Urteil des LSG Bayern vom 10.05.2002

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, wichtiger grund, merkblatt, unverzüglich, beendigung, ermessen, ausbildung, weiterbildung, fahrtkosten, versäumnis

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.05.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 1 AL 99/01
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 360/01
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. August 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Unterhaltsgeld (Uhg) und die Erstattung von 1.249,92
DM streitig.
Die 1947 geborene Klägerin hat eine Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin absolviert und war anschließend mit
Unterbrechungen in diesem Beruf tätig. Seit 1989 hat sie keine Beschäftigung mehr ausgeübt und bezieht seither
Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, unterbrochen durch Bezug von Krankengeld. Zuletzt wurde ihr ab 30.03.2000
Arbeitslosenhilfe (Alhi) bewilligt.
Ab 12.07.2000 nahm die Klägerin an einer Qualifizierungsmaßnahme für Kaufleute teil. Mit Bescheid vom 14.07.2000
hob die Beklagte ab 12.07.2000 die Bewilligung der Alhi auf und bewilligte der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Uhg,
Lehrgangskosten und Fahrtkosten. Die Klägerin war vom 17.07. bis 25.08.2000 arbeitsunfähig, am 30.08.2000 teilte
sie mit, ab 26.08.2000 wieder arbeitsfähig zu sein.
Nach einem Vermerk vom 28.09.2000 teilte der Maßnahmeträger mit, die Klägerin nehme seit 17.07.2000 nicht mehr
am Unterricht teil, die AU-Bescheinigungen beträfen lediglich die Zeit bis 25.08.2000. Für die Fehlzeiten liege keine
Begründung vor.
Mit Schreiben vom 06.10.2000 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie bis 30.10.2000 Uhg in Höhe von
1.249,92 DM zu Unrecht bezogen habe. Nachdem eine Stellungnahme der Klägerin nicht eingegangen war, hob die
Beklagte mit Bescheid vom 05.10.2000 die Bewilligung des Uhg ab 26.08.2000 auf mit der Begründung, nach
Rücksprache mit dem Maßnahmeträger könne die Klägerin aufgrund ihrer unentschuldigten Fehlzeiten die Maßnahme
nicht mehr erfolgreich abschließen, weshalb diese mit Wirkung ab 10.10.2000 abgebrochen werde.
Mit weiterem Bescheid vom 02.11.2000 forderte die Beklagte die Erstattung des ab 26.08.2000 gezahlten Uhg in Höhe
von 1.249,92 DM und der Fahrkosten in Höhe von 1.995,00 DM. Nachdem die Klägerin sich am 02.11.2000 arbeitslos
gemeldet und Alhi beantragt hatte, wurde ihr diese Leistung ab 02.11.2000 bewilligt.
Gegen die Aufhebungsbescheide legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, für diese Entscheidung sei
Ermessen auszuüben gewesen. Der Ausbildungsleiter habe nach der krankheitsbedingten Abwesenheit bis
25.08.2000 erklärt, es sei nicht mehr sinnvoll, dass sie weiter am Kurs teilnehme, da die versäumten
Unterrichtseinheiten nicht nachholbar seien. Auf ihre Frage, was sie nun zu tun habe, habe er ihr erklärt, sie müsse
nichts weiter tun, es werde alles so weiterlaufen wie bisher. Auf diese Aussage habe sie vertraut und keinen Antrag
auf Alhi gestellt. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid führe dazu, dass sie für diesen Zeitraum keine Leistung
erhalte, obwohl sie dem Grunde nach Anspruch auf Alhi gehabt hätte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bereits aus
dem Gesetzeswortlaut ergebe sich, dass Uhg nur bei tatsächlicher Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme
gezahlt werden könne. Ein wichtiger Grund für die Nichtteilnahme sei weder vorgetragen noch nachgewiesen worden.
In dem ihr bei Antragstellung ausgehändigten Merkblatt 6 "Förderung der beruflichen Weiterbildung" sei sie darauf
hingewiesen worden, dass sie Änderungen unverzüglich anzuzeigen habe, und dass eine Mitteilung insbesondere
dann wichtig sei, wenn sie die Teilnahme an der Maßnahme vorzeitig beende. Mit ihrer Veränderungsmitteilung vom
30.08.2000 habe sie zwar bekanntgegeben, dass sie wieder arbeitsfähig sei, nicht jedoch, dass sie an der Maßnahme
nicht mehr teilnehme.
