Urteil des LG Wuppertal vom 13.01.2006

LG Wuppertal: vergütung, klient, abrechnung, drucksache, steigerung, ausnahme, auflage, datum, beendigung

Landgericht Wuppertal, 6 T 8/06
Datum:
13.01.2006
Gericht:
Landgericht Wuppertal
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 8/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Wuppertal, 59 XVII 201/04
Sachgebiet:
Sonstiges
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Dem Beteiligten zu 2. wird für die Tätigkeit des Beteiligten zu 1. vom 01.
Juli 2005 bis 30. September 2005 eine Vergütung in Höhe von 545,60
EUR (einschließlich der Umsatzsteuer) festgesetzt.
Im übrigen wird der Antrag auf Festsetzung von Vergütung zurück-
gewiesen.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
Für den Betroffenen wurde mit Beschluß des Amtsgerichts vom 04. August 2004 (am 05.
August 2004 der Geschäftsstelle übergeben) im Wege der einstweiligen Anordnung
eine Betreuung eingerichtet und Frau O als Mitarbeiterin des B Betreuungsvereins e.V.
zur Vereinsbetreuerin bestellt. Mit Beschluß vom 12. August 2004 wurde Frau O als
Betreuerin entlassen und der Beteiligte zu 1. als Mitarbeiter des Beteiligten zu 2. als
Vereinsbetreuer bestellt. Dieser Beschluß wurde dem Beteiligten zu 1. am 19. August
2005 per Telefax übersandt.
2
Mit Antrag vom 21. Oktober 2005 beantragte der Beteiligte zu 2. die Festsetzung von
Vergütung in Höhe von 576,40 EUR für den Zeitraum vom 01. Juli 2005 bis
30. September 2005. Im einzelnen:
3
Zeitraum
Klassifizierung
Tage Stundensatz Stunden-
Ist
Satz Betrag
01.07.2005 -
Betreuungsmonat 7 - 12, 31
5,0
5,0
44,00 220,00
4
01.07.2005 -
31.07.2005
Betreuungsmonat 7 - 12,
Klient mittellos
31
5,0
5,0
44,00
220,00
01.08.2005 -
19.08.2005
Betreuungsmonat 7 - 12,
Klient mittellos
19
5,0
3,2
44,00
140,80
20.08.2005 -
31.08.2005
Betreuungsmonat = 12,
Klient mittellos
12
3,5
1,4
44,00
61,60
01.09.2005 -
30.09.2005
Betreuungsmonat = 12,
Klient mittellos
30
3,5
3,5
44,00
154,00
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht - Rechtspflegerin - tenoriert,
daß dem Beteiligten zu 1. eine Vergütung in Höhe von 259,60 EUR für die Betreuung in
der Zeit vom 01. Juli bis 05. August 2005 zustehe. Im übrigen hat es den Antrag auf
Festsetzung von Vergütung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Betreuung sei mit Beschluß vom 05. August 2004 angeordnet worden; maßgeblich sei
die Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstelle. Durch den Betreuerwechsel
habe die Betreuung nicht erneut begonnen. "Rechnungsbeginn" sei daher der 05.
August 2004. Die Abrechnung erfolge in Betreuungsquartalen. Es habe daher nur
Vergütung für die Zeit vom 01. Juli bis 05. August 2005 bewilligt werden können, weil
das nächste "abrechnungsfähige Quartal" vom 06. August bis 05. November 2005 "nicht
beantragt" worden sei. Eine Abrechnung vom 06. August bis 30. September 2005 könne
aufgrund der quartalsmäßigen Abrechnung nicht erfolgen. Danach belaufe sich der
Gesamtbetrag der Vergütung auf 259,60 EUR.
5
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seinem Rechtsmittel, auf
das verwiesen wird. Der Beteiligte zu 3. hat zu dem Rechtsmittel Stellung genommen.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen.
7
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, 56 g Abs. 5, 22, 19
ff. FGG als sofortige Beschwerde zulässig und hat in der Sache Erfolg. Es führt zur
Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Beschlußtenor
ersichtlichen Umfang.
8
Dem Beteiligten zu 2. (nicht dem Beteiligten zu 1.) steht eine Vergütung in Höhe von
insgesamt 545,60 EUR zu.
9
I.
10
Zutreffend hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht entschieden, daß für die
Berechnung der Vergütung des Beteiligten zu 2. auf den 5. August 2004 abzustellen ist.
