Urteil des LG Wuppertal vom 06.07.2005

LG Wuppertal: treu und glauben, reisebüro, reisekosten, antritt, mittelohrentzündung, vollstreckung, versicherungsgesellschaft, vollstreckbarkeit, flug, augenerkrankung

Landgericht Wuppertal, 8 S 15/05
Datum:
06.07.2005
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 S 15/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Wuppertal, 36 C 454/04
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04. Februar 2005 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Wuppertal - 36 C 454/04 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu voll-streckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Wegen des
Tatbestandes
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
3
Ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Klägerin buchte bei dem Beklagten, der ein Reisebüro betreibt, am 01.12.2003 eine
USA-Reise für die Zeit vom 01.04. bis zum 24.06.2004 für sich und eine Mitreisende.
Der Beklagte vermittelte ihr auch eine Reiserücktrittsversicherung. Bei Antritt der Reise
litt die Mitreisende an einer Nasennebenhöhlen- und Mittelohrentzündung.
5
Während des Fluges von Düsseldorf nach München traten erhebliche Beschwerden auf,
die dazu führten, dass der Flughafenarzt in München die Weiterreise untersagte.
6
Die Klägerin und die Mitreisende brachen die Reise ab.
7
Die Klägerin machte die Reisekosten, die ihr nicht aufgrund von noch möglichen
Stornierungen erstattet wurden, abzüglich der Versicherungskosten zunächst
gegenüber der Reiserücktrittsversicherung geltend. Diese lehnte die Erstattung ab. Sie
verwies auf § 4 ihrer Vertragsbedingungen. Danach hätte sie die Reisekosten allenfalls
erstatten müssen, wenn die Klägerin eine sog. "Ersatzreise-Versicherung"
abgeschlossen hätte. Die Klägerin sei nicht von der Reise zurückgetreten, sondern sie
habe die Reise abgebrochen.
8
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung einer
vertraglichen Nebenpflicht in Anspruch. Sie meint, der Beklagte sei wegen der langen
Dauer der USA-Reise verpflichtet gewesen, sie ungefragt auf die Möglichkeit des
Abschlusses der genannten Versicherung hinzuweisen.
9
Sie behauptet, bei anderen Reisebüros sei es üblich, auch Reiseersatzversicherungen
anzubieten. Sie hätte diese Versicherung abgeschlossen, wenn sie ihr angeboten
worden wäre. Die Ersatzreiseversicherung hätte den Schaden ersetzt. Die Erkrankung
der Mitreisenden bei Reiseantritt habe einer Flugreise nicht entgegengestanden. Diese
Auskunft habe die Mitreisende von ihrem Arzt erhalten.
10
Das Amtsgericht Wuppertal hat die auf Zahlung von 3.927,00 € nebst Zinsen gerichtete
Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung
eingelegt und diese ordnungsgemäß begründet.
11
Die Klägerin beantragt,
12
den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie
3.927,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 01.05.2004 zu zahlen.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Berufung zurückzuweisen.
15
II.
16
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
17
1.
18
Das Amtsgericht Wuppertal ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt,
der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu.
19
Die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB, der allein als Anspruchsgrundlage in
Betracht kommt, liegen nicht vor.
20
Der Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin vor Antritt der bei ihm gebuchten, fast 3-
monatigen USA-Reise den Abschluss einer "Ersatzreise-Versicherung" zu empfehlen
oder sie auf die Möglichkeit einer solchen Versicherung hinzuweisen.
21
Die Beratungspflicht eines Reisebüros beschränkt sich ohne besondere Anhaltspunkte
22
darauf, den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung zu empfehlen (vgl. OLG
Koblenz, Urteil vom 24.04.2001, Juris-Nr. KORE700822001; Tempel NJW 1999, 3657,
3660). Es kann dahinstehen, ob das Reisebüro hier wegen der mehrmonatigen Reise
verpflichtet gewesen wäre, zusätzlich auf den möglichen Abschluss einer
Reiseabbruchversicherung, die die Mehrkosten der vorzeitigen Rückreise abgedeckt
hätte, hinzuweisen. Jedenfalls brauchte das Reisebüro nicht ungefragt auf die
Möglichkeit einer speziellen Ersatzreise-Versicherung (§ 4 der
Versicherungsbedingungen, Bl. 38 d.A.) hinzuweisen. Eine so weitreichende
Hinweispflicht besteht nicht, weil das Reisebüro Reiseversicherungen als
untergeordnete Nebenleistung nur nebenbei vermittelte ( vgl. AG Karlsruhe, Urt. vom
12.01.01, NJW-RR 2002, 560, 561).
