Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.11.2005

LSG Bwb: aufsichtsbehörde, gesundheit, verfügung, systematische auslegung, vergütung, krankenversicherung, anpassung, angemessenheit, bundesbehörde, akte

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 30.11.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Karlsruhe S 1 KA 4599/03
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 5 KA 5284/04
Bundessozialgericht B 6 KA 71/05 B
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. September 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine aufsichtsrechtliche Verfügung der Beklagten (des Bundesversicherungsamtes),
mit der eine in einer Gesamtvergütungsvereinbarung getroffene Regelung nach § 71 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes
Buch (SGB V) beanstandet wurde.
Am 15. Oktober 2002 schlossen die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen für die Regierungsbezirke Freiburg,
Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, mit den Beigeladenen (vertreten durch
deren baden-württembergische Landesvertretungen) eine jeweils gleich lautende Vergütungsvereinbarung für den
Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2003 (Verwaltungsakte - VA - S. 27 ff.). Darin sind die
Vergütungsregelungen für die Jahre 2002 und 2003 festgelegt. Unter Nr. III. 8 ist für das Jahr 2004 darüber hinaus
Folgendes vereinbart:
"Basis für die Ermittlung der höchstzulässigen Gesamtvergütungen des Jahres 2004 sind die höchstzulässigen
Gesamtvergütungen 2002 erhöht um 0,7695 % (Grundlohnsummesteigerung 2003 abzüglich 5%)."
Der Landesverband der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Baden Württemberg legte die Vereinbarungen unter dem
8. November 2002 dem Sozialministerium Baden-Württemberg zur aufsichtsrechtlichen Prüfung gem. § 71 Abs. 4
SGB V vor (SG-Akte S. 37). Mit Schreiben vom 26. November 2002 erteilte die Behörde das Einvernehmen zu den
Vergütungsvereinbarungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2002 sowie für das Jahr 2003, insoweit
jedoch mit der Maßgabe, dass im Hinblick auf das laufende Gesetzgebungsverfahren, wonach u. a. eine Nullrunde für
Vergütungsvereinbarungen des Jahres 2003 vorgesehen sei, es gegebenenfalls erforderlich werden könne, einen Teil
der Vereinbarungen neu zu verhandeln.
Am 1. Januar 2003 trat das Gesetz zur Begrenzung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr
2003 vom 23. Dezember 2002 - Beitragssatzsicherungsgesetz - (BGBl I S. 4637, BSSichG) in Kraft. Art. 5 dieses
Gesetzes hat folgenden Wortlaut:
"Abweichend von Art. 71 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gilt für das Jahr 2003 anstelle der vom
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung festgestellten Veränderungsraten eine Rate von Null vom
Hundert für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, mit
Ausnahme der Vergütungen im Rahmen von Strukturverträgen nach § 73a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
sowie für die Vereinbarung des Gesamtbetrages, der Höhe der bisherigen Fallpauschalen und Sonderentgelte und der
BAT-Berichtigungsrate nach § 6 der Bundespflegesatzverordnung. Satz 1 gilt nicht für die Krankenhäuser, die auf der
Grundlage von § 17b Abs. 4 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes im Jahr 2003 nach dem DRG-Vergütungssystem
abrechnen."
In Gesprächen zwischen dem Landesverband der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Baden-Württemberg und den
Beigeladenen wurde hinsichtlich der Umsetzung der Regelungen des BSSichG für das Jahr 2003 grundsätzlich
Einigkeit erzielt. Der Abschluss entsprechender Änderungsvereinbarungen zu den Vergütungsvereinbarungen vom 15.
Oktober 2002 scheiterte jedoch daran, dass die Beigeladenen auch die Streichung der das Jahr 2004 betreffenden
Regelungen unter III.8 der Vergütungsvereinbarungen forderten.
Am 22. September 2003 legten die Beigeladenen die Vergütungsvereinbarungen der Beklagten (dem
Bundesversicherungsamt) zur aufsichtsrechtlichen Prüfung gem. § 71 Abs. 4 SGB V vor (VA S. 26).
Das Bundesversicherungsamt beanstandete die Vergütungsvereinbarungen mit an die Beigeladenen gerichtetem
Bescheid vom 28. Oktober 2003 (VA S. 72 ff.); außerdem ordnete es die sofortige Vollziehung der
Beanstandungsverfügung an.
Zur Begründung führte die Behörde aus, unter II.1 bis II.3 der Vergütungsvereinbarungen seien Regelungen über
konservierend-chirurgische Leistungen, Kieferbruch/Kiefergelenk sowie Parodontosebehandlungen (Gebührentarif A, B
und E des Zahnarzt-Ersatzkassenvertrages), über Zahnersatz (Gebührentarif C des Zahnarzt-Ersatzkassenvertrages)
und über Kieferorthopädie (Gebührentarif D des Zahnarzt-Ersatzkassenvertrages) vereinbart. Zu den vorgenannten
Gebührentarifen hätten die Vertragspartner hinsichtlich der Ermittlung der höchstzulässigen Gesamtvergütung jeweils
festgelegt, dass Basis für deren Berechnung die höchstzulässige Gesamtvergütung des Jahres 2002, getrennt nach
VdAK und AEV, sei und dieser Wert ab 1. Januar 2003 um 0,729 % erhöht werde. Unter III.8 habe man zur Ermittlung
der höchstzulässigen Gesamtvergütungen des Jahres 2004 eine entsprechende Regelung getroffen. Basis für die
Ermittlung der höchstzulässigen Gesamtvergütungen dieses Jahres sollten danach die höchstzulässigen
Gesamtvergütungen 2002 sein, erhöht um 0,7695 % (Grundlohnsummesteigerung 2003 abzüglich 5 %).
Diese Vereinbarungen verletzten sowohl für das Jahr 2003 als auch für das Jahr 2004 den Grundsatz der
Beitragssatzstabilität und seien deshalb rechtswidrig. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BSSichG gelte nämlich abweichend
von § 71 Abs. 3 SGB V für das Jahr 2003 an Stelle der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung festgestellten Veränderungsrate eine Rate von Null v.H.; damit sei eine Nullrunde für die Vereinbarung der
Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 2 SGB V (mit hier nicht einschlägigen Ausnahmen) angeordnet worden. Die
Nullrunde sei auch für vor Erlass des Beitragssatzsicherungsgesetzes am 23. Dezember 2002 (hier am 15. Oktober
2002) vereinbarte Gesamtvergütungen verbindlich. Art. 5 BSSichG verfolge darüber hinaus das Ziel, das
Vergütungsvolumen wegen negativer Wirkungen auf die Beitragssatzentwicklung nicht nur für das Jahr 2003
einzufrieren. Vielmehr sollten die Gesamtvergütungen der Folgejahre auf der Grundlage des niedrigeren
Vergütungssockels 2003 berechnet werden. Damit sei aber zwingend die Basiswirksamkeit der Nullrunde 2003 auch
für das Jahr 2004 verknüpft. Andernfalls würde der durch die Nullrunde erwünschte Effekt in den Folgejahren nicht
eintreten. Das vom Gesetzgeber (auch) mit der Nullrunde 2003 verfolgte Ziel der Beitragssatzstabilität werde deshalb
durch die unter Nr. III.8 vereinbarte Regelung verfehlt, da diese die Gesamtvergütungen 2004 an um eine höhere
Veränderungsrate (als 0 vH) angehobene (fiktiven) Gesamtvergütungen 2003 anknüpfe. Sollte das Sozialministerium
Baden-Württemberg (als Aufsichtsbehörde der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen) die Vergütungsvereinbarungen
lediglich für das Jahr 2003 beanstanden wollen, wäre das Bundesversicherungsamt (als Aufsichtsbehörde der
Beigeladenen) dadurch am Erlass einer weiter gehenden Beanstandungsverfügung auch für das Jahr 2004 nicht
gehindert.
