Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2017

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LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.2.2017, L 8 U 1754/16
Leitsätze
Ein Unternehmen, das die planmäßige, zum Wohl der Allgemeinheit und nicht - allein - zum Zwecke des
Erwerbes ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für notleidende oder (hier
gesundheitlich) gefährdete Mitmenschen zum Zweck hat, gehört zur Wohlfahrtspflege.
Dabei kommt dem Aspekt der fehlenden Erwerbsausübung große Bedeutung zu, wenn das Unternehmen ohne
Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Dieses Merkmal hat aber keine Ausschlusswirkung für die positive
Feststellung der Wohlfahrtspflege, wenn eine Gewinnabsicht zu bejahen ist, sofern diese nicht den
Unternehmenszweck dominiert oder das soziale Gepräge in den Hintergrund drängt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.03.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 33.005,82 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die als Mitglied der Beklagten geführte Klägerin an die Beigeladene
zu überweisen ist.
2 Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, deren Gesellschafter das Sozialunternehmen N. A. gGmbH und
das Behindertenzentrum S. e.V. sind. Die Gesellschaft wurde im September 2004 gegründet und bot
zunächst behinderten Menschen Beschäftigungen u.a. in der Holzproduktion und der Vermarktung von
Möbeln. Seit 2013 betreibt die Klägerin auch mehrere C.-Lebensmittelläden. Insgesamt besteht die Klägerin
aktuell aus den Unternehmensbereichen Holzverarbeitung, C. Lebensmittelmärkte, Garten und Natur, EBI
Raumausstattung und Malerwerkstatt (vgl. den Internetauftritt der Klägerin unter
http://www.n...de/index.php), in denen zu einem hohen Anteil behinderte Menschen beschäftigt sind (vgl.
Internetauftritt der Klägerin). Im Internet beschreibt sich die Klägerin wie folgt:
3
„Um die Berufschancen für Menschen mit Behinderung in der Region S. zu verbessern, hat das
Sozialunternehmen N. gGmbH zusammen mit dem Behindertenzentrum S. e.V. im September 2004 die „N.
– U. f. I. gGmbH“ gegründet. Dabei ist die N. Arbeit an diesem Projekt zu 80 Prozent beteiligt, das
Behindertenzentrum S. e.V. zu 20 Prozent. In der N. sind langzeitarbeitslose und behinderte Menschen in
der Holzverarbeitung und in C.-Lebensmittelmärkten tätig.
4
Der Unternehmensauftrag der N. gGmbH ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und benachteiligten Menschen
die Integration in die Arbeitswelt zu ermöglichen.
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Die Arbeiten in der Holzverarbeitung und den C.-Lebensmittelmärkten sind einfach und stellen ausreichend
geeignete Arbeitsplätze für den sozialen Auftrag bereit.“
6 Der Gesellschaftsvertrag enthält – auch in der aktuell gültigen Fassung folgende Regelungen:
7
Präambel
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Ein sichtbares Zeichen christlichen Glaubens ist die praktizierte Nächstenliebe. Das Unternehmen versteht
sich als Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. In diesem Sinne
fühlt sich die Firma „N. Unternehmen für Integration gGmbH" besonders den Menschen mit Behinderung
verpflichtet und versucht, gesellschaftliche Teilhabe durch Perspektive auf Arbeit umzusetzen. N. versteht
sich in allen Einrichtungen als Werk der christlichen Gemeinde. Das Unternehmen nimmt teil am Auftrag
der Kirche und ist Mitglied im jeweiligen Diakonischen Werk der jeweiligen Landeskirche, auf dessen Gebiet
es tätig ist.
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§ 1 Firma und Sitz
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§ 2 Gegenstand des Unternehmens
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Das Unternehmen verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke im Sinne
des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung; das Unternehmen ist damit selbstlos
tätig. Das Unternehmen verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
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Der Satzungszweck des Unternehmens wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die Gesellschaft:
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a) schwerbehinderte Menschen fördert.
b) Regelarbeitsplätze für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 132 SGB IX Abs.
1 anbietet. Der Anteil d. schwerbehinderten Beschäftigten soll mindestens 40% v. H. aller Beschäftigten
betragen.
c) Ausbildungsplätze für Behinderte und schwer vermittelbare Jugendliche bereitstellt.
d) Praktika und Erprobungsmaßnahmen für WfBM-Beschäftigte einrichten wird.
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Die Gesellschaft darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art erwerben, vertreten oder sich an
solchen Unternehmen beteiligen. Sie darf auch Geschäfte vornehmen, die der Erreichung und Förderung
des Unternehmenszwecks dienlich sein können. Sie darf auch Zweigniederlassungen errichten.
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Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die gesellschaftsvertraglichen Zwecke verwendet werden. Es darf
keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind oder durch unverhältnismäßig
hohe Vergütungen begünstigt werden.“
17 Zur Verwirklichung ihres Unternehmensgegenstandes beschäftigte die Klägerin zunächst Langzeitarbeitslose
und behinderte Menschen in der Holzproduktion. Zum 01.11.2013 übernahm sie mehrere C.-
Lebensmittelmärkte, wo dauerhaft sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für behinderte
Menschen geschaffen werden sollen (aktuelle Standorte laut Internetsite: B., B., E. , G.-H., K., M. G. K., M.,
M.-L., M., S. , S.-F. , S.-G. , S.-H., S.-R., S.-W., W.-B.).
18 Mit Schreiben vom 11.04.2012 teilte die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), bei der die Klägerin
zunächst Mitglied war, der Beklagten mit, sie halte sich für das Unternehmen der Klägerin nicht für
zuständig (dazu vgl. auch den Bescheid der VBG vom 17.07.2012, Blatt 24 der Beklagtenakte). Die
Beklagte leitete daraufhin ein Prüfungsverfahren ein und stellte mit Bescheid vom 07.02.2013 (Blatt 25 der
Beklagtenakte) ihre Zuständigkeit mit Wirkung vom 01.01.2013 fest. Der hiergegen geführte Widerspruch
(Blatt 31 der Beklagtenakte) wurde zurückgenommen (Blatt 42 der Beklagtenakte). Hinsichtlich des
Veranlagungsbescheids vom 07.02.2013 (Blatt 26 der Beklagtenakte) und des Beitragsbescheids vom
23.04.2014 (Blatt 98 der Beklagtenakte) waren bzw. sind Rechtsstreite beim Sozialgericht (SG) Stuttgart
anhängig (S 21 U 1609/14 < nach Mitteilung der Beteiligten entschieden am 21.02.2017> und S 1 U
1975/16).
19 Die Klägerin beantragte am 05.05.2014 (Blatt 99 der Beklagtenakte) die Überweisung an die BGHW, der
Beigeladenen, wegen einer von Anfang an bestehenden Unzuständigkeit der Beklagten sowie einer seit
01.11.2013 durch die erworbenen C.-Lebensmittelmärkte erfolgten Änderung der Zuständigkeit.
20 Die Beklagte lehnte die Überweisung an die Beigeladene mit Bescheid vom 12.05.2014 (Blatt 113 der
Beklagtenakte) ab. Grundlage für die Zuständigkeit seien Art und Gegenstand des Unternehmens.
Gegenstand der Klägerin sei nach deren Gesellschaftsvertrag, wie auch nach dem ihr bekannten
Sachverhalt, der Betrieb eines Integrationsunternehmens. Auch bei den übernommenen C.-Märkten handle
es sich vom Gegenstand her um ein Integrationsunternehmen, weshalb deren Übernahme nichts am
zuständigen Unfallversicherungsträger ändere. Auch die vorangehende Betreiberin der C.-Märkte, das
Sozialunternehmen N. A. gGmbH, sei ihr Mitglied gewesen.
21 Am 21.05.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Blatt 123 der Beklagtenakte), den sie u.a. damit
begründete (Blatt 135/138 = 142/148 der Beklagtenakte), dass spätestens durch Übernahme der C.-
Lebensmittelmärkte am 01.11.2013 eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48
Abs. 1 SGB X vorliege, die zu einer Zuständigkeitsänderung führe. Ihr Unternehmen sei durch Übernahme
des genannten Lebensmittelbereichs grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden. Zwar werde als
satzungsgemäßer Unternehmensgegenstand nach wie vor die Förderung schwerbehinderter Menschen
sowie insbesondere das Anbieten von Regelarbeits- und Ausbildungsplätzen genannt, jedoch verfolge sie
durch Übernahme des C.-Lebensmittelbereichs als neuem Unternehmenskern einen diffizileren und insoweit
betreffend der berufsgenossenschaftlichen Zuordnung anders gearteten tätigkeitsbezogenen Schwerpunkt.
