Urteil des LG Zweibrücken vom 30.11.2004

LG Zweibrücken: gerichtshof für menschenrechte, treu und glauben, pflicht zur duldung, tötung von tieren, grundstück, angemessene entschädigung, freies ermessen, widerklage, eigentümer, jagdrecht

Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Zivilrecht
LG
Zweibrücken
30.11.2004
2 C 539/03
Grundrecht der Gewissensfreiheit und Eigentumsgarantie durch Pflicht zur Duldung von
Jagdeinrichtungen nach den Bestimmungen der Jagdgesetze nicht verletzt
Urteil im „Veganer-Prozess“:
Berufung der Kläger zurückgewiesen
In dem Rechtsstreit
1.
2.
3.
4.
- Kläger, Widerbeklagte und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagter, Widerkläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter:
wegen Beseitigung und Duldung,
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken
durch die Präsidentin des Landgerichts, die Richterin am Landgericht und den Richter am Amtsgericht
auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.2004
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsge-
richts vom 26.05.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 800,- EUR abwenden, wenn der Be-
klagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in glei-
cher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Die Kläger fordern als Grundstückseigentümer (Kläger zu 2., 3. und 4.) bzw. als Nießbraucherin (Klägerin
zu 1.) die Beseitigung eines von dem Beklagten als Jagdpächter auf ihren Grundstücken Pl.-Nr. und der
Gemarkung N, errichteten Hochsitzes sowie einer Anfütterungsstelle. Der Beklagte nimmt die Kläger im
Wege der Widerklage auf Duldung dieser Jagdeinrichtungen in Anspruch.
Die Kläger haben erstinstanzlich vorgetragen,
der Hochsitz befinde sich auf ihrem Grundstück. Der Beklagte sei zur Entfernung des Hochsitzes
verpflichtet, da der Beklagte vor Errichtung des Hochsitzes die nach dem Landesjagdgesetz erforderliche
Genehmigung des Grundstückeigentümers nicht eingeholt habe. Eine solche Genehmigung werde auch
nicht erteilt. Als Veganer seien sie auch nicht zur Duldung verpflichtet, da sie ansonsten in eine
unerträgliche Gewissensnot kämen.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den auf den Grundstücken Pl.-Nr. und der Gemarkung N, errichteten
Hochsitz abzureißen und zu beseitigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Weiterhin hat er widerklagend beantragt,
die Kläger zu verurteilen, den auf dem Grundstück Pl.-Nr. und der Gemarkung N, errichteten Hochsitz und
ebenso eine Anfütterungsstelle (Kirreinrichtung) zu dulden.
Die Kläger haben beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
der Hochsitz und die Kirreinrichtung seien zur Jagdausübung erforderlich. Der Hochsitz stehe auf einer
exponierten Lage. Von dort aus sei es möglich, in allen Richtungen das Gelände einzusehen.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch die Vornahme einer Ortsbesichtigung.
Mit Urteil vom 26.05.2004 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und die Widerklage zugesprochen.
Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kläger gemäß § 20 des
Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz verpflichtet seien, den Hochsitz sowie eine Anfütterungsstelle auf
ihrem Grundstück zu dulden. Zwar liege die nach § 20 Landesjagdgesetz erforderliche Zustimmung der
Kläger nicht vor. Die Kläger seien jedoch zur Erteilung dieser Zustimmung verpflichtet. Die Zustimmung
könne nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Wichtige Gründe im Sinne dieser Vorschrift seien von
den Klägern nicht vorgebracht worden. Die Ortsbesichtigung habe gezeigt, dass der Hochsitz tatsächlich
auf dem Grundstück der Kläger stehe, aber auch, dass dieser die Kläger von der Lage her überhaupt nicht
störe. Das Grundstück der Kläger werde zur Zeit nicht bewirtschaftet, vielmehr überhaupt nicht genutzt.