Die Beanstandungsverfügung wurde den Beigeladenen am 30. Oktober 2003 zugestellt. Den Rechtsvorgängerinnen
der Klägerin wurde sie nicht zugestellt und auch nicht anderweit bekannt gegeben.
Am 10. Dezember 2003 erhob die Kassenzahnärztliche Vereinigung für den Regierungsbezirk Karlsruhe Klage beim
Sozialgericht Karlsruhe; außerdem suchte sie um vorläufigen Rechtsschutz nach. Sie trug vor, die Verfügung der
Beklagten sei insoweit rechtswidrig und werde auch nur insoweit angefochten, als die Vergütungsvereinbarung
hinsichtlich der unter III.8 getroffenen Regelungen für das Jahr 2004 beanstandet worden sei.
Bei der Beanstandungsverfügung handele es sich um einen mit der Aufsichtsklage (§ 54 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz,
SGG) anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X). § 54 Abs. 3 SGG
bestimme insoweit, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der
Aufsichtsbehörde begehren könne, wenn sie behaupte, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite. Die
Maßnahme des Bundesversicherungsamts, das nicht ihre Aufsichtsbehörde sei, wirke ihr gegenüber jedenfalls wie
eine Aufsichtsmaßnahme. Obwohl die Beanstandungsverfügung nicht an sie, sondern an die Beigeladenen gerichtet
sei, könne sie auch geltend machen, in rechtlich geschützten Positionen beeinträchtigt zu sein, und sei deshalb
klagebefugt. § 71 Abs. 4 SGB V, der als Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung die Beanstandung von
Vergütungsvereinbarungen bei einem Rechtsverstoß erlaube, diene auch dem Schutz ihrer Rechte, sofern es, wie
hier, um von ihr abgeschlossene Vergütungsvereinbarungen gehe.
Die Beanstandungsverfügung sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits formell rechtswidrig (§ 33 Abs. 1 SGB
X). Ihr Verfügungssatz stelle nämlich, anders als bei vergleichbaren Bescheiden in früheren Zeiten, lediglich fest,
dass die Vergütungsvereinbarung für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2003 gem. § 71 Abs. 4 SGB V
beanstandet werde. Nicht festgelegt sei jedoch, um welche Regelungen es im Einzelnen gehe und wie diese
gegebenenfalls zu ändern wären.
Die Verfügung sei hinsichtlich der Beanstandung der Regelungen unter Nr. III.8 der Vereinbarung auch materiell
rechtswidrig. Denn die Behörde habe den Anwendungsbereich des Art. 5 BSSichG unzulässig erweitert und ihm zu
Unrecht Basiswirksamkeit auch für die Jahre nach 2003 beigemessen. Nach dem Gesetzeswortlaut beschränke sich
Art. 5 BSSichG nämlich auf die Anordnung einer Nullrunde nur für das Jahr 2003 (vgl. dazu auch LSG Hessen, Urt. v.
10. Dezember 2003, - L 7 KA 425/02). Dass die Gesamtvergütungen der Folgejahre auf einem infolge der Nullrunde
2003 niedrigeren Vergütungssockel aufbauen sollten, sei hingegen nicht festgelegt worden. Anderes ergebe sich auch
nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Vielmehr gehe aus der Begründung des Gesetzentwurfs
(Bundestagsdrucksache 15/28 vom 5. November 2002) gerade hervor, dass die Nullrunde auf das Jahr 2003 begrenzt
sei. Auch Sinn und Zweck des BSSichG ließen nicht erkennen, weshalb sein Art. 5 zu einer dauerhaften Minderung
der Gesamtvergütungen führen solle. Dieses Gesetz habe vielmehr nur dazu gedient, die infolge der
weltwirtschaftlichen Abkühlung geleerten Kassen der Krankenversicherungsträger für einen Übergangszeitraum zu
füllen. Dementsprechend bezögen sich Pressemitteilungen etwa des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale
Sicherung (vom 6. November 2002 - SG-Akte S. 51/52) auch nur auf einen Honorarverzicht der Vertragszahnärzte im
Jahr 2003. Schließlich fänden sich in anderen Gesetzen, anders als im BSSichG, ausdrückliche Regelungen über die
Fortwirkung von Vergütungsabsenkungen für Folgejahre. Das gelte etwa für § 85 Abs. 2 b SGB V (Fassung 1992).
Dort seien die Punktwerte für zahnärztliche Leistungen zum 1. Januar 1993 auf die Dauer eines Jahres, des Jahres
1993, um 10 % abgesenkt worden; Satz 2 der Vorschrift habe festgelegt, dass die Anpassung der Punktwerte am 1.
Januar 1994 auf der abgesenkten Basis zu erfolgen habe. Ähnliche Regelungen enthalte § 85 Abs. 3d Satz 5 SGB V
(Fassung ab 1. Januar 2004) oder § 85 Abs. 3e SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes, wonach
die "Veränderungen der Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigungen im übrigen Bundesgebiet im Jahr 2005
auf die nach Satz 3 abgesenkte Vergütungssumme im Jahr 2004" bzw. die "Veränderungen der Gesamtvergütungen
für die vertragsärztliche Versorgung nach Abs. 3 im Jahr 2004 auf das nach Satz 2 bereinigte Vergütungsvolumen des
Jahres 2003" zu beziehen seien. Das zeige, dass der Gesetzgeber für Folgejahre üblicherweise ausdrückliche
Festlegungen treffe.
Bestätigt werde diese Rechtsauffassung durch die Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen (vom 11.
November 2002 zu Art. 5 BSSichG. S. 23; SG-Akte S. 53/54). Danach sei nämlich eine gesetzliche Klarstellung
dahingehend angeregt worden, dass die für das Jahr 2003 vorgesehene Ausgabenbegrenzung auch die
Ausgangsbasis der Verhandlungen für das Jahr 2004 bilden solle; es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass es sich
um eine auf das Jahr 2003 begrenzte Einsparung handele, die einer Anrechnung der Grundlohnzuwachsrate 2003 bei
den Verhandlungen für 2004 nicht entgegenstehe. Deshalb hätten die Spitzenverbände auch die Aufnahme einer
entsprechenden Gesetzesvorschrift zur Basiswirksamkeit des Art. 5 BSSichG für das Jahr 2004 empfohlen, was
allerdings nicht geschehen sei.
Die Beklagte trug vor, die Beanstandungsverfügung sei hinreichend bestimmt. Dass die Regelung unter Nr. III.8 der
Vergütungsvereinbarung beanstandet worden sei, ergebe sich durch Auslegung des Bescheids anhand seiner
Begründung; außerdem sei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen der Beanstandungsgrund aus dem
vorangegangenen Schriftwechsel mit den Beigeladenen auch bekannt gewesen.
Würden die Gesamtvergütungen für 2004 auf einer fiktiv erhöhten Basis der Werte des Jahres 2003 festgelegt,
überstiege das Vergütungsvolumen die nach § 71 Abs. 2 SGB V zulässige Anhebung eklatant. Dadurch würde der
Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzt. Insoweit verkenne die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung Sinn
und Zweck der in Art. 5 BSSichG normierten Nullrunde, mit der die ursprünglich vom zuständigen Ministerium (höher)
festgesetzte Veränderungsrate des Jahres 2003 gesetzlich auf Null festgeschrieben worden sei. Aus Wortlaut,
Entstehungsgeschichte und Systematik des BSSichG ergebe sich nichts anderes. Das Gesetz wolle das
Vergütungsvolumen wegen der negativen Wirkungen der Beitragssatzentwicklung vielmehr nicht nur für das Jahr 2003
einfrieren, sondern die Gesamtvergütungen auch in den Folgejahren auf den dann niedrigeren Vergütungssockel
beziehen.
