Urteil des LG Zweibrücken vom 03.12.2003

LG Zweibrücken: strafvollstreckung, verfügung, wiedereinreise, schriftstück, einreiseverbot, inhaftierung, scheidung, festnahme, gleichstellung, vergleich

LG
Zweibrücken
03.12.2003
2 StVK 954/03
Zum Absehen von der Strafvollstreckung bei Wiedereinreise in die BRD
2 StVK 954/03
8023 VRs 230156/88 StA Trier
vom 03. Dezember 2003
Aktenzeichen:
..
LANDGERICHT ZWEIBRUCKEN
Beschluss
In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen
wegen hier:
Raubes mit Todesfolge u.a.,
Nachholung der weiteren Strafvollstreckung nach § 456 a Abs. 2 StPO,
hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken durch den Richter
am 03. Dezember 2003
b e s c h l o s s e n :
Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Nachholung der Vollstreckung durch die Staatsanwaltschaft T
werden zurückgewiesen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken war gemäß §§ 458, 462, 462 a StPO zur gerichtlichen
Entscheidung berufen.
Durch Verfügung vom.03.07.1992 hat die Staatsanwaltschaft T gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung
des nicht verbüßten Restes des gegen den Verurteilten durch Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts T
vorn 22.01.1998 erkannten Freiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten wegen Raubes mit Todesfolge und Meineid
abgesehen, nachdem eine unbefristete bestandskräftige Ausweisungsverfügung (vorn 24.06.1991, bestandskräftig seit
dem 06.08.1991) des Ausländeramtes der Stadtverwaltung Z ergangen war. Der Verurteilte wurde ausdrücklich
schriftlich wie folgt belehrt
(Schreiben der StA T vom 03.07.1992, Bl. 127 d.A.):
. .
"Sie werden dahingehend belehrt, dass die Vollstreckung des
nicht verbüßten Restes der gegen Sie erkannten Freiheitsstrafe
nachgeholt werden wird, falls Sie in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren. Gegen Sie wird deshalb nach
Verlassen der Bundesrepublik Vollstreckungshaftbefehl erlassen werden. Zugleich werden Sie national zur
Festnahme ausgeschrieben. Die weitere Belehrung gemäß § 456 a Abs. 2 StPO wird der JVA Z übertragen."
Ausweislich einer Zustellungsurkunde vorn 08.07.1992 (Bl. 134 d.A.) wurde das Schriftstück ihm auch selbst
übergeben. Dabei wurde das zugestellte Schriftstück nicht vorgelesen, weil der Verurteilte die Vorlesung nicht
verlangt hatte. Eine weitere Belehrung in der JVA Z ist nach Angaben des Verurteilten zum damaligen Zeitpunkt nicht
erfolgt. Die Abschiebung wurde am 28.07.1992 vollzogen. Der Verurteilte wurde am 12.08. 2003 vorn
Bundesgrenzschutz K festgenommen und mittlerweile von der JVA K in die JVA Z verlegt.
- 3
,..--
...
Die Staatsanwaltschaft T hat mit Schreiben vom 04.09.2003 i.V.m. Schreiben vom 05.11.2003 entschieden, dass die
Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe gemäß § 456a Abs. 2 Satz 1 StPO nachgeholt wird. Die Staatsanwaltschaft
ist der Ansicht, dass die Belehrung in ihrer Verfügung vom 03.07.1992 ausreichend gewesen sei. Sofern der Verurteilte
nunmehr einwendet, er habe seitens des Ausländeramtes der Stadtverwaltung
lediglich ein für 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erhalten und sich somit hinsichtlich seiner Einreisemöglichkeit
geirrt, weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass diese Angaben. vom Ausländeramt nicht bestätigt wurden. Auf
Anfrage wurde vielmehr mitgeteilt, dass eine unbefristete Ausweisungsverfügung erlassen wurde. Auch unter
Berücksichtigung der weiteren Einwendung des Verurteilten sei an der getroffenen Entscheidung festzuhalten.
Vollstreckungsverjährung nach § 79
StGB sei noch nicht eingetreten. Bei freiwilliger Wiedereinreise sei in der Regel die Vollstreckung anzuordnen und voll-
ständig nachzuholen. Nachholung sei vorliegend nicht unangebracht, insbesondere wenn man die Umstände die Tat
und die Gefährlichkeit des Verurteilten berücksichtigt. Diesbezüglich nimmt die Staatsanwaltschaft insbesondere Bezug
auf BI. 114 c f d.A..
~
Zwei Drittel der. Strafe ist am 01.09.2004 verbüßt, das Strafende ist auf den 03.07.2009 notiert.
Die nach § 456 a Abs. 2 StPO mögliche Nachholung der Vollstreckung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.
Die Entscheidung der StA lässt Ermessensfehler nicht erkennen.
Ihr rechtlicher Ausgangspunkt, bei freiwilliger Wiedereinreise sei in der Regel die Vollstreckung anzuordnen und
vollständig nachzuholen, ist im Ergebnis zutreffend.
