Urteil des LSG Bayern vom 17.09.2003

LSG Bayern: befreiung von der versicherungspflicht, mitgliedschaft, ausdehnung, bayern, form, versorgung, öffentlich, angestellter, papier, zugehörigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 16 RA 1070/99
Bayerisches Landessozialgericht L 13 RA 109/01
Bundessozialgericht B 12 RA 8/03 R
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen
Zugehörigkeit des Klägers zu einem berufsständischen Versorgungswerk (Ingenieurkammer).
Der 1968 geborene Kläger ist ab 01.06.1994 versicherungspflichtig beschäftigt, derzeit als Angestellter bei den
Stadtwerken einer Kommune. Seit 08.12.1998 ist er freiwilliges Mitglied der "Bayerischen Ingenieurkammer-Bau",
Körperschaft des öffentlichen Rechts. Gleichzeitig bemühte er sich um eine Pflichtmitgliedschaft in der Bayer.
Ingenieurversorgungs-Bau. Die Bayerische Versorgungskammer, Bayerische Ingenieurversorgung-Bau, bescheinigt
eine Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung ab Beginn einer Befreiung nach § 6 Abs.1 Nr.1 SGB VI mit einer
Verpflichtung zur Entrichtung einkommensbezogener Pflichtbeiträge analog §§ 157 ff. SGB VI für Zeiten, für die ohne
eine Befreiung des Rentenversicherungsträgers Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten wären.
Mit Bescheid vom 29.04.1999 lehnte die Beklagte den Antrag vom 20.01.1999 ab, weil die freiwillige Zugehörigkeit zur
Berufskammer nicht ausreiche. Seit der Novellierung der Befreiungsvorschrift (§ 6 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB VI) mit
Wirkung zum 01.01.1996 sei Voraussetzung einer Befreiung, dass bereits vor dem 01.01.1995 eine Verpflichtung zur
Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.09. 1999 zurück. Sie habe sich an die
geltende Rechtslage zu halten, die eine Befreiung nicht erlaube.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht München (SG) hat sich der Kläger zur Bekräftigung seiner Rechtsansicht auf
Ausführungen in der Literatur berufen (vgl. Papier, berufsständische Altersversorgung und gesetzliche
Rentenversicherung in Festschrift für Hans F. Zacher zum 70. Geburtstag), die die Problematik der sogenannten
Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung infolge der Ausdehnung
letzterer auf freiwillige Mitglieder der Kammersysteme behandelt. Danach wird eine unzulässige Ungleichbehandlung
von Mitgliedern bestimmter berufsständischer Versorgungseinrichtung gesehen, was deren Befreiungsmöglichkeiten
von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung anbelangt. Insbesondere könnten sich
angestellte Ärzte, Tierärzte, Zahnärzte, Apotheker und Architekten weiterhin befreien lassen. Auch treffe das
Argument des Gesetzgebers nicht zu, dass eine Erosion der gesetzlichen Rentenversicherung drohe. Daher handle es
sich auch um keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung hinsichtlich der von Art. 14 Grundgesetz
geschützten Anwartschaften im System der berufsständischen Versorgung.
Durch Urteil vom 26.04.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich insbesondere auf ein Urteil des LSG Baden-
Württemberg vom 04.10.2000 berufen, das die Rechtsansicht der Beklagten bestätigt hat. Die ab 01.01.1996 geltende
Befreiungsregelungen verlange eine doppelte Pflichtmitgliedschaft; die vom Kläger begründete freiwillige Zugehörigkeit
zur berufsständischen Kammer genüge nicht.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, im Wesentlichen sein bisheriges
Vorbringen wiederholt und gleichzeitig beantragt, das Verfahren gemäß Artikel 100 Grundgesetz auszusetzen.
Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26.04.2001
sowie des Bescheides vom 29.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1999 zu verpflichten,
ihm wegen seiner Tätigkeit als angestellter Bauingenieur ab 08.12.1998 von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund dieser Tätigkeit zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, dass Artikel 3 Grundgesetz (GG) durch die Neuregelung der Befreiungsvorschrift nicht verletzt
sei. Für den Berufsstand der Ingenieure führe das gesetzliche Erfordernis der Pflichtmitgliedschaft in der
Berufskammer dazu, dass nur selbständig Tätigen, nicht aber abhängig beschäftigten Personen das Befreiungsrecht
zustehe. Diese Unterscheidung beruhe auf sachlichen Gründen. Zum einen prägten die selbständig tätigen Ingenieure,
die in der Liste der beratenden Ingenieure eingetragen seien, den Charakter der Berufskammer wesentlich stärker als
die abhängig beschäftigten Kollegen, zum anderen sei das Berufsbild des Ingenieurs wesentlich differenzierter zu
betrachten als bei den traditionell vollakademischen Kammerberufen (z.B. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte). Zudem
diene die Neuregelung der Eindämmung bestehender und neuer Versorgungswerke und damit der Abwehr einer
Ausdehnung zu Ungunsten der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz in der Fassung des
Rechtspflegevereinfachungsgesetzes - SGG -) ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 143 SGG), weil die
Beschränkungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bei Statusentscheidungen nicht eingreifen. In der Sache hat die
Berufung aber keinen Erfolg.
Zu Recht hat das SG in seinem Urteil vom 26.04.2001 die Entscheidung der Beklagten bestätigt. Diese ist nicht
verpflichtet, den Kläger von seiner Versicherungspflicht als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung
(Angestelltenversicherung) gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien.
Anzuwenden ist hier - aufgrund des nach Inkrafttretens des Gesetzes vom 15.12.1995 gestellten Antrags - die
Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des 6. Buches Sozialgesetzbuch und
andere Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl I Seite 1824), wonach Angestellte und selbständig Tätige für die
Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit werden, wegen der sie aufgrund einer
durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich rechtlichen
Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)
und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
Die Übergangsregelung des § 231 Abs. 2 SGB VI i.d.F. des Gesetzes vom 15.12.1995 gilt für den Kläger nicht, da er
weder bis zum 31. Dezember 1995 einen Befreiungsantrag stellte noch zu diesem Zeitpunkt die
Befreiungsvoraussetzungen erfüllte. Er ist erst seit 08.12.1998 freiwilliges Mitglied der Bayer. Ingenieurkammer-Bau.
Eine frühere Mitgliedschaft kann bei der Wesensnatur einer Berechtigung (Beitritt) erst mit Abgabe der entsprechender
Willenserklärungen begründet werden (vgl. Artikel 10 Abs. 2 des Gesetzes über den Schutz der Berufsbezeichnung
"Beratender Ingenieur" und "Beratende Ingenieurin" sowie über die Errichtung einer Bayerischen Ingenieurkammer-Bau
- BayIKaBauG - vom 08.06.1990, Bayerisches GVBl. S.164, geändert durch Gesetz vom 24.05.1991, GVBl S.135).
Auch die vorangegangene Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (nur Angestellte) bzw. § 1300 Abs. 2 RVO trifft für
den Kläger nicht zu, da diese ab 01.01.1996 nicht mehr weitergilt. Damit nützt dem Kläger auch das Gesetz über das
öffentliche Versorgungswesen (VersoG) vom 25.06.1994 (Bayerisches GVBl. S.466) nichts, wonach bei den
Versorgungsanstalten Pflichtmitgliedschaft besteht (Art. 22) beziehungsweise Pflichtmitglieder der BayIKaBauG alle
nicht berufsunfähigen Mitglieder der Bayer. Ingenieurkammer-Bau sind (vgl. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 VersoG).
Somit bleibt die Bestimmung des § 6 Abs. 1 SGB VI n.F. die allein maßgebliche Rechtsgrundlage. Durch diese
Vorschrift ist die Befreiung mit Wirkung vom 1. Januar 1996 (vgl. Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 15. Dezember
1995 a.a.O.) wesentlich erschwert worden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI n.F. steht Angestellten für die
Beschäftigung, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung
Mitglied einer öffentlich rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (be-
rufsständische Versorgungseinrichtung) sind, die Befreiung von der Versicherungspflicht nur noch zu, wenn sie (neben
weiteren im Gesetz im Einzelnen geregelten Voraussetzungen) zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer
berufsständischen Kammer sind.