Die Regelungen in § 85 Abs. 2b SGB V (a.F.) und § 85 Abs. 3e SGB V i. d. F. des GKV-Modernisierungsgesetzes
gäben für den vorliegenden Fall nichts her. Vielmehr sei in Einklang mit dem Bundessozialgericht (Urt. vom 5. Februar
2003, - B 6 KA 6/02 R -) davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur dann eine ausdrückliche Fortgeltungsregelung
hätte erlassen müssen, wenn er der Nullrunde 2003 keine Sockelwirksamkeit hätte beimessen wollen. Dieses
Ergebnis entspreche auch den wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Ihnen würde das Einfrieren der Gesamtvergütungen
nur für das Jahr 2003 und das Nachholen des Vergütungsanstiegs in den Folgejahren nicht gerecht, zumal die
Vergütungsverhandlungen nicht immer zeitnah erfolgten und es nicht ungewöhnlich wäre, bei Verhandlungen für das
Jahr 2004 zugleich Vergütungen für 2003 festzulegen. Entscheidend sei, dass der 2003 eingesparte Betrag
sockelwirksam auch für die Folgejahre fehlen werde. Insoweit gelte für Nullrunden nichts anderes als für sonstige
Veränderungsraten. Würden diese nicht in voller Höhe ausgeschöpft, fehlten sie sockelwirksam auch für die
Folgejahre.
Die Nullrunde des Art. 5 BSSichG gehöre zu einem Maßnahmenbündel, das der Gesetzgeber zur Kostendämpfung in
der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen habe und das über das Jahr 2003 hinaus für stabile Beitragssätze
sorgen solle. Ohne Basiswirksamkeit der Nullrunde 2003 würde deren kostendämpfender Effekt aber letztendlich
verpuffen, die vom Gesetzgeber hierzu angestellten Berechnungen hinsichtlich eingeplanter Minderausgaben für
Zahnärzte gingen ins Leere. Letztendlich führte das BSSichG nach der mit der Klage vertretenen Rechtsauffassung
nur zu einer finanziellen Atempause an Stelle der an sich gewollten beitragssatzwirksamen Einsparungen. Die - als
Selbstverständlichkeit weder in der politischen Diskussion noch in der Fachliteratur erörterte - Finanzwirksamkeit der
Nullrunde für die Folgejahre werde in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit
und soziale Sicherung (BT-Drs. 15/73 vom 13. November 2002, dort unter E) demzufolge auch bestätigt; danach führe
das Gesetz zu einer finanzwirksamen Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen "ab dem Jahr 2003".
Die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung trug ergänzend vor, die Beklagte habe das Urteil des
Bundessozialgerichts (B 6 KA 6/02 R) fehlerhaft zitiert; für den vorliegenden Sachverhalt enthalte es keine Aussagen,
da es die Sockelwirksamkeit von Gesetzen nicht behandele. Auch die von der Beklagten der Sache nach angeführte
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Oktober 1984 (1 BvR 35/92) zur Vereinbarkeit der einjährigen
Absenkung von Vergütungen für zahntechnische Leistungen mit dem Grundrecht aus Art. 12 GG besage für den
vorliegenden Fall nichts. Fraglich sei demgegenüber, ob Art. 5 BSSichG überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar
sei. Das BSSichG sehe an mehreren Stellen nämlich Eingriffe in das Verwaltungsverfahren vor, sei deshalb nach Art.
84 Abs. 1 GG zustimmungspflichtig, jedoch ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen worden. Die
Rechtsauffassung der Beklagten verletze außerdem Art. 12 GG. Von einer angemessenen Vergütung der
Vertragszahnärzte könne angesichts der seit über 10 Jahren anhaltenden, ausschließlich an den beitragspflichtigen
Einnahmen und nicht am medizinischen Versorgungsbedarf ausgerichteten Einsparungspolitik nicht mehr die Rede
sein; das gelte jedenfalls dann, wenn Art. 5 BSSichG zu einer dauerhaften Absenkung der Vergütungen führe.
Schließlich übersehe die Beklagte, dass die Beanstandung nach § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V die Wirkung einer
Aufsichtsanordnung gem. § 89 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) habe, weshalb die Rechtsverletzung
bestimmt bezeichnet und klargestellt werden müsse, zu welchem Handeln verpflichtet werden solle; daran fehle es.
Die Beigeladenen führten unter Hinweis auf ein sich mit der Frage der Basiswirksamkeit vergleichbarer Vorschriften
befassendes Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 2004 (L 11 KA 69/02) ergänzend aus, die
Begründung des Gesetzentwurfs zum BSSichG, die auf das Jahr 2003 abstelle, beziehe sich insoweit nur auf die
angeordnete Nullrunde, besage für die Frage der Basiswirksamkeit hinsichtlich der Folgejahre jedoch nichts. "Basis"
nach § 71 SGB V könnten aber immer nur die Vergütungen des Vorjahres sein. Die Anregung der Spitzenverbände der
gesetzlichen Krankenkassen, im Gesetz festzulegen, dass die durch die Nullrunde für 2003 getroffene
Ausgabenbegrenzung auch die Basis für 2004 bilden solle, habe deshalb nur der Klarstellung gedient. Hätte der
Gesetzgeber allein für 2003 eine Nullrunde gewollt und wäre die davon abweichende Veränderungsrate, die das
Ministerium zunächst für 2003 festgesetzt habe, für die Bemessung der Gesamtvergütungen des Jahres 2004
maßgeblich, käme es nur zu einer zeitlichen Verschiebung der Vergütungssteigerungen. Das widerspräche aber der
Absicht des Gesetzgebers, die Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken oder mindestens zu
stabilisieren.
Nachdem das Sozialgericht den Antrag der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung auf vorläufigen
Rechtsschutz mit Beschluss vom 5. Februar 2004 (S 1 KA 4622/03 ER) zurückgewiesen hatte, wies es die Klage
durch Urteil vom 22. September 2004 ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei entsprechend § 54 Abs. 3 SGG
als Aufsichtsklage zulässig, da die angefochtene Beanstandungsverfügung für die Kassenzahnärztliche Vereinigung
wie eine Aufsichtsmaßnahme wirke (BSG, Urteil vom 17. November 1999 - B 6 KA 10/99 R -). Die Klage sei jedoch
nicht begründet. Die Beanstandungsverfügung sei formell und materiell rechtmäßig.
Die Beanstandungsverfügung sei hinreichend bestimmt. Da unter Nr. 2 ihrer Begründung (u.a.) der Wortlaut der in Nr.
III.8 der Vergütungsvereinbarung festgelegten Regelung wiedergegeben und unter Nr. IV außerdem ausgeführt sei,
dass diese Regelung sowohl für das Jahr 2003 als auch für das Jahr 2004 den Grundsatz der Beitragssatzstabilität
verletze, stehe eindeutig fest, was beanstandet werde.
Art. 5 BSSichG komme Basiswirksamkeit für das Jahr 2004 zu. Aus dem Gesetzeswortlaut und der Begründung des
Gesetzentwurfs lasse sich dafür allerdings unmittelbar nichts entnehmen; auch die systematische Auslegung führe
nicht weiter, da Art 5 BSSichG nicht in einen systematischen Gesetzeszusammenhang gestellt sei. Die Anregung der
Spitzenverbände der Krankenkassen, eine - freilich nur - klarstellende Regelung zur Basiswirksamkeit in das Gesetz
aufzunehmen, stütze die Rechtsauffassung der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung ebenfalls nicht.