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, NStZ RR 2001, Seite 93, 94) kommt das Absehen von
der Strafvollstreckung nur unter besonderen Umständen in Betracht, die so
~
- 4
gewichtig sein müssen, dass gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs
eine weitere
Inhaftierung des Verurteilten nicht vertretbar erscheint. Maßgebend für diese Auslegung des § 456 a StGB sind die mit
der Vorschrift verfolgten Zwecke: Die gegenüber der Regelung des § 57 StGB erhebliche Besserstellung des
ausgewiesenen oder ausgelieferten Ausländers findet ihre Rechtfertigung alleine darin, dass eine Sicherung vor
gefährlichen Straftätern in der Regel nicht mehr erforderlich ist und auch eine Resozialisierung nicht sinnvoll erscheint;
außerdem werden die Justizvollzugsanstalten entlastet. Diese Situation ändert sich aber grundlegend, wenn der
ausgelieferte oder ausgewiesene Verurteilte freiwillig zurückkehrt. In diesem Falle unterwirft er sich wieder der Rechts-
und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, und zwar mit dem Zeitpunkt der freiwilligen Rückkehr und
unabhängig von deren Dauer. Damit muss er nunmehr allen anderen abgeurteilten Straftätern in einer vergleichbaren
Situation rechtlich gleichgestellt werden. Dazu gehört auch die Gleichstellung hinsichtlich des bisher noch nicht
verbüßten Teils der Strafe, zumal die Freiheitsstrafe mit der Rückkehr des Verurteilten ihre Funktion der Sicherung und
Resozialisierung (§ 2 StVollzG) wieder erlangt (OLG Hamburg NStZ-
RR 2001, Seite 93, 94, so auch OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 456 a StPO). Vor allem aber gewinnt das öffentliche
Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung an Bedeutung und ist
nunmehr vorrangig in die Gesamtabwägung aller für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung in Betracht
kommenden Umstände einzustellen. Die im öffentlichen Interesse liegenden Durchbrechungen des auch im
Strafvollstreckungsrecht grundsätzlich geltenden Legalitätsprinzips durch § 456 a StPO verliert im Falle der freiwilligen
Rückkehr eines Ausgewiesenen ihren tatsächlichen Ansatz. Das der Vollstreckungsbehörde zugewiesene Recht auf
Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs lebt wieder auf und verdichtet sich in aller Regel zu einer
Vollstreckungspflicht für die Vollstreckungsbehörden(OLG Hamburg NStZ RR 2001, Seite 93, 94; vgl. auch OLG Düssel-
dorf NStZ Nr. 4 zu § 456 a StPO). Aus der dargestellten
- 5
Evaluierung des Zwecks der Bestimmung des § 456 a StPO hat die Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf NStE Nr. 1, 4
zu § 456 a StPO; OLG Hamburg NStZ RR 2001, Seite 93, 94) gefolgert, dass bei der gemäß § 456 a Abs. 2 StPO zu
treffenden Entscheidung in der Regel nur besondere Umstände und Abwägungsgesichtspunkte die
Ermessensentscheidung beeinflussen könnten und diese so gewichtig sein müssten, dass sie gegenüber der grund-
sätzlich angezeigten Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs eine erneute Inhaftierung des Verurteilten
unangebracht erscheinen ließen. Diese bei der Frage der Anordnung der Nachholung der Vollstreckung nach erfolgter
Wiedereinreise entwickelten Grundsätze beanspruchen auch Geltung bei der vorliegend in Rede stehenden
Entscheidung der Vollstreckungsbehörde.
Entscheidung der Vollstreckungsbehörde.
Dabei sind neben dem vorrangigen Vollstreckungsinteresse in die Ermessensentscheidung grundsätzlich die Art des
begangenen Delikts, die Umstände der Tat, der Umfang der im urteil festgestellten Schuld, die Gefährlichkeit des
verurteilten, die Höhe des Strafrestes, die zwischen der Entlassung aus dem Vollzug und der Rückkehr in die
Bundesrepublik verstrichene Zeitspanne einzustellen (vgl. NStZ RR 2001, Seite 93, 94) sowie die soziale und familiäre
Situation (vgl. OLG Hamburg NStZ RR 1999, Seite 123, 125).
Diese Gesichtspunkte hat die Staatsanwaltschaft T ausreichend berücksichtigt.
Aus den Entscheidungen der Staatsanwaltschaft T vom 04.09.2003 und vom 05.11.2003 ist zu entnehmen, dass die
Staatsanwaltschaft bei ihrer Ermessensentscheidung alle von dem Verurteilten angeführten Einwendungen bedacht
hat. Ausweislich der Verfügung vom 05.11.2003 hält die Staatsanwaltschaft auch unter Berücksichtigung der weiteren
Einwendungen des Verurteilten (BI. 184 ff d.A.), an der getroffenen Entscheidung fest. Die Staatsanwaltschaft hält die
Nachholung vorliegend auch nicht für unangebracht, insbesondere wenn man die Umstände der Tat und die
Gefährlichkeit des Verurteilten berücksichtigt.
