Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.01.2017

zahnärztliche behandlung, arbeitsunfall, zahnarzt, versorgung

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 30.1.2017, L 1 U 120/16
Gesetzliche Unfallversicherung - Heilbehandlung - Zahnbehandlung - eingesetzte
Schneidezahnimplantate - Kostenerstattung - selbstbeschaffte Leistung - Eigenanteil -
unfallbedingte Gesundheitsstörung - haftungsbegründende Kausalität - kosmetischer Mangel
- Überkronung - farbliche Angleichung umliegender dunkel verfärbter und kariöser Zähne
Leitsätze
Die farbliche Angleichung umliegender dunkel verfärbter und kariöser Zähne an den selbst ausgewählten hellen
Farbton zweier nach einem Arbeitsunfall auf Kosten des Unfallversicherungsträgers eingesetzter
Schneidezahnimplantate dient nicht der Beseitigung von Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache der
Arbeitsunfall war.
Zu den Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs gegen den Unfallversicherungsträger analog § 13
Abs. 3 SGB V.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.12.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Erstattung seines Eigenanteils von 2.448,63 EUR für eine Zahnbehandlung nach
einem Arbeitsunfall.
2 Der 1983 geborene Kläger wurde ausweislich des Durchgangsarztberichtes von Dr. H. vom 14.05.2012 auf
dem Gelände seines Arbeitgebers, der S. GmbH in F., am 14.05.2012 um 11.30 Uhr von einer „Ameise“
angefahren, wobei auch Gitterboxen auf den Kläger stürzten. Infolge dessen zog er sich nicht nur Prellungen
und Schürfwunden zu, sondern verlor auch die beiden oberen Schneidezähne (Zähne 21 und 22).
Ausweislich der Rechnung des behandelnden Zahnarztes Dr. S. vom 29.06.2012 (Bl. 15-1 der Verw.-Akte
der Beklagen - VA) erfolgte die Erstbehandlung samt Entfernung des tieffrakturierten Zahnes 22 am
14.05.2012. Am 29.05.2012 extrahierte Dr. S. dann den verbleibenden einwurzeligen Zahn 21. Die
Interimsversorgung erfolgte mittels Aufbissschiene mit integrierten Zähnen.
3 Mit Schreiben vom 07.09.2012 teilte der Zahnarzt Dr. S. der Beklagten mit, dass in der Oberkieferfront des
Klägers ein tiefer Biss mit Kontakt der Unterkieferschneidezähne zur palatinalen Schleimhaut bestehe.
Zudem sei durch Abrasion ein Verlust der vertikalen Dimension im Bereich von 1,5 bis 2 mm aufgetreten.
Aus diesen Gründen sei die Versorgung der Oberkieferfrontzahnlücke in Kombination mit der
Wiederherstellung der vertikalen Dimension über Kronen/Teilkronen auch an den Seitenzähnen geplant. Nur
so erhalte er den für eine konkrete Versorgung erforderlichen Platz im Bereich der Frontzähne.
4 Nachfolgend gingen bei der Beklagten insgesamt drei vom 12.09.2012 datierende Heil- und Kostenpläne ein.
Im Einzelnen war dies der Kostenplan Nr. 7219 über die Implantatkronen für die Zähne 21 und 22, der
Kostenplan Nr. 7127 über die Implantatchirurgie an den Zähnen 21 und 22 sowie der Kostenplan Nr. 7126
über eine Versorgung der Zähne 17-11 und 23-27 mit Oberkieferkronen für eine Bisshebung. Hierzu ließ
sich die Beklagte beratungsärztlich durch den Zahnarzt S. beraten, welcher mit erster Stellungnahme vom
12.11.2012 (Bl. 37-1 VA) weitere Unterlagen anforderte.
5 Hierauf holte die Beklagte einen Befundbericht des vorbehandelnden Zahnarztes Dr. B. ein, der am
23.12.2012 den von ihm erhobenen letzten Zahnstatus vom 04.03.2011 mitteilte (Bl. 56-1 VA).