Die C.-Lebensmittelmärkte böten Obst, Gemüse, Molkerei-, Wurst- und Fleischwaren, Backwaren, Getränke
- alles in allem ein Vollsortiment an preisgünstiger Markenware sowie „Gut und Günstig“-Artikeln zu
Discountpreisen, oft auch gekoppelt mit Sonderangeboten und Aktionen, an. Ziel sei es, ganz bewusst die
Versorgungslücken, die durch das Abwandern von Lebensmittelmärkten in den städtischen Randbezirken
entstanden seien, zu schließen und ein Vollsortiment in Wohnortnähe zur Verfügung zu stellen. Weiterhin
werde ein Bestell- und Lieferservice direkt nach Hause angeboten. Der C.-Bereich beschäftige dabei
qualifiziert und dauerhaft im Einzelhandel und bilde Verkäufer/innen und Kaufleute aus. Der
Lebensmittelbereich als nun schwerpunktdarstellender Unternehmensteil zeichne sich weiterhin dadurch
aus, dass es sich um dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handele. Die
Förderung des Bereichs mit öffentlichen Mitteln liege bei 5-10%. Zu 90-95% würden eigene Mittel
erwirtschaftet, so dass Art und Gegenstand im Schwerpunkt von Gewinnerzielungsabsicht geprägt und
vorrangig nicht der fast ausschließlich mit staatlichen Mitteln zu bewerkstelligenden Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen diene. Die Lohnstrukturen müssten insoweit auch denjenigen des ersten
Arbeitsmarktes entsprechen, wobei dies zur Wettbewerbsfähigkeit und dem Erhalt dauerhaft attraktiver
Beschäftigungsverhältnisse auf den ersten Arbeitsmarkt, eben auch für 40-45% behinderter Menschen,
erforderlich sei. Bei diesen Beschäftigten handele es sich nicht um einen Personenkreis, wie er in
Werkstätten für behinderte Menschen und typischen Beschäftigungs- und Qualifizierungseinrichtungen/-
projekten der Gefahrtarifstelle 17 vorzufinden sei, denn in diesem personell wie lohnstrukturell
unabhängigen Unternehmensbereich stehe nicht die Rehabilitation, Schulung und oftmals kurzlebige
Tätigkeitsaufnahme („Arbeitsgelegenheit“) im Vordergrund, sondern - wie bei privaten
Einzelhandelsunternehmen - gehe es in erster Linie um die Schaffung sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigungsverhältnisse und die damit notwendig verbundene Realisierung von Erlösen. Unter dem
Gesichtspunkt der fachbezogenen Unfallverhütung und des zumindest mittelbar nachteilig betroffenen
Beschäftigungskreises (3. Arbeitsmarkt) sei daher eine Überweisung unabkömmlich, um den tatsächlichen
Verhältnissen gerecht zu werden und eine Benachteiligung des dort beschäftigten Personenkreises entgegen
höherrangigen Rechts zu vermeiden. Denn mit der Zuordnung zur Beklagten und damit dort in eine wegen
der niedrigen Entlohnung und der erhöhten Risiken teuren Gefahrenklasse benachteilige die Beklagte nicht
nur die gemeinnützigen Integrationsunternehmen gegenüber gewerblichen
Integrationsunternehmen/Einzelhandelsunternehmen des ersten Arbeitsmarktes, sondern auch mittelbar die
darin beschäftigten behinderten Menschen in ihrem gesellschaftlichen Vorankommen erheblich. So bestehe
bei gewerblichen Integrationsunternehmen diese Zuordnungsproblematik nicht, obwohl sie den gleichen
Voraussetzungen zur Anerkennung als Integrationsunternehmen unterlägen und im gleichen Verhältnis
Menschen mit und ohne Behinderungen beschäftigten. Trotz des steuerlichen Status „Gemeinnützigkeit“
bestehe - im Gegensatz zu Justizvollzugsanstalten oder anderen gemeinnützigen Strukturen - kein
Wettbewerbsausschluss bei öffentlichen Aufträgen. Insofern könne für vorliegende Betriebsteile auch nicht
eine „pauschale Zuordnung“ zu „Werkstätten der Behindertenfürsorge“ erfolgen. Die Beschäftigten der C.-
Lebensmittelmärkte seien keine typischen WfbM-Zugehörigen. Weiterhin würde die Zuordnung der auf dem
freien Arbeitsmarkt „hinkenden“ Arbeitnehmer der C.-Märkte in die BGW und damit in den Bereich der
Schwerbehinderten einer WfbM sowie ebenso der zu 55 bis 60% nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer im
Lebensmitteleinzelhandel die Leistungsfähigkeit sowie Eingliederungsmöglichkeit der dortigen Beschäftigen
in der Gesellschaft falsch wiederspiegeln, d. h. diese persönlich benachteiligen und degradieren. Sowohl das
Gehaltsniveau als auch die Beschäftigtenzahlen müssten entsprechend der - im Vergleich zu anderen
gewerblichen Lebensmittelmärkten und Gaststättenbetrieben - höheren Beitragsbelastung in jedem
gemeinnützigen Integrationsunternehmen streng reglementiert werden, da die Höhe der Beiträge nach der
Anzahl der Beschäftigten und den gezahlten Gehältern ermittelt werde. Rückläufige Einstellungszahlen,
betriebsbedingte Kündigungen sowie kein Raum für Gehaltserhöhungen im Rahmen bestehender
Beschäftigungsverhältnisse seien die unausweichliche Folge. Dies könne vor dem Verbot der auch
mittelbaren Benachteiligung behinderter Menschen in gemeinnützigen Integrationsunternehmen, welche
aufgrund ihrer persönlichen Fähigkeiten und Leistungen den Schritt aus den „Werkstätten der
Behindertenfürsorge“ hinaus auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben, nicht richtig sein und werde
durch die Verfassung, Gesetze und durch das europäische Recht manifestiert. Hinsichtlich des
gemeinnützigen Zwecks sei zu trennen zwischen Zweck und Gewinnverwendungsbestimmung - und damit
steuerlicher Einordnung (§ 68 AO) - eines Unternehmens. Wenn Gewinne ausschließlich für gemeinnützige
Zwecke Verwendung fänden, habe dies nichts mit der Art und dem Risikopotential der Tätigkeit zu tun,
welche es zu versichern gelte.
22 Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2014 (Blatt 164/ 173 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den
Widerspruch zurück.
23 Die Klägerin hat am 11.12.2014 beim SG Klage erhoben. Es sei eine Änderung in den Verhältnissen
eingetreten auf Grund der Schwerpunktverschiebung ihres Unternehmens durch die C.-Lebensmittelmärkte,
weshalb ein Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene bestehe. Der Bereich der Holzproduktion sei
gleichsam zu einem bloßen Anhängsel der Lebensmittelmärkte geworden. Sie unterfalle nicht der Satzung
der Beklagten als Unternehmen der Wohlfahrtspflege sondern sei als Einzelhandelsunternehmen
entsprechend der Satzung der BGHW dieser zuzuordnen. Auch im Gesellschaftsvertrag sei an keiner Stelle
bestimmt, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen solchen der „Wohlfahrtspflege“ handele. Ihr
Gesellschaftszweck sei die Förderung der Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt, was
gerade nicht der „Wohlfahrtspflege“ entspreche, da es an jeglicher körperlichen und psychischen
Hilfeleistung fehle. Fälschlicherweise setze die Beklagte den Begriff der Gemeinnützigkeit mit dem der
„Wohlfahrtspflege“ gleich. Der Lebensmittelbereich erfülle einen eigenen wirtschaftlichen Zweck und hänge
mit der Holzproduktion nicht zusammen. Auch könne nicht auf eine interne Liste der
Integrationsunternehmen bzw. der Wohlfahrtspflege der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtspflege (BAGFW) abgestellt werden, um die Zuständigkeit der Beklagten zu bestimmen. In den C.-
Märkten gehe es nicht darum, Behinderten wegen deren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen
medizinische oder therapeutische Hilfen zu gewähren. Vielmehr sollen diese in den Arbeitsmarkt integriert
werden. Hierzu würden vollwertige Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, die sich grds. an
Marktbedingungen messen lassen müssten (Schreiben vom 26.03.2015 (Blatt 60/63 der SG-Akte). Auch der
Schluss vom Vorliegen eines Integrationsunternehmens zur Zuständigkeit der Beklagten sei nicht zwingend.
Die C.-Märkte seien nicht bloßes Anhängsel einer Werkstatt für behinderte Menschen (Schreiben vom
16.04.2015, Blatt 68/69 der SG-Akte). So sei auch im Gesellschaftsvertrag niedergelegt, dass
Gesellschaftszweck die Förderung der Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt sei (Schreiben
vom 07.05.2015, Blatt 77/80 der SG-Akte) Das aber entspreche nicht der Wohlfahrtspflege - für die es eine
gesetzliche Definition nicht gebe -, da es an jeglicher körperlichen oder psychischen Hilfeleistung fehle.
24 Das SG hat mit Beschluss vom 18.02.2016 (Blatt 92/93 der SG-Akte) die BGHW zum Verfahren beigeladen
und mit Urteil vom 23.03.2016 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Überweisung
an die Beigeladene. Es könne weder ein eindeutiger Widerspruch gegen Zuständigkeitsregeln angenommen
werden, noch führe das Festhalten an der aktuellen Zuständigkeit zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten.
Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung in den Unternehmensverhältnissen seien ebenfalls nicht
ersichtlich. Das Gericht stütze sich auf die zutreffenden Ausführungen und Erwägungen des 9. Senats des
Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19.01.2016 und schließe sich diesen
Ausführungen zur Zuständigkeit für Integrationsunternehmen an.
25 Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 11.04.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.05.2016 beim
LSG Berufung eingelegt. Sie hat u.a. ausgeführt, sie betreibe ein Unternehmen, dessen Gegenstand
schwerpunktmäßig die Bereitstellung von Arbeitsplätzen für schwer vermittelbare Personen wie etwa
körperlich oder geistig Behinderte oder Langzeitarbeitslose sei. Zunächst habe sie eine Werkstätte in der
Holzproduktion, in der vornehmlich Möbel hergestellt und vermarktet worden seien, betrieben. Zum
01.11.2013 habe sie zudem von ihrer Gesellschafterin mehrere C.-Lebensmittelmärkte erworben. Zum
01.03.2015 seien weitere fünf C.-Märkte hinzugekommen. Der Begriff der Wohlfahrtspflege könne nicht mit
dem Begriff des Integrationsunternehmens gleichgesetzt werden. Hiergegen sprächen schon systematische
und teleologische Gründe. Auch wenn ein Integrationsunternehmen vorliege, müsse es sich dabei nicht
zwangsläufig auch um einen Betrieb der Wohlfahrtspflege handeln. Wenn das Gericht schon auf den
hybriden Charakter von Integrationsunternehmen abstelle, müsse auch eine entsprechende Würdigung des
Schwerpunkts des Integrationsunternehmens möglich sein. Entscheidend für die Zuordnung zum
zuständigen Unfallversicherungsträger könne nicht der Beweggrund für die unternehmerische Tätigkeit sein,
sondern der Charakter der Tätigkeit als solcher. Es könne daraus aber nicht gefolgert werden, die Beklagte
sei per se für jedes Integrationsunternehmen zuständig, weil jedes Integrationsunternehmen einen Betrieb
der Wohlfahrtspflege darstelle. Die Begriffe der „Wohlfahrtspflege“ und des „Integrationsunternehmens“
seien aus systematischen und teleologischen Gründen strikt voneinander zu trennen. Aus dem Vorliegen
eines Integrationsunternehmens folge aber nicht zwangsläufig auch die Zuständigkeit der Beklagten.