Eine Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks durch den Hochsitz und die Anfütterungsstelle sei
daher nicht gegeben. Weiterhin sei im Rahmen der Ortsbesichtigung festgestellt worden, dass der
Hochsitz tatsächlich auf einer exponierten Lage, nämlich genau auf dem Scheitelpunkt des
Geländeverlaufes errichtet worden sei. Von diesem Hochsitz aus könne das weitergehende Gelände nach
links, rechts und unten in Augenschein genommen und bejagd werden. Würde der Hochsitz entfernt
werden, müssten stattdessen zwei andere errichtet werden.
Soweit die Kläger sich auf eine unerträgliche Gewissensnot beriefen, wenn sie zur Duldung verpflichtet
würden, könnten sie mit diesem Argument nicht gehört werden. Zum einen gehörten die Kläger selbst als
Grundstückseigentümer der sogenannten Jagdgenossenschaft an und seien nach dem Gesetz
verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Bejagung ihres Grundstücks Sorge zu tragen. Zudem könne eine
Verlegung des Hochsitzes auf das Nachbargrundstück die Ausübung der Jagd nicht verhindern. Im
Rahmen der Abwägung könne daher auch aus grundgesetzlicher Sicht den Argumenten der Kläger kein
Vorzug gegeben werden.
Im Hinblick darauf führe die Beseitigungsklage nicht zum Erfolg, während die Widerklage auf Duldung
erfolgreich sei.
Das Urteil ist den Klägern von Amts wegen am 02.06.2004 zugestellt worden.
Mit ihrer am 01.07.2004 eingegangenen Berufung wenden sich die Kläger gegen das Urteil, das sie in
vollem Umfang angreifen.
Die Kläger tragen vor:
Das Urteil des Amtsgerichts sei unzutreffend. Es beachte nicht hinreichend die Rechte der Kläger,
insbesondere nicht, dass nach
§ 20 des Landesjagdgesetzes eine vorherige Zustimmung zur Errichtung jagdlicher Einrichtungen
erforderlich sei, die hier nicht vorliege.
Desweiteren berücksichtige das Amtsgericht im Rahmen der Abwägung ihre grundgesetzlich geschützten
Rechte aus Artikel 14 Abs. 1 und Artikel 4 Abs. 1 GG nicht in dem dafür notwendigen Maße.
Gemäß Artikel 14 GG müsse es ihnen als Eigentümern auch freistehen, aus dem Zwangsverband der
Jagdgenossenschaft auszutreten. Dies habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem
Urteil vom 24.09.1999 in einem französischen Fall auch so entschieden.
Desweiteren berücksichtige das Urteil auch nicht ihre ebenfalls grundrechtlich geschützte
Gewissensentscheidung. Sie, die Kläger, seien allesamt vegetarisch bzw. veganisch erzogen. Das
bedeute, dass sie aus Achtung vor jedwedem Lebewesen gänzlich auf tierische Produkte verzichteten.
Hierbei handele es sich um eine ethische Grundeinstellung der Kläger. Nach dieser ethischen Grund-
einstellung sei jegliches Leben unantastbar. Insoweit werde den ihnen aber durch die
Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft und die sich hieraus ergebende Verpflichtung zur
Bejagung die Möglichkeit genommen, diese Gewissenentscheidung zu leben. Dies sei nicht zulässig.
Insbesondere auch angesichts des im Jahr 2002 im Grundgesetz eingeführten Staatsziels des
Tierschutzes sei ihre Glaubensüberzeugung aber unbedingt zu beachten. Deshalb
müssten sie, die Kläger, solche Einrichtungen, die der Jagd und damit der Tötung von Tieren dienten,
keinesfalls auf ihrem Grundstück dulden (wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Kläger
wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 02.08.2004, Bl. 130-135 d.A., und vom 20.10.2004, Bl. 180/181
d.A., vom 10.11.2004, Bl. 185 d.A. und vom 16.11.2004, Bl.199/200 d.A. Bezug genommen).
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des am 26.05.2004 verkündeten Urteils des Amtsgerichts, den Beklagten zu
verurteilen, den auf den Grundstücken Pl.-Nr. und der Gemarkung N, errichteten Hochsitz abzureißen und
zu beseitigen und desweiteren die Widerklage abzuweisen.
zu beseitigen und desweiteren die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 03.09.2004 und
seiner Schriftsätze vom 10.09. und 29.10.2004 (Bl. 146 ff und Bl. 182/183 d.A.); außerdem stützt er sich auf
die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.07.2004, Az.: 8 A
10216/04).