6 Unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden ergänzenden Unterlagen führte der beratende Zahnarzt S. mit
ergänzender Stellungnahme vom 14.02.2013 (Bl. 61-1 VA) aus, ihm lägen Ausdrucke von digitalen Fotos
vor, die den Zustand nach der Entfernung der geschädigten Zähne dokumentierten. Außerdem sei den
Aufnahmen die besondere Bisssituation des Versicherten zu entnehmen. Eine digitale
Panoramaschichtaufnahme, von der ein qualitativ schlechter Ausdruck vorliege, sei nur dahingehend
auszuwerten, dass die Nachbarzähne der geschädigten Zähne nicht überkronungsbedürftig seien und
insofern die Implantatversorgung die Versorgungsform der Wahl darstelle. Aufgrund der besonderen
Bisssituation des Klägers sei zwar eine Bisshebung medizinisch indiziert und durchaus wünschenswert. Für
diese Maßnahme bestehe allerdings nicht die Kostenverantwortung der Beklagten. Der vorliegende
Behandlungsplan für die Implantatversorgung sei von den angesetzten Gebührenpositionen nicht zu
beanstanden; die geschätzten Material- und Laborkosten seien bei der Abrechnung zu belegen.
7 Am 14.02.2013 erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim Sozialgericht (SG) Konstanz (Az. S 11 U 364/13).
8 Mit Schreiben vom 18.03.2013 teilte die Beklagte dem behandelnden Zahnarzt Dr. S. mit, sie sei mit der
Eingliederung des vorgeschlagenen Zahnersatzes auf der Grundlage seines beigefügten Heil- und
Kostenplans von 12.09.2012 einverstanden. Die Gesamtkosten bitte sie unter Berücksichtigung der
beigefügten Stellungnahme des beratenden Zahnarztes vom 14.02.2013 nach der Eingliederung des
Zahnersatzes in Rechnung zu stellen. Mit Schreiben vom 18.03.2013 übermittelte die Beklagte dem Kläger
einen Abdruck des Schreibens an Dr. S. zur Kenntnisnahme.
9 Mit der Klageerwiderung vom 19.03.2013 im Verfahren S 11 U 364/13 führte die Beklagte aus, ihr sei ein
Heil- und Kostenplan über die geplante Versorgung mit Implantaten sowie über die Behebung einer
Bissanomalie zugegangen. Nach der erneuten Vorlage an den zahnärztlichen Berater mit nunmehr
vollständigen Unterlagen sei inzwischen die beantragte Implantatversorgung bewilligt worden (Schreiben
vom 18.03.2013). Eine Untätigkeit liege nicht vor. Die erforderliche Versorgung sei auch bewilligt, weshalb
die Klage unbegründet sei.
10 Auf die Einwendung des Klägers, dass die beantragte Leistung noch nicht bewilligt und ein entsprechender
Bescheid noch nicht ergangen sei, teilte die Beklagte im Verfahren S 11 U 364/13 dem Sozialgericht
Konstanz mit, die Kostenübernahmeerklärung für die Implantatversorgung sei direkt an den behandelnden
Zahnarzt gesandt worden. Da die genaue Kostenhöhe nicht im Voraus festgesetzt werden könne, sei keine
Erteilung eines genau bezifferten Bescheides möglich. Allerdings sei der Kläger mit Schreiben vom
18.03.2013 über die Kostenübernahme informiert worden. Das Schreiben an den behandelnden Zahnarzt
sei in Zweischrift beigefügt worden. Hierin sei bereits ein Verwaltungsakt (ohne formelle
Rechtsbehelfsbelehrung) zu sehen. Hierauf nahm der Kläger durch seinen Bevollmächtigten das
Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte die Klage für erledigt.