Während also bislang für das Befreiungsrecht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI allein die Pflichtmitgliedschaft in einem
berufsständischen Versorgungswerk maßgebend war, verlangt die ab dem 01.01.1996 geltende Fassung eine
"doppelte Mitgliedschaft". Ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
setzt nunmehr neben der Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch eine
Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen berufsständischen Kammer voraus. Der Betreffende muss überdies einer
Berufsgruppe angehören, für die bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer
berufsständischen Kammer bestand. Mit dieser gesetzlichen Änderung wollte der Gesetzgeber Bestrebungen zur
Gründung neuer berufsständischer Versorgungseinrichtungen namentlich im Bereich der technischen Berufe
entgegentreten und die Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischen
Versorgungswerken im Sinne einer Festschreibung der Zuständigkeiten festigen.
Diese Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI n.F. ist beim Kläger nicht erfüllt. Weder vor noch
nach dem 01.01.1995 bestand für angestellte Ingenieure eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer.
Er ist bei der Landeshauptstadt M. als angestellter Ingenieur abhängig beschäftigt und deshalb gemäß Artikel 10 Abs.
2 BayIKaBauG in der Ingenieurkammer Bayern nicht Pflichtmitglied, sondern freiwilliges Mitglied ab 08.12.1998, wie
das nach Art. 10 Abs. 2 Nr. 2 BayIKa-Bank für Ingenieure mit Hauptwohnung oder überwiegender berufliche
Beschäftigung in Bayern nach einschlägiger praktischer Tätigkeit von mindestens drei Jahren möglich ist.
In Übereinstimmung mit dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 04.10.2000, Az. L 13 RA 3220/98)
vermag auch der erkennende Senat keine Verfassungsverstöße durch § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu sehen. Eine
Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Einholung einer Entscheidung des BVerfG kommt somit
nicht in Betracht.
Weder an der Regelungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) des Bundesgesetzgebers noch an der Vereinbarkeit
der Neuregelung mit Art. 14 GG, Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG , Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG bestehen Zweifel.
Daher wird auf die überzeugenden Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg Bezug genommen
(vgl. Urteil Seite 8 und 9). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Einhaltung des Gleichheitsgebotes. Dieses (allgemeiner
Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG) ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie
eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 87, 1, 36; 94, 241, 260). Dem gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraum sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen und
Sachverhalten auf die Ausübung grundgesetzlich geschützter Freiheiten negativ auswirkt (BVerfGE 88, 87, 97; 89,
365, 376; 92, 53, 69). Demzufolge muss bei Ungleichbehandlungen größerer Intensität eine
Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen und die Ungleichbehandlung muss durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt
sein, besonders einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zweckes geeignet und erforderlich sein und in
einem angemessen Verhältnis zum Wert des Zweckes stehen.
Zweck der Neuregelung war, einer Entwicklung entgegenzuwirken, mit der gesetzlichen Rentenversicherung durch die
Gründung neuer berufsständischer Versorgungssysteme Versicherte entzogen wurden, die bislang traditionell der
Rentenversicherung angehörten. Es sollte eine Friedensgrenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und
berufsständischen Versorgungswerken im Sinne einer Festschreibung der Zuständigkeiten gezogen werden (vgl. BT-
Drucks 13/290, S. 1 und 18). Das geschah vor dem Hintergrund, dass seit Inkrafttreten des SGB VI namentlich im
Bereich der technischen Berufe zunehmend Bestrebungen zur Gründung neuer berufsständischer
Versorgungseinrichtungen für Berufsgruppen zu beobachten waren, deren Angehörige abweichend vom klassischen
Bild des dort versicherten Personenkreises der Angehörigen verkammerter freier Berufe abhängig beschäftigt waren,
wie es beispielsweise durch Art. 28 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen in Bayern (Errichtung einer
Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau) aber auch in zahlreichen anderen Bundesländern erfolgte. Die mit der
Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI verfolgte Zielsetzung, diese Abwanderungsbestrebungen des klassischen
versicherten Personenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung einzudämmen und damit die Effizienz der
gesetzlichen Versicherung zu sichern, ist ein legitimer Zweck, den der Gesetzgeber verfolgen durfte. Die Begrenzung
der Befreiungsmöglichkeit ist ein geeignetes Mittel, insbesondere geeigneter und angemessener, als deren gänzliche
Beseitigung. Insoweit ist die Einschätzung des Gesetzgebers zu respektieren. Die Kriterien der Geeignetheit und der
Notwendigkeit haben für Gesetzgebung und Verwaltung unterschiedliche Bedeutung. Der Gesetzgeber hat gegenüber
der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative und genießt einen Vertrauensvorsprung bei der oft schwierigen
Beurteilung des komplexen empirischen Zusammenhangs zwischen dem Zustand, der durch den Eingriff geschaffen
wird, und dem anderen Zustand, in dem der Zweck erreicht ist. Angesichts der Ausdehnung berufsständischer
Versorgung auf freiwillige Mitglieder war die getroffene gesetzgeberische Maßnahme erforderlich, den nur das -
öffentliche - Recht der Rentenversicherung kann der Einrichtung derartiger standesrechtlicher Gestaltungen begegnen.
