Urteil des LSG Bayern vom 22.07.2008

LSG Bayern: widerspruchsverfahren, abfindung, arbeitsentgelt, beendigung, einfluss, gebühr, auflage, vergleich, arbeitsunfähigkeit, arbeitskraft

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 22.07.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 4 AS 56/08 KO
Bayerisches Landessozialgericht L 7 B 467/08 AS PKH
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 07.09.2007 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II mit Wirkung vom 01.09.2007
mit der Begründung auf: "Wegfall der Hilfebedürftigkeit wegen Arbeitsaufnahme."
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie
seit Ende Juli von ihrem Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt erhalte. Die Bevollmächtigte hat schließlich mit Schreiben
vom 17.12.2007 vorgetragen, dass die Bf nach dem Auslaufen der Arbeitsunfähigkeit am 29.07.2007 ihre Arbeitskraft
mehrfach und ausdrücklich angeboten habe, dennoch vom Arbeitgeber weder beschäftigt worden sei noch Gehalt
ausbezahlt bekommen habe. Das gegen den Arbeitgeber geführte arbeitsgerichtliche Verfahren 1 Ca 1201/07 L sei mit
dem Vergleich vom 11.12.2007 beendet worden, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2007 aufgelöst werde und
die Beklagte an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine soziale Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in
Höhe von 2.500,00 EUR zahle und damit die gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
abgegolten seien.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 21.12.2007 den Bescheid vom 07.09.2007 auf und bewilligte mit Bescheid vom
gleichen Datums vorläufig Alg II. Die Erstattung der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens sagte sie zu.
Der Bevollmächtigte der Bf machte Kosten von insgesamt 642,60 EUR geltend, in seiner Aufstellung war eine
Erledigungsgebühr von 280,00 EUR nach VV 1005 enthalten.
Die Beklagte entsprach dem Antrag in Höhe von 309,40 EUR und führte aus, eine Erledigungsgebühr sei nicht
anzusetzen, da besondere Bemühungen um eine außergerichtliche Erledigung des Widerspruches nicht vorgelegen
hätten. In seinem Widerspruch machte der Bevollmächtigte geltend, eine besondere Mitwirkung sei in dem
arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit zu sehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2008 wies die Beklagte den
Widerspruch als unbegründet zurück. Die in einem anderen Verfahren als dem streitgegenständlichen
Widerspruchsverfahren entwickelte Tätigkeit des Bevollmächtigten könne eine Erledigungsgebühr nach VV 1005 nicht
auslösen.
Hiergegen hat die Bf zum Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben. Dieses hat den Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (PKH) mit Beschluss vom 30.04.2008 abgelehnt. Eine anwaltliche Tätigkeit, die ein besonderes
Tätigwerden erkennen ließe, die Streitsache ohne streitige Entscheidung zu lösen, sei für die Kammer nicht
erkennbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Bf, die geltend macht, wegen der Verweigerungshaltung der
Beklagten sei es erforderlich gewesen, einen Arbeitsgerichtsprozess zu führen. Diese Tätigkeit sei weit über die reine
Widerspruchsbegründung hinaus gegangen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Die für die Bewilligung von PKH nach § 73a SGG i.V.m. § 114
ZPO erforderliche Aussicht auf einen Erfolg der Klage ist bei summarischer Prüfung nicht gegeben.
Eine Erledigungsgebühr nach den Nrn.1002, 1005 VV RVG fällt nur an, wenn die anwaltliche Tätigkeit über die bloße
"Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinaus geht" (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2007, B 11a AR 53/06 R,
SGB 2007, 291 bis 292). Hier hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen und schließlich die Beklagte davon
überzeugt, dass die Bf ab 01.09.2007 kein Arbeitsentgelt bezog; dies rechtfertigt eine Erledigungsgebühr nicht. Das
Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens war hierfür letztlich nicht ausschlaggebend, da es für die Anrechnung
von Einkommen gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 Alg II-V auf den tatsächlichen Zufluss in dem jeweiligen Monat ankommt.
Etwaige Arbeitsentgeltansprüche wären gemäß § 115 Abs.1 SGB X auf die Beklagte übergegangen; auf sie hätte
auch im Rahmen eines Vergleiches nicht "verzichtet" werden können bzw. es wäre zu prüfen gewesen, inwieweit in
der vereinbarten Abfindung Arbeitsentgeltansprüche "versteckt" sind (vgl. Gagel/Vogt, Beendigung von
Arbeitsverhältnissen, sozial- und steuerrechtliche Konsequenzen, 5. Auflage, Rdnrn.117, 144 f.).
Unabhängig davon könnte dem arbeitsgerichtlichen Verfahren lediglich ein mittelbarer Einfluss auf den
streitgegenständlichen Anspruch auf Alg II zuerkannt werden, der die Ansetzung einer zusätzlichen Gebühr nicht
rechtfertigen kann. Die Bf hatte ein eigenes Interesse an der Durchsetzung ihrer Arbeitsentgeltansprüche, da diese
nicht in voller Höhe auf das Alg II angerechnet werden. Die Verfolgung dieser Ansprüche ist im Rahmen der
Kostenauseinandersetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abzugelten und kann die Gebührenfestssetzung des
Widerspruchsverfahrens nicht beeinflussen. Der Bf ist für das arbeitsgerichtliche Verfahren PKH bewilligt worden, die
dadurch entstandenen Gebühren sind deshalb von der Staatskasse zu tragen. Die Ansetzung einer zusätzlichen
Erledigungsgebühr für das Widerspruchsverfahren würde bedeuten, dass für dieselbe Tätigkeit doppelte Gebühren
anfallen. Dies ist nicht gerechtfertigt.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).