Integrationsunternehmen seien in der BGW-Satzung nicht genannt. Die zentrale Vorschrift des § 134 SGB
IX regele, dass Integrationsprojekte aus öffentlichen Mitteln finanzielle Mittel erhalten könnten. Sinn und
Zweck der Vorschriften sei daher die finanzielle Förderung von Integrationsprojekten. Diesem Zweck
widerspreche eine gleichsam automatische sachliche Zuständigkeit der Beklagten. Die Beklagte halte für
Einrichtungen zur Förderung behinderter Menschen nur ihre Gefahrtarifstelle 17 vor, die mit Gefahrklasse
9,68 bewertet werde. Der Lebensmittelhandel werde bei der Beigeladenen dagegen in Gefahrtarifstelle l mit
der Gefahrklasse 2,55 eingruppiert. Daher sei kein Grund ersichtlich, warum aus dem Vorliegen eines
Integrationsunternehmen zwingend die sachliche Zuständigkeit der Beklagten folgen müsse. Vielmehr
komme es darauf an, ob der streitgegenständliche Betrieb eher dem Begriff „Wohlfahrtspflege“ oder
„Einzelhandel/Lebensmittelhandel“ zuzuordnen sei. Aufgrund der betrieblichen Struktur liege eher der
Betrieb eines Einzelhandels vor als ein Betrieb der Wohlfahrtspflege. Dies sei spätestens seit dem Erwerb
der C.-Lebensmittel der Fall. Ein Integrationsunternehmen könne jedenfalls nicht pauschal mit einem
„Betrieb der Wohlfahrtspflege“ gleichgesetzt werden. Der Begriff des „Integrationsunternehmens“ sei
vielmehr Oberbegriff, der die beiden Elemente „Wohlfahrtspflege“ und „wettbewerbsorientierte
Marktteilnahme“ beinhalte. Die Elemente der wettbewerbsorientierten Marktteilnahme fänden in der
angefochtenen Entscheidung keine Berücksichtigung. Insbesondere sei auch zu berücksichtigen, dass sie
ihren Überweisungsantrag vornehmlich auf die Übernahme der C.-Lebensmittelmärkte und die hierdurch
bewirkte Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gründe. Es komme also entscheidend darauf an, ob durch
die Übernahme der C.-Lebensmittelmärkte der Schwerpunkt des Unternehmens von der Wohlfahrtspflege
auf die wettbewerbsorientierte Marktteilnahme verlagert worden sei. Sei sie zunächst nur im Bereich der
Holzproduktion tätig gewesen, sei als neuer Unternehmensgegenstand nun der Lebensmittelhandel hinzu
gekommen. Dies habe das Unternehmen auch auf Dauer grundlegend umgestaltet. Nunmehr seien zwei
Drittel der Beschäftigten im Bereich des Lebensmittelhandels tätig, wo auch 75 Prozent der Löhne anfielen
und ca. 90 % des Umsatzes erwirtschaftet werde. Damit habe sich das Erscheinungsbild fundamental
geändert. Diese Umstrukturierung sei auch von Dauer. Werde dem entgegengehalten, dass der
Gesellschaftszweck unverändert geblieben sei und weiterhin schwerbehinderte Menschen beschäftigt
würden, dann begebe sich eine solche Argumentation in die Gefahr eines Zirkelschlusses. Auch stelle der
Gedanke der Integration und der Gemeinnützigkeit nur den Beweggrund für die unternehmerische Tätigkeit
dar. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung könne es aber nicht entscheidend auf die
unternehmerischen Motive ankommen. Auch gewerbliche Betriebe, die vornehmlich zur Gewinnerzielung
tätig seien, könnten Integrationsunternehmen i.S.d. § 132 SGB IX sein, wohl aber kaum unter den Begriff
der Wohlfahrtspflege gefasst werden. Entscheidend sei, ob die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
in einem Supermarkt zu gewöhnlichen und marktüblichen Bedingungen als „Wohlfahrtspflege“ oder
„wettbewerbsorientierte Marktteilnahme“ zu qualifizieren sei. Unter dem Begriff der Wohlfahrtspflege
verstehe man die planmäßige, zum Allgemeinwohl ausgeübte unmittelbare Hilfe für gesundheitlich, sittlich
oder wirtschaftlich gefährdete Menschen. Dem klägerischen Unternehmen gehe es gerade nicht darum, den
behinderten Menschen wegen deren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen medizinische oder
therapeutische Hilfe zu geben. Den behinderten Menschen werde vielmehr ein vollwertiger Arbeitsplatz zu
den marktüblichen Konditionen geboten. Spätestens seit Übernahme der C.-Lebensmittelmärkte überwiege
daher das Element der „wettbewerbsorientierten Marktteilnahme“, da die Holzproduktion in den
Werkstätten für behinderte Menschen hierdurch in den Hintergrund getreten sei. Sie betreibe daher ein
Integrationsunternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, bei dem das Element der „wettbewerbsorientierten
Marktteilnahme“ das Element der „Wohlfahrtspflege“ deutlich überwiege.
26 Die Klägerin beantragt,
27 das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.03.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheids vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2014 insoweit zu
verurteilen, sie an die Beigeladene zu überweisen sowie der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits
aufzuerlegen.
28 Die Beklagte beantragt,
29 die Berufung zurückzuweisen.
30 Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die
Berufungsbegründung unterliege dem Irrtum, dass es für die Klärung der Frage, ob die Beklagte oder die
Beigeladene sachlich für das Unternehmen der Klägerin zuständig sei, auf den Zweck des Unternehmens
nicht ankomme. Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege bestimme
sich praktisch ausschließlich nach dem Zweck, denn die Verfolgung wohlfahrtspflegerischer Zwecke sei es,
die überhaupt zur Zuständigkeit der Beklagten führe. Jedes bei der Beklagten versicherte Unternehmen
könne nach den im Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten auch einer anderen Berufsgenossenschaft
angehören. Tatsächlich habe aber der Gesetzgeber im Jahr 1929 die Beklagte errichtet und er habe sie (u.a.)
für die Unternehmen und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege gegründet. Zur Heranziehung des Zwecks für
die sachliche Zuständigkeit der Beklagten gebe es eine langjährige und gefestigte obergerichtliche
Rechtsprechung (z.B. BSG 30.04.1991 - 2 RU 36/90 -). Das SG Kassel habe insoweit entschieden, dass für
die Zuständigkeit der Beklagten als Unfallversicherungsträger nicht die organisatorische Gestaltung
maßgebend sei, sondern die Zweckbestimmung. Diese liege bei einem Integrationsbetrieb in der Integration
behinderter Menschen in Arbeit und Gesellschaft. Nur vor dem Hintergrund der Zweckbestimmung erhalte
ein Integrationsbetrieb auch seinen Gemeinnützigkeitsstatus. Aber selbst wenn man Zweifel habe, ob ein
Integrationsunternehmen in die sachliche Zuständigkeit der Beklagten oder in die einer anderen BG falle, so
werde man mindestens feststellen müssen, dass die Überweisungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Die
Klägerin bleibe aber auch nach der Übernahme der C.-Märkte ein Integrationsunternehmen, nur dass sie sich
zusätzlich anderer Mittel und Tätigkeiten bediene, um den Gesellschaftszweck zu erfüllen. Für die
Zuständigkeit der Beklagten sei es unerheblich, ob eine Einrichtung zur Integration behinderter Menschen
mit den Betroffenen Werkstätten, Märkte oder landwirtschaftliche Produktionsstätten betreibe.
31 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber ausgeführt, die sachliche Zuständigkeit einer
Berufsgenossenschaft (BG) bestimme sich nach Art und Gegenstand eines Unternehmens. Entscheidend für
die Frage der berufsgenossenschaftlichen Zuordnung sei somit, welcher Gewerbezweig - nicht Tätigkeit -
(schwerpunktmäßig) in einem Unternehmen ausgeübt werde. Die Beigeladene sei fachlich zuständig für alle
Unternehmen des Groß- und Einzelhandels. Dabei spiele es keine Rolle, ob und ggf. welche Mitarbeiter zur
Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes „Handel“ beschäftigt würden. Der Umstand, dass in einem
Unternehmen „schwer vermittelbare Personen" eingesetzt würden, habe somit keinen Einfluss auf die Frage
der Zuständigkeit, sofern durch den Einsatz dieser Personen das Gepräge eines Unternehmens nicht
verändert werde, der eigentliche Unternehmensgegenstand nicht in den Hintergrund trete oder gar verloren
gehe. Wenn das klägerische Unternehmen über die von ihr erworbenen C.-Märkte somit vordergründig
einen wettbewerbsorientierten Handel mit Waren betreibe, wäre - unabhängig der eingesetzten Mitarbeiter
- die Beigeladene fachlich hierfür zuständig. Offen sei in diesem Zusammenhang dann jedoch die Frage, ob
durch die Übernahme der C.-Märkte wesentliche Änderungen in den Betriebsverhältnissen der Klägerin als
Voraussetzung für eine Überweisung gemäß § 136 SGB VII eingetreten seien.
32 Wegen der weiteren Einzelheiten das Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte
des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
33 Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG
zulässig aber unbegründet.
34 Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 23.03.2016, das die
kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2014 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.11.2014 abgewiesen hat. Dieser ist nicht rechtswidrig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Senat hat festgestellt, dass das klägerische Unternehmen
Wohlfahrtspflege betreibt und damit schon ursprünglich wie auch nach Erweiterung der
Unternehmensbereiche um die C.-Märkte zur Zuständigkeit der Beklagten gehört. Damit hat die Klägerin
keinen Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene.