II.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache führt die Berufung der Kläger jedoch nicht zum Erfolg, da das Amtsgericht zu Recht die Klage
abgewiesen und die Widerklage zugesprochen hat.
1. Zur Klage:
Das Amtsgericht hat zutreffend die Klage auf Entfernung des Hochsitzes abgewiesen.
Ein solcher Anspruch könnte sich allein aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (bezüglich der Klägerin zu 1. i.V.m.
§ 1065 BGB) ergeben.
Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer, dessen Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung
oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung
verlangen. Eine solche Störung des Eigentums (bzw. des Nießbrauchs) ist hier durch die Bebauung mit
dem Hochsitz objektiv gegeben.
Der Anspruch ist jedoch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung
der Störung verpflichtet ist. Dies ist, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, hier der Fall; denn die
Kläger sind gemäß § 20 Abs. 1 des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz zur Duldung des Hochsitzes
verpflichtet.
Zwar haben die Kläger die grundsätzlich nach § 20 Abs. 1 Satz 1 des Landesjagdgesetzes vorgesehene
Zustimmung der Grundstückseigentümer zur Errichtung des Hochsitzes nicht erteilt. Hierauf können sie
sich indes nicht berufen.
Zum einen ist schon fraglich, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Zustimmung erforderlich ist, da § 20
Abs. 1 Satz 1 aus nachvollziehbaren Gründen ein Zustimmungserfordernis nur für land- oder
forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke statuiert und das Grundstück der Kläger nach den insoweit nicht
angegriffenen Feststellungen des Erstrichters derzeit weder land- noch forstwirtschaftlich genutzt wird.
Jedenfalls sind die Kläger aber gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 des Landesjagdgesetzes verpflichtet, ihre
Zustimmung zu erteilen, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat. § 20 Abs. 1 Satz 2 des
Landesjagdgesetzes bestimmt, dass der Eigentümer zustimmen muss, wenn ihm die Duldung der Anlage
zugemutet werden kann und er eine angemessene Entschädigung erhält. Über die Entschädigung ist da-
bei nicht von den Zivilgerichten zu entscheiden, sondern diese ist - soweit sie vom
Jagdausübungsberechtigten nicht freiwillig geleistet wird - von der unteren Jagdbehörde auf Antrag des
Eigentümers festzusetzen.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist ihnen auch nach Auffassung der Kammer die Duldung eines
Hochsitzes und einer Anfütterungseinrichtung zuzumuten. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit ist grund-
sätzlich zunächst auf die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks abzustellen, wie sich aus der
Formulierung des § 20 Abs. 1 Satz 1 des Landesjagdgesetzes ergibt. Da das Grundstück der Kläger der-
zeit aber wirtschaftlich nicht genutzt wird, stehen wirtschaftliche Interessen der Kläger der Duldung nicht
entgegen.
Auch die Grundrechte der Kläger als Eigentümer (Art. 14 GG) und aus Artikel 4 GG führen nicht zu einer
anderen Beurteilung der Zumutbarkeit. Die Artikel 4 und 14 GG finden hier allenfalls mittelbare
Anwendung, da die Grundrechte unmittelbar nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten, während
hier das Verhältnis des Eigentümers zu dem Jagdausübungsberechtigten und damit eine privatrechtliche
Rechtsbeziehung in Frage steht. Mittelbar sind die Grundrechte als allgemeine Wertentscheidungen aber
auch bei solchen privatrechtlichen Abwägungen zu berücksichtigen.
Entgegen der Ansicht der Kläger verstoßen die entsprechenden Bestimmungen des Jagdrechts, die eine
Zwangsmitgliedschaft der Kläger in einer Jagdgenossenschaft vorsehen und die entsprechenden
Duldungspflichten der Kläger statuieren, nicht gegen das Grundgesetz.