11 Zu einem weiteren Kostenvoranschlag des M.-Implantatzentrums B. W. vom 10.04.2013 (Bl. 78-2 VA) ließ
sich die Beklagte erneut vom Zahnarzt S. beraten, welcher in seiner weiteren Stellungnahme vom
02.06.2013 ausführte, die angesetzten Gebührenpositionen in den jetzt vorgelegten Heil- und Kostenplänen
für die chirurgischen Teil der Implantatversorgung seien nicht zu beanstanden. Die Heil- und Kostenpläne für
die prothetische Versorgung der Implantate lägen bereits vor. Auch für diese Maßnahmen bestehe die
Kostenverantwortung der Beklagten. Die Kostenverantwortung bestehe nicht für in diesem Zusammenhang
geplante Bisshebung durch eine prothetische Versorgung im Seitenzahnbereich.
12 Nach Vorlage eines weiteren Heil- und Kostenplans Nr. 7219 vom 19.03.2014 über die Implantatkronen 21
und 22 durch Dr. S. teilte die Beklagte diesem mit Schreiben vom 29.04.2014 mit, sie sei mit der
Eingliederung des vorgeschlagenen Zahnersatzes auf der Grundlage dieses Heil- und Kostenplanes
einverstanden.
13 Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 08.12.2014 teilte der Kläger mit, nach dem Einsatz der
Zahnimplantate sei eine sehr deutliche optische Unterscheidung zu seinen eigenen Zähnen zu sehen
gewesen. Daher habe Dr. S. ihm die anliegenden Zähne am oberen Kiefer optisch angepasst. Dies habe
insgesamt 3.645,32 EUR gekostet. Er bitte um Erstattung des Eigenanteils in Höhe von 2.448,63 EUR. Dem
Antrag lag ein Schreiben der AOK vom 24.03.2014 bei, wonach diese unter Bezugnahme auf einen Heil- und
Kostenplan des Zahnarztes Dr. S. vom 18.03.2014 einen Festzuschuss in Höhe von 20 % (1.196,69 EUR)
übernehme. Beigefügt war ebenfalls die Kopie einer Rechnung der Praxis Dr. S. vom 13.06.2014. Für die
Überkronung der Zähne 16, eine Brücke von 13 bis 11 und eine weitere Krone für den Zahn Nr. 23 stellte er
insgesamt 3.357,31 EUR für Honorar, Material, Eigenlabor und Fremdlabor in Rechnung. Abzüglich des
Festzuschusses von 1.196,69 EUR errechnete er einen Versichertenanteil von 2.160,62 EUR. Hinzu
rechnete er die Kosten für eine private Vereinbarung in Höhe von 288,01 EUR und kam so auf den vom
Kläger zu entrichtenden Betrag von 2.448,63 EUR.
14 Auf Anforderung der Beklagten übersandte der Kläger einen Heil- und Kostenplan der Praxis Dr. S. mit der
Kostenplannummer 8282 vom 28.12.2013 über einen voraussichtlichen Eigenanteil von 2.454,77 EUR.
Außerdem übersandte er auf elektronischem Wege Digitalbilder seiner Zähne.
15 Der erneut von der Beklagten um Stellungnahme gebetene beratende Zahnarzt S. führte am 27.02.2015
(Bl. 152-1) aus, bei der versicherten Tätigkeit sei es zu einer Schädigung der Zähne 21 und 22 gekommen,
welche im Anschluss entfernt und zunächst durch eine Interimsprothese ersetzt worden seien. Die
Lückenversorgung sei mit Implantaten geplant worden. Die Maßnahmen seien mittlerweile durchgeführt
und abgerechnet worden. Den Abrechnungen sei zu entnehmen, dass Kronen bei den Zähnen 16 und 23
sowie eine Brücke von 13 auf 11 angefertigt worden seien. Diese Zähne seinen jedoch nicht bei dem
Unfallereignis geschädigt worden. Den vorliegenden Fotos sei zu entnehmen, dass die Zähne 13, 12, 11 und
23 zum Versorgungszeitpunkt Verfärbungen und zum Teil auch Karies sowie alte Füllungen aufgewiesen
hätten. Es sei nachvollziehbar, dass der behandelnde Zahnarzt die neuen Implantatkronen optisch nicht an
die vorgeschädigten Zähne habe anpassen wollen und sich deshalb eine Abweichung der neuen Kronen zu
den unversorgten Zähnen ergeben habe. Grundsätzlich sei eine Anpassung der als Unfallfolge versorgten
Zähne an die unversorgten Nachbarzähne möglich gewesen. Es sei allerdings nicht davon auszugehen, dass
der Kläger dies gewünscht hätte. Die Anpassung der unfallunabhängig vorgeschädigten Zähne an die
Implantatkronen falle nicht in die Kostenverantwortung der Beklagten. Der Eigenanteil sei daher vom Kläger
zu tragen.
