ...
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für Y ... und J.C ... sei nach § 8 Abs.2
Satz 2 BKGG a.F. ausgeschlossen, und Kindergeld für Sh ... - dahingestellt sei, ob Tochter oder Enkelin des Klägers
- könne gemäß Art.40 Abs.1 Nr.2 Buchst.c des Abkommens deshalb nicht zustehen, weil der Kläger eine Rente aus
der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Für die Zeit ab 01.01.1986 stünde dem Kläger kein
Anspruch auf die Differenz zwischen spanischen Familienleistungen und dem Kindergeld nach dem BKGG zu, weil
der Kläger für Sh ... spanische Familienleistungen erhalte, aus Deutschland aber nur eine zwischenstaatliche Rente
beziehe.
Nach Befragung des Klägers beantragt dieser (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.03.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 25.01.1995 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm das Kindergeld für Y
... und J.C ... von August 1970 (Eintritt der Erwerbsunfähigkeit) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des jeweiligen
Kindes (Juni 1984 bzw. August 1985) und das Kindergeld für Sh ... von Geburt an (August 1983) bis zur Vollendung
des 18. Lebensjahres (August 2001) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.03.1999 aufzuheben und den
Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Senat hat die Kindergeldakte der Beklagten, die Rentenakten der LVA und auszugsweise Kopien aus der
Unfallakte der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft beigezogen und sich einen Überblick über die im Bereich der
Renten- und Unfallversicherung geführten Rechtsstreitigkeiten des Klägers verschafft. Der Kläger hatte vergeblich
mehrere Rechtsstreite wegen höherer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt, weil seiner Auffassung
nach die von der LVA gezahlten Leistungen dem vorher gezahlten Krankengeld von ca. 500,- DM entsprechen
müssten oder mit 700,- DM oder 1000,- DM angemessen erschienen, um eine Familie zu ernähren oder/und den 1969
erlittenen Arbeitsunfall zu entschädigen. Zwei Rechtsstreite in jeweils erster und zweiter Instanz und zwei weitere
Rechtsstreite in erster, zweiter und dritter Instanz in Unfallversicherungsangelegenheiten sind ebenfalls ohne Erfolg
geblieben.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestands -
insbesondere hinsichtlich des Vorbringens des Klägers - wird hierauf sowie auf die beigezogenen Akten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in
der Hauptsache im überwiegenden Teil unbegründet, im Übrigen insoweit begründet, als der Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen war.
1.) Hinsichtlich eines Anspruchs auf Kindergeld für Y ... und J.C ... war der in erster Instanz ergangene Urteilsspruch
(Tenor) insoweit zu bestätigen, als die Klage abgewiesen wurde. Zu Unrecht erging aber an Stelle des gebotenen
Prozessurteils ein Sachurteil; denn die Klage war unzulässig.
Nachdem zunächst beim Sozialgericht in allgemeiner Form - form- und fristgerecht - Klage eingelegt worden ist , hat
der Bevollmächtigte des Klägers - nach Ermittlung von (dem Gericht im Einzelnen nicht mitgeteilten) Tatsachen und
nach Prüfung der Rechtslage - die Klage auf das Kindergeld für Sh ... beschränkt, d.h. die Klage betreffend das
Kindergeld für Y ... und J.C ... zurückgenommen.
Dies ist ohne weiteres möglich, weil der Anspruch auf Kindergeld für ein einziges Kind einen selbständigen, von
Ansprüchen auf Kindergeld für weitere Kinder unabhängigen Anspruch darstellt, im Übrigen auch nach zeitlichen
Anschnitten "teilbar" und abgrenzbar wäre. Mit der (teilweisen) Klagerücknahme ist der Bescheid vom 25.01.1995 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1995 in Bezug auf das Kindergeld für Y ... und J.C ... bindend
geworden.
Als der Kläger später die Klage hinsichtlich des Kindergelds für diese beiden Kinder wieder "erweitert" hat, lag eine
zulässige Klageänderung vor, weil die Beklagte dieser in der Zeit bis zur Stellung eines Antrags in der mündlichen
Verhandlung nicht widersprochen hat (§ 99 Abs.1 und 2 SGG). Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass die
"erweiterte" Klage zulässig ist. Zwar können gemäß § 99 SGG Bescheide bzw. selbständige Teilentscheidungen der
Beklagten zum Streitgegenstand gemacht werden. Die zulässige Klageänderung bewirkt aber nicht, dass alle
Prozessvoraussetzungen für die neue Klage als erfüllt gelten. Ist ein Verwaltungsakt schon bestandskräftig, d.h. liegt
der Zeitpunkt der Klageänderung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, ist und bleibt die "erweiterte", nicht mehr
fristgerecht erhobene Klage unzulässig (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdz.13 a zu § 99).
Dies trifft vorliegend zu. Der Widerspruchsbescheid ist dem Bevollmächtigten des Klägers im Inland am 20.03.1995
zugestellt worden. Die Klageänderung erfolgte erst im April 1997.
Da es im Hinblick auf die materielle Rechtskraft (§ 141 Abs.1 SGG) von Bedeutung ist, ob ein Sachurteil oder ein (den
Kläger weniger belastendes) Prozessurteil ergeht, war der Urteilsspruch des Sozialgerichts zu "berichtigen".
2.) Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage wegen eines Kindergeldanspruchs des Klägers für Sh ...
wegen Unbegründetheit abgewiesen, soweit es die Zeit vor dem 01.11.1993 betrifft.
Der Senat ist sich bei Beurteilung dieses Teils des Streitgegenstands bewusst, dass bereits hinsichtlich der einzelnen
Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht mit den Modifikationen durch das Deutsch-Spanische Abkommen
und das EG-Recht Unklarheiten bestehen (vgl. hierzu unten zu 3.) und die vom Sozialgericht abgegebene Begründung
ebenso wenig überzeugt wie die variierenden, teils widersprüchlichen Ausführungen der Beklagten. Die Erfüllung der
materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1, § 2 Abs.1, 2 und 5,
§ 3 und § 8 BKGG in den bis zum 31.12.1996 geltenden Fassungen (Kindergeldberechtigte, zu berücksichtigende
Kinder, Anspruchskonkurrenzen), ggf. modifiziert nach Vertragsrecht und EG-Recht, kann aber dann dahinstehen,
wenn bei unterstelltem Anspruch eine Zahlung mit Sicherheit nicht in Frage kommt.
Vorliegend ist wegen der rechtsvernichtenden Einwendung des § 9 Abs.2 BKGG a.F., die von Amts wegen
berücksichtigt werden muss, ein (eventuell) bestehender Anspruch des Klägers für Sh ... bis zum 31.10.1993
ausgeschlossen. Nach der genannten Vorschrift wird Kindergeld (oder höheres Kindergeld) rückwirkend nur für die
letzten sechs Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Der
maßgebende Antrag des Klägers ist im Mai 1994 gestellt worden, so dass Zahlungen nur mehr ab 01.11.1993 möglich
sind.
Einen vor Mai 1994 gestellten Antrag des Klägers auf Kindergeld für Sh ... vermag der Senat nicht festzustellen.
In den Rentenverfahren und den anschließenden Klageverfahren (soweit diese die Zeit vor Mai 1994 betreffen) ging es
dem Kläger um eine höhere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wobei der Kläger nebenbei auch die
Existenz seiner Kinder erwähnte. Der Gesichtspunkt eines Kinderzuschusses für Sh ... (ein unselbständiger
Berechnungsfaktor zur Bestimmung der Rentenhöhe) ist von den Gerichten nicht aufgegriffen worden, wohl deshalb,
weil bereits durch das 19. Rentenanpassungsgesetz mit Wirkung ab 01.07.1976 Ansprüche auf Kinderzuschüsse für
Pflegekinder, Enkel und Geschwister gestrichen worden sind. Jedenfalls ist wiederholt rechtskräftig entschieden
worden, dass dem Kläger eine höhere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zusteht.