Die privat-rechtlich/arbeitsrechtlichen Regelungen und Gestaltungen unterliegen bei ihrer Entstehung keinem Einfluss
durch die Sozialversicherungsträger. Daher müssen die an die zivilrechtlichen Gestaltungen anknüpfenden
rentenrechtliche Konsequenzen im Status des Sozialversicherungsverhältnisses einer öffentlich-rechtlichen
Gestaltung zugänglich sein.
Soweit hierbei zwischen verschiedenen Personengruppen wegen der Frage des Gleichheitsgebotes Vergleiche
anzustrengen sind, sind die richtigen Vergleichsgruppen zunächst Pflichtversicherte und zur Befreiung Berechtigten.
Eine Differenzierung ist hier sachlich gerechtfertigt und aufgrund der sonstigen Versicherten auch geboten, soweit es
sich um die typische Ausübung freier Berufe handelt. Insoweit kennt die gesetzliche Rentenversicherung seit dem
Rentenreformgesetz 1992 von vorneherein eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes in einer eigenen Vorschrift (§ 2
SGB VI) für Personenkreise, deren wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigten nahesteht (vgl.
Handwerker in den ersten 15 Berufsjahren, Künstler, neuerdings wirtschaftlich abhängige Selbständige gemäß § 2
Abs. 1 Nr. 9 SGB VI und Betreiber einer sogenannten Ich-AG gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VI). Für weniger
schutzbedürftige und klassisch verkammerte Berufsgruppen genügt die Option in Form der Befreiungsmöglichkeit. Für
Personen, bei denen dies aber nicht historisch gewachsen der Fall ist, wie bis 1995 bei angestellten Ingenieuren,
besteht keine Notwendigkeit, deren Zwangsversicherung in Frage zu stellen. Seit der generellen Versicherungspflicht
für Angestellte nach Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze im Jahre 1965 bestand keine Veranlassung, spezielle
Berufsgruppen, soweit nicht auch deren Angestellte klassisch verkammert waren (z. B. Rechtsanwälte und Ärzte),
von der Versicherungspflicht auszunehmen. An diesem sozialen Befund hat sich auch bis 1995 nichts geändert,
zumal der Trend eher zu einer Ausweitung der Versicherungspflicht auch bei Selbständigen geführt hat (vgl. § 2 Abs.
1 Nr. 9 SGB VI). Historisch gewachsene Verpflichtungen waren immer schon auch zulässiger Anknüpfungspunkt zur
Rechtfertigung des Versicherungszwanges Selbständiger (vgl. Handwerkerversicherung, Künstlersozialversicherung).
Umso eher ist des dann gerechtfertigt, Befreiungsmöglichkeiten für abhängig Beschäftigte nicht auszudehnen.
Ein Vergleich zwischen den verschiedenen Personengruppen, die auf Antrag von der Versicherungspflicht zu befreien
sind, ist entgegen der Ansicht von Papier S. 13 ff.), unter dem Gleichbehandlungsgebot nicht anzustrengen. Denn die
Ungleichbehandlung besteht zwischen Versicherungspflicht und Befreiung hiervon. Insoweit sind
Differenzierungskriterien zu suchen. Diese dürfen durchaus in der Aufrechterhaltung der Status quo hinsichtlich der
Versicherungspflicht bestehen. Denn letztlich dient die Ausdehnung der Versorgungswerke einer Umgehung der
Versicherungspflicht. Hätte der Gesetzgeber nicht gehandelt, wären vielmehr angestellte Ingenieure gegenüber
anderen Angestellten in akademischen Berufen privilegiert. Dann bestünde eine nicht hinzunehmende
Ungleichbehandlung, die zurecht von den übrigen Angestellten kritisiert würde.