16 Mit Bescheid vom 09.03.2015 (Bl. 154 VA), der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte
die Übernahme des Eigenanteils ab. Die Zähne 16, 13 auf 11 und 23 seien nicht bei dem Unfallereignis
beschädigt worden. Die Zähne 13, 12, 11 und 23 hätten zum Versorgungszeitpunkt Verfärbungen und zum
Teil auch Karies und alte Füllungen aufgewiesen. Die Anpassung der unfallunabhängigen Zähne an die
Implantatkrone falle nicht in die Kostenverantwortung der Beklagten.
17 Hiergegen erhob der Kläger am 17.03.2015 Widerspruch. Es sei Tatsache, dass die behandelnden Zähne
nicht vom Unfall betroffen gewesen seien und vor dem Unfall von Verfärbungen aufgewiesen hätten. Jedoch
hätten diese aus kosmetischen Aspekten an die Implantate angeglichen werden müsse. Sonst wäre diese
Behandlung nicht notwendig gewesen.
18 Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar sei
nachvollziehbar, dass der behandelnde Zahnarzt die neuen Implantatkronen nicht optisch an die
unfallunabhängig vorgeschädigten Zähne anpassen wollen hätte und sich deshalb eine Abweichung der
neuen Kronen zu den unversorgten Zähnen ergeben habe. Die Anpassung der unfallunabhängig
vorgeschädigten Zähne an die Kronen falle aber nicht in die Verantwortung des Unfallversicherungsträgers,
weshalb eine Kostenerstattung nicht erfolgen könne.
19 Gegen den am 15.04.2015 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 06.05.2015 Klage
beim Sozialgericht Konstanz erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Zahnbehandlung notwendig
gewesen sei und auch im ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gestanden habe. Nach
Entfernung der geschädigten Zähne und Ersatz durch eine Interimsprothese sei es nach dem Einsatz der
Kronen zu einer sehr deutlichen optischen Unterscheidung zu den weiteren Zähnen gekommen, weshalb
der Zahnarzt Dr. S. die anliegenden Zähne am oberen Kiefer optisch habe anpassen müssen. Deshalb seien
Kronen bei den Zähnen 16 und 23 sowie eine Brücke von 13 auf 11 angefertigt worden. Zwar seien diese
Zähne nicht bei dem Unfallereignis geschädigt worden, jedoch umfasse die medizinische Notwendigkeit einer
ärztlichen/zahnärztlichen Maßnahme auch das Bemühen, die optisch störenden Folgen des Eingriffs bzw.
einer erforderlichen Prothetik im Rahmen des wirtschaftlich vertretbaren möglichst wenig sichtbar werden
zu lassen. Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid und den Akteninhalt
entgegen getreten.
20 Im Rahmen eines am 13.10.2015 durchgeführten Erörterungstermins hat der Kläger bestätigt, dass die
Farbaufnahmen auf Bl. 138 und 139 der Verw.-Akte den Zustand vor Einsatz der Implantate zeige; auch die
Nachbarzähne seien noch nicht behandelt. Die nachfolgende Aufnahmen zeigten dann den Zustand nach
Abschluss der Behandlung der Schneidezähne und der umliegenden Zähne.
