Urteil des LG Wuppertal vom 08.04.2010

LG Wuppertal (gkg, wert, berechnung, vergütung, beendigung, rechtsmittel, gerichtskosten, abzug, beschwerde, fortführung)

Landgericht Wuppertal, 6 T 143/10
Datum:
08.04.2010
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 143/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Wuppertal, 145 IN 83/05
Sachgebiet:
Rechtspflege und Gerichtsverfahrensrecht
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert:
Der Kostenansatz vom 16. Dezember 2009 wird aufgehoben.
Der/Die Kostenbeamte/in des Amtsgerichts wird angewiesen, die
Gebühren gemäß Nrn. 2310 und 2320 des Kostenverzeichnisses zum
GKG nach einem Wert von 277.149,33 EUR anzusetzen.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
Mit Kostenansatz vom 16. Dezember 2009 hat die Kostenbeamtin des Amtsgerichts die
Kosten des vorliegenden Insolvenzverfahrens zu Lasten des Insolvenzverwalters
berechnet, unter anderem je eine Gebühr gemäß 2310 und 2320 des
Kostenverzeichnisses zum GKG, berechnet nach einem Wert von 487.448,99 EUR, dem
Wert der Insolvenzmasse bei Verfahrensende unter Berücksichtigung aller bei der
Fortführung der Firma der Schuldnerin erzielten Einnahmen.
2
Gegen den Kostenansatz hat der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 15. Januar
2010 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dem Ansatz der beiden Gebühren
dürfe ein Wert von nur 277.149,33 EUR zugrunde gelegt werden. Denn bei einer
Fortführung des Betriebes des Gemeinschuldners – wie hier – dürfe dem Wert der
Insolvenzmasse nur der Reinerlös hinzugerechnet werden, also die bei der
Betriebsfortführung erzielten Umsatzerlöse nach Abzug der angefallenen
produktionsbedingten Kosten.
3
Nach Anhörung des Beteiligten zu 2, der der Erinnerung entgegengetreten ist, hat der
Rechtspfleger des Amtsgerichts durch die angefochtene Entscheidung die Erinnerung
zurückgewiesen.
4
Hiergegen wendet sich der Insolvenzverwalter mit seiner am 1. März 2010 bei dem
Amtsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift, mit der er unter Wiederholung und
Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Erinnerungsbegehren
weiterverfolgt.
5
Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel mit Verfügung vom 3. März 2010 nicht
abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
6
Der Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.
7
Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter der Kammer hat das Verfahren gemäß § 66
Abs. 6 S. 2 GKG der Kammer in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen
Besetzung übertragen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akte
Bezug genommen.
9
Das gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 GKG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel des
Insolvenzverwalters hat in der Sache Erfolg. Es führt zur Abänderung der angefochtenen
Entscheidung in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang.
10
Gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 GKG werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens – wie hier –
nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben.
Nach Abs. 1 S. 2 der Norm sind abzuziehen diejenigen Gegenstände, die einer
abgesonderten Befriedigung unterliegen, in Höhe des dazu nötigen Betrages;
Gegenstände, die einem Aussonderungsrecht unterliegen, zählen nicht zur
Insolvenzmasse (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 58 GKG Rdnr. 2).
11
Nach Auffassung der Kammer ist im Falle der Betriebsfortführung – wie hier – die
Insolvenzmasse nicht um den bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens erzielten
Produktionserlös zu erhöhen, sondern es ist der Insolvenzmasse nur der Reinerlös
hinzuzurechnen, das sind die erzielten Umsatzerlöse nach Abzug der
produktionsbedingten Kosten. Die Kammer teilt die insoweit von Hartmann
(Kostengesetze, 38. Aufl., § 58 GKG Rdnr. 4) vertretene Auffassung und macht sich die
Begründungen des Landgerichts Hof im Beschluss vom 12. April 1965 – 3 T 130/64 –
(Rpfleger 1966, 85) wie auch die des Insolvenzverwalters in seinen
Rechtsmittelschriften zu eigen, die sie für zutreffend erachtet.
12
Dass im Falle der Betriebsfortführung der Neuerwerb des Schuldners während des
Verfahrens der Insolvenzmasse zuzurechnen ist, steht außer Frage. Dass insoweit aber
nur der Überschuss zu berücksichtigen ist, der sich nach Abzug der Ausgaben von den
Einnahmen ergibt, folgt für die Vergütung des Insolvenzverwalters aus § 1 Abs. 2 Nr. 4
Buchstabe b InsVV (vgl. auch BGH, ZInsO 2008, 1262). Aus dem Umstand, dass § 58
GKG eine entsprechende Regelung nicht enthält, ist nicht zu schließen, dass nach dem
Willen des Gesetzgebers für die Erhebung der Gerichtskosten ein anderer – höherer –
Wert der Insolvenzmasse maßgeblich sein sollte als für die Berechnung der Vergütung
des Insolvenzverwalters. Das wäre auch unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten
nicht nachvollziehbar.
13
Der Wille des Gesetzgebers ging, wie die Gesetzesmaterialien zum GKG ergeben,
dahin, der Berechnung der Gerichtsgebühren und der der Verwaltervergütung
denselben Wert zugrunde zu legen. In § 58 GKG in der Fassung des
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 sind die Regelungen der §§ 37
und 38 GKG in der früheren Fassung zusammengefasst worden (vgl. die Begründung
des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Kostenrechts in BTDrucks. 15/1971, Seite
156). § 37 GKG a. F. war durch Art. 29 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung
vom 5. Oktober 1994 neu gefasst worden. Insoweit heißt es in der amtlichen
Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 24. November 1992
(BTDrucks. 12/3803, Seite 72) zur Änderung des Gerichtskostengesetzes in § 37: "Für
das einheitliche Insolvenzverfahren soll der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der
Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein, für die Erhebung der Gerichtskosten
ebenso wie für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters." Ging aber
schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Insolvenzordnung und des
Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung der Wille des Gesetzgebers dahin, für die
Erhebung der Gerichtskosten den nämlichen Wert wie für die Berechnung der
Verwaltervergütung zugrunde zu legen, so ist unter weiterer Berücksichtigung der
aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 65 InsO erlassenen insolvenzrechtlichen
Vergütungsordnung (InsVV) eine ungleiche, von verschiedenen Werten ausgehende
Berechnung der Gebühren einerseits, der Vergütung andererseits nicht geboten.
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Gemäß § 66 Abs. 8 GKG ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei; Kosten
werden nicht erstattet.
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage war die
weitere Beschwerde zuzulassen (§ 66 Abs. 4 S. 1 GKG).
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