Insbesondere kann zunächst ein Verstoss gegen Artikel 14 Abs. 1 GG nicht festgestellt werden. Das
Eigentumsrecht wird darin ohnehin nicht schrankenlos gewährleistet, sondern unterliegt gemäß Artikel 14
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG Beschränkungen. Das Jagdrecht stellt insoweit eine Inhaltsbestimmung des
Eigentums dar. Der Wesensgehalt der Eigentumsgarantie wird dadurch nicht angetastet, da das Jagdrecht
nur gering in die Eigentümerstellung eingreift und dem Eigentümer die Befugnis zur Veräußerung und
wirtschaftlichen Nutzung im Wesentlichen verbleibt.
Das Jagdrecht greift auch nicht unverhältnismäßig in das Eigentum ein, da die mit dem deutschen
Jagdrecht verfolgten Ziele, nämlich der Schutz des Eigentums anderer vor Wildschäden, Gewährleistung
eines artenreichen und gesunden Wildbestandes und die Wahrung der Belange von Natur und
Landschaftspflege dem Gemeinwohl dienen und durch die verfassungsrechtliche Gemeinwohlbildung des
Eigentums gedeckt sind. Auch das in das Grundgesetz aufgenommene Staatsziel des Tierschutzes ändert
hieran nichts, da durch dieses Staatsziel die grundsätzliche Berechtigung für die Durchführung der Jagd
nicht aufgehoben ist, sondern allenfalls Folgerungen über die Art und Weise der Jagdausübung hieraus
abgeleitet werden können.
Durch die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft wird zusätzlich sichergestellt, dass
genügend große Jagdbezirke vorhanden sind, um eine ordnungsgemäße Bejagung durch den jeweiligen
Jagdausübungsberechtigten herbeizuführen.
Auch die von den Klägern zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
("Chassagnon et autres v. France", NJW 1999, 3695) steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Wie das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 19.10.2004 (Az.: 2 BvR 1481/04) ausgeführt hat,
entfalten die Entscheidungen des EGMR keine absoluten Bindungswirkungen für die deutschen Gerichte,
da die Entscheidungen keinen Verfassungsrang haben. Die deutschen Gerichte müssen sich in ihren
Entscheidungen nur gebührend mit dieser Rechtsprechung auseinander setzen.
Auch die zitierte Entscheidung des EGMR führt aber nicht dazu, das deutsche Jagdrecht als rechtswidrig
anzusehen. In dieser Entscheidung wird im Wesentlichen der mit dem französischen Jagdrecht auch
verbundene Zweck, "einen demokratischen Zugang zur Jagd sicherzustellen und einem größeren
Personenkreis Teilhabe an einem Freizeitvergnügen zu geben, das sonst Eigentümern großer Ländereien
vorbehalten sein müsste", kritisiert. Da ein solcher Zweck der "Vergesellschaftung des Jagdrechts" dem
deutschen Recht fremd ist, können auch aus dem Urteil des EGMR keine negativen Folgerungen für das
deutsche Jagdrecht hergeleitet werden.
Auch die Berufung der Kläger auf das Grundrecht der Gewissenfreiheit führt nicht zu einer Beurteilung der
Vorschriften des Jagdrechts als verfassungswidrig. Das Grundrecht der Gewissensfreiheit aus Artikel 4
Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht schrankenlos gewährleistet. Auch dieses unterliegt vielmehr den
sogenannten grundrechtsimmanenten Schranken, da die Grundrechte immer auch durch die Grundrechte
Dritter eingeschränkt werden. Da das Jagdrecht aber gemäß den obigen Ausführungen auch dem Schutz
des
Eigentums Dritter und damit deren Schutz bei wirtschaftlicher Betätigung gilt, gelten hier diese
verfassungsimmanenten Schranken ein.
Die Frage, ob die mit dem Jagdrecht verfolgten Ziele in gleicher Weise oder - worauf die Kläger in der
mündlichen Verhandlung abgestellt haben - sogar noch besser durch die Wiederaussetzung der
natürlichen Feinde des Wildes, insbesondere von Wölfen, erreicht werden könnten, kann hier offen
bleiben, da der Gesetzgeber in jedem Fall ein freies Ermessen hat, wie er die Erreichung der grund-
rechtlich zulässigen Ziele regelt.