Demgegenüber gehe aus Sinn und Zweck des Art. 5 BSSichG hervor, dass die dort angeordnete Nullrunde für die
Folgejahre basiswirksam sein solle. Eine andere Auslegung lasse auch die Systematik des § 71 Abs. 1 bis 3 SGB V
nicht zu. § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V lege nämlich zunächst den Grundsatz der Beitragssatzstabilität fest. In Abs. 2
der Vorschrift sei, um den Vorgaben des Abs. 1 Satz 1 zu entsprechen, angeordnet, dass die vereinbarte
Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet
nach Abs. 3 ergebende Veränderung nicht überschreiten dürfe; die Veränderungsrate setze das Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung nach § 71 Abs. 3 SGB V fest. Art. 5 BSSichG habe § 71 Abs. 3 SGB V i. S. der
Nullrundenregelung ergänzt. Insgesamt ergebe sich aus dem Konzept des § 71 SGB V daher, dass die Vergütung nur
nach Maßgabe der in Abs. 3 festgesetzten Raten verändert werden dürfe, und dass sich die Veränderungsrate immer
auf das jeweilige Vorjahr beziehe (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Januar 2004, - L 11 KA 69/02 -). Für das
Jahr 2003 sei aber eine Veränderungsrate von 0 v.H. festgelegt worden. Auf dieser "Nullrate" aufbauend habe die
Festsetzung für das Jahr 2004 zu erfolgen. Nicht zulässig sei demgegenüber, eine von Null abweichende
Veränderungsrate für das Jahr 2003 zu fingieren.
Die Zugrundelegung einer hypothetischen Veränderungsrate liefe auch dem Sinn und Zweck des Art. 5 BSSichG
zuwider. Diese Vorschrift wolle nämlich einen Beitrag zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung und damit zur Gewährleistung der Beitragssatzstabilität leisten. Das gelänge nicht, wirkte sich
die Nullrunde des Jahres 2003 nicht für die Folgejahre aus. In diesem Fall fände nur eine Verschiebung der
Ausgabenerhöhung in das Jahr 2004 statt. Dass der Gesetzgeber beispielsweise in § 85 Abs. 2b SGB V (Fassung
1992) die Basiswirksamkeit dort festgelegter Absenkungen für Folgejahre ausdrücklich geregelt habe, ändere nichts.
Die Aufnahme einer vergleichbaren Bestimmung in das BSSichG sei angesichts der Systematik des § 71 Abs. 1 bis 3
SGB V nämlich entbehrlich gewesen.
Art. 5 BSSichG sei schließlich auch verhältnismäßig und verstoße nicht gegen das Gebot, die Leistungen der
Vertragszahnärzte angemessen zu vergüten. Eine Gefährdung des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems als
Ganzes und als Folge davon der beruflichen Existenz der Vertragszahnärzte sei nicht ersichtlich. Die Auswirkungen
des Art. 5 BSSichG seien bezogen auf die Gesamtheit der Leistungserbringer insgesamt zumutbar.
Auf das ihr am 10. November 2004 zugestellte Urteil hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung für den
Regierungsbezirk Nordbaden am 22. November 2004 Berufung eingelegt; das Verfahren wird von der Klägerin als
Rechtsnachfolgerin fortgeführt. Die Klägerin wiederholt und bekräftigt das bisherige Klagevorbringen und trägt
ergänzend vor, hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des § 5 BSSichG sei zu beachten, dass das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Veränderungsrate für 2003 am 14. September 2002 im
Bundesanzeiger bekannt gegeben habe und das BSSichG erst am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei. Angesichts
der in Art. 5 BSSichG vorgesehenen Ausnahmen von der gesetzlich angeordneten Nullrunde sei die vom Ministerium
festgelegte Veränderungsrate nicht gänzlich aufgehoben und (durch "0") ersetzt, vielmehr nur - punktuell - für das Jahr
2003 abweichend neu festgelegt worden. Die daher grundsätzlich fortbestehende (höhere) Veränderungsrate bleibe
deshalb für den Umfang der als Basis für 2004 festzulegenden Gesamtvergütung 2003 maßgeblich. Das Sozialgericht
habe das nicht ausreichend berücksichtigt.
Das Sozialgericht habe auch verkannt, dass eine klare Regelung zur Basiswirksamkeit der Nullrunde fehle und diese
sich deshalb auf das Jahr 2003 beschränken müsse. Nur das sei der Zweck des BSSichG gewesen. Auch die
Nullrunde 2003 für sich allein trage zur Beitragssatzstabilität bei und eröffne den Krankenkassen finanzielle
Spielräume. Unzutreffend sei insoweit, dass die Ausgabenerhöhungen ohne Basiswirksamkeit der Nullrunde in das
Jahr 2004 verschoben würden. Davon abgesehen könne Art. 5 BSSichG ohnehin nicht entnommen werden, es hätten
ausschließlich langfristige Maßnahmen getroffen werden sollen; Art. 5 BSSichG sei vielmehr als punktuelle und
zeitlich begrenzt wirkende Regelung zu verstehen. Anderes folge auch nicht aus der Systematik des § 71 Abs. 1 bis 3
SGB V. Diese Vorschriften würden nämlich auch dann eingehalten, wenn bei der Bestimmung der Gesamtvergütung
2004 nicht auf die gesetzlich festgelegte Nullrunde, sondern auf die zuvor vom Ministerium für das Jahr 2003
festgelegte Veränderungsrate zurückgegriffen werde.
Weder aus § 85 SGB V noch aus § 71 SGB V gehe hervor, dass die Ausgaben des Vorjahres zwingende Basis für die
Veränderung der Gesamtvergütung sein müssten; dies sei gesetzlich nicht normiert. Das Urteil des LSG Nordrhein-
Westfalen, auf das sich das Sozialgericht stütze, befinde sich im Revisionsverfahren. Die mit einer Basiswirksamkeit
des Art. 5 BSSichG einhergehende dauerhafte Absenkung der Gesamtvergütung hätte einer ausdrücklichen
gesetzlichen Regelung bedurft, da dadurch das Recht der Vertragszahnärzte auf angemessene Vergütung berührt und
in ihre Berufsfreiheit eingegriffen werde. Art. 5 BSSichG bilde dafür keine hinreichende Rechtsgrundlage und wäre in
der Auslegung des Sozialgerichts auch zu unbestimmt und deshalb nichtig. Hinzukomme ein ohne entsprechende
gesetzliche Grundlage ebenfalls rechtswidriger Eingriff in die Vertragsautonomie der Gesamtvertragspartner.
Insgesamt sei schon eine auf das Jahr 2003 beschränkte Nullrunde verfassungswidrig; das gelte erst recht, wenn
man Art. 5 BSSichG Basiswirksamkeit für die Folgejahre zuschreibe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. September 2004 aufzuheben und den an die Beigeladenen
gerichteten Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2003 insoweit aufzuheben, als darin die Regelung unter Nr. III.8
der zwischen den Beigeladenen und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung für den Regierungsbezirk Karlsruhe (als
Rechtsvorgängerin der Klägerin) am 15. Oktober 2002 geschlossenen Vereinbarung beanstandet wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beklagte trägt ergänzend vor, es treffe nicht zu, dass das Gesetz nur eine höchst zulässige Veränderungsrate
vorschreibe, nicht aber festlege, auf welche Basis diese anzuwenden sei. Andernfalls wäre der Grundsatz der
Beitragssatzstabilität keine zwingende Vorgabe für die Vergütungsvereinbarungen mehr, sondern stünde über die
Wahl der maßgeblichen Basis zur Disposition der Gesamtvertragspartner. Für die vereinbarte
Vorjahresgesamtvergütung gelte die Vermutung der Angemessenheit. Nur im Ausnahmefall, der hier nicht vorliege, sei
die tatsächliche Ausgabenentwicklung beachtlich, nämlich dann, wenn diese eine anhaltende Veränderung des
Leistungsbedarfs widerspiegele.
