Urteil des LSG Bayern vom 15.06.2007

LSG Bayern: ablauf der frist, tod, klagefrist, form, beerdigung, bekanntgabe, verschulden, ergänzung, krankheit, belastung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.06.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 9 AS 521/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 246/06
Bundessozialgericht B 14 AS 176/07 B
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 6. September 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II in der Zeit vom 01.10.2005 bis 31.05.2006 streitig.
Die Beklagte bewilligte dem 1949 geborenen Kläger zunächst mit Bescheid vom 21.07.2005 für die Zeit vom 09. bis
30.06.2005 253,00 Euro und für die Zeit vom 01.07. bis 30.11.2005 monatlich 345,00 Euro Alg II. Mit
Kürzungsbescheiden vom 08.08. und 19.09.2005 wurden die Leistungen ab 01.08. herabgesetzt, für Oktober 2005
schließlich auf 138,00 Euro, für November auf 241,50 Euro; die hiergegen eingelegten Widersprüche nahm der Kläger
später zurück.
Mit weiterem Kürzungsbescheid vom 25.10.2005 wurde die Leistung ab 01.11.2005 für drei Monate um 103,50 Euro
monatlich auf 138,00 Euro herabgesetzt. In seinem Widerspruch rügte der Kläger u.a. die fehlende Berücksichtigung
von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Mit Bescheid vom 08.02.2006 half die Beklagte dem Widerspruch
teilweise ab und bewilligte unter Anerkennung von KdU von 82,53 Euro für die Zeit vom 01.10. bis 30.11.2005
monatlich 220,53 Euro. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 als
unbegründet zurück. Höhere KdU seien nicht zu erstatten, da es sich bei dem vom Kläger vorgelegten Mietvertrag, in
dem seine Mutter als Vermieterin bezeichnet sei, um ein Scheingeschäft handle.
Mit Bescheid vom 23.12.2005 bewilligte die Beklagte Alg II für die Zeit vom 15.12.2005 bis 30.06.2006, wobei für
Januar 2006 die Regelleistung um 100 % und für Februar und März 2006 um 70 % gekürzt wurde. Mit
Änderungsbescheid vom 08.02.2006 wurden für den streitigen Zeitraum KdU in Höhe von monatlich 82,53 Euro
bewilligt und im Übrigen der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2006 als unbegründet
zurückgewiesen.
Mit einem beim Sozialgericht Augsburg (SG) am 30.06.2006 eingegangen Schreiben hat der Kläger Klage erhoben und
geltend gemacht, die Klagefrist habe er wegen einer schweren Erkrankung seiner Mutter, die am 18.05.2006
schließlich verstorben sei, nicht einhalten können. Die Beerdigung habe am 23.05.2006 stattgefunden. Bereits knapp
vier Wochen später habe er nach vorherigen Besprechungsterminen mit seinem Bevollmächtigten Klage erhoben.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2006 die Klage abgewiesen. Diese sei unzulässig. Die
Widerspruchsbescheide seien dem Bevollmächtigten des Klägers am 07.04.2006 bekannt gegeben worden, die Klage
wäre deshalb spätestens am 07.05.2006 zu erheben gewesen. Wiedereinsetzungsgründe gemäß § 67
Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor. Der Kläger habe gegen diverse Bescheide der Beklagten rechtzeitig
Widerspruch eingelegt, z.B. im fraglichen Zeitraum durch seinen Bevollmächtigten am 27.04. gegen einen Bescheid
vom 20.04.2006. Darüber hinaus habe er bei der Beklagten sogar kurz nach dem Tod seiner Mutter am 24.05.2006
persönlich vorgesprochen und habe zwischen dem Zeitpunkt des Todes seiner Mutter und der Klageerhebung einen
Neuantrag gestellt. Nach seinen eigenen Angaben sei vor dem Tod seiner Mutter ein mobiler Pflegedienst im Einsatz
gewesen.
Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, er habe die Klagefrist nicht
einhalten können, da sich der Zustand seiner Mutter täglich verschlechtert habe und diese nach Ablauf der Frist im
eigenen Haus verstorben sei. Seit 01.08.2006 erhalte er keinerlei Zahlungen mehr, obwohl er das Geld für seinen
Lebensunterhalt benötige und laufende Nebenkosten zu tragen habe.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom
06.09.2006 und des Bescheides vom 25.10.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 08.02.2006 und des
Widerspruchsbescheides vom 05.04.2006 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 23.12.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.10.2005 bis 31.05.2006 die
ungekürzte Regelleistung von monatlich 345,00 Euro und weitere Kosten der Unterkunft von monatlich 300,00 Euro zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der
Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die nach § 87 Abs.1 Satz 1 SGG geltende Monatsfrist nach
Bekanntgabe der Widerspruchsbescheide nicht eingehalten wurde. Die vom Kläger mit seiner Klage vorgelegten
Widerspruchsbescheide sind laut Eingangsstempel bei seinem Bevollmächtigten am 07.04.2006 eingegangen. Die am
30.06.2006 erhobene Klage ist somit eindeutig verfristet, da die Widerspruchsbescheide die zutreffende
Rechtsbehelfsbelehrung enthalten haben, dass beim Sozialgericht Augsburg innerhalb eines Monats nach
Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage erhoben werden kann.
Zutreffend hat das SG dargelegt, dass Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 67 Abs.1 SGG nicht vorliegen. Trotz
der anzuerkennenden Belastung durch die Krankheit und den Tod der Mutter war es dem Kläger zumutbar, zumindest
seine Bevollmächtigten mit der Klageerhebung zu beauftragen, zumal er ausführt, es hätten mehrere
Besprechungstermine mit diesen Bevollmächtigten stattgefunden. Selbst wenn man für die Zeit bis zum Tod bzw. bis
zur Beerdigung der Mutter annehmen wollte, der Kläger wäre ohne Verschulden verhindert gewesen, die Klagefrist
einzuhalten, so hätte gemäß § 67 Abs.2 Satz 1 SGG der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen eines Monats nach
Wegfall dieses Hindernisses gestellt werden müssen. Auch diese Monatsfrist hat der Kläger mit der erst am
30.06.2006 eingegangenen Klage nicht eingehalten.
Dem Senat ist somit eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide verwehrt. Soweit der Kläger
geltend macht, er erhalte seit 01.08.2006 keine Zahlungen mehr, ist dies nicht Streitgegenstand, da die hier
angefochtenen Bescheide lediglich den Zeitraum bis 30.06.2006 betreffen.
Somit war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 06.09.2006 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.