35 Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB VII stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit
für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. War die Feststellung
der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein
Unternehmen, überweist der Unfallversicherungsträger dieses dem zuständigen Unfallversicherungsträger (§
136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Die Überweisung erfolgt nach § 136 Abs. 1 Satz 5 SGB VII im Einvernehmen mit
dem zuständigen Unfallversicherungsträger; sie ist dem Unternehmer von dem überweisenden
Unfallversicherungsträger bekanntzugeben. Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig,
wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu
schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 136 Abs. 2 Satz
2 SGB VII liegt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X, die zu
einer Änderung der Zuständigkeit führt, vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer
umgestaltet worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der
tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit
widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch
Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist (§
136 Abs. 2 Satz 3 SGB VII). Eine Änderung gilt dagegen nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im
Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 SGB VII in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem
Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient (§ 136 Abs. 2 Satz 4 SGB VII). Die Regelung
des § 136 Abs. 2 Satz 3 SGB VII gilt dagegen nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände,
welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach
deren Eintritt entfallen. Stellt sich innerhalb eines Jahres nach Bestandskraft des Bescheides, mit dem
erstmalig die Zuständigkeit für ein Unternehmen festgestellt wurde, heraus, dass die Zuständigkeit eines
anderen Unfallversicherungsträgers gegeben ist, erfolgt eine Überweisung auch dann, wenn die weiteren
Voraussetzungen in den Sätzen 1 bis 3 nicht erfüllt sind und kein Fall im Sinne des Satzes 5 vorliegt (§ 136
Abs. 2 Satz 6 SGB VII). Geht die Zuständigkeit für Unternehmen nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII von
einem Unfallversicherungsträger auf einen anderen über, bleibt nach § 137 Abs. 1 SGB VII bis zum Ablauf
des Kalenderjahres, in dem die Entscheidung über das Ende der Zuständigkeit des bisherigen
Unfallversicherungsträgers gegenüber dem Unternehmen bindend wird, dieser Unfallversicherungsträger für
das Unternehmen zuständig, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist.
36 Beruht die Zuständigkeit der die Mitgliedschaft führenden Berufsgenossenschaft (hier: der Beklagten) – wie
vorliegend (vgl. die Überweisung durch die VBG) - selbst auf einer Überweisung durch eine andere
Berufsgenossenschaft (hier: VBG, Blatt 1, 23, 23, 24 der Beklagtenakte), fehlt es an einer erstmaligen
Aufnahme des Unternehmens bei einer Berufsgenossenschaft, weil das Unternehmen bereits vormals von
einer anderen Berufsgenossenschaft aufgenommen worden war und im Rahmen der
Überweisungsentscheidung in der Regel sowohl die überweisende als auch die die Zuständigkeit
übernehmende Berufsgenossenschaft die Zuständigkeitsvoraussetzungen geprüft und geklärt haben (BSG
12.04.2005 – B 2 U 8/04 R – BSGE 94, 258-262 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 1 = juris RdNr. 17), sodass die
Regelung des § 136 Abs. 2 Satz 5 SGB VII nicht eingreift.
37 Der Senat konnte feststellen, dass die Zweckbestimmung des klägerischen Unternehmens und ihrer
Tätigkeit dahin geht, (schwer-)behinderte Menschen zu fördern, Regelarbeitsplätze für besonders betroffene
schwerbehinderte Menschen anzubieten, Ausbildungsplätze für Behinderte und schwer vermittelbare
Jugendliche bereitzustellen, Praktika und Erprobungsmaßnahmen für WfBM-Beschäftigte einzurichten und
so diesen Personen durch Integration in Arbeit des ersten Arbeitsmarktes gesellschaftliche Teilhabe zu
ermöglichen. Hierzu betreibt die Klägerin ein Unternehmen, das ausschließlich diesem Zweck dient. So teilt
die Klägerin auch auf ihrer Homepage mit, dass die „Arbeiten in der Holzverarbeitung und den C.-
Lebensmittelmärkten“ einfach seien und „ausreichend geeignete Arbeitsplätze für den sozialen Auftrag
bereit“ stellten. Damit macht die Klägerin selbst deutlich, was der Senat auf der Grundlage des sonstigen
Vorbringens der Klägerin feststellen konnte, dass die Bereithaltung der Arbeitsplätze, etwa in den C.-
Märkten, nicht Inhalt des Unternehmens der Klägerin ist, sondern Mittel zur Erreichung des
Unternehmenszwecks, nämlich der im Gesellschaftsvertrag genannten sozialen Aufgaben der Integration
behinderter Menschen in ein normales Erwerbsleben; in der mündlichen Verhandlung hat der
Bevollmächtigte der Klägerin insoweit erklärt, dass sich weder an der Beschäftigung von Behinderten zu
normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch an der Zielsetzung der Klägerin zur Integration behinderter
Menschen in ein normales Arbeitsverhältnis etwas geändert habe. Damit übt die Klägerin Wohlfahrtspflege
aus und gehört mit allen ihren unselbständigen Abteilungen bzw. Unternehmensbereichen und
Niederlassungen nach ihrem Unternehmenszweck zur Wohlfahrtspflege, weshalb die alleinige Zuständigkeit
der Beklagten begründet ist.
38 Die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften bestimmt sich bei nicht landwirtschaftlichen Unternehmen
historisch bedingt grds. nach dem jeweils ausgeübten Gewerbe. Insoweit umfassen die gewerblichen
Berufsgenossenschaften aber nicht nur die klassischen Gewerbebetriebe, sondern auch andere
Unternehmen, z.B. Dienstleistungsbetriebe. Die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften,
wozu nach Nrn. 9 und 6 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII auch die Beklagte sowie die Beigeladene gehören,
bestimmt sich nach § 121 Abs. 1 SGB VII. Danach sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften für alle
Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht eine
Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft oder der Unfallversicherungsträger der
öffentlichen Hand ergibt. Umfasst ein Unternehmen verschiedenartige Bestandteile (Hauptunternehmen,
Nebenunternehmen, Hilfsunternehmen), die demselben Rechtsträger angehören, ist der
Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Das Hauptunternehmen bildet den Schwerpunkt des Unternehmens (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Hilfsunternehmen dienen überwiegend den Zwecken anderer Unternehmensbestandteile (§ 131 Abs. 2 Satz
2 SGB VII). Nebenunternehmen verfolgen überwiegend eigene Zwecke (§ 136 Abs. 2 Satz 3 SGB VII).
Soweit nicht mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen vorliegen, bilden die
verschiedenen Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen ein einheitliches Gesamtunternehmen, das als
Ganzes der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers unterfällt, dem das Hauptunternehmen angehört
(BSG 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R – BSGE 97, 279-285 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 2 = juris RdNr. 19). Von
einem einheitlichen Unternehmen ist auszugehen, wenn zwischen den einzelnen Teilunternehmen ein
wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht und die Betriebsteile einer einheitlichen
Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt desselben Unternehmers unterliegen (BSG 28.11.2006 – B
2 U 33/05 R – BSGE 97, 279-285 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 2 = juris RdNr. 19 m.w.N.). Solange von der
Ermächtigung des § 122 Abs. 1 SGB VII kein Gebrauch gemacht wird, bleibt nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede
Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war.
39 Zutreffend hat das SG auf die historische Entwicklung der Zuständigkeit der gewerblichen
Berufsgenossenschaften hingewiesen. So bestimmt sich die Zuständigkeit der gewerblichen
Berufsgenossenschaften - vom Sonderfall der Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für Transport und
Verkehrswirtschaft abgesehen – zunächst nach den Bundesratsbeschlüssen vom 21.05.1885 (Amtliche
Nachrichten – AN - 1885, 143), die selbst wiederum auf den §§ 12, 15 UVG (Unfallversicherungsgesetz vom
06.07.1884, RGBl. 1884, 69) basieren. Durch spätere Beschlüsse des Bundes- bzw. Reichsrats sowie des
Reichsarbeitsministers wurden in der Folge weitere gewerbliche Berufsgenossenschaften errichtet (Quabach
in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 122 SGB VII, RdNr. 31). Deren Zuständigkeit ergibt
sich aus den Errichtungsbeschlüssen (BSG 28.11.1961 - 2 RU 36/58 - BSGE 15, 282 = juris). Darüber
hinausgehende Zuständigkeitszuweisungen erfolgten durch die Verordnung der Reichsregierung über
Versicherungsträger in der Unfallversicherung vom 30.10.1923 (RGBl I 1923, 1063) und die Verordnung
über Träger der Unfallversicherung vom 17.05.1929 (RGBl I 1929, 104), letztere basierend auf Art. 38 des
Dritten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 (RGBl I 1928, 405). Eine
(grundlegende) Neuregelung der Zuständigkeitsordnung ist seither nicht mehr vorgenommen worden
(Quabach a.a.O. § 122 SGB VII, RdNr. 35), sodass die Beschlüsse des Bundesrates vom 21.05.1885 weiterhin
geltendes Recht sind (dazu vgl. BSG 30.01.1975 - 2 RU 119/74 - BSGE 39, 112-118; BSG 04.05.1999 - B 2
U 11/98 R - SozR 3-2200 § 664 Nr. 2; BSG 13.10.1993 - 2 RU 23/92 - HV-INFO 1993, 2677-2685; BSG
31.05.1988 - 2 RU 62/87 - NZA 1989, 77-79 = BG 1989, 38-39). Nach Art. 4 § 11 UVNG vom 30.04.1963
(BGBl I 1963, 241) bleibt, soweit das UVNG nichts Anderes bestimmt, jeder UV-Träger für die Unternehmen
zuständig, für die er bisher zuständig war, solange eine nach § 646 Abs. 2 RVO erlassene Rechtsverordnung
die Zuständigkeit nicht anders regelt (Quabach a.a.O. § 122 SGB VII, RdNr. 36). Art. 4 § 11 UVNG wurde
auch durch das UVEG vom 07.08.1996 (BGBl I 1996, 1254) nicht aufgehoben. Die nach § 122 Abs. 2 SGB
VII fortbestehenden Zuständigkeiten für bestimmte Unternehmensarten haben demnach vor allem für die ab
dem 01.07.1963 erstmalig einem UV-Träger zugeordneten Unternehmen Bedeutung. Das vom
Reichsversicherungsamt am 26.09.1885 (AN 1885, 254) herausgegebene und 1910 fortgeschriebene (AN
1886, 134; AN 1903, 403; AN 1906, 477; Handbuch der Unfallversicherung, Band III, 1910, 20)
„Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige“ hat insoweit keine normative Wirkung (Quabach a.a.O. §
122 SGB VII, RdNr. 37). Dieses vorkonstitutionelle Recht i.S.d. Art. 123 Abs. 1 GG verstößt nicht gegen das
Grundgesetz (dazu vgl. BSG 05.09.2006 – B 2 U 27/05 R – juris RdNr. 20).