Die Klägerin trägt abschließend vor, die Gesamtvergütung des Vorjahres sei nur im Regelfall Basis für Veränderungen
im Folgejahr. Die Nullrunde des Art. 5 BSSichG stelle aber einen Ausnahmefall dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze
sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts einschließlich der Akte S 1 KA 4622/03-ER und des Senats Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber nicht begründet. Die
Beanstandungsverfügung des Beklagten ist, soweit sie Gegenstand des Verfahrens ist, rechtmäßig. Das
Sozialgericht hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
I. Die Klägerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin der Kassenzahnärztlichen Vereinigung für den Regierungsbezirk
Nordbaden insoweit gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2003, als darin die unter Nr. III.8 der
Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2004 getroffene Regelung beanstandet wird. Mit diesem Inhalt ist die
Anfechtungsklage als Aufsichtsklage in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 3 SGB statthaft und auch sonst
zulässig.
Gem. § 54 Abs. 3 SGG kann eine Körperschaft oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Klage die
Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das
Aufsichtsrecht überschreite. Dieser Tatbestand ist zugeschnitten auf das Verhältnis einer
Selbstverwaltungskörperschaft gegenüber ihrer Aufsichtsbehörde im Rahmen eines eingleisigen Aufsichtsverfahrens.
Bei der aufsichtsrechtlichen Prüfung der hier umstrittenen Gesamtvergütungsvereinbarung nach Maßgabe des § 71
Abs. 4 SGB V (in der hier anzuwendenden Fassung des GKV-Reformgesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl I S.
2626) findet indessen ein zweigleisiges Aufsichtsverfahren statt. Zuständige Aufsichtsbehörde für die Klägerin als
Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V) ist gem. § 78 Abs. 1 2. Halbs. SGB V die für die
Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes Baden-Württemberg, also das
Sozialministerium Baden-Württemberg; die Rechtsaufsicht über die Beigeladenen wird vom Bundesversicherungsamt
ausgeübt (§ 90 Abs. 1 SGB IV). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 17. November
1999 - B 6 KA 10/99 R = SozR 3-2500 § 71 Nr. 1) ist § 54 Abs. 3 SGG jedoch entsprechend auf den Fall
anzuwenden, dass sich eine Kassenzahnärztliche Vereinigung gegen die Verfügung einer staatlichen Behörde wendet,
die zwar nicht ihre Aufsichtsbehörde ist, aber im konkreten Fall eine Maßnahme getroffen hat, die ihr gegenüber wie
eine Aufsichtsmaßnahme wirkt. Notwendig ist allerdings, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung i. S. des § 54
Abs. 2 Satz 1 SGG geltend macht und geltend machen kann, die (bei zweigleisiger Aufsicht) angefochtene
aufsichtsgleich wirkende Maßnahme greife (auch) in ihre rechtlich geschützten Positionen ein (BSG a. a. O.). Das ist
hinsichtlich des auf § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V gestützten Beanstandungsbescheids der Beklagten gegenüber der
Klägerin der Fall. Die umstrittene Bestimmung unter III.8 der Vergütungsvereinbarung ist infolge der (für sofort
vollziehbar erklärten) Beanstandungsverfügung der Beklagten nämlich (vorläufig) nicht wirksam. Die Verfügung greift
damit in die Vertragsabschlusskompetenz auch der Klägerin ein. Könnte sie dagegen nicht in entsprechender
Anwendung des § 54 Abs. 3 SGG Aufsichtsklage erheben, wäre die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1
GG verletzt (auch dazu BSG, Urt. v. 17. November 1999, a. a. O.).
Die angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erging zwar zu § 71 Abs. 2 Satz 4 SGB V i. d. F. des Art.
33 § 8 Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266). In dieser bis 31. Dezember 1995
geltenden Vorschrift war ausdrücklich angeordnet, dass von der Aufsichtsbehörde beanstandete Vereinbarungen
unwirksam sind. Diese Regelung ist außer Kraft getreten. Das führt jedoch nicht dazu, dass aufsichtsbehördliche
Beanstandungsverfügungen (jetzt) nach § 71 Abs. 4 SGB V (n.F.) die Gesamtvergütungsvereinbarung in ihrem
rechtlichen Bestand unberührt ließen und nur die Bedeutung beratender Hinweise hätten, etwa i. S. d. § 89 Abs. 1
Satz 1 SGB IV, wonach die Aufsichtsbehörde bei Rechtsverletzungen von Versicherungsträgern zunächst beratend
auf deren Behebung hinwirken soll. Vielmehr handelt es sich bei dem in § 71 Abs. 4 SGB V geregelten
Beanstandungsrecht um eine speziell im SGB V entwickelte Aufsichtsmaßnahme, die sich von den in §§ 88 und 89
SGB IV geregelten allgemeinen Aufsichtsmitteln der Information bzw. Geschäfts- und Rechnungsprüfung, Beratung
und ggf. mit Verwaltungszwang durchsetzbaren Verpflichtung zur Behebung der Rechtsverletzung grundlegend
unterscheidet und unmittelbar zur Unwirksamkeit der beanstandeten Vereinbarung führt. Andernfalls hätte das
Beanstandungsrecht angesichts der Bestimmungen in § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV keine eigenständige Bedeutung
und die in § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V vorgesehene Beanstandungsfrist von 2 Monaten nach Vorlage der Vereinbarung
ginge ins Leere. Mit der besonderen Bedeutung des in § 71 SGB V festgelegten Grundsatzes der
Beitragssatzstabilität wäre das nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber geht vielmehr (als selbstverständlich) davon
aus, dass die Aufsichtsbehörde, die die Wahrung der Beitragssatzstabilität mit dem Beanstandungsrecht nach § 71
Abs. 4 SGB V überwacht, das Wirksamwerden rechtswidriger Gesamtvergütungsvereinbarungen soll verhindern
können. Mit Ablauf der Budgetierungsphase am 1. Januar 1996 entfiel nur die Notwendigkeit, die sofortige
Unwirksamkeit aller beanstandeten Vergütungsvereinbarungen - die seinerzeit erst nach Ablauf der
Beanstandungsfrist wirksam wurden - festzuschreiben; soll das erreicht werden, ist es jetzt notwendig, die
Beanstandungsverfügung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG für sofort vollziehbar zu erklären, was vorliegend auch
geschehen ist.
Die Durchführung des an sich gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG vor Erhebung der Anfechtungsklage notwendigen
Widerspruchsverfahrens war vorliegend entbehrlich. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
SGG sowie den Erfordernissen prozessökonomisch-zeitnahen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Gem. § 78 Abs.
1 Satz 2 Nr. 2 SGG bedarf es eines Vorverfahrens nicht, wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde
erlassen worden ist. Das Bundesversicherungsamt ist zwar in organisationsrechtlicher Hinsicht keine oberste
Bundesbehörde in diesem Sinne, sondern (nur) eine gem. § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB IV dem Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung unterstehende selbständige Bundesoberbehörde (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), für
die § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG nicht gilt (Meyer-Ladewig, SGG, § 78 Rdnr. 6). In funktionaler Hinsicht kommt dem
Bundesversicherungsamt bei der Aufsicht über Versicherungsträger aber eine einer obersten Bundesbehörde
vergleichbare Rechtsstellung zu. Gem. § 94 Abs. 2 Satz 3 SGB IV ist es insoweit nämlich nur an allgemeine
Weisungen des zuständigen Bundesministeriums gebunden. Eine Überprüfung seiner Aufsichtsmaßnahmen durch das
Ministerium etwa im Wege der Dienstaufsicht ist daher ausgeschlossen (KassKomm-Maier, SGB IV § 94 Rdnr. 2).