Eine Grundgesetzwidrigkeit der entsprechenden Bestimmung des Jagdrechtes kann somit nicht
festgestellt werden, so dass die Kläger den Bestimmungen des Bundesjagdgesetzes und des
Landesjagdgesetzes unterliegen.
Auch bei der im Rahmen des § 20 Landesjagdgesetz vorzunehmenden Abwägung sind die Grundrechte
der Kläger hinreichend berücksichtigt worden. Insoweit hat der Erstrichter zu Recht ausgeführt, dass nach
den von ihm getroffenen Feststellungen der Hochsitz an einer exponierten Stelle des Geländes steht, die
eine weitgehende Beobachtung des Geländes erlaubt, während im Falle einer Versetzung des Hochsitzes
die Errichtung eines weiteren, zweiten Hochsitzes notwendig ist, um den gleichen "Überblick" zu erhalten.
Da die Kläger das Töten von Tieren aber grundsätzlich nicht verhindern können - auch nicht, wenn diese
auf ihrem Grundstück befinden - ist es den Klägern auch weiterhin zuzumuten, den Hochsitz auf ihrem
Grundstück zu dulden.
Da die Kläger somit gemäß den vorstehenden Ausführungen verpflichtet sind, ihre Zustimmung zur
Errichtung des Hochsitzes zu erteilen, können sie sich die Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
nicht darauf berufen, dass sie die erforderliche Zustimmung bisher nicht erteilt haben.
Angesichts der Duldungspflicht der Kläger (siehe unten 2.) hat der Erstrichter zu Recht ihre
Beseitigungsklage abgewiesen.
2. Zur Widerklage:
Gemäß den vorstehenden Ausführungen sind die Kläger verpflichtet, die von dem Beklagten auf ihrem
Grundstück errichteten Jagdeinrichtungen zu dulden. Angesichts der im vorliegenden Rechtsstreit
erhobenen Forderung der Kläger auf Beseitigung besteht auch ein Rechtsschutzinteresse des Beklagten
an einer solchen gerichtlichen Feststellung.
Außerdem betrifft die Beseitigungsklage der Kläger nur den Hochsitz, während die Widerklage zusätzlich
auch eine Anfütterungseinrichtung umfasst. Darüber hinaus wird dadurch zwischen den Parteien
verbindlich festgestellt, dass die Kläger zur Duldung verpflichtet sind, während ansonsten nur tituliert
würde, dass eine Beseitigung des Hochsitzes durch den Beklagten nicht verlangt werden kann. Dies
würde nach Ansicht der Kammer im Hinblick auf mögliche Reparatur- und Erneuerungsarbeiten weitere
Streitigkeiten zwischen den Parteien vorprogrammieren.
III.
Die Berufung der Kläger erweist sich deshalb als insgesamt unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Kammer lässt gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zu, da die Rechtssache, d.h. die Frage der
Rechtsbeziehungen, insbesondere der Duldungspflichten, angesichts der Vielzahl betroffener Grund-
stückseigentümer und Jagdausübungsberechtigter grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Absatz 1 Nr. 1 ZPO)
hat.
Wegen des tatsächlichen und wirtschaftlichen Gewichts der Sache nicht nur für die Beteiligten, sondern für
den gesamten interessierten Rechtsverkehr erfordert nach Ansicht der Kammer die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes (§ 543 Absatz 1 Nr. 2 ZPO). Es
handelt sich um eine Rechtsfrage, die ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen
Entwicklung und Handhabung des Rechts aufwirft (BGH, Beschluss vom 28.04.2004, IV ZR 144/03). Die
Bedeutung der hier maßgeblichen Streitfrage zeigt sich auch in einem großen publizistischen Interesse an
der Entscheidung nicht nur des Amtsgerichts, sondern vor allem der Berufungskammer. Obergerichtliche
Entscheidungen zur Frage der Duldungspflicht eines Grundstückseigentümers gegenüber dem
Jagdausübungsberechtigten liegen (wohl angesichts des geringen Streitwerts solcher Klagen) bisher
nicht vor.