Urteil des LSG Bayern vom 20.01.2011

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Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 20.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 22 AS 3258/10 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 21/11 B ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der hälftigen Kautionskosten und die
Übernahme der laufenden Unterkunftskosten für eine neu bezogene Wohnung. Die Antragsgegnerin ist ein
kommunaler Träger, es besteht keine Arbeitsgemeinschaft im Zuständigkeitsbereich.
Der 1973 geborene Antragsteller bezieht seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Er wohnte in der bisherigen und aktuell
auch in der neuen Wohnung zusammen mit seiner 1976 geborenen Lebenspartnerin, die wegen eines Studiums vom
Bezug von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen ist. Zuletzt wohnte er ihn B. im Landkreis E. und erhielt er Leistungen
der dortigen Arbeitsgemeinschaft. Der Antragsteller betreibt laut Internetrecherche des Gerichts einen gewerblichen
Reklamationsservice. Im mit Urteil vom 30.08.2010 entschiedenen Berufungsverfahren L 7 AS 12/10 ging es darum,
dass der Antragsteller sich weigerte, eine Einkommensprognose zu seiner selbständigen Tätigkeit als
Vermittlungsagent zu erstellen.
Mit Urteil vom 23.09.2010 verurteilte das Amtsgericht den Antragsteller und seine Lebenspartnerin, die Wohnung in B.
herauszugeben. Der Gerichtsvollzieher bestimmte den Räumungstermin auf den 16.12.2010.
Am 16.11.2010 wandte sich der Antragsteller telefonisch an die Antragsgegnerin und teilte ihr mit, dass er
beabsichtige, eine Wohnung in H. anzumieten. Die Kaltmiete betrage 620,- Euro, die Betriebskosten betragen 110,-
Euro monatlich. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller am Telefon mit, dass die angemessene Kaltmiete für
zwei Personen nur 560,- Euro betrage und einem Umzug nicht zugestimmt würde. Am 17.11.2010 unterschrieben der
Antragsteller und seine Lebenspartnerin den Mietvertrag. Darin sind eine Staffelmietvereinbarung (wohl jeweils 40,-
Euro Mieterhöhung zum Dezember 2012 und Dezember 2014) und eine Kaution in Höhe von 1860,- Euro (drei
Monatsmieten) enthalten.
Am 18.11.2010 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Die
Antragsgegnerin solle verpflichtet werden, die Hälfte der Mietkaution (930,- Euro) und unverzüglich einen Vorschuss
auf die Hälfte der laufenden Miete (365,- Euro) in bar zu bezahlen. Die Lebenspartnerin sei ungarische Staatsbürgerin,
von BAföG ausgeschlossen und arbeite neben dem Studium. Vorgelegt wurden Gehaltsbescheinigungen über
monatlich 867,- bzw. 778,- Euro Nettomonatsverdienst. Er habe Anträge auf Zuteilung einer öffentlich geförderten
Wohnung gestellt, es sei jedoch nur eine Wohnung zum 01.02.2011 in Aussicht gestellt worden. Er habe sich intensiv
um eine Ersatzwohnung bemüht. Aufgrund der drohenden Räumung habe der Mietvertrag der neuen Wohnung
unterschrieben werden müssen. Die von der Antragsgegnerin ermittelte Mietobergrenze entspreche nicht der
Rechtsprechung des BSG.
Die ARGE E. teilte mit, dass dort keine Zustimmung zu Umzug beantragt wurde. Nachdem der Antragsteller mit
Schreiben vom 14.12.2010 den Umzug mitteilte, hob die ARGE E. mit Bescheid vom 20.12.2010 die bisherige
Bewilligung zum 01.01.2011 auf.
Mit Beschluss vom 08.12.2010 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antrag auf
Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung sei unzulässig, soweit er sich auf eine Zusicherung nach §
22 Abs. 2 SGB II beziehe, weil hierfür der bisherige Leistungsträger (Landkreis E.) zuständig sei und dort kein
entsprechender Antrag gestellt worden sei. Dass die tatsächlichen Unterkunftskosten kurz nach Antragstellung nicht
gezahlt würden, habe der Antragsteller selbst zu vertreten, weil er die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II nicht
eingeholt habe. Bei summarischer Prüfung sei auch die von der Antragsgegnerin ermittelte Mietobergrenze nicht zu
beanstanden. Eine Zusicherung sei für die bereits fällige Mietkaution ein überflüssiger Zwischenschritt, so dass das
Begehren auf die Übernahme der Mietkaution gehe. Allerdings sei die Zusicherung im Sinn von § 22 Abs. 3 SGB II ein
Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf die Mietkaution. Ein Anspruch auf Übernahme der Mietkaution bestehe nicht,
weil der Umzug nicht notwendig nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II sei, weil die neue Wohnung nicht angemessen sei.