Ein richtungsgebender Hinweis auf einen Antrag auf das Kindergeld für Sh ... nach dem BKGG ist nicht erkenntlich
(vgl. nach Verbescheidung des Erstantrags des Klägers auf Kinderzuschuss für Sh ... mit bindend gewordenem
Bescheid der LVA vom 12.06. 1983: Bescheid der LVA vom 16.03.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.12.1991, nachfolgend Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.11.1992 - 5 J 69/92 und Urteil des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13.08.1993 - L 14 J 35/93 LSG NRW. Bescheid der LVA vom
03.03.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.1994, Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom
17.03.1995 - S 5 (11) J 157/94, Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31.01.1996 - L 14 J
57/95 LSG NRW, Beschluss des Bundessozialgerichts vom 28.05.1996 - 5 BJ 72/96, alle Unterlagen in der
Versichertenakte der LVA). Dies erscheint auch dem jetzt entscheidenden Senat verständlich.
Bis einschließlich April 1994 ist es dem Kläger nur (am Rande) um die Kinderzulage zur Rente, also um höhere
Rentenleistungen wegen Kinder gegangen, oder zwar um "Familienleistungen" (d.h. auch Kindergeld) aufgrund des
Beitritts Spaniens zur EG, aber hinsichtlich dieser Familienleistungen nur um das Kindergeld für Y ... und J.C ... von
1970 bzw. 1973 bis 1984/85. Der Kläger hat hier - entgegen seinem sonstigen Verhalten - in der Zeit bis April 1994
möglicherweise akzeptiert, dass ihm ein Kinderzuschuss zur Rente für ein Enkelkind nicht zusteht, und hat dies wohl
auch auf das Kindergeld für ein Enkelkind übertragen; denn in seinen vielfältigen Schriftsätzen, sonstigen Schreiben
und Eingaben bis Mai 1994 sind das Kindergeld bzw. Familienleistungen für Sh ... nie geltend gemacht worden,
sondern immer nur für Y ... und J.C ... Ein zwischenstaatlicher Antrag auf "Familienleistungen" oder
"Familienbeihilfen" gemäß Art.73, 74, 77, 78 VO (vgl. z.B. Formblatt E 401) ist vor Mai 1994 ohnehin nicht
aufgenommen worden.
Kennzeichnenderweise machte der Kläger bei der LVA einen Anspruch auf "Differenzbeträge" bzw. den
"Unterschiedsbetrag der Familienbeihilfe" nach EG-Recht erstmals im Jahre 1991 geltend, aber nur bezogen auf das
Kindergeld für Y ... und J.C ... von 1969 bzw. 1973 bis 1984 (vgl. die Schreiben vom 12.07., 01.10. und 03.10.1991),
wobei er das EG-Recht rückwirkend auf die Zeit vor Beitritt Spaniens zur EWG im Januar 1986 angewandt haben
wollte. Mit weiterem Schreiben vom 03.10.1993 fragte der Kläger nochmals wegen Nachzahlung von
"Familienleistungen" für 1970 bis 1984 bei der LVA an, ebenso im Februar 1994.
Erst in der Zeit nach Stellung des Kindergeldantrags bei der Beklagten vom Mai 1994 (auch für Sh ...) finden sich in
der Versichertenakte der LVA und in der Kindergeldakte der Beklagten Hinweise, dass der Kläger "Familienleistungen"
(d.h. Kindergeld) ab 01.01.1986 ohne Beschränkung auf Y ... und J.C ..., also auch für Sh ... begehrte. So schrieb er
am 10.12.1996 der LVA, das Spanische Konsulat in Düsseldorf habe ihm mitgeteilt, dass alle spanischen
Staatsangehörigen, die Rente aus Deutschland bezögen, seit 01.01.1986 Anspruch auf Familienleistungen hätten.
Mithin ist ein Antrag auf Kindergeldleistungen für Sh ... frühestens im Mai 1994 gestellt worden. § 9 Abs.2 BKGG
a.F., der die Gewährung von Leistungen für die Zeit vor dem 01.11.1993 ausschließt, ist auch dann anwendbar, wenn
ein Anspruch des Klägers auf das Kindergeld nach dem BKGG a.F. nur unter Zuhilfenahme des EG-Rechts begründet
ist. Das EG-Recht lässt die verfahrensrechtlichen nationalen Normen über Antrags-, Ausschluss- und
Verjährungsfristen unberührt; sofern der EG-Verordnungsgeber nicht aus ganz besonderen Gründen eine abweichende
Regelung getroffen hat, z.B. bei der Geltendmachung von Rechten aufgrund der EG-VO 1408/71 binnen zwei Jahre
nach Gründung der EG am 01.10.1972 oder nach erstmaliger "Anwendung" (Geltung) der Verordnung im Gebiet eines
beitretenden Staates (vgl. Art.94 VO).
Insoweit ist einmal streitig gewesen, ob den spanischen und portugiesischen Staatsangehörigen an Stelle des
geringen Kindergelds aufgrund zwischenstaatlicher Verträge das Kindergeld in voller Höhe des BKGG a.F. aufgrund
EG-Rechts ab 01.01.1989, wie bei Beitritt von Spanien und Portugal zur EG ursprünglich (in der Beitrittsakte)
vorgesehen, oder schon ab Januar 1986 zustehe. Der EuGH hat wegen Untätigkeit des Verordnungsgebers
Kindergeldansprüche nach dem EG-Recht ab Januar 1986 bejaht (vgl. u.a. EuGH vom 13.11.1990 - C-99/89 in SozR
3-6050 Art.73 Nr.3). Streit bestand weiterhin darüber, ob das nachträglich für 1986 bis 1988 zustehende Kindergeld
nach EG-Recht bzw. die "Differenzleistung" nicht innerhalb der Frist des Art.94 VO, sondern darüber hinaus bis zum
13.11.1992, zwei Jahre nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 13.11.1990, geltend gemacht werden könne. Dies hat
der EuGH in seinem Urteil vom 23.11.1995 - C-394/93 - verneint, wobei er auch ausgesprochen hat, dass § 9 Abs.2
BKGG a.F. nicht gegen EG-Recht verstößt.
Damit bleibt festzuhalten, dass dem vom Kläger erst im Mai 1994 gestellten Antrag auf Kindergeld für Sh ... für die
Zeit vor dem 01.11.1993 - abweichend von § 9 Abs.2 BKGG a.F. - keine Rückwirkung aufgrund des EG-Rechts
beigemessen werden kann.
Kläges für Sh ... für die Zeit ab 01.11.1993 (bis voraussichtlich einschließlich August 2001) muss das Sozialgericht
erneut entscheiden. Der Senat hat von der Möglichkeit der (teilweisen) Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch
gemacht, weil das erstinstanzliche Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet (§ 159 Abs.1 Nr.2 SGG). Das
Sozialgericht hat gegen den elementaren Grundsatz der (ausreichenden) Ermittlung des Sachverhalts von Amts
wegen - § 103 SGG - und gegen die Pflicht zur hinreichenden schriftlichen Urteilsbegründung (einschließlich
Feststellungen des tatsächlichen Sachverhalts und einer Beweiswürdigung) - § 128 Abs.1, § 136 Abs.1 Nr.6 SGG -
verstoßen.