Denn an diesem Tage ist die Entscheidung durch die Übergabe an die Geschäftsstelle
gemäß §§ 69 a Abs. 3 S. 3 FGG wirksam geworden und hat zur Einrichtung der
Betreuung und somit zum Entstehen des Vergütungsanspruchs geführt (vgl. Palandt-
Diederichsen, BGB, 65. Auflage, Anh. zu § 1836, § 5 VBVG Rz. 6). Nach dem neuen
Recht entsteht der Vergütungsanspruch des Betreuers unabhängig davon, ob er
tatsächlich Betreuungsleistungen erbringt. Dies läßt den Schluß darauf zu, daß es für
das Entstehen des Vergütungsanspruchs allein auf die Einrichtung der Betreuung bzw.
der Beendigung ankommt (vgl. Beschluß der Kammer vom 29. Dezember 2005 - 6 T
11
802/05).
Unerheblich ist, daß der Beteiligte zu 1. als Mitarbeiter des Beteiligten zu 2. erst mit
Beschluß des Amtsgerichts vom 12. August 2004 als Betreuer bestellt worden ist. Denn
auch im Falle des Betreuerwechsels ist für die Berechnung der Vergütung auf den
Zeitpunkt der Einrichtung der Betreuung abzustellen. Dies folgt aus Wortlaut und Sinn
und Zweck des § 5 VBVG. Gemäß § 5 VBVG ist der Stundenansatz nach der Dauer der
Betreuung gestaffelt, wobei es allein auf die Zeitdauer "der Betreuung" ankommt, also
eben nicht auf die Zeitdauer der Bestellung des Betreuers, der Vergütung geltend
macht. Hinzu kommt, daß durch die Staffelung der Stundensätze in § 5 VBVG dem
Umstand Rechnung getragen werden soll, daß der Betreuungsaufwand in vielen Fällen
zu Beginn der Betreuung höher ist und sich mit fortlaufender Betreuung reduziert (BT-
Drucksachen 15/2494, Seite 32). Von der Reduzierung des Betreuungsbedarfs nach
einer länger geführten Betreuung profitiert aber auch ein neuer Betreuer, der den alten
Betreuer ablöst, weshalb es dem Zweck des § 5 VBVG widersprechen würde, wenn
nach einem Betreuerwechsel die höheren - für den Beginn der Betreuung vorgesehenen
- Stundensätze geltend gemacht werden könnten (vgl. Palandt-Diederichsen, a. a. O., §
5 VBVG Rz. 7).
12
Von der Regel, daß es auf das Wirksamwerden der Bestellung des ersten Betreuers für
die Berechnung des Vergütungsanspruchs ankommt, ist vorliegend auch nicht deshalb
eine Ausnahme zu machen, weil nach den Umständen des Falles auszuschließen ist,
daß sich der Betreuungsaufwand des Beteiligten zu 1. wegen der vorherigen Bestellung
von Frau O als Betreuerin reduziert haben könnte. Der geringfügige Unterschied, der
sich daraus ergibt, ob als Beginn der Betreuung der 5. oder 19. August gilt, rechtfertigt
es nicht, von der allgemeinen Regel abzuweichen. Zudem würde es der vom
Gesetzgeber bezweckten Vereinfachung der Berechnung der Vergütung des Betreuers
entgegenlaufen, wenn im Falle eines Betreuerwechsels beachtlich wäre, ob die vom
Gesetzgeber zugrundegelegte Typik eines Abflachens des Betreuungsaufwands
tatsächlich gegeben ist.
13
II.
14
Dem Beteiligten zu 2. steht eine pauschale Vergütung für den Zeitraum vom 01. Juli bis
30. September 2005 zu.
15
Gemäß § 9 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) kann die Vergütung
nach Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden.
Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß der Betreuer frühestens drei Monate nach seiner
Bestellung die Festsetzung von Vergütung für diesen Zeitraum beantragen kann und
erneute Vergütungsfestsetzungsanträge jeweils erst nach Ablauf weiterer drei Monate
möglich sind. Danach durfte die Rechtspflegerin die Festsetzung von Vergütung für den
Zeitraum vom 06. August bis 30. September 2005 im Zeitpunkt der Beschlußfassung am
02. Dezember 2005 nicht ablehnen. Denn die Rechtspflegerin führt selbst aus, daß das
"abrechnungsfähige Quartal" am 05. November 2005 geendet habe. Im Zeitpunkt der
Beschlußfassung (2. Dezember 2005) waren daher mehr als drei Monate nach dem
Ablauf des letzten Abrechnungsquartals vergangen, so daß der Beteiligte zu 2. gemäß §
9 VBVG für "diesen Zeitraum" die Festsetzung von Vergütung beanspruchen konnte.
16
Nicht zu folgen vermag die Kammer der Ansicht der Rechtspflegerin, der Beteiligte zu 2.
habe die Festsetzung von Vergütung für das Quartal vom 6. August bis 5. November
17
2005 nicht beantragt. Denn der Beteiligte zu 2. begehrt die Festsetzung eines Teils
dieser Vergütung, nämlich die Vergütung für den Zeitraum vom 6. August bis 30.