Eine Zusicherung nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II stehe im Ermessen der Behörde, für eine Ermessensreduzierung
zugunsten des Antragstellers bestehe kein Anhalt. Der Beschluss wurde am 15.12.2010 zugestellt.
Mit Schreiben vom 09.12.2010 lehnte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller die beantragte Zahlung eines
Vorschusses ab, weil keine aktuelle Mietbescheinigung vorgelegt worden sei und das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit
gemäß § 44a SGB II von der zuständigen Bundesagentur für Arbeit festzustellen sei.
Mit Schreiben vom 03.01.2011 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht München einen Eilantrag wegen der
Regelleistung und einen weiteren Eilantrag wegen der Hälfte der laufenden Kosten der Unterkunft.
Am 12.01.2011 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München erhobenen. Die
Antragsgegnerin habe am 16.11.2010 mitgeteilt, keinerlei Kosten zu übernehmen, weil die Wohnung unangemessen
sei. Bislang sei nichts bezahlt worden. Die Antragsgegnerin sei für den Umzug sehr wohl zuständig, was sich aus
deren Einlassung ergebe. Es sei anmaßend, wenn die Antragsgegnerin von ihm Nachweise zur intensiven
Wohnungssuche fordere. Das Recht auf Freizügigkeit sei zu beachten. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze
entspreche nicht der Rechtsprechung des BSG. Er habe am 24.12.2010 im Internet 17 Wohnungen im Landkreis M.
festgestellt, aber keiner der Wohnungsmakler sei bereit, an einen Hartz-IV Empfänger zu vermieten.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.12.2010 aufzuheben und
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die Hälfte der Mietkaution (930,- Euro) und ab
01.12.2010 die laufenden Miete von monatlich 365,- Euro zu bezahlen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die
Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu
Recht abgelehnt hat.
Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG der Begründung des Sozialgerichts an und
weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Weshalb der Antragsteller beim Sozialgericht mit Schreiben vom 03.01.2011 einen erneuten Antrag auf die laufenden
Kosten der Unterkunft gestellt hat, ist nicht nachvollziehbar. Exakt dieselbe Leistung hatte er - als Vorschuss in bar -
bereits im streitgegenständlichen Eilverfahren mit Schreiben vom 17.11.2010 begehrt und begehrt er auch im
Beschwerdeverfahren.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass weder für die Mietkaution noch für die laufenden Kosten der Unterkunft ein
Anordnungsgrund, das heißt eine Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung des Gerichts nachvollziehbar
dargelegt wurde. Auch aus diesem Grund ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Annahme des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe am 16.11.2010 erklärt, sie bezahle überhaupt nichts für
die neue Wohnung, weil diese nicht angemessen sei, beruht mit Sicherheit auf einem Missverständnis des
Antragstellers. Aus dem Wortlaut von § 22 Abs. 1 SGB II ergibt sich eindeutig, dass von den Kosten der Unterkunft
der angemessene Teil übernommen wird. Dies ist allen Behörden bekannt und wird auch so praktiziert.
Wenn die Antragsgegnerin aktuell noch keine Leistungen erbringt, dann liegt das daran, dass der Antragsteller selbst
Verzögerungen verursacht. Er hat sich erst mit Schreiben vom 14.12.2010 bei der ARGE E. abgemeldet, obwohl er
schon am 17.11.2010 den neuen Mietvertrag unterschrieben hatte. Deshalb hat er - teilweise zu Unrecht - für den
gesamten Dezember Leistungen der ARGE E. erhalten. Dies spricht auch gegen einen Anordnungsgrund. Dann teilte
er der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01.12.2010 mit, dass er sich nicht im Stande und nicht verpflichtet sehe,
bestimmte geforderte Angaben zu machen, weil keine Ausfüllhinweise zum Antrag übermittelt worden seien. Andere
nicht beantwortete Fragen könne er nicht ohne anwaltliche Rechtsberatung beantworten. Dieses - mit juristischen
Argumenten verknüpfte - Verhalten zieht sich wie ein roter Faden durch die Schreiben des Antragstellers. Er glaubt
scheinbar, dass er mit anhaltendem Widerstand gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten eher zum Ziel der
Leistungsgewährung kommt. Das Gegenteil ist der Fall, zumal seine juristischen Argumente in der Regel neben der
Sache liegen. Ein gerichtliches Eilverfahren hat nicht den Zweck, gesetzlich vorgesehene und zumutbare
Mitwirkungshandlungen im Verwaltungsverfahren zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.