Urteil des LSG Bayern vom 02.07.2005

LSG Bayern: Az.: S 7 RJ 723/02, wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten., aufschiebende wirkung, erlass

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 02.07.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 7 RJ 723/02
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 120/05 ER
I. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des
Sozialgerichts Bayreuth vom 28.09.2004 - Az.: S 7 RJ 723/02 - wird abgelehnt. II. Die Beklagte hat dem Kläger die
außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat mit Urteil vom 28.09.2004 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer über den 31.07.2002 hinaus zu gewähren. Das SG stützt seine
Entscheidung in erster Linie auf ein von ihm bei der Nervenärztin Dr.O. eingeholtes Gutachten, nach dem der Kläger
über den 31.07.2002 auf Dauer nur noch über ein unterhalbschichtiges Leistungsvermögen verfügt.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 10.12.2004 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie auf die
abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens durch ihren Sozialärztlichen Dienst verweist. Sie geht in ihrer
Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers davon aus, dass dieser täglich noch vollschichtig Tätigkeiten
verrichten könne unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen.
Mit Schriftsatz vom 10.02.2005 beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil
auszusetzen. Das Urteil sei wegen der unzutreffenden Leistungsbeurteilung des Klägers fehlerhaft. Eine eventuelle
Rückforderung überzahlter Leistungen scheine nicht erfolgversprechend.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es
sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine
aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein
Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet,
die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf
die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des
Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil
aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das
Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in
Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der
Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit
seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang erfolg haben wird (s. Niesel, Der Sozialgerichtsprozess,
4.Aufl., Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl., § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der
Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des
Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der
Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann,
wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I
aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung
beauftragen kann.
Vorliegend lässt sich die Erfolgsaussicht der Berufung nur schwer beurteilen, da vom Senat noch weitere Ermittlungen
zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht durchzuführen sind. Das Erstgericht stützt seine
Entscheidung in nachvollziehbarer Weise auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Ermittlungen. Dass die
Beklagte und Berufungsklägerin ihre Berufung auf eine andere medizinische Einschätzung des Leistungsvermögens
des Klägers stützt, macht es aus objektiver Sicht noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie mit ihrer Berufung
jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses des Klägers an der Vollstreckung des
Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten
zu müssen, kein Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für
die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten (s. BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten
abgelehnt wurde.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Der Vorsitzende des 19. Senats