40 § 121 Abs. 1 SGB VII bestimmt einen unfallversicherungsrechtlichen Unternehmensbegriff und ordnet die so
definierten Unternehmen auf der Grundlage der in § 114 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. Anlage 1 dargelegten
fachlichen Gliederung der gewerblichen Unfallversicherung (UV) im Regelfall den gewerblichen
Berufsgenossenschaften zu (Quabach a.a.O. § 121 Abs. 1 SGB VII, RdNr. 12). Anknüpfungspunkt für die
Rechtsbeziehungen zwischen den UV-Trägern einerseits und den Unternehmern sowie den Versicherten
andererseits ist das Unternehmen (Quabach a.a.O. RdNr. 13). Die Rechtsbeziehungen zwischen den UV-
Trägern auf der einen und den Unternehmern sowie den Versicherten auf der anderen Seite leiten sich
daher aus der jeweiligen Beziehung zum Zuordnungsobjekt Unternehmen ab (Quabach a.a.O. RdNr. 13). Die
sachliche Zuständigkeit einer gewerblichen Berufsgenossenschaft richtet sich damit grds. nach Art und
Gegenstand des Unternehmens, welches begrifflich von der natürlichen oder juristischen Person des
Unternehmers zu trennen ist (LSG Berlin-Brandenburg 20.01.2011 – L 2 U 1145/05 – juris RdNr. 34).
41 Diese Anknüpfung an Art und Gegenstand des Unternehmens, mithin den Unternehmenszweck, bezieht
sich insoweit nicht auf einzelne Unternehmensteile, vielmehr ist Bezugspunkt zunächst das Unternehmen
als Ganzes. Lediglich dann, wenn nach den vorstehend genannten Regelungen Unternehmensteile
Bedeutung erlangen, kann der Blick vom Gesamtunternehmen abgewendet werden. Somit kann vorliegend
auch nicht der Unternehmensbereich der C.-Märkte allein betrachtet werden, es ist auf das Unternehmen
„N. “ als Gesamtunternehmen abzustellen.
42 Maßgeblich ist insoweit, ob die Klägerin nach dem von ihr betriebenen Unternehmen der Wohlfahrtspflege
zugehört. Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass es keine gesetzliche Definition der
Wohlfahrtspflege gibt. Das BSG hat hierzu ausgeführt (BSG 26.06.1985 – 2 RU 79/84 – BSGE 58, 210-214
= SozR 2200 § 539 Nr. 111 = juris RdNr. 13 m.w.N.; zuvor schon BSG 25.10.1957, BSGE 6, 74 = juris),
dass die Gesetzessprache den Begriff der Wohlfahrtspflege nicht in einheitlicher Bedeutung verwende. Die
Schiedsstelle beim Verband der Deutschen Berufsgenossenschaften hat im Jahre 1931 als Wohlfahrtspflege
i.S.d. § 537 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b RVO in der damals geltenden Fassung angesehen eine planmäßige, zum
Wohl der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende
Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen, die
auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfe-Organisation hinausgeht (EuM 32, 9; BSG 26.06.1985 – 2 RU
79/84 – BSGE 58, 210-214 = SozR 2200 § 539 Nr. 111 = juris RdNr. 13). Das Reichsversicherungsamt hat
diese Begriffsbestimmung bei seiner Entscheidung über eine Berufskrankheit nach Nr. 72 der Anlage zur 2.
Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 11.02.1929 ebenfalls angewandt (EuM 36, 145). Dieser
Definition hat sich das BSG angeschlossen (BSG 26.06.1985 – 2 RU 79/84 – BSGE 58, 210-214 = SozR
2200 § 539 Nr. 111 = juris RdNr. 13; BSG 25.10.1957, BSGE 6, 74 = juris m.w.N. siehe auch BFHE 63, 161,
162 und 169, 174/175). Im Rahmen des Zuständigkeitsrechts nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO hat das BSG den
Begriff der Wohlfahrtspflege anders als im Berufskrankheitenrecht nicht durch die Gleichstellung mit
anderen Voraussetzungen eingeengt oder vorgeprägt (BSG 26.06.1985 – 2 RU 79/84 – BSGE 58, 210-214 =
SozR 2200 § 539 Nr. 111 = juris RdNr. 13). Insoweit hat das BSG beim Begriff der Wohlfahrtspflege im Urteil
vom 25.10.1957 (BSGE 76, 74, 77) darauf abgestellt, dass für den Versicherungsschutz nicht die
organisatorische Gestaltung, sondern die Zweckbestimmung einer Einrichtung oder der Tätigkeit maßgebend
ist (BSG 26.06.1985 – 2 RU 79/84 – BSGE 58, 210-214 = SozR 2200 § 539 Nr. 111 = juris RdNr. 13). Dem
entspricht auch der steuerrechtlich verwendete Begriff der Wohlfahrtspflege i.S.d. § 66 Abs. 2 AO, wonach
Wohlfahrtspflege die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte
Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen ist; die Sorge kann sich auf das gesundheitliche,
sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken (dazu
auch BSG 13.08.2002 – B 2 U 31/01 R – SozR 3-2700 § 180 Nr. 1 = juris RdNr. 21).
43 Damit kommt es vorliegend entscheidend auf die Zweckbestimmung des klägerischen Unternehmens und
den Zweck seiner Tätigkeit an (Hessisches LSG 15.03.2016 – L 3 U 173/12 – juris RdNr. 29). Dabei kann der
Zweck nicht von einer behaupteten, aber nicht nach außen getretenen Ausrichtung des Unternehmens
abhängig gemacht werden (LSG a.a.O.). Vielmehr ist die Zweckausrichtung anhand objektiver äußerer
Kriterien zu bestimmen, da nur solche Faktoren nachvollzogen und überprüft werden können (LSG a.a.O.).
Maßgebliche Anhaltspunkte sind dabei der bei Aufnahme des Geschäftsbetriebs - etwa in einer
Gewerbeanmeldung oder in einer Satzung - dokumentierte Unternehmenszweck und welches Gepräge das
Unternehmen - insbesondere hinsichtlich der angebotenen Leistungen und in Bezug auf den Kundenkreis -
durch den tatsächlichen Geschäftsbetrieb erhalten hat (LSG a.a.O.).
44 Der Senat konnte feststellen, dass das Unternehmen der Klägerin die planmäßige, zum Wohl der
Allgemeinheit und nicht – allein – zum Zwecke des Erwerbes ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder
abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich gefährdete, beeinträchtigte und insoweit notleidende
Mitmenschen, die auch über die Ziele einer bloßen Selbsthilfe-Organisation hinausgeht, zum Zweck hat und
damit zur Wohlfahrtspflege gehört. Insoweit setzt die Wohlfahrtspflege i.S.d. Rechtsprechung des BSG (s.o.)
nicht voraus, dass der begünstigten Personengruppe der gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich
gefährdeten oder notleidenden Mitmenschen körperliche oder psychische medizinische oder therapeutische
Unterstützung, Behandlung oder Therapie gewährt wird. Vielmehr gehört zur Wohlfahrtspflege auch jede
andere unmittelbare Hilfestellung für die begünstigte Personengruppe, die diesen zum Wohl der
Allgemeinheit und nicht zum Zweck des Erwerbs oder Gewinns des Unterstützenden gewährt wird. Damit
gehört auch zur Wohlfahrtspflege gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdeten oder notleidenden
Mitmenschen zum Wohle der Allgemeinheit die Integration in den allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt zu
gewähren, diese Personen zu fördern und für sie Arbeitsplätze, Praktikumsplätze usw. bereit zu stellen.