Bevor im Einzelnen darauf eingegangen wird, muss vorweg festgestellt werden, dass das Urteil des Sozialgerichts auf
unzuverlässigen Angaben des Klägers und unzureichenden "amtlichen" Angaben beruht und vieles offen lässt. So
bleibt u.a. unklar, ob das Sozialgericht den Kläger für einen "Einfach-Rentner" oder "Mehrfach-Rentner" hielt. Bereits
die Fragen, ob - unabhängig vom Wohnsitz des Klägers und von Sh ... - alle sonstigen Voraussetzungen eines
Kindergeldanspruchs nach nationalem Recht erfüllt sind, sind vom Sozialgericht nicht beantwortet worden und lassen
sich nach Aktenstand auch nicht beantworten; dies gilt auch unter Zuhilfenahme der etwas ergiebigeren
Versichertenakte der LVA.
Unter Berücksichtigung einer vom Sozialgericht nicht erwähnten und vermutlich nicht gesehenen Geburtsurkunde für
Sh ... in der Versichertenakte und der Bescheinigung der Verwaltung des Orts bzw. des Ortsteils Quart de Poblet ist
zu schließen, dass dieses Kind ein leibliches Kind von Y ... und damit abstammungsgemäß ein Enkelkind des
Klägers ist und - zumindest bis 1998 - unter derselben Adresse wie der Kläger wohnte, woraus aber noch nicht die
Aufnahme in den Haushalt des Klägers folgt. Offen bleibt, ob Sh ... nicht mehr als Enkelkind zählt, weil es der Kläger
adoptiert hat; einen Hinweis auf diese Möglichkeit hat die Spanische Botschaft gegeben, auch die Beklagte schloss
dies aufgrund der Äußerungen des Klägers nicht aus. (Nicht uninteressant wäre auch - dies spielt im spanischen
Recht für die Kindergeldberechtigung eine Rolle -, ob der Kläger möglicherweise zum Vormund für das nichteheliche
Kind bestimmt worden ist.) Unklar bleibt auch die Aufnahme in den Haushalt des Klägers (§ 2 Abs.1 Nr.3 BKGG a.F.)
mit entsprechender Betreuung und Zuwendung; es könnte auch sein, dass Y ... (eventuell mit dem leiblichen Vater
des Kindes oder allein mit ihrer Tochter) einen eigenen Haushalt im Haus der Großeltern geführt hat, ebenso, dass Y
... und Sh ... nicht im Haushalt des Klägers aufgenommen gewesen sind, sondern ein gemeinsamer Haushalt aller
bestanden hat.
Es schließen sich dann weiterführende und die Rechtsentscheidung erleichternde Fragen an, ob und ggf. wann Y ...
aus dem Haushalt oder ihrer Wohnung im Haus der Großeltern ausgezogen ist, und ob sie eine Erwerbstätigkeit
(neben persönlicher nunmehr auch finanzielle Sorge um das Kind, das die Betreuung durch die Großeltern
ausschließen kann) aufgenommen hat. Im Jahre 1994 sprach der Kläger noch davon, dass Y ... und Sh ... in seinem
Haushalt lebten (vgl. den im Mai 1994 gestellten Kindergeldantrag). Im Schreiben des Klägers vom 03.12.1996 an die
LVA ist von einer dreiköpfigen Familie (also wahrscheinlich Kläger, dessen Ehefrau und Sh ...) die Rede, in der
Mitteilung der Stadtverwaltung Quart de Poblet vom 10.11.1998 wurde nurmehr der Wohnsitz des Klägers, der Ehefrau
und Sh ... unter derselben Adresse bestätigt. Offenbar ist Y ... zu einem unbestimmten Zeitpunkt ausgezogen. Eine
fehlende Erwerbstätigkeit von Y ... ist zuletzt für Mai 1994 angegeben; darüber hinaus fehlen Hinweise jeglicher Art.
Es besteht die Möglichkeit, dass Y ... für Sh ... spanische Familienbeihilfe bezogen hat; denkbar ist es auch, dass Sh
... nurmehr zeitweise wegen ihrer Schulausbildung und/oder wegen Erwerbstätigkeit der Mutter sich bei den Großeltern
aufhielt, im Übrigen aber nur dem Haushalt von Y ... zuzurechnen war. Es ist auch nicht gesichert, dass die Ehefrau
des Klägers im maßgebenden Zeitraum Arbeitnehmerin oder nur Hausfrau gewesen ist.
Völlig vermisst werden im Urteil des Sozialgerichts Ausführungen, dass das BKGG a.F. mit Ablauf des 31.12.1995
außer Kraft getreten ist, und welche Vorschriften nunmehr das Sozialgericht für einschlägig hielt; dementsprechend
fehlt es bereits für die Zeit ab 01.01.1996 an Feststellungen und Ausführungen zu den einzelnen sachlichen
Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs.
Abgesehen von den dürftigen "amtlichen Auskünften" bzw. "Mitteilungen über einen überprüften Sachverhalt" bleiben
nur die vom INSS nicht bestätigten Angaben des Klägers. Diese sind zum Teil schon deswegen in Zweifel zu ziehen,
weil er des Deutschen nicht mächtig ist. So wurden von ihm zweimal Mitteilungen, dass ihm ab einem bestimmten
Zeitpunkt Ansprüche auf deutsche Leistungen nicht zustehen, dahingehend interpretiert, dass ihm Leistungen ab
diesem Zeitpunkt gewährt worden seien. Weiterhin scheint der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur
bestimmte Sachverhalte nicht wahrnehmen zu können oder zu wollen. Zum dritten hat er - auch auf in spanischer
Sprache gestellte Fragen - zumindest zweimal - nachweislich eine unrichtige Antwort gegeben, so dass auch die
Richtigkeit bzw. die Glaubwürdigkeit seiner sonstigen Angaben zweifelhaft erscheint.
Der Senat spricht hier die Angaben des Klägers auf den Formblättern KG 51 R/Sp und KG 51 R/E (Bl.2 bis 5 der
Kindergeldakte) an, aus denen sich im Übrigen die meisten der für eine Kindergeldgewährung maßgebenden
Umstände ergeben. Diese Formblätter sind mit einem Eingangsstempel des INSS Valencia versehen, aber - im
Gegensatz zum Formblatt E 401 - vom spanischen Träger nicht im Hinblick auf die Richtigkeit anhand der
vorliegenden amtlichen Dokumente geprüft, sondern nur an die Beklagte weitergesandt worden. Der Kläger hat in den
Formularbögen die Frage, ob er seit seinem Rentenantrag bzw. seit Beginn des Rentenanspruchs Kinderzuschuss zu
seiner Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erhalten hat, zweimal entgegen dem wahren
Sachverhalt verneint. Wenig glaubwürdig (aber nicht mit Sicherheit als unrichtig zu bezeichnen) ist die Beantwortung
der Fragen in Ziff.4 und 5 (KG 51 R/Sp) über die im Haushalt des Klägers lebenden Kinder und die sich nicht im
Haushalt des Klägers aufhaltenden Eltern bzw. Elternteile dieser Kinder, wobei sich hier - falls der Kläger richtig
ausgefüllt hat - die Konsequenz ergäbe, dass auch der Vater von Sh ... im Haushalt des Klägers wohnen müsste.
Zumindest unvollständig ist ferner die Beantwortung der Frage in Ziff.9 (KG 51 R/Sp), ob er (der Kläger) "eine oder
mehrere Renten beziehe", mit ja, wenn er dann zu den rentengewährenden Stellen nur die "Rentenanstalt Düsseldorf"
anführt.