21 Nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
hat das SG die Klage mit Urteil vom 15.12.2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Versicherte
könnten ausschließlich dann Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen verlangen, wenn die
Krankenkasse bzw. hier die Berufsgenossenschaft vor der Selbstbeschaffung über den Leistungsantrag
entschieden habe. Der Antrag des Klägers sei jedoch erst nach Abschluss der Behandlung und
Rechnungsstellung durch den Zahnarzt gestellt worden. Außerdem stehe einer Kostenerstattung entgegen,
dass es sich nicht um Unfallfolgen handele. Die Behandlung der umliegenden Zähne falle nicht in den
Schutzbereich des Versicherungstatbestandes. Die Zähne 13 bis 11 und 23 seien von dem Arbeitsunfall
unmittelbar nicht betroffen gewesen, hätten Karies aufgewiesen, sodass schon allein deswegen eine
Behandlung notwendig gewesen sei. Die alten Füllungen hätten möglicherweise noch länger gehalten,
jedoch begründeten die Kronen bzw. die Brücke eine solidere Situation. Theoretisch sei eine Anpassung des
Zahnersatzes für die Schneidezähne 21 und 22 an die umliegende Umgebung denkbar gewesen, da dies
nicht geschehen sei, vielmehr eine „hellere“, dem gesunden Zahnmaterial nähere Farbe gewählt worden sei,
habe der Kläger gegenüber dem Gesundheitszustand vor dem Arbeitsunfall einen „Mehrwert“ gewonnen,
der nicht in den Bereich falle, der von dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz abgedeckt werde. Er sei
also weitergehend entschädigt worden. Hieraus könne er nicht ableiten, nunmehr auch die umliegenden
Zähne dieser weitergehenden Entschädigung gemäß durch die Beklagte behandeln zu lassen bzw.
entsprechende Kostenerstattung zu bekommen. Eine solche Behandlung sei nicht mehr der gesetzlichen
Unfallversicherung, sondern dem durch die Krankenkasse abgedeckten Schutzbereich zu zurechnen.
22 Gegen das seinem Bevollmächtigten am 29.12.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.01.2016
Berufung eingelegt. Zwar seien die Zähne 16 und 23 sowie 11, 12 und 13 nicht bei dem Unfallereignis
geschädigt worden. Die medizinische Notwendigkeit einer ärztlichen/zahnärztlichen Maßnahme umfasse
nach zeitgemäßem Standard aber auch das Bemühen, die optisch störenden Folgen des Eingriffs bzw. eine
erforderliche Prothetik im Rahmen des wirtschaftlich vertretbaren möglichst wenig sichtbar werden zu
lassen. Der Zusammenhang zum Arbeitsunfall sei daher gegeben.
23 Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
24 die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Konstanz vom 15.12.2015 und des Bescheides
vom 09.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 zu verurteilen, an den Kläger
2.448,63 EUR zu bezahlen.
25 Die Beklagte beantragt,
26 die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
27 Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
28 In einem Erörterungstermin vom 04.10.2016 hat der Kläger erklärt, bei der Versorgung mit Implantaten
Wahlfarbmuster bekommen zu haben und die Farbe die Implantate so ausgesucht zu haben, wie es
geschehen sei. Er sei der Auffassung gewesen, dass diese Implantate am besten zu den unteren Zähnen und
den übrigen Zähnen gepasst hätten. Alle anderen Farbtöne seien ihm zu hell oder zu dunkel gewesen. Er sei
der Auffassung, es handele sich um durch den Arbeitsunfall verursachte Kosten.
29 Die Beklagte hat sich im Termin vom 04.10.2016, der Kläger durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom
13.10.2016, mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
30 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die
beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogene Akte des Verfahrens vor dem Sozialgericht
Konstanz S 11 U 364/13 sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
31 Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über
die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
32 Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung der von ihm
selbst getragenen Kosten in Höhe von 2.448,63 EUR für die Überkronung der Zähne 16 und 23 sowie die
Anfertigung einer Brücke für die Zähne 11, 12 und 13. Diese Maßnahmen haben nicht der Behandlung von
Gesundheitsstörungen gedient, deren wesentliche Ursache der Arbeitsunfall vom 14.05.2012 war, sondern
der Besserung oder Beseitigung von Gesundheitsstörungen und kosmetischen Mängeln an den genannten
Zähnen, die zum Unfallzeitpunkt bereits vorhanden waren.