Eine solche gesonderte Aufklärung wäre allenfalls dann notwendig gewesen, wenn die
Klägerin deutlich gemacht hätte, dass sie Wert auf eine umfassende Absicherung im
Falle eines Reiseabbruchs legte (vgl. OLG Koblenz a.a.O., Rn 13). Das ist unstreitig hier
nicht so gewesen.
23
Es war nicht erforderlich, das von der Klägerin beantragte Sachverständigen-Gutachten
zu der Frage einzuholen, ob andere Reisebüros bei derart langen Reisen auf die
Möglichkeit einer Reiseersatzversicherung hinweisen.
24
Selbst wenn dies so wäre, würde eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten hieraus
nicht zu folgern sein.
25
Hinzu kommt, dass die Klägerin aus den ihr vor Reiseantritt von dem Beklagten
überlassenen Versicherungsunterlagen hätte entnehmen können, dass der Reisepreis
für nicht in Anspruch genommene Reiseleistungen bei Reiseabbruch nur erstattet wird,
wenn dies im Versicherungsschein gesondert vereinbart worden ist. Mit Recht zieht das
Amtsgericht hieraus den Schluss, dass Schadensersatzansprüche auch deswegen
ausscheiden (vgl. auch AG München, Urt. vom 02.05.96, Orientierungssatz: Juris-Nr.
KORE551819700).
26
2.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
29
3.
30
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob ein Reisebüro den Kunden
bei einer beabsichtigten dreimonatigen Reise ungefragt über die Möglichkeit einer
Ersatzreiseversicherung unterrichten muss, ist klärungsbedürftig. Das OLG Koblenz
(a.a.O.) hat über einen anders gelagerten Sachverhalt entschieden. Dieses Urteil betraf
eine zwar teure (21.160,00 DM), aber verhältnismäßig kurze 19-tägige Flug- und
Rundreise. Das Auftreten der genannten Frage ist in einer unbestimmten Vielzahl von
Fällen zu erwarten.
31
Die genannte Frage ist auch entscheidungserheblich. Eine Schadensersatzpflicht des
32
Beklagten scheidet nicht bereits aus anderen Gründen aus.
Wenn die Klägerin die Ersatzreiseversicherung abgeschlossen hätte, wäre die
Versicherungsgesellschaft verpflichtet gewesen, ihr den geltend gemachten anteiligen
Reisepreis zu ersetzen. Sie hätte sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) nicht darauf berufen dürfen, dass die Mitreisende bei Reisebeginn bereits
erkrankt war und dass die Klägerin die Reise allein hätte fortsetzen können. Wäre die
Klägerin vor Reiseantritt wegen der Nasennebenhöhlen- und Mittelohrentzündung der
Mitreisenden zurückgetreten, hätte die Versicherung die "vertraglich geschuldeten
Stornogebühren" nach § 1 ihrer Bedingungen wegen einer unerwarteten schweren
Erkrankung der versicherten Person erstatten müssen. Wären sowohl der Reiserücktritt
als auch der Reiseabbruch wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung nach § 4
der Bedingungen versichert gewesen, wäre es treuwidrig, sich darauf zu berufen, es
läge weder ein Reiserücktritt noch ein Reiseabbruch wegen einer unerwarteten
Erkrankung der Mitreisenden vor.
33
Der Klägerin wäre es auch nicht zumutbar gewesen, die Reise allein fortzusetzen. Die
Klägerin hätte die mehrmonatige Rundreise nicht allein angetreten. Die gemieteten
Fahrzeuge hätten von der Mitreisenden gesteuert werden sollen. Wegen einer
Augenerkrankung hätte die Klägerin nicht Auto fahren dürfen. Diese im Schriftsatz der
Klägerin vom 13.05.2005 vorgetragenen Tatsachen sind unstreitig, weil der Beklagte
dem Schriftsatz insoweit nicht widersprochen hat.
34
4.
35
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 3.927,00 € festgesetzt.
36