Dieses Ziel der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt dient dem Wohl der Allgemeinheit, weil dadurch
nicht nur der konkreten Person durch Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar geholfen wird,
sondern auch die Allgemeinheit durch eine Reduzierung von Arbeits- bzw. Beschäftigungslosigkeit entlastet
wird. Werden derartige Hilfen in unterschiedlicher Form, aber zielgerichtet für die genannte Personengruppe
durch das Unternehmen gewährt und gibt dies dem Unternehmen das Gepräge, so handelt es sich um einen
Unternehmenszweck, der zur Wohlfahrtspflege gehört. Ist es Ziel des Unternehmens dagegen solche Hilfen
so anzubieten, dass das Unternehmen durch die Gewährung der Hilfen Gewinne erzielen soll und dadurch
die Erbringung von Hilfe als Unternehmenszweck in den Hintergrund gedrängt wird und gibt gerade dies
dem Unternehmen das Gepräge, ist mithin der Unternehmenszweck auf den Erwerb gerichtet, scheidet das
Unternehmen nach seinem Zweck aus der Wohlfahrtspflege aus – verliert dann aber grds. auch seine
steuerlichen Begünstigungen durch Verlust der Gemeinnützigkeit nach den §§ 51 ff. AO. An eine im
Vordergrund stehende Gewinnerzielungsabsicht könnte dabei ggf. gedacht werden, wenn das Unternehmen
Leistungen an den grds. von der Wohlfahrtspflege erfassten Personenkreises (z.B. behinderte bzw.
langzeitarbeitslose Menschen) nur für gewinnorientierte Gegenleistungen, etwa durch Verlangen von
bedarfs-, aufwands- und kostenübersteigenden Entgelten für die Dienstleistungen gegenüber diesem
Personenkreis, anbietet oder das Unternehmen zwar mit Personen aus dem genannten Kreis aber ohne ins
Gewicht fallende Unterstützung des einschlägigen Personenkreises nur noch gewinnorientiert Produkte oder
Dienstleistungen herstellt oder anbietet, und so der soziale Zweck dem Unternehmen nicht mehr das
Gepräge gibt. Zu letzterem Fall könnte z.B. - ohne, dass dies vorliegend der Fall wäre und auch nicht
abschließend entschieden werden muss - an die allein gewinnorientierte Ausnutzung der Arbeitskraft des
von der Wohlfahrtspflege an sich erfassten Personenkreises (z.B. behinderte bzw. langzeitarbeitslose
Menschen), etwa durch Lohnkostenminimierung, gedacht werden, wenn also gerade die von der
Wohlfahrtspflege geschützten Personengruppen wegen ihres Wettbewerbs- und Marknachteils gegenüber
anderen Arbeitnehmern allein zur Maximierung des Unternehmensgewinns eingesetzt würden.
45 Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass das Unternehmen der Klägerin Wohlfahrtspflege betreibt. So
wird der Zweck des klägerischen Unternehmens durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt. Dort wird in § 2
unter der Überschrift „Gegenstand des Unternehmens“ bestimmt, dass das Unternehmen ausschließlich und
unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der
Abgabenordnung und auch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Zur Verwirklichung
dieses Unternehmenszwecks sind in § 2 verschiedene Tätigkeiten aufgeführt (Förderung schwerbehinderter
Menschen, Anbieten von Regelarbeitsplätzen für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen,
Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für Behinderte und schwer vermittelbare Jugendliche, Einrichtung
von Praktika und Erprobungsmaßnahmen für WfBM-Beschäftigte). Damit ist – anders als die Klägerin nun
behauptet – der Zweck des Unternehmens nicht darauf gerichtet, Gewinne zu erzielen, Holz zu bearbeiten,
Malerarbeiten auszuführen oder Versorgungslücken, die durch das Abwandern von Lebensmittelmärkten in
den städtischen Randbezirken entstanden seien, zu schließen und ein Vollsortiment in Wohnortnähe zur
Verfügung zu stellen, mithin Waren des täglichen Lebensbedarfs zu verkaufen oder wettbewerbsorientiert
am Markt teilzunehmen. Vielmehr dienen diese Tätigkeiten und die Teilnahme am allgemeinen
Wirtschaftsverkehr der Verwirklichung des im Gesellschaftsvertrag genannten Zwecks der Förderung und
Eingliederung behinderter bzw. benachteiligter Menschen in Arbeit zu normalen Arbeitsbedingungen um
ihnen so eine Perspektive zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, sie stellen daher nicht
ihrerseits den maßgeblichen Unternehmenszweck dar. Das bestätigt auch der Internetauftritt der Klägerin,
wonach sie „ausreichend geeignete Arbeitsplätze für den sozialen Auftrag bereit“ stellt. Damit ist die
Bereithaltung von Arbeitsplätzen in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen und das Erzielen von
Gewinnen nicht Inhalt des Unternehmens der Klägerin, sondern Mittel zur Umsetzung des sozialen
Unternehmenszwecks, nämlich der der Integration behinderter Menschen in ein normales Erwerbsleben.
Insoweit konnte in der mündlichen Verhandlung durch Nachfrage festgestellt werden, dass sich dieser Zweck
nicht geändert hat. Weder hat sich an der tatsächlichen und – bei den C.-Märkten - einen Anteil von bis zu
ca. 45 % ausmachenden Beschäftigung von Behinderten zu normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch
an der Zielsetzung der Klägerin zur Integration behinderter Menschen in ein normales Arbeitsverhältnis
etwas geändert.
46 Zwar hat die Klägerin – was vom Senat anerkennend zur Kenntnis genommen wird – vorgetragen, die von
ihr geförderten Personen hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelt den Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes gleich gestellt zu haben und so versicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse in allen von der Klägerin geführten Unternehmensbereichen in erheblichem
Umfang begründet zu haben. Doch ist dies gerade Ausfluss der dem Unternehmen im Gesellschaftsvertrag
gegebenen Ausrichtung und damit Zeichen der Umsetzung des vereinbarten Unternehmenszwecks – also
„Mittel zum Zweck“ -, weshalb die Begründung von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen
nicht gegen die Zuordnung zur Wohlfahrtspflege spricht.
47 Auch soweit die Klägerin vorträgt, mit Erweiterung ihres Unternehmens um den rechtlich unselbständigen
Geschäftsbereich der C.-Lebensmittelmärkte habe sich der Zweck des Gesamtunternehmens „N. “
dahingehend geändert, dass jetzt – bezogen auf das Gesamtunternehmen - eine Gewinnerzielung
beabsichtigt sei und eine wettbewerbsorientierte Marktteilnahme erfolge, ist dies für den Senat nicht
nachvollziehbar. Denn nach dem Gesellschaftsvertrag ist gerade das Betreiben des Unternehmens mit
Gewinnerzielungsabsicht ausgeschlossen (vgl. § 2: „unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke im
Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung; das Unternehmen ist damit
selbstlos tätig. Das Unternehmen verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“). Eine
Änderung des Gesellschaftsvertrages ist aber weder dargelegt noch behauptet worden. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat hat der Klägerbevollmächtigte die Frage des Gerichts, ob das
Gesamtunternehmen, die einen C.-Markt betreibenden einzelnen Betriebsstätten oder auch nur einzelne C.-
Märkte tatsächlich einen Gewinn erzielen, nicht beantworten können. In diesem Zusammenhang ist aber in
der mündlichen Verhandlung von der Klägerin bestätigt worden, dass in den C.-Märkten nach wie vor die im
Gesellschaftsvertrag genannten Personen, wie z.B. behinderte Menschen, beschäftigt werden. Damit hat
sich nicht der Unternehmenszweck geändert, vielmehr hat die Klägerin lediglich das Unternehmen mit
seinen bereits bestehenden Unternehmensbereichen um einen neuen Unternehmensbereich – die C.-Märkte
– erweitert, um so einen breiteren Bereich zu haben und „ausreichend geeignete Arbeitsplätze für den
sozialen Auftrag bereit“ (vgl. Internetauftritt der Klägerin) stellen zu können. Das stellt aber im Hinblick auf
den vom Senat festgestellten Unternehmenszweck – Integration für schwer auf dem Arbeitsmarkt
vermittelbare Personen – gerade keine Änderung des Unternehmenszwecks dar.
48 Der Aspekt, ob ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, ist einer von mehreren
Bewertungskriterien (wie u.a. auch der Aspekt der dem Allgemeinwohl verpflichteten Sorge um
Mitmenschen), mit denen der Begriff der Wohlfahrtspflege beschrieben und zu prüfen ist. Dem Aspekt der
fehlenden Erwerbsausübung mangels Gewinnerzielungsabsicht kommt große Bedeutung zu, wenn das
Unternehmen ohne Gewinnerzielung betrieben wird. Es hat aber keine Ausschlusswirkung für die positive
Feststellung der Wohlfahrtspflege, wenn eine Gewinnabsicht zu bejahen ist, sofern diese nicht den
Unternehmenszweck dominiert oder das soziale Gepräge in den Hintergrund drängt.
49 Auch die Qualifizierung der Klägerin als Integrationsunternehmen i.S.d. § 132 SGB IX bedeutet keine
eindeutige Zuweisung für oder gegen die Wohlfahrtspflege. Denn nach § 132 Abs. 1 SGB IX sind
Integrationsprojekte rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) oder
unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs. 3 SGB IX geführte Betriebe
(Integrationsbetriebe) oder Abteilungen (Integrationsabteilungen) zur Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger
Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von
Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt. Damit setzt die Anerkennung als
Integrationsprojekt – als Oberbegriff für Integrationsunternehmen usw. – nicht voraus, dass das
Integrationsprojekt ohne Gewinnerzielungsabsicht bzw. erwerbswirtschaftliche Zwecke durchgeführt
werden müsste. Insoweit hat schon der 9. Senat des LSG Baden-Württemberg darauf hingewiesen, dass
keine rein ideelle Zwecksetzung vorliegen müsse, sondern das (Integrations-)Unternehmen daneben noch
erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgen könne (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 –
juris RdNr. 39 unter Hinweis auf Schröder in Hauck/Noftz, SGB IX, § 132 RdNr 11).
Integrationsunternehmen können daher sowohl einen erwerbswirtschaftlichen als auch einen nicht
erwerbswirtschaftlichen („gemeinnützigen“) Charakter haben, ggf. sogar beides zugleich. Der 9. Senat
(a.a.O. RdNr. 41) spricht insoweit von einem hybriden Charakter der Integrationsunternehmen. Darauf, ob
das Unternehmen insoweit mit staatlichen oder anderen Zuschüssen betrieben wird, stellt weder die
Qualifizierung des Unternehmens als Integrationsunternehmen ab – vielmehr ist eher Folge der
Qualifizierung als Integrationsunternehmen die Möglichkeit einer Förderung (vgl. § 134 SGB IX) – noch der
Begriff der Wohlfahrtspflege.