33 Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 09.03.2015 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Klageziels ist
vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3
SGG.
34 Nach § 26 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte u.a. Anspruch auf
Heilbehandlung. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den
durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine
Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Zur Heilbehandlung
gehört neben ärztlicher auch die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz (§
27 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII). Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit der Zahnärzte, die nach den
Regeln der zahnärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig ist (§ 28 Abs. 1, 3 SGB VII). Leistungen der
Heilbehandlung sind nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu
stellen und daher als "Naturalleistung" zu gewähren (vgl. BSGE 73, 271, 274 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4
m.w.N.); Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn dies im SGB VII oder SGB IX ausdrücklich vorgesehen ist.
Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation findet allein
unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) statt; diese
Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke
hinsichtlich der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (st. Rspr., BSG, Urteile
vom 24.02.2000 – B 2 U 12/99 R – SozR 3-2200 § 567 Nr. 3, juris, Rn. 16 f., vom 20.03.2007 – B 2 U 38/05
R –, SozR 4-1300 § 48 Nr. 10, juris, Rn. 13 und vom 03.04.2014 – B 2 U 21/12 R – BSGE 115, 247-256,
juris, Rn. 14 f.).
35 Eine Erstattung der vom Kläger selbst getragenen Kosten in Höhe von insgesamt 2.448,63 EUR kommt
daher nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des insoweit analog anzuwendenden § 13 Abs. 3 Satz 1
SGB V erfüllt sind (so ebenfalls mit zutreffenden Gründen Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteile
vom 27.06.2016- L 1 U 4032/15 -, juris, Rn. 43 f., sowie vom 21.05.2015 – L 6 U 4698/14 –, juris, Rn. 28
ff.). Eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften
Leistung kann nur erfolgen, wenn der Unfallversicherungsträger (1.) eine unaufschiebbare Leistung nicht
rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er (2.) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zusätzlich muss ein
Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung begründenden Umstand (bei der Alternative 1.:
Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2.: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des
Versicherten (Kostenlast) bestehen (BSG, Urteil vom 24.02.2000 – B 2 U 12/99 R –, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).
36 Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. Hier kommt als
Anspruchsgrundlage des Klägers allein die zweite Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht, denn bei
der Anfertigung einer Brücke (Zähne 11-13) und von Überkronungen (Zähne 23 und 16) handelte es sich
offensichtlich nicht um unaufschiebbare Sach- bzw. Dienstleistungen i.S. der ersten Alternative der
Vorschrift, bei der das Abwarten eines Bescheides des Unfallversicherungsträgers nicht angezeigt gewesen
wäre. Dies wird auch nicht geltend gemacht.
37 Der Kläger hat auch nach der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V keinen Kostenerstattungsanspruch,
denn die Beklagte hat die Übernahme der hier im Streit stehenden Kosten nicht rechtswidrig abgelehnt. Der
Kläger hatte insoweit bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Heilbehandlung, denn die
Behandlungsmaßnahmen, für die der Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird, die Überkronungen
der Zähne 16 und 23 und die Anfertigung einer Brücke für die Zähne 11-13, dienten nicht der Besserung
oder Beseitigung von Unfallfolgen. Dies ist aber grundsätzlich Voraussetzung für den
Heilbehandlungsanspruch, denn nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII hat der Unfallversicherungsträger mit allen
geeigneten Mitteln (nur) den durch den Versicherungsfall - hier den durch den Arbeitsunfall des Klägers vom
14.05.2012 - verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu
verhüten und seine Folgen zu mildern (vgl. zum Fall einer Tinnitusbehandlung durch Klangtherapie bei
anerkannter Berufskrankheit Nr. 2301 BSG, Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 38/05 R –, SozR 4-1300 § 48
Nr. 10, Rn. 15).