Nichts anderes könnte für die Überprüfung in einem Widerspruchsverfahren nach § 78 SGG gelten. Allerdings wird es
dazu nicht kommen, weil das Bundesversicherungsamt gem. § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG selbst über den Widerspruch zu
entscheiden hätte, nachdem die nächsthöhere Behörde ein Bundesministerium und damit eine oberste
Bundesbehörde ist (§ 94 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Insgesamt tritt in diesen gesetzlichen Regelungen aber hervor, dass
die der Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG zugrunde liegende Vermutung höchstmöglicher fachlicher
Qualifikation und Objektivität mit der Folge der Entbehrlichkeit einer weiteren innerbehördlichen Kontrolle (NK-VwGO §
68 Rdnr. 136) der Sache auch auf das Bundesversicherungsamt zutrifft. Ein Vorverfahren bewirkte hier nur eine
unnütze Verzögerung des gerichtlichen Rechtsschutzes (so die Begründung des Regierungsentwurfs zur VwGO - die
in § 68 Abs. 1 Nr. 1 eine § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG entsprechende Vorschrift enthält - BT-Drs. III/55, 38 - NK-
VwGO, a. a. O.). Von diesem Rechtsgedanken ausgehend muss das Vorverfahren auch aus Gründen der
Prozessökonomie und der Gewährung effektiven Rechtsschutzes jedenfalls dann entbehrlich sein, wenn sich das
Bundesversicherungsamt im Gerichtsverfahren gegen eine von ihm erlassene Aufsichtsmaßnahme - wie hier - mit
eingehendem Sach- und Rechtsvortrag einlässt, ohne das Fehlen eines Vorverfahrens zu rügen. Andernfalls würde die
Behörde letztendlich zu einer inhaltsleeren Verfahrenshandlung um ihrer selbst Willen gezwungen. Sie müsste
nämlich den gleichen Sach- und Rechtsvortrag - während des ausgesetzten Gerichtsverfahrens - (nur) noch einmal in
einem förmlichen Widerspruchsbescheid wiederholen. Zu nichts anderem käme es hier, hielte man jetzt noch die
Durchführung des Widerspruchsverfahrens für notwendig. Aus dem Klage- und Berufungsvorbringen des
Bundesversicherungsamts ergibt sich nämlich ohne jeden Zweifel, dass die Behörde die Sache (bereits) erneut
überprüft hat und im Widerspruchsbescheid nichts anderes sagen würde als in der Klage- bzw. Berufungserwiderung
(vgl. BSG SozR 1500 § 78 Nr. 8; BVerwGE 15,307).
Die Klägerin hat schließlich auch die Klagefrist gewahrt, obgleich gegen die den Beigeladenen am 30. Oktober 2003
zugestellte Beanstandungsverfügung erst am 10. Dezember 2003 Klage erhoben wurde. Denn die einmonatige
Klagefrist des § 87 SGG wird nur durch die Zustellung, wenn nicht zugestellt wird, durch Bekanntgabe des
Verwaltungsaktes in Gang gesetzt. Die Verfügung ist der Rechtsvorgängerin der Klägerin aber weder zugestellt noch
sonst i. S. d. § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bekannt gegeben worden.
II.
Die angefochtene Beanstandungsverfügung ist sowohl formell- wie materiell-rechtlich rechtmäßig. Die Beklagte hat die
einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen eingehalten und die Regelung unter Nr. III.8 der
Gesamtvergütungsvereinbarung zu Recht als rechtswidrig beanstandet.
1. Der Senat teilt die formell-rechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Unstreitig hat die Behörde die Vereinbarung
rechtzeitig, innerhalb von 2 Monaten nach deren Vorlage (§ 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V) beanstandet; die Vereinbarung
wurde ihr am 22. September 2003 vorgelegt, die Verfügung ist den Beigeladenen am 30. Oktober 2003 zugestellt und
damit wirksam geworden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beanstandungsverfügung auch hinreichend bestimmt i. S. d. § 33 Abs. 1
SGB X. Sie legt eindeutig fest, welche Regelungen der Gesamtvergütungsvereinbarung beanstandet werden. Nicht
notwendig ist es, diese im Verfügungssatz des Bescheids zu benennen. Es genügt, dass dort die Beanstandung als
solche ausgesprochen wird und den Gründen des Bescheids zweifelsfrei zu entnehmen ist, auf welche
Vereinbarungen sich die Beanstandung bezieht (zur Heranziehung der Gründe eines Bescheids für die Auslegung
seines Verfügungssatzes etwa BSG SozR 3-4100 § 242q Nr. 1). Das ist hier der Fall. Die Behörde hat im
Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids die Beanstandung der Gesamtvergütungsvereinbarung erklärt. In den
Gründen des Bescheids sind die für das Jahr 2003 unter II.1 bis II.3 und die für das Jahr 2004 unter III.8 getroffenen
Regelungen aufgeführt. Diese Regelungen werden unmissverständlich für rechtswidrig erachtet, weil sie für das Jahr
2003 und das Jahr 2004 den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzten. Damit ist für den Adressaten der
Beanstandungsverfügung aber ohne jeden Zweifel klar erkennbar, was beanstandet wird, insbesondere, dass auch die
vorliegend umstrittene Regelung unter III.8 der Vereinbarung dazu gehört. Nicht erforderlich ist es, im Bescheid
festzulegen, wie die Rechtsverstöße zu beseitigen wären. Die durch aufsichtsrechtliche Verfügung in - auch
hinsichtlich der Art und Weise - hinreichend bestimmter Form auszusprechende und ggf. mit den Mitteln des
Verwaltungsvollstreckungsrechts durchsetzbare Verpflichtung des Versicherungsträgers, etwaige Rechtsverletzungen
zu beheben, ist nur im allgemeinen Aufsichtsrecht des § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorgesehen. Dieses ist hier durch
die Sonderregelung in § 71 Abs. 4 SGB V aber insoweit verdrängt, als gegenüber Gesamtvergütungsvereinbarungen
die aufsichtsrechtliche Beanstandung stattfindet, die sich, wie dargelegt, von den allgemeinen Aufsichtsmitteln
grundlegend unterscheidet und ohne weiteren Umsetzungsakt unmittelbar zur Unwirksamkeit der beanstandeten
Vereinbarung führt. Deshalb genügt es, wenn sie den Gegenstand der Beanstandung hinreichend bestimmt festlegt.
2. Die Verfügung der Beklagten ist, soweit sie Gegenstand des Verfahrens ist, auch materiell rechtmäßig. Sie findet in
§ 71 Abs. 4 SGB V ihre Stütze und dient in rechtsfehlerfreier Weise dazu, zur Wahrung des Grundsatzes der
Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 SGB V) die Maßgaben des – als solchen verfassungsrechtlich unbedenklichen -
Art. 5 BSSichG durchzusetzen.
Gem. § 71 Abs. 4 SGB V können die Gesamtvergütungsvereinbarungen (§§ 83,85 SGB V) bei einem Rechtsverstoß
beanstandet werden. Das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde erstreckt sich nur auf Rechtsverletzungen;
andere fachliche oder gesundheitspolitische Erwägungen rechtfertigen die Beanstandungen nicht. Die Gestaltung der
Verträge obliegt den Selbstverwaltungen und ist nicht Sache der Aufsichtsbehörde oder der Gerichte.