Außerhalb der angesprochenen Fragebögen sind insbesondere auffällig die wiederholten Angaben des Klägers, der
einerseits von "seinen beiden Kindern" und dem Enkelkind Sh ... sprach, andererseits von seiner Tochter Sh ... Es ist
wahrscheinlich, dass die Bezeichnung mit "Tochter" unrichtig ist und lediglich einem gewissen "Ehrgefühl" des
Klägers entspricht; unabhängig davon kann aber nur das eine oder das andere richtig sein, und es zeigt sich eben
auch hier, dass der Kläger nicht (immer) korrekte Angaben macht.
Der Senat hat in seinen vorstehenden Ausführungen zu 3.) auf viele Lücken im sozialgerichtlichen Urteil sowie auf
manche vom Sozialgericht übergangenen Fragen, die sich nach Ansicht des Senats nicht mit Sicherheit beantworten
lassen, hingewiesen. Er verkennt hierbei nicht, dass je nach weiterem Fortgang des Streitverfahrens die eine oder
andere Frage offen bleiben kann. Es geht jedoch nicht an, dass das Sozialgericht außer der Beiziehung der
Versichertenakte der LVA nichts ermittelt und alles im Raum stehen gelassen hat. Nach einer Sachverhaltserzählung
(Tatbestand des Urteils) folgen auch für die Zeit ab 01.01. 1986 kaum (richtige oder unrichtige) Feststellungen
tatsächlicher Umstände und die Begründung hierzu, sondern lediglich abstrakte Rechtsausführungen zu einem
Spezialproblem des Art.77 VO, die beim Lesen weitgehend den Eindruck erwecken, sie stammten aus einem oder
aus mehreren anderen Fällen und seien möglicherweise irrtümlich in das jetzige Urteil geraten.
Der Senat weist darauf hin, dass auch für den Fall, dass das Sozialgericht künftig die Rechtslage bei einem zunächst
unterstellten Anspruch auf Kindergeld nach nationalem Recht (unter Gleichstellung des Wohnsitzes in der BRD mit
dem Wohnsitz im Bereich der EG) lösen sollte, manche offen gebliebenen Sachverhalte zu dem Kindergeldanspruch
nach deutschem Recht wieder ermittelt und beurteilt werden müssten im Rahmen der Frage, ob der Kläger oder eine
sonstige Person einen "Anspruch" auf Familienleistungen bzw. Beihilfen nach spanischem Recht hat.
Unabdingbar waren aber bereits vor Erlass des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg ein Mindestmaß an Ermittlungen
und anschließenden Feststellungen von Tatsachen sowie Begründungen, deren Fehlen der Senat als besonders
gravierende Vefahrensfehler angesehen und der (teilweisen) Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde gelegt hat:
3.1.) Im Urteil bleibt die Frage offen, ob, für welche Zeiträume und warum der Kläger als "Einfach-Rentner" oder
"Mehrfach-Rentner" anzusehen ist, wobei der Begriff "Mehrfach-Rentner" den Bezug von zwei oder mehr Renten aus
mehr als einem Mitgliedstaat der EG voraussetzt, nicht den Bezug mehr als nur einer Rente aus einem einzigen
Mitgliedstaat. Von deutscher Seite bezog der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und bezieht eine
Altersrente, die nach Leistungsart in den Regelungsbereich der Verordnung fallen (Art.4 Abs.1 Buchst.b und c VO).
Von einem Anspruch auf Unfallrente (Art.4 Abs.1 Buchst.c VO) aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung
darf nicht ausgegangen werden; insoweit sind die bereits ergangenen rechtskräftigen Urteile der Sozialgerichtsbarkeit
zu beachten.
Ein andauernder Rentenbezug von spanischer Seite aus ist - hinsichtlich des der Zurückverweisung zugrunde
liegenden Zeitraums ab November 1993 - nicht gesichert. Insoweit hat das Sozialgericht im Tatbestand seines Urteils
- und auch hier nur den Sachverhalt erzählend, nicht etwa an unpassender Stelle selbst feststellend - erwähnt, dass
die LVA Rheinprovinz der Beklagten unter dem 15.11.1994 einen spanischen Rentenbezug mitgeteilt habe
(wortwörtlich: Rente in Spanien wurde bewilligt ab 04.05. 1979 bis voraussichtlich laufend). Ansonsten findet sich im
Urteil kein Hinweis, wie das Sozialgericht hierzu steht, insbesondere ob es einen fortlaufenden Rentenbezug im
streitigen Leistungszeitraum angenommen hat. Die abstrakte "Konkretisierung und Darstellung seiner
Rechtsauffassung" durch das Sozialgericht kann die Ermittlung und Feststellung konkreter Tatsachen nicht ersetzen.
Laut Rentenakte der LVA beruht die von ihr mitgeteilte Erkenntnis über einen Rentenbezug des Klägers in Spanien auf
einem Schreiben des INSS vom 06.07.1979 zur fiktiven Rente unter Berücksichtigung der spanischen und deutschen
Versicherungszeiten allein als spanischen Zeiten und zur pro-rata-Rente im Rahmen von Art.22 des Abkommens; aus
den gesamten Umständen ist zu schließen, dass es sich um eine Rente wegen Invalidität ab 04.05.1979 handelt.
Irgendwelche Hinweise für einen seit 1979 lückenlosen Bezug dieser Rente bzw. den anschließenden Bezug von
Altersrente nach spanischem Recht fehlen; es handelt sich bei der Auskunft der LVA gegenüber der Beklagten nur um
eine Vermutung der LVA, die zwar dem Senat sehr plausibel erscheint, aber keineswegs als gesichert anzusehen ist.
Nach Aktenlage besteht in den Jahren ab 1979 kein Hinweis auf den ununterbrochenen Rentenbezug des Klägers
nach spanischem Recht. Im Jahre 1985 erfolgten laut Rentenakte der LVA zwei Schreiben des INSS (vom 30.04.1985
und ein weiteres mit unleserlichen Datum, bei der LVA am 08.11.1985 eingegangen), die zwar Beschäftigungszeiten
des Klägers in der BRD anführen, aber ausdrücklich in Bezug auf eine Prüfung, ob der Kläger die Voraussetzungen
nach dem (spanischen) Gesetz Nr.31 vom 02.08.1984 erfüllt, "um Arbeitslosengeld zu bekommen". Im Rahmen der
von der LVA eingeleiteten Prüfung der EG-Vorschriften teilte der INSS mit Schreiben om 06.02.1989 die monatlichen
"Bezüge" zum 04.03.1986, 01.01.19897, 01.01.1988 und 01.01.1989 mit, wobei die Art der Rente nicht angegeben ist.
Mehr ist in der Versichertenakte der LVA nicht enthalten.
In der Kindergeldakte findet sich noch ein formloses Schreiben des INSS vom 28.07.1999, mit dem eine Eingabe des
Klägers wegen Familienbeihilfe ab 01.01.1986 an die Beklagte weitergeleitet worden ist, wobei am Schluss erklärend
vermerkt wurde, dass der Kläger "derzeit eine Rente aus der spanischen Sozialversicherung in Höhe von 67.050
Peseten mit wirtschaftlicher Wirkung ab 01.03.1989" erhalte (wobei die darauf folgende Anmerkung über spanische
Familienleistungen zweifelhaft ist - s. unten zu 3.2 - und den Beweiswert des Schreibens insgesamt mindert). Der
Kläger selbst hat anläßlich seines Kindergeldantrags vom 04.05.1994 einen Rentenbezug nach spanischem Recht
nicht angegeben, und mehr ist hierüber nach Aktenlage nicht zu erfahren. Bei diesem Stand ist nicht gesichert, dass
der Kläger seit 1979 - bzw. in Bezug auf die noch maßgebende Zeit von 1993 bis 2001 - ununterbrochen eine Rente
aus der spanischen Sozialversicherung im Sinne von Art.4 Abs.1, 77 Abs.1 VO bezogen hat; aus einem ehemaligen
Rentenbezug in früheren Zeiten kann, z.B. wegen möglichen "Entzugs" der Invaliditätsrente oder Unterbrechung der
Rentenleistungen aus sonstigen Gründen - vorliegend nichts Maßgebendes abgeleitet werden. Das Sozialgericht
muss insoweit noch ermitteln, wobei es sich allein auf künftige Angaben des Klägers, die wie die früheren Angaben
unzuverlässig sein könnten, nicht stützen darf, und muss dann im Urteil eine nachvollziehbare Feststellung treffen.