38 Versicherungsfälle i.S.d. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB
VII). Bei dem Unfall, den der Kläger am 14.05.2012 erlitten hat, hat es sich um einen Arbeitsunfall i.S.d. § 8
Abs. 1 SGB VII gehandelt.
39 Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII
begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte,
von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach
in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich
begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das
Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht
(haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des
Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung
eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U
1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).
40 Während der Ausübung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung als Lagerarbeiter bei der Firma S.V.-
GmbH hat den Kläger im Lagerbereich eine „Ameise“ angefahren. Infolge dessen hat er sich multiple
Prellungen und Schürfwunden zugezogen, ebenso wurden die Zähne 21 und 22 irreparabel so geschädigt
(„ausgeschlagen“), dass sie bzw. die verbliebenen Zahnreste, am 14.05.2012 (Nr. 22) und am 29.05.2012
(Nr. 21) entfernt werden mussten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf den Durchgangsarztbericht des
Dr. H. vom 14.05.2012, die Unfallanzeige der Firma S. vom 18.05.2012 und die Rechnung des Zahnarztes
Dr. S. vom 29.06.2012. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen hat es sich bei dem Ereignis vom
14.05.2012, was auch keiner der Beteiligten in Zweifel gezogen hat, um einen Arbeitsunfall gehandelt.
41 Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB
VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden
ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen
Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den
Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der
Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall
selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er
grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden.
42 Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne
zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie
der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R =
BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rn. 28 ff. m.w.N.).
43 Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung
durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob
die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine
Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden
Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse
(Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non).
Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig
(äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn
nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt
werden.
44 Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren
Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend:
mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den
weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er
eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U
1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache
auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam
gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n)
"wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar
naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist
und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts
ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet
werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits
vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die
Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus
ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere
alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann
der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).
45 Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und
die als Unfallfolge geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) -
Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des
Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als
erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a
Nr. 1). Hingegen genügt für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität hinreichende
Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 20 auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor,
wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen
Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der
Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der
Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende
Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine
Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache
automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer
Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht
aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.
46 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Überkronung der Zähne 16 und 23 sowie die Anfertigung einer
Brücke für die Zähne 11, 12 und 13 nicht der Behandlung von Gesundheitsstörungen gedient, deren
wesentliche Ursache der Arbeitsunfall vom 14.05.2012 war, sondern der Besserung oder Beseitigung von
Gesundheitsstörungen und kosmetischen Mängeln an den genannten Zähnen, die zum Unfallzeitpunkt
bereits vorhanden waren. Im Bereich des Gesichts wurden als Gesundheitserstschaden infolge des
Zusammenstoßes des Klägers mit der „Ameise“ im Lager am 14.05.2012 neben einer Schürfwunde am Kinn
und der Unterlippe dessen Frontzähne 21 und 22 so stark traumatisch geschädigt („ausgeschlagen“), dass
sie bzw. ihre Reste entfernt werden mussten. Das ergibt sich aus dem Durchgangsarztbericht des Dr. H.
vom 14.05.2012, der Unfallanzeige der Firma S. vom 18.05.2012 und der Rechnung des Zahnarztes Dr. S.
vom 29.06.2012. Die Verfärbungen, kariösen Veränderungen und die Abnutzung der Zähne 11-13, 16 und
23 waren indes nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 14.05.2012, da sie zum Unfallzeitpunkt bereits
vorhanden waren. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass diese Zähne nicht von dem Unfall betroffen waren
und vor dem Unfall Verfärbungen aufwiesen. Dass die Zähne verfärbt und abgenutzt waren, ergibt sich
nicht nur aus den vorliegenden Farbaufnahmen, welche die Zähne vor Einbringung der Implantate zeigen
und vom Senat in Augenschein genommen worden sind, sondern auch aus dem Schreiben vom Dr. S. vom
07.09.2012. Schließlich entnimmt der Senat aus der Stellungnahme des beratenden Zahnarztes S. vom
27.02.2015, dass die genannten Zähne zum Teil auch Karies aufgewiesen haben und deshalb und weil sei
alte Füllungen aufgewiesen haben, behandlungsbedürftig waren.