Mit ihrer am 08.03.2001 beim Sozialgericht Augsburg (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand beantragt. Das SG hat mit Beschluss vom 14.08.2001 diesem Antrag entsprochen. Mit Urteil vom
14.08.2001 hat es die Klage abgewiesen und auf die umfangreiche Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug
genommen. § 48 SGB X werde durch § 330 Abs.3 SGB III dahingehend modifiziert, dass keine
Ermessensentscheidung anfalle. Im Übrigen seien Ausbildungsleiter eines privaten Bildungsträgers keine Mitarbeiter
der Beklagten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die auf ihr bisherigen Vorbringen verweist.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.08.2001 und die Bescheide der Beklagten vom 05.10. und 02.11.2000
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2001 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung des
Unterhaltsgeldes aufgehoben wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht
vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die
angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Nicht mehr streitig ist die Erstattung der
Fahrtkosten, da die Klägerin insoweit die Berufung zurückgenommen hat.
Die Klägerin hat für die Zeit ab 26.08.2000 keinen Anspruch auf Uhg. Denn gemäß § 153 Satz 1 SGB III ist dieser
Anspruch an die "Teilnahme an einer für die Weiterbildungsförderung anerkannten Vollzeitmaßnahme" geknüpft. Die
Klägerin hat aber unstreitig auch nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit an der Maßnahme nicht mehr
teilgenommen und auch nicht mehr die Absicht gehabt, erneut teilzunehmen. Für ihre Nichtteilnahme ab 26.08.2000
hatte die Klägerin keinen wichtigen Grund im Sinne des § 155 Nr.1 SGB III; denn die Voraussetzungen dieser
Vorschrift, die ausnahmsweise auch für Zeiten der Nichteinnahme einen Anspruch auf Uhg gewährt, sind nur bei
vorübergehender Nichtteilnahme gegeben, betreffen jedoch nicht den Fall, dass die Maßnahme abgebrochen wird.
Hierbei kann dahinstehen, ob ihr Vortrag zutrifft, dass vom Ausbildungsleiter die weitere Teilnahme für nicht mehr
sinnvoll gehalten wurde. Denn der Anspruch auf Uhg fällt in jedem Fall mit dem Abbruch der Maßnahme weg.
Dadurch ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Bewilligung des Uhg vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 und 2 Nr.2 SGB X eingetreten, weshalb die Beklagte berechtigt und
verpflichtet war, die Bewilligung der Leistung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ab
26.08.2000, aufzuheben. Denn die Klägerin ist ihrer Verpflichtung, den Maßnahmeabbruch mitzuteilen, nicht
nachgekommen. Dieses Versäumnis ist zumindest grob fahrlässig. Schon in ihrem Antrag auf Förderung der
Teilnahme an dieser Maßnahme vom 26.06.2000 hatte sie sich unterschriftlich verpflichtet, Änderungen unverzüglich
anzuzeigen. Gleichzeitig hat sie bestätigt, das Merkblatt 6 "Förderung der Weiterbildung", in dem sie auf die
Mitwirkungspflichten im Einzelnen hingewiesen werde, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
In diesem Merkblatt wird ausdrücklich darüber aufgeklärt, dass unter anderem eine vorzeitige Beendigung der
Maßnahme unverzüglich mitzuteilen ist. Sollte die Klägerin sich dieser Verpflichtung nicht bewusst gewesen zu sein,
so wäre dies als grob fahrlässig anzusehen. Gerade angesichts ihrer Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin ist davon
auszugehen, dass sie auch subjektiv über das erforderliche Einsichtsvermögen verfügt. Deshalb kann dahinstehen,
ob die nicht bewiesene Behauptung zutrifft, der Ausbildungsleiter habe ihr erklärt, sie brauche gegenüber der
Beklagten nicht tätig zu werden. Denn nachdem diese Mitteilung in klarem Gegensatz zu den ihr von Seiten der
Beklagten auferlegten Mitteilungspflichten stehen würde, wäre von der Klägerin zumindest zu erwarten gewesen, dass
sie diesbezüglich die Beklagte um Beratung ersucht.
Gemäß § 330 Abs.3 Satz 1 SGB X "ist" die Bewilligung des Uhg mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufzuheben, soweit die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X vorliegen. Der Beklagten ist
somit bei dieser Entscheidung kein Ermessen eingeräumt.
Gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGG hat die Klägerin die ab 25.08.2000 erbrachten Leistungen zu erstatten.
Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.08.2001 zurückzuweisen.
Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Klägerin, die mündliche Verhandlung zu vertagen, damit sie
einen neuen Prozessbevollmächtigten beauftragen könne, war nicht zu entsprechen. Die Klägerin war ursprünglich
durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten, der aber bereits mit Schreiben vom 11.04.2002 mitgeteilt hatte,
dass das Mandatsverhältnis durch Kündigung beendet worden sei. Fortan bestand für die Klägerin genügend Zeit, sich
um die Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt zu bemühen. Sie hat keine Gründe vorgetragen, die ihr dies
unmöglich gemacht hätten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.