Das Ergebnis ist für die weitere Fallbehandlung von Bedeutung (und insoweit ist der unterlaufene Verfahrensmangel
wesentlich), denn für Zeiten (ab November 1993), in denen der Kläger spanische Rentenleistungen nicht bezogen hat,
kann ihm unter Umständen das Kindergeld nach dem BKGG zustehen, wenn er die sonstigen Voraussetzungen nach
dem bis zum 31.12.1995 und ab 01.01.1996 geltenden deutschem Kindergeldrecht - abgesehen von den
Wohnsitzvoraussetzungen für den Antragsteller und seine Angehörigen - erfüllt.
Art.77 Abs.2 VO bestimmt, dass Familienleistungen im Sinne von Art.77 Abs.1 VO "ohne Rücksicht darauf, in
welchem Mitgliedstaat die Rentner oder die Kinder wohnen, wie folgt gewährt" werden: a) ... b) ... Diese Vorschrift
modifiziert/erweitert die nationalen Rechtsvorschriften dahingehend, dass für den Kindergeldbezug an Stelle der unter
Umständen im nationalen Recht vorgesehenen Anspruchsvoraussetzung eines Wohnsitzes oder des ständigen
Aufenthalts des Antragstellers und der zu berücksichtigenden Kinder im Inland der Wohnsitz bzw. ständige Aufenthalt
im EG-Bereich maßgebend ist. Insoweit handelt es sich bei Art.77 VO nicht (nur) um eine Zuständigkeitsvorschrift (so
aber das Sozialgericht Nürnberg vom 27.01.1997 - S 9 Kg 145/92, aufgehoben durch das Urteil des BayLSG vom
15.02.2001 - L 14 KG 28/97), sondern um eine das nationale materielle Recht erweiternde Regelung, die
gleichermaßen für die Fälle des Art.77 Abs.2 Buchst.a, Buchst.b Ziff.i, Buchst.b Ziff.ii Halbsatz 1 und Buchst. b Ziff.ii
Halbsatz 2 VO gilt. Mithin sind, bevor eine Konkurrenz von Ansprüchen nach dem nationalen Recht zweier Staaten
oder infolge der Erweiterung des nationalen Rechts durch Art.77 Abs.2 Satz 1 VO zu lösen ist (hierzu in Frage
kommen Art.77 VO, Art.79 VO, Vorschriften der EG-VO 574/72 und nationale Vorschriften über Ruhen, Aussetzung
oder Kürzung), erst die materiell-rechtlichen Auswirkungen des Art.77 VO (Ausweitung der nationalen Ansprüche auf
Familienbeihilfen) zu berücksichtigen. Aus gutem Grunde gibt der Senat diese Rechtsauffassung dem Sozialgericht,
das in einem anderen Falle Art.77 VO nur als Zuständigkeitsvorschrift sehen wollte, als zwingend zu beachten vor (§
159 Abs.2 SGG).
Art.77 Abs.2 VO bestimmt in Buchst.a, dass der Rentner im Bereich eines EG-Staats, der nach den
Rechtsvorschriften eines einzigen Staates Rente (gemeint: Rente oder Renten) bezieht, die Familienleistungen (für
Kinder, die im Gesamtbereich der EG wohnen), nach den Rechtsvorschriften des für die Rente zuständigen Staates
erhält. Bezieht der Rentner hingegen in der streitbefangenen Zeit - durchgehend oder zeitweise - Renten aus zwei
Mitgliedstaaten, so gilt insoweit Buchst.b des Art.77 Abs.2 VO.
Nachdem die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil teils unvollständig oder unrichtig und im
Übrigen schwer verständlich sind, außerdem Art.77 Abs.2 Buchstabe a VO nicht abgehandelt worden ist, gibt der
Senat dem Sozialgericht als zu beachten vor, dass im Rahmen des Art.77 Abs.2 Buchst.a VO der Umstand
unbeachtlich ist, ob die vom Kläger bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente und die darauf folgende Altersrente nicht
allein (weil die Wartezeit nicht erfüllt ist) nach innerstaatlichem deutschen Recht begründet sind.
3.2.) Als weiteren Verfahrensmangel stellt der Senat fest, dass notwendige Teile des Urteils fehlen. Deswegen ist die
Entscheigung nicht mit Gründen versehen; das Fehlen eines wesentlichen Teils der Begründung ist wie das
vollständige Fehlen zu behandeln.
Der Verfahrensmangel betrifft überwiegend die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils, wenn auch schon
vereinzelt Mängel des Tatbestands festzustellen sind.
3.2.1.) So hat das Sozialgericht im Tatbestand unrichtig wiedergegeben, dass nach einem Schreiben des Klägers vom
14.08. 1995 dieser selbst gegenwärtig 3.000 Peseten für Sh ... in Spanien beziehe. Richtigerweise hat aber der Kläger
behauptet, Sh ... erhalte gegenwärtig den genannten Betrag. (Anmerkung: Die Möglichkeit, dass Sh ... selbst
Anspruchsinhaberin ist, kann von vornherein nicht ausgeschlossen werden, da nach dem nationalen Recht mancher
EG-Staaten Anspruchsberechtigter nicht ein Elternteil, sondern das Kind selbst ist. Im Übrigen hat es in Spanien auch
eine beitragsunabhängige Invalidenrente von 3.000 Peseten und mehr für schwerbehinderte Kinder gegeben).
Ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils ein prozessrelevanter Sachverhalt unrichtig wiedergegeben worden, so
fehlen andererseits Hinweise auf widersprüchliche Umstände.
Der Erhalt spanischer Beihilfe für Sh ... ist in der Versichertenakte der LVA nicht erwähnt, wurde dort vom Kläger
ausdrücklich oder konkludent verneint. Dieser hat auch in seinem Kindergeldantrag vom 04.05.1994 die Frage nach
irgendwelchen Geldleistungen für Kinder von einer Stelle außerhalb der BRD oder von einer zwischen- oder
überstaatlichen Einrichtung mit "Nein" beantwortet. Ein einziger "amtlicher" Hinweis ist in dem doch etwas
zweifelhaften formlosen Schreiben des INSS vom 28.07.1999 zu finden, nämlich dass der Kläger keine spanische
Familienleistungen erhalte, weil er nicht (sinngemäß: als Arbeitnehmer) beschäftigt sei und auch solche nicht
beantragt habe. (Anmerkung: Sicheres ist hieraus nicht abzuleiten. Zum einen beantragt jemand Familienbeihilfe nach
dem Recht zweier Mitgliedstaaten, wenn ein zwischenstaatliches Verfahren eingeleitet und das Formblatt E 401
ausgefüllt wird, es sei denn, dieser Antrag wird vom Antragsteller ausdrücklich auf Leistungen eines einzigen Staates
beschränkt, was aber vorliegend nicht ersichtlich ist. Zum anderen erscheinen Familienbeihilfen nach spanischem
Recht auch für Rentner grundsätzlich möglich).