Das Beanstandungsrecht des § 71 Abs. 4 SGB V betrifft vorrangig Verstöße gegen den in § 71 Abs. 1 SGB V
festgelegten Grundsatz der Beitragssatzstabilität, den die Gesamtvertragsparteien bei der Vereinbarung von
Veränderungen der Gesamtvergütungen gem. § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V zu beachten haben. Bei diesem Grundsatz
handelt es sich nicht um einen unverbindlichen Programmsatz, der nur in irgendeiner, in das Belieben der
Vertragspartner gestellten Form mit zu berücksichtigen wäre. Er stellt vielmehr eine verbindliche gesetzliche Vorgabe
für Vergütungsvereinbarungen dar, deren Beachtung grundsätzlich der Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde und
der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist (dazu näher: BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, - B 6 KA 20/99 R -, BSGE
86, 126). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität verlangt gem. § 71 SGB V, dass die Gesamtvertragspartner auf
Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer die Vergütungsvereinbarungen so zu gestalten haben, dass
Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten (§ 71 Abs. 1 Satz
1 SGB V). Um diesen Vorgaben zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich
bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs. 3 SGB V ergebende
Veränderung der Vergütung grundsätzlich nicht überschreiten (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gem. § 71 Abs. 3 SGB V
stellt das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 15. September eines jeden Jahres für die Vereinbarungen der
Vergütung des jeweils folgenden Kalenderjahres die nach den Absätzen 1 und 2 anzuwendenden durchschnittlichen
Veränderungsraten der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen (nach näherer Maßgabe des
§ 71 Abs. 3 SGB V) fest. Nach Art. 5 BSSichG gilt unbeschadet hier nicht einschlägiger Ausnahmen abweichend von
§ 71 Abs. 3 SGB V für das Jahr 2003 an Stelle der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
festgestellten Veränderungsraten eine Rate von Null vom Hundert für die Vereinbarung der Gesamtvergütungen nach
§ 85 Abs. 2 SGB V.
Die in Nr. III.8 der beanstandeten Gesamtvergütungsvereinbarung getroffene Regelung verletzt diese gesetzlichen
Vorgaben und ist rechtswidrig. Das Bundesversicherungsamt hat sie deshalb zu Recht nach § 71 Abs. 4 SGB V
beanstandet.
Art. 5 BSSichG ist verfassungsgemäß und gültig. Das BVerfG hat durch Beschluss vom 13. September 2005 (2 BvF
2/03) mit gem. § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bindender Wirkung für den Senat die
Vereinbarkeit des BSSichG mit dem Grundgesetz festgestellt und hierzu eingehend dargelegt, dass es nicht der
Zustimmung des Bundesrates bedurfte (Art. 84 Abs. 1 GG) und die Rabattvorschriften, Preissenkungen und
Nullrunden (Art. 1 Nrn. 7 und 8, Art. 5, Art. 6, Art. 11 BSSichG) mit Art. 12 Abs. 1 GG auch unter dem Aspekt
"additiver Grundrechtsbeeinträchtigungen" vereinbar sind. Soweit die Klägerin - im Übrigen ohne nähere Begründung -
die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG behauptet, ist dem damit die Grundlage
entzogen. Das gilt auch für die geltend gemachte Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Freiheit der
Berufsausübung. Berufsausübungsregelungen, wie die durch Art. 5 BSSichG angeordnete Nullrunde bei der
Anpassung der Gesamtvergütungen, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch
vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, zu denen auch die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen
Krankenversicherung gehört (vgl. auch BVerfGE 68,193,218), gerechtfertigt sein. Diesen Zweck verfolgt das
BSSichG, das unter anderem durch eine Dämpfung des Anstiegs der den Vertragszahnärzten zukommenden
Gesamtvergütungen zur Ausgabenbegrenzung der Krankenkassen beitragen will. Die dafür in Art. 5 BSSichG
vorgesehene Nullrunde 2003 ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich und den Vertragszahnärzten
auch zumutbar. Dass die vertragszahnärztliche Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten durch die Nullrunde
2003 und infolgedessen auch die Berufsausübung der Vertragszahnärzte gefährdet wäre, ist weder ersichtlich noch
substantiiert behauptet worden. Nach inzwischen mehr als zweijähriger Geltung des BSSichG haben sich
Befürchtungen dieser Art auch ersichtlich nicht bewahrheitet (so auch BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005,
a. a. O. hinsichtlich der Rabattvorschriften in Art. 1 Abs. 7 BSSichG).
Das Bundesversicherungsamt hat auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass Nr. III.8 der in Rede stehenden
Gesamtvergütungsvereinbarung gegen § 71 Abs. 3 SGB V i. V. m. Art. 5 BSSichG und damit zugleich gegen den
Grundsatz der Beitragssatzstabilität verstößt, weil die Vertragsparteien danach für die Ermittlung der
Gesamtvergütungen des Jahres 2004 nicht an die tatsächlichen Gesamtvergütungen des Jahres 2003, die unter
Anwendung der gesetzlichen Veränderungsrate Null auf die Gesamtvergütungen 2002 festgelegt wurden, anknüpfen
wollen, sondern an fiktive Gesamtvergütungen, errechnet unter Anwendung der vor Inkrafttreten des BSSichG vom
zuständigen Ministerium festgelegten höheren Veränderungsrate. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ordnet
Art. 5 BSSichG nämlich nicht nur eine (gleichsam "isolierte") Nullrunde für die Anpassung der Gesamtvergütungen
2003 an. Vielmehr hat die Vorschrift darüber hinaus insoweit Basis- bzw. Folgewirkung, als die um die "Nullrate"
angepassten Gesamtvergütungen 2003 für die Anpassung der Gesamtvergütungen 2004 maßgeblich sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, gilt für die Anpassung der
Gesamtvergütungen der "Grundsatz der Vorjahresanknüpfung" (BSG, Urt. v. 27. April 2005, - B 6 KA 42/04 R – sowie
BSGE 91,153; teilweise abweichend LSG Hessen, Urt. v. 1. Oktober 2003, L 7 KA 452/02 -). Er kommt außer in § 71
SGB V in § 85 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V zum Ausdruck. Nach diesen Bestimmungen sind bei der Vereinbarung von
Veränderungen der Gesamtvergütungen neben der Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität die
Praxiskosten, die für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendende Arbeitszeit sowie Art und Umfang der ärztlichen
Leistungen, soweit sie auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßige Leistungsausweitung beruhen, zu
berücksichtigen. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 27. April 2005 (a. a. O.) dazu Folgendes
ausgeführt:
Aus dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung folgt zugleich, dass bei einer Absenkung der vorjährigen Gesamtvergütung
– sei es durch Vereinbarung oder durch Gesetz – dieses geminderte Vorjahresniveau der Ausgangspunkt für die
nachfolgend zu vereinbarende Gesamtvergütung ist, es sei denn, aus dem Gesetz ergäbe sich eine andere Regelung.
Eine einmal vorgenommene Absenkung behält somit ihre Wirkung auch für Folgevereinbarungen. Dem steht nicht der
Einwand der Klägerin entgegen, dass die Absenkung (seinerzeit) für 1999 gesetzlich angeordnet worden war. Zwar
gründet sich das Prinzip der Vorjahresanknüpfung auf den in der früheren Rechtsprechung wiederholt betonten
Grundsatz, dass nach Art einer Vermutung von der Angemessenheit der vorjährigen Gesamtvergütung auszugehen ist
(zusammenfassend BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 3, jeweils Rdnr. 21 m. w. N.); dieser ist an Hand
vereinbarter Gesamtvergütungen entwickelt worden. Die Angemessenheitsvermutung gilt aber auch im Falle
gesetzlicher Vergütungsregelungen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Festlegungen des
Gesetzgebers nicht der Angemessenheit Rechnung trügen. Im Gegenteil ist es Teil der Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers, seinerseits die Angemessenheit der Gesamtvergütungen näher zu bestimmen. Seinen Vorgaben
kommt höherer Rang als Vereinbarungen der Beteiligten zu. Deshalb kann die Vermutung der Angemessenheit nicht
auf vereinbarte Gesamtvergütungen beschränkt werden; sie gilt vielmehr erst recht insoweit, als deren Höhe – ganz
oder teilweise – durch Gesetz vorgegeben ist.