47 Die farbliche Anpassung der Seitenzähne des Oberkiefers hat auch nicht der Milderung der Folgen des
Gesundheitsschadens an den Zähnen 21 und 22 gedient. Der überdauernde unfallbedingte
Gesundheitsschaden im Kopfbereich, der Verlust der Frontzähne 21 und 22, wurde durch die Einbringung
der von der Beklagten bezahlten Implantate kompensiert. Aus der vom Kläger selbst vorgelegten
zahnärztlichen Bescheinigung von Dr. S. vom 14.09.2016 (Bl. 31 Senatsakte) geht hervor, dass die
Behandlung der Zähne 13-11 und 23 zur Behebung entstandener Veränderungen der Funktion dieser
Zähne durch „Attrition“ (= Abnutzung, Verschleiß) sowie einer Diskrepanz in Form und Farbe nach
Neuversorgung der Zähne 21 und 22 gedient hat. Die Behebung vorbestehender verschleißbedingter
Veränderungen ist nicht dem Unfallereignis zuzurechnen (s.o.). Dasselbe gilt für die Behebung der
entstandenen Farbdifferenz: Die Farbwahl für die Implantate erfolgte durch den Kläger, was dieser im
Erörterungstermin vom 04.10.2016 ausdrücklich eingeräumt hat. Indem der Kläger selbst aufgrund eigener,
eigenverantwortlich getroffener Entscheidung eine hellere, gesünder aussehende Zahnfarbe als die Farbe
der umliegenden verfärbten, abgenutzten und teilweise kariösen Zähne gewählt hat, ist nicht der Unfall
und der hierdurch bedingte Verlust der Zähne 21 und 22 die Ursache der nach Einbringung der Implantate
entstandenen Farbdifferenz zu den umliegenden Zähnen, sondern die Farbwahl des Klägers. Eine
haftungsausfüllende Kausalität besteht daher nicht.
48 Nur ergänzend ist hiernach darauf hinzuweisen, dass der Kläger versäumt hat, die Übernahme der Kosten
für eine kosmetische Farbangleichung durch Überkronung der Zähne 16 und 23 sowie 11-13 (Brücke) vor
deren Durchführung bei der Beklagten geltend zu machen und erst nach Abschluss der privat
vorfinanzierten Behandlung die Kostenübernahme geltend gemacht hat. Es fehlt mithin auch am für einen
Erstattungsanspruch erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnungsentscheidung und
der dem Versicherten entstandenen Kostenlast (vgl. dazu Urteil des LSG Baden-Württemberg vom
27.06.2016 – L 1 U 4032/15 –, juris, Rn. 47 m.w.N.). Aus dem Kostenplan Nr. 7126 vom 12.09.2012 über die
Versorgung der Zähne 17-11 und 23-27 mit Oberkieferkronen zum Zweck einer Bisshebung und der
Entscheidung der Beklagten vom 18.03.2013 über die Übernahme der Kosten für die Implantatversorgung
kann der Kläger insoweit nichts ableiten, denn dabei handelte es sich um andersartige Maßnahmen, mithin
ein „aliud“ zu der hier im Streit stehenden Überkronung eines Teils der Oberkieferzähne zum Zwecke der
Farbangleichung zu den eingesetzten helleren Prothesen. Von dem Heil- und Kostenplan Nr. 8282 vom
28.12.2013, auf dessen Grundlage die Behandlungsmaßnahme erfolgt ist, um deren Kostenerstattung hier
gestritten wird, hat die Beklagte erst nach Abschluss der Behandlung, mittels E-Mail vom 15.02.2015,
Kenntnis erlangt.
49 Hiernach besteht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch des Klägers nicht, weshalb die Berufung
als unbegründet zurückzuweisen war.
50 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
51 Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.