Aber selbst unter Beachtung des von Papier angestrengten Vergleiches zwischen den Personengruppen der
selbständigen und der angestellten Ingenieure liegt keine ungerechtfertigte Differenzierung vor. Denn beratende
Ingenieure, für die im Übrigen allenfalls eine Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 2 SGB VI in Betracht
kommt (vgl. zur Befreiungsmöglichkeit BSG SozR 2400 § 7 Nrn. 3 und 4; SozR 3 2940 § 7 Nr. 2), sind aufgrund
landesrechtlicher Regelungen (vgl. Art. 2 BayIKaBauG) besondere (verfassungsrechtlich zulässige), im
Verletzungsfall sanktionsbewehrte (vgl. Art 6, 7 BayIKaBauG) Pflichten auferlegt; demgegenüber genügt für den
Beitritt als freiwilliges Mitglied neben dem örtlichen Anknüpfungspunkt die einschlägige Berufsausbildung (vgl. Art. 10
Abs. 2 BayIKaBauG). Vor Eingreifen des Gesetzgebers mit der Neuregelung des § 6 Abs. 1 SGB VI hatten es die
Angehörigen des letztgenannten Personenkreises, die ihren Beruf als Angestellte ausüben und für die sonach die
gesetzliche Versicherungspflicht nicht typisch ist (vgl. BSGE 80, 215, 219), demnach in der Hand, allein durch den
Beitritt die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung mit den damit verbundenen Vorteilen
einer günstigeren Leistungsstruktur zu erreichen, ohne irgendwelchen Berufspflichten seitens der Ingenieurkammer
Bayern ausgesetzt zu sein. Die vom Kläger bemängelte Verschiedenbehandlung beruht mithin auf
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden sachlichen Gründen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Vergleichs mit der
Gruppe der angestellten Angehörigen der sogenannten klassischen freien Berufe (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte), für die
selbst bei anfänglicher abhängiger Beschäftigung ohnedies ein Übergang in die Selbständigkeit und damit eine
berufliche Entwicklung ohne Alterssicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung typisch ist (vgl. zur Abgrenzung
auch BSG SozR 3 4100 § 166b Nr. 2 S. 6); denn die Angehörigen dieser Berufe haben als Zwangsmitglieder ihrer
Kammer ebenfalls besondere Berufspflichten zu wahren. Nach allem sprechen gewichtige Gründe für die gefundene
gesetzliche Lösung einer Zuständigkeitsabgrenzung zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und
berufsständischen Versorgungswerken; mangels Systemwidrigkeit scheidet auch unter diesem Aspekt ein Verstoß
gegen den Gleichheitssatz aus (vgl. BVerfGE 81, 156, 207; 97, 271, 291; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. April 1997,
a.a.O.).
Lediglich innerhalb der Gruppe der tatbestandlich in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI angesprochenen Angestellten ist unter
Beachtung des Gleichheitsgebotes sachlich zu differenzieren zwischen denjenigen, die vor und nach dem 01.01.1995
einen Antrag gestellt haben. Insoweit verletzt aber die Stichtagsregelung in Form des Inkrafttretens der
Gesetzesänderung ab 01.01.1995 nicht das Gleichheitsgebot. Denn diese zeitliche Festlegung war sachlich aufgrund
der sozialen Entwicklung der Versorgungswerke gerechtfertigt und damit nicht willkürlich. Auch rechtsstaatlich ist sie
nicht zu beanstanden, da der bereits erworbene Status durch die Übergangsvorschrift nach § 231 Abs. 2 SGB VI
geschützt ist, worauf sich aber, wie oben ausgeführt, der Kläger nicht berufen kann.
Die Berufung des Klägers hat demnach keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).
Die Revision wird zugelassen, obwohl der Senat nicht von der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-
Württemberg abweicht. Der Sache kommt aber eine grundsätzliche Bedeutung zu, da es sich um eine umstrittene
Rechtsauslegung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten handelt, zu der zwar jedes Gericht berufen ist, eine
höchstrichterlicher Rechtsprechung aber sinnvoll ist.