Der Tatbestand eines Urteils muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung des Sozialgerichts
zugrunde liegt. Angesprochen ist hier der prozessuale Sachverhalt, nicht die richterliche Feststellung von Tatsachen
und deren Würdigung. Der prozessuale Sachverhalt muss richtig und - in wesentlichen Punkten, z.B. gerade bei
Widersprüchlichkeiten - vollständig sein.
3.2.2.) In den Entscheidungsgründen ist der Sachverhalt festzustellen, den das Gericht als feststehend oder nicht
feststehend erachtet. Es müssen die Erwägungen zusammengefasst werden, auf denen die Entscheidung in
tatsächlicher Hinsicht und in rechtlicher Hinsicht beruht. Die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs und der
Einwendungen sind kurz zu kennzeichnen. Es ist darzulegen, welche rechtserheblichen Anspruchsvoraussetzungen
fehlen oder welche erfüllt sind oder welche (aus welchen Gründen) zweifelhaft sind, aber offen bleiben können (zu den
an die Entscheidungsgründe zu stellenden Anforderungen vergleiche im Einzelnen mit weiterführenden Hinweisen
Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdz.6 bis 7b zu § 136).
Treffend führt Meyer-Ladewig (a.a.O. Rdz.7) an, dass zum Mindestinhalt die ausreichende Angabe der angewendeten
Rechtsnormen, die als erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und die dafür ausschlaggebenden
tatsächlichen und rechtlichen Gründe gehören. Es sei nämlich Zweck der Entscheidungsgründe, dass die Beteiligten
Kenntnis erhalten sollten, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht
ausgegangen sei.
Das mit Berufung angefochtene Urteil des Sozialgerichts entspricht in keiner Weise den genannen Grundsätzen.
Hinsichtlich eines Kindergeldanspruchs für Sh ... (ab 1986 sowie auch ab 1993) ist nur ersichtlich, dass das
Sozialgericht dieses Kind (aus nicht genannten Gründen) als Enkelkind bezeichnet und dass Art.77 VO anwendbar
sei; im Übrigen findet sich nur die Wiedergabe einer abstrakten grundsätzlichen Rechtsauffassung zu
Anspruchskonkurrenzen im Rahmen des Art.77 VO, die nicht konkret fallbezogen ist, vorrangig Sachverhalte
anspricht, die in der vorliegenden Streitsache nicht zutreffen können und im Übrigen offen lässt (vgl. "sonstige
Leistungen" ..."aus anderen Gründen"), was denn nun beim Kläger in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung
maßgebend ist.
Hinsichtlich des Kindergeldanspruchs des Klägers für Sh ... ab 01.01.1986 kann gemutmaßt werden, dass das
Sozialgericht von einem "BKGG" ausging, weil es § 8 BKGG (Anmerkung: in der vor dem 01.01.1996 geltenden
Fassung) in Zusammenhang mit den Kindergeldansprüchen für Y ... und J.C ... im Rahmen des Abkommens kurz
erwähnt hat; zitiert ist allerdings auch insoweit lediglich eine Norm, die einen bestehenden Kindergeldanspruch (für
andere Kinder des Klägers) ausschließen, aber nicht begründen kann.
Der Senat vermisst Ausführungen des Sozialgerichts zu dem "rechtlichen Rahmen" (anspruchsbegründende Normen)
einschließlich der Feststellung und der Begründung der Sachverhalte, die gegeben oder nicht erfüllt oder unsicher sind
(z.B. Enkelkind, eventuell adoptiertes oder Pflegekind; bis zum Stichtag 31.12.1995 Kind unter 16 Jahren, damit
Unerheblichkeit der Schul- und Berufsausbildung; ab 01.01.1996 Kind unter 18 Jahren, damit weiterhin Unerheblichkeit
der Ausbildung; Aufnahme des Kindes in den Haushalt welcher Person oder Personen). Die Normen der §§ 1 BKGG
a.F. mit den Anspruchsvoraussetzungen sind nicht genannt, ebenso wenig die einschlägigen Vorschriften, die das
BKGG a.F. mit Wirkung ab 01.01.1996 abgelöst haben; im Urteil ist nichts dazu zu erfahren, dass das BKGG a.F. im
streitigen Leistungszeitraum außer Kraft getreten ist, und welche Vorschriften der das BKGG a.F. ab 01.01.1996
ablösenden Gesetze (Einkommenssteuergesetz n.F. oder BKGG n.F.) einschlägig sind und welche Voraussetzungen
dort gelten sowie ggf. erfüllt oder nicht erfüllt sind.
Unbekannt blieb ferner, ob und warum das Sozialgericht annimmt oder ausschließt, dass es in Spanien
"grundsätzlich" Familienbeihilfen und insoweit wiederum Familienbeihilfen für Rentner gibt, ob der Kläger (oder Sh ...
oder eine dritte Person) jemals, und ggf. wann, eine Familienbeihilfe (oder eine andersartige Leistung) nach
spanischem Recht bezogen haben, und ggf., warum es im streitbefangenen Zeitraum nicht zur Gewährung von
Familienbeihilfen gekommen ist.
Nicht einmal erwähnt im sozialgerichtlichen Urteil wurde die Höhe der in Frage kommenden Familienbeihilfen nach
deutschem und spanischem Recht im streitgegenständlichen Zeitraum, so dass die Relevanz der vorhandenen
sozialgerichtlichen Ausführungen nicht erkennbar wird.
Nachdem bereits ausreichende Tatsachenfeststellungen und weitgehend der "rechtliche Rahmen" fehlen, ist davon
auszugehen, dass das konkrete Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (wesentlicher Verfahrensfehler, der im
Übrigen auch einen absoluten Revisionsgrund darstellen würde).
3.3.) Das Sozialgericht muss unter Vermeidung der Verfahrensmängel (s. oben 3.1. und 3.2.) eine neue Entscheidung
treffen und ggf. vorher zum Sachverhalt näher ermitteln, bevor es diesen feststellt und würdigt.
Zu den Familienleistungen nach spanischem Recht weist der Senat darauf hin, dass laut den ehemaligen
Dienstanweisungen der Beklagten (Runderlass 375/74, BKGG, Über- und zwischenstaatliches Recht, Stand Januar
1988, DA 127) nach spanischem Recht die Arbeitnehmer, die in den letzten drei Jahren für mindestens 330 Tage
Beiträge zur Sozialversicherung geleistet haben, und Bezieher von Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten sowie von
Lohnersatzleistungen anspruchsberechtigt sein sollen. Im gleichen Runderlass mit Stand September 1994, DA 127.16
Spanien, ist ausgeführt: Anspruch aus den beitragsabhängigen Systemen haben versicherungspflichtig beschäftigte
Arbeitnehmer ... Anspruchsberechtigt sind ferner Selbständige sowie Personen, die eine Rente aus der
Sozialversicherung oder eine vorläufige Invalidenrente beziehen. Neben den Leistungen aus dem beitragsabhängigen
System sieht das spanische Recht beitragsunabhängige Familienbeihilfen vor. Anspruch hierauf haben in Spanien
lebende spanische und diesen gleichgestellten ausländische Staatsangehörige, sofern ihnen keine Familienbeihilfen
aus dem beitragsabhängigen System zustehen ... Für Kinder von Rentnern steht die allgemeine Familienbeihilfe zu.
Kinderzuschläge für unterhaltsberechtigte Kinder sind nur in der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehen.
Da sich die Meinungen des INSS (Schreiben vom 28.07.1999 an die Beklagte) und der Beklagten zum spanischen
Recht widersprechen, wird das Sozialgericht, sofern es hierauf ankommt, konkret aus zuverlässigen Quellen (u.a.
Text spanischer Erlasse usw.) die entscheidungserheblichen Rechtskenntnisse schöpfen müssen.