50 Vorliegend konnte der Senat aber feststellen, dass das klägerische Unternehmen nach seinem
Unternehmenszweck gerade keine Gewinnerzielungsabsicht und keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke
verfolgt, sodass vorliegend auch ein hybrider Charakter nicht angenommen werden kann. Aber selbst wenn
ein solcher anzunehmen wäre, wäre der maßgebliche Unternehmenszweck durch eine Gewichtung der
Unternehmenszwecke (vgl. LSG a.a.O. RdNr. 41) zu bestimmen. Dass die Beklagte hierbei das größere und
eindeutige Gewicht auf die Wohlfahrtspflege gelegt hat, stellt insbesondere unter Berücksichtigung des
Inhalts des Gesellschaftsvertrags und der dort geregelten eindeutigen Zweckbestimmung keinen groben
Rechtsverstoß dar.
51 Auch konnte der Senat nicht feststellen, dass mittlerweile die tatsächliche Unternehmensausrichtung mit
der im Gesellschaftsvertrag intendierten nicht mehr übereinstimmt. Dies entnimmt der Senat den
unterschiedlichen Betätigungsfeldern an unterschiedlichen „Betriebsstätten“ des Gesamtunternehmens, das
neben den C.-Lebensmittelmärkten auch weitere Unternehmensbereiche betreibt, in denen die oben
umschriebene Fürsorge für hilfsbedürftige und unterstützungsbedürftige Personen durch
Zurverfügungstellung von Arbeitsplätzen zu normalen Bedingungen geleistet wird.
52 Insoweit ist für den Senat nicht erkennbar geworden, dass die – behauptete – Gewinnerzielungs- bzw.
Erwerbsabsicht die allein und wesentlich den Unternehmenszweck prägende Handlungsausrichtung ist, der
alle sonstigen Zwecke und Handlungsoptionen untergeordnet werden. Der Senat konnte nicht feststellen,
dass Integration für die insoweit besonders bedürftige Personengruppe in den C.-Märkten nicht mehr
geleistet wird. Es ist gerade nicht vorgetragen, dass jedenfalls dort keine Personen aus diesem Kreis mehr
beschäftigt oder dass gar keine Hilfe mehr für diesen Personenkreis in den Märkten mehr angeboten werden.
Der Senat hat solches aus den ihm zugänglichen Erkenntnismitteln auch nicht erkennen können (siehe
unten). Damit ist festzustellen, dass wie zuvor auch Integration durch Zurverfügungstellung von
Arbeitsplätzen unter normalen Bedingungen des Arbeitsmarktes in dem oben dargelegten Verständnis auch
weiterhin als Unternehmenszweck in den Betriebsstätten der C.-Märkte, den anderen Unternehmensteilen
wie auch noch im Gesamtunternehmen verfolgt wird. Eine letztlich als Nebenzweck verfolgte
Gewinnorientierung oder tatsächlich erzielte Gewinne, möglicherweise auch als Nebenresultat der Präsenz
in der Einzelhandelsbranche, stellt damit nicht den bisherigen und weiterverfolgten
Hauptunternehmenszweck, der dem Wohl der Allgemeinheit verpflichteten Sorge um hilfebedürftige
Menschen, infrage. Der Eintritt einer maßgebenden – wesentlichen – Änderung des bisherigen
Hauptunternehmenszwecks ist durch die geänderten anderen Unternehmensverhältnisse nicht zu
begründen. Eine maßgebende Änderung läge nur dann vor, wenn der übergeordnete Gewerbezweig
„Wohlfahrtsunternehmen“ entfallen wäre. Gerade das konnte der Senat aber nicht feststellen.
53 Soweit aber der Vortrag der Klägerin, es handele sich um ein gewinnorientiertes Unternehmen stimmen
würde, handelten der/die Geschäftsführer ohne legitimierende Grundlage im Gesellschaftervertrag und
damit offensichtlich entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen der Gesellschafter; denn auch in der
mündlichen Verhandlung konnte eine Änderung des Gesellschaftsvertrages oder eine Einwilligung der
Gesellschafter zu einem geänderten Unternehmenszweck nicht dargelegt werden. Auch dürfte das
Bestehen von Gewinnerzielungsabsicht, wie sie von der Klägerin vorgetragen wird, die bisher bestehende
Anerkennung als gemeinnütziges Unternehmen ausschließen (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach eine
Förderung oder Unterstützung u.a. dann selbstlos geschieht, wenn dadurch nicht in erster Linie
eigenwirtschaftliche Zwecke - zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt
werden). Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung einer Gewinnerzielungsabsicht, die den Zweck
des klägerischen Unternehmens prägen soll, nicht naheliegend und am gewünschten Prozessziel orientiert.
54 Insoweit kann zwar – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – aus der Anerkennung der Klägerin als
gemeinnützig nicht unmittelbar auf die Zugehörigkeit zur Wohlfahrtspflege geschlossen werden, also
Gemeinnützigkeit nicht zwingend mit Wohlfahrtspflege gleichgesetzt werden. Doch zeigt die Anerkennung
als gemeinnütziges Unternehmen durch die Finanzverwaltung, dass dieses selbstlos ausgeübt wird und
damit i.S.d. Rechtsprechung des BSG (s.o.) nicht zum „Erwerb“, mithin nicht zu eigenwirtschaftlichen und
gewinnorientierten Zwecken, ausgeübt wird. Das Fehlen eines „Erwerbs“, also einer
Gewinnerzielungsabsicht bzw. eines erwerbswirtschaftlichen Zwecks, aber ist Teil der vom BSG (s.o.)
herangezogenen Definition der Wohlfahrtspflege, der sich der Senat – wie auch schon der 9. Senat des LSG
Baden-Württemberg (Urteil vom 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 37) - anschließt.
55 Ist Zweck des klägerischen Unternehmens nach den Feststellungen des Senats gerade die planmäßige, zum
Wohle der Allgemeinheit und nicht - allein - des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder
gefährdete Mitmenschen, vorliegend für behinderte Menschen, um insoweit Vorbeugung oder Abhilfe – durch
Vermeidung von Arbeitslosigkeit und finanzieller Bedürftigkeit - zu schaffen, handelt es sich um ein
Unternehmen der Wohlfahrtspflege. Dieser Unternehmenszweck wird durch die nach außen sichtbaren,
mithin objektiv erkennbaren Umstände bestätigt.
56 So wirbt die Klägerin auf dem auf ihrer Homepage veröffentlichten Flyer „C.-Lebensmittelmärkte
Gesamtdarstellung“ u.a. damit, dass C. „
für ein soziales Konzept, das die Arbeitssituation von behinderten
und anderen benachteiligten Menschen nachhaltig verbessert und ihnen Chancen, Hoffnung und
Perspektiven bietet“ steht. „In C.-Märkten arbeiten behinderte mit nicht behinderten Menschen zusammen
und zeigen uns — es funktioniert hervorragend! Diese „schrankenlose“ Arbeitsteilung trägt wesentlich und
beispielhaft zur Integration von Menschen mit Handicaps in die Gesellschaft bei. C. qualifiziert im
Einzelhandel und bildet VerkäuferInnen und Kaufleute aus. C.-Märkte sind Abteilungen des diakonischen
Sozialunternehmens N. A. gGmbH (Tochter der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V.) und der N. –
Unternehmen für Integration gGmbH. … Die Bereitstellung eines Vollsortiments in Wohnortnähe dient
darüber hinaus der Entwicklung des Gemeinwesens und fördert den sozialen Zusammenhalt der Bürger“.
Damit wird deutlich, dass auch die Standortwahl der C.-Märkte nicht erwerbswirtschaftlichen
Gesichtspunkten folgt, sondern der Förderung des Gemeinwesens dient. Auch auf der Homepage wirbt die
Klägerin damit, dass „
In der N. … langzeitarbeitslose und behinderte Menschen in der Holzverarbeitung und
in C.-Lebensmittelmärkten tätig [sind]. Der Unternehmensauftrag der N. gGmbH ist es, Arbeitsplätze zu
schaffen und benachteiligten Menschen die Integration in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Die Arbeiten in
der Holzverarbeitung und den C.-Lebensmittelmärkten sind einfach und stellen ausreichend geeignete
Arbeitsplätze für den sozialen Auftrag bereit.“ (vgl. http://n...de/index.php). Auch zum Unternehmensbereich
„Garten und Natur“ führt die Klägerin auf ihrer Internetseite aus: „
Der soziale Auftrag - Beschäftigen,
integrieren, qualifizieren, vermitteln - Wir bieten Menschen mit Behinderung oder Menschen mit besonderen
Problemen:
57
- Beschäftigung in einer naturnahen Tätigkeit
- Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Integration durch qualifizierte Sozialpädagogen und
Fachkräfte
- die Möglichkeit, landschaftsgärtnerische Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben
- Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt
58
Wir bieten Menschen mit Behinderung und langzeitarbeitslosen Menschen die Chance, unter fachlicher
Anleitung einer geregelten Arbeit nachzugehen und sich durch gezielte Qualifizierungskurse im Bereich
Garten und Natur weiterzubilden. Dabei werden Gärten gestaltet, gepflegt und in gemeinnütziger Arbeit die
heimische Flora- und Faunavielfalt in der Landschaft erhalten. Begleitend unterstützen wir diese Menschen
bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz.“
59 Vor diesem Hintergrund konnte der Senat feststellen, dass es alleiniger bzw. prägender Zweck des
Unternehmens der Klägerin war und ist, behinderte Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, soziale
Projekt zu diesem Zweck durchzuführen, um so Wohlfahrtspflege planmäßig, zum Wohle der Allgemeinheit
und nicht zum Zwecke des Erwerbs für gesundheitlich beeinträchtigte Mitmenschen unmittelbar durch
Vorbeugung und Abhilfe zu leisten. Dieser Unternehmenszweck wird in der täglichen Arbeit umgesetzt,
sodass auch nicht durch eine abweichende Umsetzung auf eine Änderung des Unternehmenszwecks
geschlossen werden kann. Das zeigt sich z.B. auch daran, dass im Rahmen von auf europäischer Ebene
geförderten Projekten Personen ohne Entgelt Praktikumsplätze angeboten worden waren (vgl. die
Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin gegenüber der VBG, Blatt 2 der Beklagtenakte).
