Urteil des LSG Bayern vom 13.06.2002

LSG Bayern: seminar, zahnärztliche behandlung, fahrkosten, krankenversicherung, krankenkasse, kurs, zahnarzt, besuch, trennung, ausgabe

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.06.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 18 KR 386/98
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 66/02
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30. August 2001 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für die Teilnahme an einem Pendelkurs und Material für eine Einhandrute sowie die
Fahr- kosten (Gesamtbetrag 150,00 DM (= 76,50 Euro).
Die am 1955 geborene Klägerin, eine arbeitslose Diplomingenieurin, war bei der Beklagten bis Ende 1999 versichert.
Mit Schreiben vom 05.02.1998, das bei der Beklagten am 09.02. 1998 einging, beantragte sie die Übernahme der
Kosten für ein Seminar über Elektroakupunktur nach Voll und über "Applied Kinesiology" (Pendelkurs) sowie der
Fahrkosten. Das Seminar fand am 08.02.1998 in Kirchseeon/Oberbayern statt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.02.1998 die Kostenübernahme ab, gegen den die Klägerin am 20.02.1998
Widerspruch einlegte. Am 05.03.1998 erließ die Beklagte einen ergänzenden Bescheid und wies mit
Widerspruchsbescheid vom 24.06.1998 den Rechtsbehelf mit der Begründung zurück, das Seminar stelle keine
Maßnahme der Krankenbehandlung dar. Damit scheide auch eine Übernahme der Fahrkosten aus.
Die Klägerin hat mit der Klage vom 30.07.1998 beim Sozialgericht München (SG) geltend gemacht, sie habe in dem
Seminar die Pendeltechnik erlernt. Es seien Kosten für den Kurs und die schriftlichen Unterlagen, die Fahrt sowie
Materialkosten für eine Einhandrute von insgesamt von 115,83 DM angefallen. Zugleich hat die Klägerin
Prozesskostenhilfe beantragt. Das SG hat mit Beschluss vom 20.09.1999 Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 05.04.2000 die dagegen eingelegte Beschwerde
zurückgewiesen (Az.: L 4 B 407/99 KR PKH). Das SG hat am 31.07.2001 die vorliegende Streit- sache mit anderen
verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 30.08. 2001 die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid
abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 27.09.2001 mit der sie gleichzeitig wieder Prozesskostenhilfe
beantragt. Sie macht geltend, durch das Pendeln, das zu den alternativen Testmethoden gehöre, könnten
Unverträglichkeiten von Medikamenten und Nahrungsmitteln erkannt werden; sie könne auch Zahnmaterialien
austesten. Die Kosten für den Kurs, das Material sowie die Fahrten seien insgesamt mit 150,00 DM zu
veranschlagen. Der Senat hat mit Beschluss vom 06.05.2002 Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 30.08.2001 sowie die zugrundeliegenden Bescheide vom
12.02. und 05.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1998 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, die Kosten für den Pendelkurs, das Material und die Fahrten in Höhe von insgesamt 76,50 Euro zu er-
statten, hilfsweise ein Gutachten zur Wirksamkeit des Auspendelns einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat aus Gründen der Übersichtlichkeit mit Beschluss vom 18.03.2002 die vorliegende Streitsache
abgetrennt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG.
Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des
Beschwer- degegenstanden lag im maßgebenden Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels und vor der Trennung
durch den Senat über 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG a.F.).
Die Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat aus mehreren Gründen keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Seminar, der Fahrkosten
sowie der Materialkosten für eine Einhandrute.
Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V), der entweder das Unvermögen der
Krankenkasse, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen, oder eine rechtswidrige Ablehnung der
Leistung vor der Selbstbeschaffung voraussetzt, besteht nicht.
Die Beklagte hat die beantragten Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt. Der geltend gemachten Kostenerstattung
steht zunächst die fehlende Antragstellung vor Beginn der Maßnahme entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG Urteil vom 10.02. 1993 SozR 3-2200 § 182
Nr.15; Urteil vom 24.09.1996 BSGE 79, 125) sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu
erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen
und deren Entscheidung abzuwarten. Dies hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht getan, da ihr Antrag auf
Übernahme der Seminar- und Fahrkosten bei der Beklagten erst nach Besuch des Seminars eingegangen ist.
Außerdem fällt ein Seminar über die Elektroakupunktur nach Voll und über die Pendeltechnik nicht unter den
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, d.h. die Vermittlung entsprechender Kenntnisse lässt sich
nicht den Leistungsarten der gesetzlichen Krankenversicherung und insbesondere nicht der Krankenbehandlung
zuordnen (§§ 11, 27 SGB V). Damit entfällt von vornherein die Möglichkeit, Fahrkosten (§ 60 SGB V) zu übernehmen.
Denn nach § 60 Abs.1 SGB V wird vorausgesetzt, dass die Kosten im Zusammenhang mit einer Leistung der
Krankenkasse notwendig sind. Ebensowenig lässt sich die Ausgabe der Klägerin für das Material zur Herstellung einer
Einhandrute mit einer von den Krankenkassen geschuldeten Leistung in Verbindung bringen (§§ 11 Abs.1 Nr.4, 27, 32,
33 SGB V). Schließlich steht dem Erstattungsbegehren der Klägerin auch der Arztvorbehalt des § 15 Abs.1 SGB V
entgegen. Danach wird ärztliche oder zahnärztliche Behandlung von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. Sind
Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn sie
vom Arzt oder Zahnarzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Der von der Klägerin vorgelegten Einladung zu
dem Seminar ist nicht zu entnehmen, dass diesen Erfordernissen Genüge getan worden ist. Damit war auch das
beantragte Sachverständigengutachten nicht einzuholen (§ 106 Abs.3 Nr.5 SGG).
Es hat im vorliegenden Fall auch an einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des § 13 Abs.3 SGB V gefehlt.
Hierunter fallen nur dringende Leistungen, die die Krankenkassen als Sachleistungen hätten erbringen müssen, d.h.
die Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Dies ist zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).