Da im vorliegenden Streitfall der Umfang der künftigen verfahrensrechtlichen Schritte notwendigerweise eng mit dem
richtigen Verständnis der vom Senat geteilten Rechtsauffassung des EuGH zusammenhängt, gibt der Senat dem
Sozialgericht folgende rechtliche Beurteilung zur Beachtung vor:
Für Zeiträume (ab November 1993), in denen der Kläger Renten nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten
bezogen haben könnte, ordnet Ziff.i des Art. 77 Abs.2 Buchst. b VO zunächst an, dass der Wohnsitzstaat für
Familienbeihilfen zuständig ist, wenn ein "Anspruch " auf die Familienbeihilfe im Sinne von Art.77 Abs.1 VO - ggf.
unter Berücksichtigung von Art.79 Abs.1 Buchst. a VO - nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates "besteht".
Bei Rentenbezügen nach den Vorschriften mehrerer EG-Staaten soll allein der Träger im Wohnsitzstaat die
Familienbeihilfe gewähren, und der Träger des anderen Staates wird aus seiner Verpflichtung entlassen, hat also auch
dann nicht Teilleistungen zu erbringen, wenn das Recht des Wohnsitzstaates niedrigere Familienleistungen als der
andere Staat vorsieht. (Eine Ausnahme hierzu besteht nach Ansicht des EuGH dann, wenn der Rentenanspruch
gegen den Nicht-Wohnsitzstaat allein nach dessen Vorschriften begründet ist; dieser Staat muss dann die
Differenzleistung erbringen.)
"Besteht" hingegen kein "Anspruch" auf Familienbeihilfe im Wohnsitzstaat, gelten die Vorschriften des Art.77 Abs.2
Buchst. b Ziff.ii, Halbsatz 1 (erster Fall) und Halbsatz 2 (zweiter Fall), wonach letzten Endes die Beklagte zu
Leistungen verpflichtet wäre, sofern nicht der vom EuGH entschiedene Fall vorliegt, dass bei Wegfall eines
bestehenden "Anspruchs" auf Beihilfe im Wohnsitzstaat (Zahlung von Leistungen), für den Art.77 Abs.2 Buchst. b
Ziff.i VO galt, im Anschluss hieran nicht mehr auf noch möglich erscheinende Leistungen des Nicht-Wohnsitzstaates,
der die Leistung für einen längeren Zeitraum vorsieht, gemäß Art.77 Abs.2 Buchst. b Ziff. ii VO zugegriffen werden
darf (EuGH vom 07.05.1998 - C 113/96).
Für das Bestehen eines Anspruchs im Wohnsitzstaat genügt es keinesfalls, dass in diesem Staat Vorschriften über
Familienbeihilfen irgendwelcher Art existieren (so in früheren Jahren die Versicherungsanstalten und die
Kindergeldkassen), also dass es möglich wäre, dass der Rentenbezieher oder eine dritte Person bei Erfüllung
Kindergeldkassen), also dass es möglich wäre, dass der Rentenbezieher oder eine dritte Person bei Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen die Beihilfe im Wohnsitzstaat beziehen.
Die Voraussetzung "Bestehen eines Anspruchs" auf Familienbeihilfe im Wohnsitzstaat (Art.77 Abs.2 Buchst.b Ziff.i
VO) liegt nur vor, wenn Familienbeihilfe tatsächlich gezahlt worden ist. Die Formulierung "wenn ein Anspruch ...
besteht", ist in Art.77 VO (Leistungen für Rentner), Art.78 VO (Leistungen für Waisen) und Art.76 Abs.2 VO a.F.
(Familienbeihilfe für Arbeitnehmer und Arbeitslose) enthalten. Zu diesen Vorschriften hat der EuGH in jahrzehntelanger
und gefestigter Rechtsprechung entschieden, dass der dort genannte Anspruch auf Familienleistungen den
tatsächlichen Bezug voraussetzt und die Möglichkeit des Bezugs nicht hinreichend ist. Ein "Anspruch" bestehe nicht,
wenn kein Antrag gestellt worden sei oder wenn das nationale Recht den Bezug von Familienleistungen nicht für den
Rentner, sondern den anderen Ehegatten als Familienoberhaupt vorsehe. Dies gelte im Übrigen auch, wenn ein
"Wahlrecht" bestehe, dass entweder der Rentner wegen Rentenbezugs oder ein sonstiges Familienmitglied z.B.
wegen Arbeitnehmereigenschaft Familienleistungen beziehen könne (vgl. u.a.EuGH vom 04.07.1990 - C-117/89 in
SozR 3-6050 Art.76 Nr.1 mit weiterführenden Hinweisen).
Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH wurde durch Initiative der BRD Art.76 Abs.2 VO (Aussetzung der
Familienbeihilfe für Arbeitnehmer und Arbeitslose) folgendermaßen geändert:" Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen
Gebiet die Familienangehörigen wohnen, (vom Arbeitnehmer bzw. Arbeitslosen) kein Antrag auf Leistungsgewährung
gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs.1 (Ruhen der Familienleistungen des zweiten
Mitgliedstaats in Höhe der gezahlten Leistungen des ersten Mitgliedstaats) anwenden, als ob Leistungen in dem
ersten Mitgliedstaat gewährt würden." Diese Änderung erfolgte mit Wirkung ab 01.05.1990 durch die EG-VO 3427/89
vom 30.10.1989; nur der durchführende Beschluss Nr.147 der Verwaltungskommission vom 10.10.1990 erging später.
Die Neufassung der Vorschrift stellt eine echte Änderung und nicht nur eine Klarstellung des Art.76 Abs.2 VO a.F. dar
(EuGH, a.a.O.). Hieraus folgt, dass nach Auffassung des EuGH und auch der des jetzt entscheidenden Senats die
Rechtsprechung über die Auslegung des Begriffes "bestehender Anspruch auf Familienleistungen im Wohnsitzstaat"
im Sinne des tatsächlichen Bezugs dieser Leistungen weiterhin Geltung im Bereich der Art.77 ff. VO
(Familienbeihilfen für Rentner) hat. Der EG-Verordnungsgeber hätte dort eine Änderung, sofern sie ihm notwendig
erschienen wäre, ausdrücklich durch eine besondere Vorschrift vorsehen müssen. Nicht möglich ist auch die
Korrektur des Rechts durch Anwendung der dem Art.76 Abs.2 n.F. VO ähnlichen Regelung des § 8 Abs.1 BKGG
a.F.:"Kindergeld wird nicht für ein Kind gewährt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei
entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre." Diese nationale Vorschrift kann und darf nicht in das Regelungswerk
der Art.77 ff. VO eingreifen.
Auch der Beschluss der Verwaltungskommission Nr.150 vom 26.06.1992 (Amtsblatt-Nr. C 229 vom 25.08.1993, S.5)
bewirkt keine Änderung der Rechtslage. Dieser Beschluss, der den Beschluss Nr.129 vom 17.10.1985 geändert hat,
bestätigt vorweg mehrmals, das die Differenz zu dem im Wohnsitzstaat "tatsächlich bezogenen Betrag" zu zahlen ist.
Anschließend wird zum zwischenstaatlichen Verfahren festgestellt:"Wenn nach den Rechtsvorschriften eines
Mitgliedstaates zur Gewährung der Leistungen (gemeint: Rente) ein Antrag gestellt werden muss, so ist auch für die
Zulage ein Antrag zu stellen". Über die Folgen der Verletzung einer solchen Pflicht hat die Verwaltungskommission
aber geschwiegen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungskommission zwar Auslegungsfragen
behandeln darf (Art.81 Buchst.a VO), aber nicht Rechtsakte mit normativem Charakter erlassen und die Gerichte
binden kann (EuGH vom 14.05. 1981 - 98/80 in SozR 6030 Art.51 Nr.14).