September.
Der Beteiligte zu 2. ist auch nicht gehindert, die Festsetzung lediglich eines Teils der
Vergütung für den Zeitraum vom 6. August bis 5. November 2005 zu beantragen. So wie
der Betreuer auf die Festsetzung seiner Vergütung ganz oder teilweise endgültig
verzichten könnte, muß es ihm auch möglich sein, zunächst nur einen Teil der
Vergütung geltend zu machen. Auch § 9 VBVG läßt sich nicht entnehmen, daß
besondere Zulässigkeits- oder Begründetheitsvoraussetzung eines
Festsetzungsantrags ist, daß der Betreuer die gesamte in dem Quartal entstehende
Vergütung beantragt. Zwar heißt es in dieser Vorschrift, der Betreuer könne die
Vergütung "für diesen Zeitraum" geltend machen; dies ist jedoch lediglich dahin zu
verstehen, daß der Ablauf des Zeitraums von 3 Monaten Voraussetzung für die
Festsetzung gerade der Vergütung ist, die in den 3 Monaten entsteht. So enthalten auch
die Gesetzgebungsmaterialien keinen Hinweis darauf, daß der Betreuer durch § 9
VBVG gezwungen werden soll, die Festsetzung der gesamten Vergütung für ein Quartal
zu beantragen. So heißt es in der Begründung zu § 1908 o BGB-E (entspricht 9 VBVG)
lediglich (BT-Drucksache 15/2494, Seite 36):
18
"1908o Abs. 1 BGB-E bestimmt als Abrechnungszeitraum die jeweils
zurückliegenden Monate. Kürzere Zeitabstände sind wegen des damit
verbundenen Verwaltungsaufwands - erhebliche Steigerung der
Auszahlungsvorgänge - nicht sinnvoll."
19
Es bestehen danach keine Bedenken dagegen, daß der Beteiligte zu 2. seine
Vergütung jeweils für 3 Kalendermonate ("glatt") geltend macht, zumindest solange
beachtet wird, daß es für die Begründetheit des (Teil-) Vergütungsfestsetzungsantrag
darauf ankommt, ob die Frist des § 9 VBVG - berechnet nach dem Zeitpunkt der
Einrichtung der Betreuung - abgelaufen ist. Ob es darüberhinausgehend zulässig ist, die
Vergütungsfestsetzung auf Kalenderquartale "umzustellen" (vgl. Deinert, Rpfleger 2005,
Seite 304 [306]), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
20
III.
21
Danach berechnet sich die Vergütung des Beteiligten zu 2. wie folgt:
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Zeitraum vom 01.07. bis 31.07.2005: 220,00 EUR
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Zeitraum vom 01.08. bis 05.08.2005: 39,60 EUR (5 Stunden dividiert durch 31 Tage
multipliziert mit 5 Betreuungstagen ergibt gerundet 0,9. 0,9 multipliziert mit 44,00 EUR
ergibt 39,60 EUR)
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Zeitraum vom 06.08. bis 31.08.2005 132,00 EUR (3,5 Stunden dividiert durch 31 Tage
multipliziert mit 26 Betreuungstagen ergibt gerundet 3,0. 3,0 multipliziert mit 44,00 EUR
ergibt 132,00 EUR)
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Zeitraum vom 01.09. bis 30.09.2005 154,00 EUR
26
Insgesamt beträgt die Vergütung somit 545,60 EUR.
27
Der Beteiligte zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit seine
Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Im übrigen ist das Beschwerdeverfahren
gebührenfrei (§ 131 Abs. 1 KostO).
28
Die weitere Beschwerde war zuzulassen, da Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur
Entscheidung anstanden, § 56 g Abs. 5 FGG.
29
Beschwerdewert: 316,80 EUR,
30
soweit die Beschwerde zurückgewiesen worden ist: 30,80 EUR.
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