Urteil des LSG Bayern vom 30.07.2004

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.07.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 4 AL 223/02
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 386/03
Bundessozialgericht B 11 AL 293/04 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Juni 2003 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Reisekosten und die Erstattung von 1.570,80 DM
bzw. 802,73 Euro streitig.
Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Bankkaufmann. Er war bis 31.03.1997 als Organisationsleiter bei der
Kreissparkasse beschäftigt und erhielt ab 01.04.1997 Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit am 26.01.1999.
Am 04.06.1998 hatte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Reisekosten gestellt. Diesen Antrag reichte er erst
am 29.03.2000 bei der Beklagten ein und gab an, sich am 12.04., 15.06., 02.11.1998 und 18.10.1999 bei einer Firma
K. mit Sitz in den Niederlanden vorgestellt zu haben. Er legte auf Aufforderung hin eine von einem Herrn M.
unterzeichnete schriftliche Erklärung vom 13.03.2000, die den Briefkopf der Firma K. trägt, vor, wonach dieser die
Vorstellungsgespräche 15.06., 02.11.1998, 12.04. und 18.10.1999 bestätige.
Mit Bescheid vom 31.03.2000 bewilligte die Beklagte die Erstattung von Fahrkosten für drei Vorstellungsgespräche
am 15.06., 02.11.1998 und 18.10.1999 in Höhe von insgesamt 1.390,80 DM, wobei sie pro zurückgelegten Kilometer
0,38 DM erstattete. Auf den Widerspruch hin, mit dem Übernachtungskosten und höhere Fahrtkosten geltend gemacht
wurden, bewilligte sie zusätzlich die Übernahme von Übernachtungskosten in Höhe von 180,- DM und wies im Übrigen
den Widerspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobene Klage S 1 AL
389/00 wies dieses mit Urteil vom 14.08.2001 ab.
Noch während dieses Klageverfahrens hatte die Beklagte eine Anfrage an die Firma K. vom 26.07.2001 gerichtet.
Diese teilte schließlich mit Schreiben vom 24.10.2001 mit, Herr B. M. sei zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter ihrer Firma
gewesen. Man habe seine Firma B. für Ladetätigkeiten "angemietet"; Anwerbung und Annahme von Lagerpersonal
hätten nur in Absprache mit dem zuständigen Leiter der Filiale in den Niederlanden erfolgen dürfen. Diese Filiale werde
Ende November definitiv geschlossen. Von Herrn M. habe man telefonisch die Auskunft erhalten, er habe den Kläger
niemals zu Vorstellungen aufgefordert. Der Kläger habe ihn um einen Job und ein Gespräch gebeten. Es seien zwei
Gespräche geführt worden, und zwar eines in dem Privathaus des Herrn M. und eines anläßlich einer Hundemesse in
Deutschland. In dem ersten Gespräch sei es um einen Arbeitsplatz als Lagerarbeiter gegangen, bei dem zweiten um
eine Stelle als Buchhalter; in beiden Fällen habe Herr M. nichts für den Kläger tun können. Die Ausführungen in dem
Schreiben vom 13.03.2000 beruhten auf einem Sprachmissverständnis. Herr M. habe diese Gespräche als B. führen
wollen und irrtümlicherweise das Papier der Firma K. benutzt.
Von der Beklagten auf eine bevorstehende Aufhebung und Erstattung hingewiesen gab der Kläger an, ihm sei bekannt
gewesen, dass Herr M. für die Firma K. tätig gewesen sei; eine Legitimation habe er nicht verlangt, da dies nicht
üblich sei. Für Rückfragen sei Herr M. über eine Handy-Nummer erreichbar.
Mit Bescheid vom 13.12.2001 hob die Beklagte die Bewilligung der Reisekosten auf und forderte die Erstattung von
1.570,80 DM. Die Bewilligung sei unter der Voraussetzung erfolgt, dass die beruflichen Eingliederungschancen
verbessert würden und der Arbeitgeber mehrere Gespräche für notwendig erachtet und ihn deshalb wiederholt zu
Vorstellungen eingeladen habe. Nach Auskunft der Firma K. sei er niemals zu Vorstellungsgesprächen aufgefordert
worden, auch nicht von Herrn M ... Den Widerspruch, mit dem der Kläger angab, sich am 11.01.1998 schriftlich bei
Herrn M. , der ihm aufgrund privater Kontakte als Mitarbeiter der Firma K. vorgestellt worden sei, beworben zu haben,
wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 als unbegründet zurück. Der Kläger habe gewusst, dass
kein Gespräch bei der Firma K. stattgefunden habe.
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach seinem Rechtsempfinden hätte die Beklagte
Rückforderungsansprüche in dem Verfahren S 1 AL 389/00 einbringen müssen. Er versuche, von Herrn M. eine
Bestätigung zu erhalten, wonach ihm nicht bekannt gewesen sei, in welchem Vertragsverhältnis er zur Firma K.
gestanden habe, und dass die drei Termine stattgefunden hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe hat es im Hinblick auf § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgesehen.
Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, nicht gewusst zu haben, dass Herr M. die Gespräche nicht im
Auftrag der Firma K. geführt habe. Er habe ihm jedenfalls nicht mitgeteilt, dass er Mitarbeiter für sein eigenes
Subunternehmen gesucht habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.06.2002 und den
Bescheid der Beklagten vom 13.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der
Verfahrensakten beider Rechtszüge und der Klageakte S 1 AL 389/00 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1
SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 31.03.2000 liegen gemäß §§ 45 Abs.2
Satz 3 Nr.2, Abs.4 Satz 1 SGB X, 330 Abs.2 SG III vor. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen von Anfang
an rechtswidrigen Bescheid. Die Beklagte hat die Erstattung von Reisekosten in Höhe von DM 1.570,- bewilligt für
Vorstellungsgespräche mit der Firma K. in den Niederlanden; bei dieser Firma haben jedoch keine
Vorstellungsgespräche stattgefunden.
Dieser Bewilligungsbescheid wäre selbst dann nicht rechtmäßig, wenn nachgewiesen wäre, dass der Kläger sich an
den angegebenen Tagen in der Firma des Herrn B. M. vorgestellt habe und hierbei die Kosten in der bewilligten Höhe
angefallen wären. Denn die Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit Fahrten zu Vorstellungsgesprächen steht
gemäß §§ 45 Satz 2 Nr.2, 46 Abs.2 SGB III im Ermessen der Beklagten. Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung
liegt nur vor, wenn ihr ein zutreffender Sachverhalt zugrunde liegt. Dies ist hier nicht der Fall, da die
Vorstellungsgespräche bei der Firma K. , für die Kosten übernommen wurden, nicht stattgefunden haben. Eine
Umdeutung der in dem Bewilligungsbescheid getroffenen Entscheidung in eine solche, bezogen auf
Vorstellungsgespräche bezüglich einer Einstellung in der Firma des Herrn B. M. , ist nicht möglich. Vielmehr würde
dies eine eigene Ermessensentscheidung voraussetzen, bei der die Beklagte zu prüfen gehabt hätte, ob die Art der
Einladungen und Bewerbungen und die damit verbundene Aussicht auf eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben
eine Förderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtfertigten. Eine solche Entscheidung liegt aber nicht
vor.
Die rechtswidrige Entscheidung der Beklagten beruht auf den Angaben des Klägers, die dieser zumindest grob
fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat. Der Kläger hat im Rahmen des Klageverfahrens S 1 AL
389/00 angegeben, die Vorstellungsgespräche - und zwar mehr als die drei durch Übernahme der Reisekosten
geförderten - hätten an drei verschiedenen Firmensitzen der Firma K. stattgefunden. Er hat keine Erklärung dafür
angeboten, weshalb ihm bei diesen zahlreichen Kontakten nicht habe klar werden können, dass Herr M. nicht
Angestellter der Firma K. sei.
Zudem ist nicht nachgewiesen, dass förderungsfähige Vorstellungsgespräche bei Herrn M. überhaupt stattgefunden
haben. Die bloße Anfrage nach einem Arbeitsplatz rechtfertigte jedenfalls nicht mehrere Fahrten in die Niederlande; für
die in der schriftlichen Auskunft der Firma K. geschilderte Kontaktaufnahne hätte eine telefonische Anfrage genügt.
Zudem wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, nachzuweisen, dass solche Vorstellungsgespräche mit Herrn M.
stattgefunden haben. Die im Klageverfahren angekündigte schriftliche Bestätigung des Herrn M. hat der Kläger nicht
vorgelegt. Zwar trägt die Beklagte in dem Verfahren nach § 45 SGB X grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen
der Voraussetzungen, die die Rücknahme des begünstigenden Bescheides rechtfertigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn
der Bescheid auf objektiv unrichtigen Angaben des Antragstellers beruht, und dieser nun einen anderen Sachverhalt
vorträgt; in diesem Fall obliegt ihm die Beweisführungslast dahingehend, dass die von ihm jetzt vorgebrachten neuen
Tatsachen zutreffend sind. Der Kläger konnte sich nicht damit begnügen, lediglich eine Handy-Nummer des Herrn M.
anzubieten. Bei diesem Sachverhalt durfte sich die Beklagte jedenfalls darauf beschränken, von der schriftlichen
Auskunft der Firma K. und den darin angegebenen Äußerungen des Herrn M. , deren Richtigkeit der Kläger nicht
widerlegt hat, auszugehen.
Das Vorbringen des Klägers, die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides hätte in dem Verfahren S 1 AL 89/00
geklärt werden müssen, geht ins Leere. Zwar hat die Beklagte die Ermittlungen mit dem Ziel, die Rechtsmäßigkeit der
Entscheidung zu überprüfen, noch während dieses Klageverfahrens eingeleitet; dass die Auskunft der Firma K. erst
nach Abschluss dieses Klageverfahrens einging, bedeutet aber nicht, dass damit eine Aufhebung dieses Bescheides
ausgeschlossen wäre. Gegenstand des Verfahrens war nicht die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides, soweit er
überhaupt Leistungen bewilligt hat, sondern ausschließlich die Bewilligung höherer Leistungen. Die Rücknahme dieses
Bescheides, soweit er einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, ist aber innerhalb der Fristen des § 45 Abs.3,
Abs.4 Satz 2 SGB X jederzeit möglich. Die Jahresfrist des § 45 Abs.4 SAtz 2 SGB X, die frühestens mit dem
Eingang des Schreibens der Firma K. vom 24.10.2001 begann, hat die Beklagte mit dem am 13.12.2001 erlassenen
Bescheid eingehalten.
Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 17.06.2003 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.