Diesbezüglich nimmt sie auch ausdrücklich Bezug auf
/~
~
- 6 ~
Bl. 114 c f d.A., wo ausführlich zur Gefährlichkeit des Verurteilten und den Tatumständen Stellung genommen wurde.
Die angegriffene Entscheidung lässt insoweit nicht besorgen, dass die Vollstreckungsbehörde bei der
Ermessensentscheidung fehlerhaft gehandelt habe. Sie hat alle von dem Verurteilten vorgetragenen Einwände bei
ihrer Entscheidung berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung sind nicht ersichtlich.
Darüber hinaus wäre es der Kammer auch verwehrt, selbst über die Frage des Absehens von der weiteren
Strafvollstreckung zu entscheiden. Eine eigene Sachentscheidung nach § 456 a StPO wäre nämlich nur dann
möglich, wenn die Sachlage ausschließlich eine bestimmte Entscheidung, nämlich das Absehen von der
Strafvollstreckung zwingend erforderte. Eine derartige Ermessensreduktion auf Null liegt indes hier nicht vor.
Die Entscheidung ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Verurteilte nach Auffassung der Kammer
ordnungsgemäß belehrt worden ist. Dabei kann die Frage, ob der Verurteilte gemäß § 456 a Abs. 2 StPO von der JVA
Zweibrücken belehrt wurde, offen bleiben. Entscheidend ist nämlich, dass der Verurteilte, durch das Schreibe~ der
Strafvollstreckungsbehörde vorn 03.07.1992 ausreichend belehrt wurde. Der Verurteilte wird ausdrücklich
dahingehend belehrt, dass die Vollstreckung des nicht verbüßten Restes der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe
nachgeholt werden wird, falls er in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt. Des Weiteren wird er darauf
hingewiesen, dass gegen ihn nach Verlassen der Bundesrepublik Vollstreckungshaftbefehl erlassen wird. Des
Weiteren werde er auch zur nationalen
Festnahme ausgeschrieben. Ausweislich der Zustellungsurkunde vorn 08.07.1992 wurde dieses Schriftstück ihm
auch selbst übergeben. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte diese Belehrung nicht
verstanden hat. Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten sind insoweit auszuschließen, da der Verurteilte
ausweislich etwa seiner Eingabe von Seite 130
~
,.-...
- 7
d.A. die deutsche Sprache auch zum damaligen Zeitpunkt beherrschte. Entgegen der Ansicht des Verurteilten musste
die
Belehrung auch inhaltlich nicht auf die Länge der Vollstreckungsverjährungszeit oder ein Hinweis auf § 79 StGB
enthalten.
Denn § 456 a Abs. 2 Satz 4 StPO erfordert lediglich, dass über die Bedeutung der Absehensanordnung nach Abs. 1,
und auch über die Gefahr, dass bei einer Rückkehr die Strafe doch noch vollstreckt werde, belehrt wird.
Sofern der Verurteilte einwendet, er habe seitens des Ausländeramtes der Stadtverwaltung Z lediglich ein für 10 Jahre
befristetes Einreiseverbot erhalten und sich somit hinsichtlich seiner Einreisemöglichkeiten geirrt, ist darauf
hinzuweisen, dass diese Angaben vom Ausländeramt nicht bestätigt wurden. Auf Anfrage durch die Kammer wurde
mitgeteilt, dass eine unbefristete Ausweisungsverfügung erlassen wurde. Auch der Ausweisungsverfügung vom
24.06.1991 (Bl~ 55 d.A.) ist keinerlei Befristung, zu entnehmen. Bei der vom Verurteilten
eingewendeten Zehnjahrestrist handelt es sich lediglich um
-
eine interne Erinnerung, die technisch erforderlich ist und
automatisch nach 10 Jahren erfolgt. Die Wirksamkeit der Ausweisungs- /Abschiebeverfügung wird davon in keinster
Weise betroffen. Diese Frist ist nur relevant für das Computersystem(AZK) und erfolgt aus technischen Gründen.
Entgegen der Ansicht der Verurteilten ist somit keine neue Abschiebe- bzw.
Ausreiseverfügung erlassen worden. Die Verfügung ist auch noch heute wirksam. Der Verurteilte wusste daher, dass
er nicht mehr nach Deutschland einreisen darf. Der Umstand, dass er möglicherweise von den österreichischen
Grenzbeamten die Information bekommen habe, er dürfe nach 10 Jahren wieder einreisen, ist insoweit unbeachtlich,
da diese Stellen nicht befugt waren, dem Verurteilten eine solche Information zu geben, zumal diese Information auch
tatsächlich falsch war. Der Verurteilte hätte sich insoweit an die zuständigen Stellen in
Deutschland wenden müssen, d. h. etwa an die Vollstreckungsbehörde oder zumindest aber an die Stadtverwaltung
Z.
- 8
Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Nachholung der Vollstreckung waren daher zurückzuweisen.