60 War der ursprüngliche Zweck des klägerischen Unternehmen die Integration behinderter Menschen in Arbeit
und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, mithin die Wohlfahrtspflege, und hat die Erweiterung des
Unternehmens um den Unternehmensbereich der C.-Märkte - wie der Senat feststellen konnte - den
Unternehmenszweck nicht geändert, vielmehr lediglich die Unternehmensbereiche erweitert, so liegt keine
wesentliche Änderung i.S.d. § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII vor. Auch war die ursprüngliche Beurteilung als
Unternehmen der Wohlfahrtspflege, das zum Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehört, nicht
unzutreffend.
61 Damit konnte der Senat die ungeänderte und durchgehende Zuständigkeit der Beklagten für das
Unternehmen der Klägerin von Anfang an feststellen. Da das SG VII grds. davon ausgeht, dass für jedes
Unternehmen nur eine Berufsgenossenschaft zuständig ist, verbleibt es vorliegend vollumfänglich bei der
Zuständigkeit der Beklagten auch für die weiteren Unternehmensbereiche C.-Märkte, Holz, Gartenbau und
Malerei. Insoweit handelt es sich bei diesen Unternehmensbereichen nicht um mehrere rechtlich und
wirtschaftlich selbständige Unternehmen, vielmehr bilden die verschiedenen Bereiche das einheitliche
Gesamtunternehmen der Klägerin, das als Ganzes der Zuständigkeit der Beklagten unterfällt (dazu vgl. BSG
28.11.2006 – B 2 U 33/05 R – BSGE 97, 279-285 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 2 = juris RdNr. 19). Der Senat
konnte feststellen, dass zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen im Hinblick auf das
Gesamtunternehmen der Klägerin ein wirtschaftlicher und betriebstechnischer Zusammenhang besteht, die
Betriebsteile einer einheitlichen Leitung unterstehen und der Verfügungsgewalt desselben Unternehmers
unterliegen (dazu vgl. BSG 28.11.2006 – B 2 U 33/05 R – BSGE 97, 279-285 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 2 =
juris RdNr. 19 m.w.N.). Auch soweit die C.-Märkte über eigene, rechtlich unselbständige Niederlassungen
verfügen, handelt es sich gerade nicht um wirtschaftlich eigenständige Teile sondern um Hilfsbetriebe in
Form unselbständiger Niederlassungen der Klägerin, die ganz im Gefüge des Gesamtunternehmens aufgehen
und einer einheitlichen Verfügungsgewalt der Klägerin unterworfen sind und daher keine eigene
Zuständigkeit begründen.
62 Schließlich liegen auch keine schwerwiegenden Unzuträglichkeiten vor, die eine Überweisung der Klägerin
an die Beigeladene rechtfertigen könnten (§ 136 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGB VII). Schwerwiegende
Unzuträglichkeiten, welche die Zugehörigkeit zur formal zuständigen Berufsgenossenschaft als unbillige
Härte erscheinen lassen, können in Umständen gesehen werden, welche geeignet sind, im Aufbau und in der
Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung selbst Schwierigkeiten hervorzurufen (BSG 28.11.1961 -
2 RU 36/58 – juris; LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 43). Eine
Beitragsbelastung dagegen stellt keine Unzuträglichkeit dar (BSG 04.05.1999 - B 2 U 11/98 R - SozR 3-
2200 § 664 Nr. 2 = juris; BSG 12.12.1985 – 2 RU 57/84 – juris RdNr. 15; BSGE 15, 282, 291; LSG Baden-
Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 43; LSG Baden-Württemberg 20.01.1994 - L 7 U
2362/91 - juris). Die Beklagte hat zwar nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sie im Fall einer
Überweisung an die Beigeladene günstigere Beiträge zu zahlen hätte, damit ihre Finanzlast verringert
würde und sie so mehr Spielraum für höhere Gehälter der Mitarbeiter bzw. weitere Arbeitsplätze hätte.
Jedoch stellt die Beitragsbelastung keine schwerwiegende Unzuträglichkeit dar, denn jedes Unternehmen
hat nach der gesetzlichen Rechtsordnung den bei seiner zuständigen Berufsgenossenschaft anfallenden
Beitrag, der sich anhand der Ausgaben der Berufsgenossenschaft errechnet und grds. solidarisch von den
versicherten Unternehmen getragen wird, zu zahlen. Insoweit hat der Gesetzgeber es gerade in Kauf
genommen, dass einzelne Unternehmer höher belastet werden, als es den ihr Unternehmen betreffenden
Aufwendungen der UV tatsächlich entspricht; die Einstufung in Gefahrklassen usw. ist aber vorliegend nicht
streitig. Insoweit kann eine schwerwiegende Unzuträglichkeit bereits durch die deutliche Reduzierung der
Zahl von Berufsgenossenschaften im Wege von Fusionen - und somit durch die Tendenz zur Auflösung
homogener Gefahrengemeinschaften - nur schwer begründet werden (Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, § 136
RdNr. 32). Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass es sich bei der von der Klägerin zu tragenden
Beitragslast dem Grunde nach schon um eine schwerwiegende Unzuträglichkeit handeln würde.
63 Eine schwerwiegende Unzuträglichkeit lässt sich auch nicht wegen Verstoß gegen nationale, insbesondere
verfassungsrechtliche oder europäische Diskriminierungsverbote begründen (LSG Baden-Württemberg
19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 44). Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf niemand wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt nicht nur bei Regelungen und Maßnahmen
vor, die die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung verschlechtern. Vielmehr kann eine
Benachteiligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die
öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene
Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15
– juris RdNr. 45). Wann ein solcher Ausschluss durch Förderungsmaßnahmen so weit kompensiert ist, dass er
nicht benachteiligend wirkt, lässt sich nicht generell und abstrakt festlegen (LSG Baden-Württemberg
19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 45). Ob die Ablehnung einer vom Behinderten erstrebten
Ausgleichsleistung und der Verweis auf eine andere Entfaltungsalternative als Benachteiligung anzusehen
sind, wird regelmäßig von Wertungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und prognostischen
Einschätzungen abhängen (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 45). Nur
aufgrund des Gesamtergebnisses dieser Würdigung kann darüber befunden werden, ob eine Maßnahme im
Einzelfall benachteiligend ist (BVerfGE 96, 303). Eine unmittelbare Benachteiligung ist bereits deshalb nicht
ersichtlich, weil im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht die Beiträge ausschließlich den Arbeitgeber und
nicht die vom Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG betroffenen behinderten Menschen (LSG Baden-
Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 46 unter Hinweis auf Leibholz/Rinck/Hesselberger in
Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Stand September 2015, Art. 3 RdNr. 5000 ff.) belasten. Auch eine mittelbare
Benachteiligung behinderter Menschen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Soweit sich die Klägerin
darauf beruft, dass durch hohe Beiträge zur Beklagten sie nicht mehr genug Mittel für höhere
Arbeitsentgelte oder weitere Arbeitsplätze hätte, berührt dies weder unmittelbar noch mittelbar
grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der bei der Klägerin arbeitenden Personen. Auch insoweit lässt
sich keine schwere Unzuträglichkeit begründen (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 –
juris RdNr. 48). Denn die Beitragshöhe ist abhängig von der Veranlagung, die gerade nicht Gegenstand des
vorliegenden Rechtsstreits ist, nicht jedoch von der allgemeinen (zumindest formellen) Zuständigkeit der
Beklagten (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 48).
64 Aus denselben Gründen kommt ein Verstoß gegen das AGG oder die Richtlinie 2000/78 EG nicht in Betracht.
Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt
werden. Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung
vertraglicher Pflichten, § 7 Abs. 3 AGG. Gemäß § 1 AGG ist Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus
Gründen der u. a. Behinderung zu verhindern oder zu beseitigen. Nach Absatz 12 der Richtlinie 2000 / 78
EG sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen (…) einer Behinderung in den von der
Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. Eine europarechtskonforme
Auslegung des § 136 Abs. 2 SGB VII nach dem Grundsatz des „effet utile“ ist somit ebenfalls nicht
erforderlich (LSG Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 49).
65 Daher war die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen, es war lediglich die Kostenentscheidung zu
ändern.
66 Das Verfahren ist nach §§ 197a Abs. 1 Satz 1, 183 Satz 2 GKG gerichtskostenpflichtig, die
Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Auferlegung von Kosten des
Beigeladenen auf den unterliegenden Beteiligten entspricht nach gefestigter Rechtsprechung (BSG
19.07.2006 - B 6 KA 33/05 B - juris) nur dann der Billigkeit, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge
gestellt hat und somit ein eigenes Prozessrisiko eingegangen ist. Die Beigeladene hat jedoch weder vor dem
SG noch im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind
insoweit von dieser selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Insoweit war der Senat als Rechtsmittelgericht
zu einer Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz befugt (Leitherer in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 197a RdNr. 12 m.w.N.).
67 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG. In Verfahren vor den
Gerichten unter anderem der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert
nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, §
52 Abs. 1 GKG. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden
Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen. Bei einem Streit
um den zuständigen Unfallversicherungsträger für ein Unternehmen nach §§ 121 ff. SGB VII ist der dreifache
Jahresbeitrag des Unfallversicherungsträgers, gegen dessen Zuständigkeit sich das klagende Unternehmen
wendet, mindestens aber der vierfache Auffangstreitwert zugrunde zu legen (BSG, Beschluss vom
28.02.2006, B 2 U 31/05 R). Dies gilt auch bei einem Rechtstreit über einen Überweisungsanspruch (LSG
Baden-Württemberg 19.01.2016 – L 9 U 1028/15 – juris RdNr. 54). Denn auch hier ist eine langfristige
Bedeutung anzunehmen, die insbesondere in den jahrelang zu erbringenden Präventionsleistungen,
einschließlich der damit einhergehenden Überwachung und Beratung, zu sehen ist. Insoweit war der
Streitwert für das Berufungsverfahren mit dem SG und auch der vorläufigen Festsetzung auf 33.005,82EUR
festzusetzen.
68 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.