Der EuGH hat in neueren Entscheidungen seine bisherige gefestigte Ansicht zum Begriff "wenn ein Anspruch
...besteht" (Art.77, 78 VO) im Sinne des tatsächlichen Bezugs nicht geändert. Im Urteil vom 07.05.1998 - C 113/96 -
hat er entschieden, dass in dem Falle, dass Leistungen im Wohnsitzstaat (Spanien) nach Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziff.ii
VO tatsächlich gezahlt worden seien, bei Auslauf dieser Leistungen (z.B. mit 18. Lebensjahr eines Kindes) nicht
Buchst.b Ziff.ii anwendbar sei und so plötzlich eine Leistungszuständigkeit des Nicht-Wohnsitzstaates, nach dessen
Vorschriften eine längere Leistungsdauer (z.B. 25. Lebensjahr) vorgesehen sei, begründen könne. Im Übrigen obiter
dictum) hätten Waisen, deren Rente nicht allein nach den Vorschriften des Wohnsitz-Staates begründet sei, während
der Zeit des (tatsächlichen) Bezugs von Beihilfe im Wohnsitzstaat (Art.78 Abs.2 Buchst.b Ziff.i) keinen Anspruch auf
die Differenz zu den höheren Leistungen, die im Recht des Nicht-Wohnsitzstaates vorgesehen seien.
Ebenso ist der EuGH im Urteil vom 27.02.1997 - C-59/95 - nicht vom "Anspruch" im Sinne eines tatsächlichen
Bezugs der Leistungen abgewichen. Die Entscheidung betrifft den Fall, dass derjenige Mehrfach-Rentner, der
"Anspruch" auf Familienleistungen im Wohnsitzstaat hat, vom Träger des Nicht-Wohnsitzstaats nicht zugleich die
Differenzleistungen zu den dort höheren Leistungen beanspruchen darf (so bereits Art. 77 Abs.2 Buchst.b Ziff.i VO),
es sei denn, der Rentenanspruch gegen den Träger des Nicht-Wohnsitzstaates ist allein nach nationalen Vorschriften
begründet.
Der Senat gibt dem Sozialgericht zur weiteren Fallbehandlung zusätzlich folgende bindende Richtlinie vor: Die sich
möglicherweise im Laufe des Verfahrens ergebende Tatsache, dass - eventuell nur zeitweise - Y ... oder die Ehefrau
des Klägers Familienbeihilfe für Sh ... bezogen haben, ist nicht mit dem Bezug der Leistung durch den Kläger
gleichzusetzen (vgl. abweichendes Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.02.1999 - S 9 KG 142/98 ZVW,
aufgehoben durch Urteil des BayLSG vom 23.03.2000 - L 14 KG 20/99; Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom
15.09.1997 - 9 KG 126/95, aufgehoben durch Urteil des BayLSG vom 23.07.1998 - L 14 KG 73/97). Das Sozialgericht
hat sich in einem ähnlichen Fall eines Rentners (Art. 77 VO) auf die EuGH-Rechtsprechung zur Familienbeihilfe für
Waisen im Rahmen des Art.78 VO berufen, wonach es nicht darauf ankomme, ob die Leistung für die Waise nach
nationalem Recht als Anspruch der Waise selbst oder als Anspruch eines Dritten ausgestaltet sei; maßgebend sei
hier die Zweckrichtung der Leistung. Diese Rechtsprechung kann nicht unbesehen und verallgemeinend auf
Leistungen für Rentner zur Unterstützung seiner unterhaltsberechtigten Kinder angewandt werden. Eine
Familienleistung, die eine dritte Person für das gleiche Kind bezieht, ist zwar seiner Zielsetzung nach zur Verwendung
für Rentner(fehlender Zusammenhang mit dem Rentenbezug) zur Verwendung für das Kind dar (zur Lösung der
Anspruchskonkurrenzen sind Vorschriften außerhalb des Art.77 VO vorgesehen).
Besonders deutlich wird dies in einem von der Verordnung besonders geregelten Fall, der nicht den Weg der
"Gleichstellung" der Leistung unabhängig vom Bezugsberechtigten nimmt, sondern zu einer anderen Lösung gelangt.
Der Senat gibt dem Sozialgericht auch insoweit eine Entscheidungsrichtlinie für den möglichen Fall vor, dass z.B. Y
... oder die Ehefrau des Klägers als Arbeitnehmerin Familienleistungen für Sh ... ab November 1993 bezogen haben.
Die einem Arbeitnehmer zu gewährenden Familienbeihilfen sind gegenüber den dem Rentner für das gleiche Kinde zu
gewährenden Familienbeihilfen vorrangig. Der Anspruch eines Rentners auf Zahlung von Beihilfe nach Art.77 VO wird
ausgesetzt, wenn für das Kind Anspruch auf Leistungen oder auf Familienbeihilfe nach den Rechtsvorschriften irgend
eines Mitgliedstaates wegen Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht. In diesem Fall gelten die Kinder als
Familienangehörige eines Arbeitnehmers (Art.79 Abs.3 VO), d.h. sie werden (insoweit) nicht als Kinder des Rentners
behandelt. Die "Aussetzung" bewirkt lediglich, dass der Rentner nur in Höhe der Familienleistungen für Arbeitnehmer
keine Zahlung beanspruchen kann (EugH vom 06.03.1979 - 100/78 in SozR 6050 Art.79 Nr.2). Soweit die Leistung für
den Rentner höher wäre, kann diese von ihm nach Art.77 VO verlangt werden.
Mithin kann es unter Umständen sein, dass der Kläger, falls er (wegen Bezugs von Familienbeihilfe für Sh ... durch
einen Arbeitnehmer) keinen "Anspruch" gegenüber dem Träger des Spanischen Staates haben sollte, von der
Beklagten gemäß Art.77 Abs.2 Buchstabe b Ziff.ii, Halbsatz 2 (Fall 2) VO das Kindergeld in voller Höhe fordern
könnte, gemäß Art.79 Abs.3 VO aber nur die Differenz zu der dem Arbeitnehmer gewährten Beihilfe. Dieser
Unterschiedsbetrag beruht auf der speziellen Regelung des Art.79 Abs.3 VO und darf nicht mit der Regelung, wie sie
aufgrund der lückenfüllenden Rechtsprechung des EuGH zu Art.77 Abs.2 Buchst.b VO (Unterschiedsbetrag bei zwei
für den Rentner selbst bestehenden Ansprüchen auf Beihilfe) besteht, verwechselt werden.
Der Senat hat von dem Recht auf (teilweise) Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits
Gebrauch gemacht, weil der Sachverhalt näher aufzuklären ist und nach jetziger Sachlage länger dauernde
Erhebungen erforderlich sind, die auch in erster Instanz durchgeführt werden können, ohne dass hierdurch die
Prozessbeteiligten eine Rechtsmittelinstanz verlieren. Im Übrigen sah der Senat die Zurückverweisung an Stelle der
späteren Entscheidung nach eigenen längeren Ermittlungen als angebracht an, um eine deutliches Zeichen zu setzen,
weil die Gefahr besteht, dass das Sozialgericht Nürnberg eine große Anzahl angeblich gleich gelagerter Fälle - in
dessen Urteil vom 22.02.1999 - S 9 KG 142/98 ZVW werden 100 ähnliche beim Sozialgericht Nürnberg anhängige
Verfahren angesprochen, davon sind nur zwei in die Berufungsinstanz gelangt - unter Zugrundelegung unzutreffender
Rechtsgrundsätze und ohne die erforderlichen Ermittlungen entscheiden wird.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.