Diese Rechtsgrundsätze sind auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Das Prinzip der Vorjahresanknüpfung
gebietet danach hier, für die Veränderung der Gesamtvergütungen 2004 an die unter Anwendung der gesetzlichen
Nullrunde festgelegten realen Gesamtvergütungen des Jahres 2003 anzuknüpfen. Es ist nicht zulässig, als
Veränderungsbasis fiktive Gesamtvergütungen heranzuziehen, die unter Anwendung einer höheren Veränderungsrate
errechnet wurden.
Die dagegen gerichteten Einwendungen der Klägerin überzeugen nicht. Auf den Wortlaut des BSSichG kann sie sich
nicht stützen. Dass dort nur vom Jahr 2003 und einer Ausgabenbegrenzung für dieses Jahr die Rede ist, besagt für
sich nichts für die hier umstrittene Frage, an welche Gesamtvergütungen für die Veränderung der Vergütungen des
Jahres 2004 anzuknüpfen ist. Hiermit brauchte das BSSichG sich auch gar nicht zu befassen, weil insoweit die
unverändert fortgeltenden Bestimmungen des SGB V, namentlich in § 71, maßgeblich bleiben. Durch Art. 5 BSSichG
ist nur die vom zuständigen Ministerium gem. § 71 Abs. 3 SGB V bereits administrativ festgelegte Veränderungsrate
gesetzlich auf Null abgesenkt worden. In dieser punktuellen Festlegung erschöpft sich der Regelungsgehalt dieser
Vorschrift. Alles Weitere überlässt sie den Bestimmungen des § 71 SGB V, die im Übrigen unberührt bleiben.
Für eine andere Auslegung findet sich im Gesetzeswortlaut kein ausreichender Anklang, so dass der Klägerin auch
Ausführungen in Gesetzesmaterialien nicht weiter helfen können (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 27. April 2005, a. a.
O. zu den in Art. 15 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz – GKV-SolG – angeordneten Vergütungsabsenkungen). Aus der
Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen geht im Übrigen hervor,
dass eine Stabilisierung des Beitragssatzniveaus und die Schaffung finanzieller Spielräume für notwendige
strukturelle Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung angestrebt wurde (BT-Drs. 15/28 unter A sowie S. 11).
Beabsichtigt war eine finanzwirksame Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen "ab" - nicht nur im - "Jahr 2003"
(BT-Drs. 15/28 unter E sowie die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Gesundheit und soziale
Sicherung BT-Drs. 15/73 unter E). Das spricht eher gegen eine in ihrer Finanzwirksamkeit punktuell auf das Jahr 2003
beschränkte Maßnahme und für die Basiswirksamkeit der in Art. 5 BSSichG angeordneten Nullrunde auch für die
Zukunft.
Hätte der Gesetzgeber demgegenüber das Prinzip der Vorjahresanknüpfung hinsichtlich der Nullrunde 2003
tatsächlich außer Kraft setzen wollen, hätte er das ausdrücklich festlegen müssen (BSG, Urt. v. 27. April 2005, a. a.
O.), was hier nicht geschehen ist. Anderes folgt auch nicht aus dem Vergleich mit Gesetzesvorschriften, in denen die
Fortwirkung von Vergütungsabsenkungen für spätere Jahre ausdrücklich normiert wurde. Diese beruhten jeweils auf
besonderen Konstellationen. Auch das hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 27. April 2005 (a. a. O.)
entschieden und dazu (bspw.) ausgeführt, der in § 85 Abs. 2b Satz 2 SGB V (Fassung 1992) enthaltenen
ausdrücklichen Regelung für das Folgejahr habe zu Grunde gelegen, dass sich im Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens die Konzeption bei der Frage der Geltungsfortwirkung geändert und eine Klarstellung der
Geltungsdauer auch wegen der Berührung mit der – von 1993 bis 1995 geltenden – Regelung des § 85 Abs. 3a SGB V
nahe gelegen habe. Da es vorliegend aber an einer besonderen Konstellation vergleichbarer Art fehlt, bleibt es
hinsichtlich der Nullrunde des Art 5 BSSichG dabei, dass die Durchbrechung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung
und nicht etwa dessen Anwendung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte.
Die Basiswirksamkeit der Nullrunde 2003 für die Folgejahre entspricht auch dem Zweck des BSSichG. Die Nullrunde
2003 ist nämlich Bestandteil eines Maßnahmenbündels, das stabile Beitragssätze in der weiteren Zukunft sichern und
den gesetzlichen Krankenkassen nicht nur eine auf das Jahr 2003 beschränkte finanzielle Atempause verschaffen
sollte. Das geht aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit und soziale
Sicherung vom 13. November 2002 (BT-Drs. 15/73, unter E) hinreichend deutlich hervor. Dort ist nämlich ausgeführt,
das BSSichG führe zu einer finanzwirksamen Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen "ab" – nicht im – "Jahr
2003". Die Beklagte verweist insoweit auch mit Recht darauf, dass die angesichts des Prinzips der
Vorjahresanknüpfung ohnehin selbstverständliche Finanzwirksamkeit der Nullrunde 2003 für die Folgejahre im
politischen Prozess nicht besonders diskutiert worden sei.
Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Beitragssatzstabilität konkret gefährdet wäre, wenn die
Veränderung der Gesamtvergütungen nach Maßgabe der Nr. III.8 der beanstandeten Vergütungsvereinbarungen
vorgenommen würde. Denn der Grundsatz der Beitragssatzstabilität stellt gem. § 85 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 71 SGB
V unabhängig davon ein bei Gesamtvergütungsvereinbarungen zu beachtendes Ziel dar (BSG, Urt. v. 27. April 2005, -
B 6 KA 23/04 R -).
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein anderes Verständnis des Gesetzes nicht geboten. Vielmehr ist Art. 5
BSSichG auch in der Auslegung der Beklagten, die der Senat für zutreffend erachtet, mit den Grundrechten der
Vertragszahnärzte vereinbar. Hierfür gelten die vorstehenden Darlegungen zur Verfassungsmäßigkeit des BSSichG
entsprechend, auch wenn sich das BVerfG mit der Frage der Basiswirksamkeit des Art. 5 BSSichG nicht
ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Die Berufsausübungsfreiheit der Vertragszahnärzte ist auch durch die
Folgewirkungen der Nullrunde 2003 für die Jahre ab 2004 nicht verletzt, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass den
Vertragszahnärzten dadurch Unzumutbares abverlangt worden wäre; die nicht weiter substantiierten Behauptungen der
Klägerin genügen dafür nicht, zumal der Honorarverlust im Jahr 2003 durch die Nullrunde 2003 vom zuständigen
Bundesministerium (unwidersprochen) auf monatlich 150 bis 160 EUR beziffert wurde (Pressemitteilung vom 6.
November 2002). Soweit die Klägerin schließlich die mangelnde Bestimmtheit des Art. 5 BSSichG rügt, verkennt sie,
dass die Basiswirksamkeit der dort angeordneten Nullrunde, wie dargelegt, aus dem in §§ 71, 85 Abs. 3 SGB
verankerten Prinzip der Vorjahresanknüpfung folgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der
Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, nachdem diese Sachanträge nicht
gestellt und damit auch ein Prozessrisiko nicht übernommen haben (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).