Urteil des LG Wiesbaden vom 27.11.2008

LG Wiesbaden: begründung des urteils, vermieter, wohnung, wohnfläche, wohnraummiete, mietzins, baujahr, zugänglichkeit, ausstattung, vollstreckung

1
2
3
4
Gericht:
LG Wiesbaden 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 S 56/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 558a Abs 2 Nr 1 BGB
Wohnraummiete: Begründung eines
Mieterhöhungsverlangens unter Beifügung des für die
Wohnung zutreffenden Rasterfeldes
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts
Wiesbaden vom 21.07.2008 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom
21.07.2008 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet; sie führt im Ergebnis zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und
zur Abweisung der Klage.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis hinsichtlich der Wohnung R
Straße ... in W erstes Obergeschoss links, mit einer Wohnfläche von 77,41 qm. Die
Beklagte hat hierfür bislang einen monatlichen Mietzins von insgesamt 501,62
Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung gezahlt. Mit Schreiben vom
26.10.2007, der Beklagten zugegangen spätestens am 30.10.2007, hat die
Klägerin unter Beifügung des Rasterfeldes des aktuellen Mietspiegels der
Landeshauptstadt W vom 01.01.2006 die Zustimmung zu einer Mieterhöhung der
monatlichen Nettomiete um 13,14 Euro, d.h. von einem ursprünglichen
Quadratmetermietzins von 6,48 Euro auf 6,65 Euro ab 01.01.2008 erbeten. Die
Klägerin hat im Mieterhöhungsverlangen die Einordnung der Wohnung hinsichtlich
Baujahr, Wohnlage, Ausstattung, Wohnfläche sowie der ortsüblichen Miete
mitgeteilt. Bezüglich der Einzelheiten des Mieterhöhungsverlangens kann auf Bl.
23 f. d.A. verwiesen werden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Mieterhöhungsverlangen unter
Bezugnahme auf den aktuellen Mietspiegel der Landeshauptstadt W sowie die
Beifügung des Rasterfeldes dieses Mietspiegels zulässig sei und das
Mieterhöhungsverlangen damit hinreichend begründet sei.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die formellen
Voraussetzungen des Mieterhöhungsverlangens hiermit nicht erfüllt seien, da
alleine aufgrund der Übersendung des Rasterfeldes des Mietspiegels keine
5
6
7
8
9
alleine aufgrund der Übersendung des Rasterfeldes des Mietspiegels keine
ordnungsgemäße Überprüfung der Voraussetzungen möglich sei, hierfür sei auch
die Übersendung der Erläuterungen zum Mietspiegel erforderlich, um eine
eigenständige Entscheidung hinsichtlich der Begründetheit des
Mieterhöhungsverlangens treffen zu können.
Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 21.07.2008 die Beklagte zur Zustimmung zur
beantragten Mieterhöhung verurteilt mit der Begründung, dass hier das
Mieterhöhungsverlangen durch Beifügung des Rasterfeldes des Mietspiegels
hinreichend begründet worden sei. Hierdurch sei dem Mieter die Möglichkeit
gegeben worden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu
überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. An eine derartige
Begründung könnten allerdings keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
Auch in Bezug auf die weiteren Begründungsmöglichkeiten, nämlich die
Begründung des Mieterhöhungsverlangens durch Benennung von
Vergleichswohnungen bzw. durch Sachverständigengutachten ergebe sich, dass
hier bei der Begründung des Erhöhungsverlangens mit dem geltenden Mietspiegel
keine ungerechtfertigte Besserstellung des Mieters erreicht werden dürfe. Die
Klägerin habe hinsichtlich der Wohnung der Beklagten sämtliche erforderlichen
Angaben gemacht, der Mietspiegel habe deshalb nicht mehr beigefügt werden
müssen. Zudem sei der Mietspiegel allgemein zugänglich, da er für einen Betrag
von 3,– Euro sowohl beim Mieterschutzverein als auch beim Haus- und
Grundstückseigentümerverein bezogen werden könne. Ggf. sei auch ein
kostenfreier Bezug beim Vermessungsamt der Stadt W dergestalt gegeben, dass
hier der Mietspiegel eingesehen werden könne. Es sei zudem zu berücksichtigen,
dass auch die Gebühr von 3,– Euro für den Erwerb des Mietspiegels für den Mieter
kein überwindbares Hindernis darstelle, sich einen solchen zu besorgen. Außerdem
hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass eine Ungleichbehandlung zwischen
Mietern gegeben sei, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Mieterschutzverein
sowohl kostenlos ein Exemplar des Mietspiegels erhalten könnten, als auch eine
entsprechende diesbezügliche Beratung, gegenüber Mietern, die dies nicht
könnten, dennoch alle Mieter ggf. eine entsprechende Übersendung des
Mietspiegels verlangen könnten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass gerade bei
einem Vermieter wie der Klägerin, die aufgrund des Gesamtbestandes erhebliche
Kosten bei Übersendung des Mietspiegels zu tragen habe. Das
Mieterhöhungsverlangen sei zudem gesetzgeberisch bereits derart kompliziert
ausgestaltet, dass weitere Erschwernisse, wie sie hier von anderen Gerichten im
Rahmen der Begründung des Mieterhöhungsverlangens aufgestellt würden, nicht
sachdienlich seien.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Die Parteien haben im wesentlichen die bereits gewechselten Argumente
hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der Übersendung des kompletten
Mietspiegels an die Beklagte zur wirksamen Begründung des
Mieterhöhungsverlangens aufrechterhalten.
Aufgrund der Berufung der Beklagten war das amtsgerichtliche Urteil abzuändern
und die Klage abzuweisen.
Zutreffend geht das Amtsgericht in seiner Begründung des Urteils davon aus,
dass die weiteren formellen und materiellen Gründe des Mieterhöhungsverlangens
eingehalten sind, die Parteien lediglich über die Frage streiten, ob das
Mieterhöhungsverlangen den Anforderungen gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB
genügt. Zutreffend ist außerdem der Ansatz, dass ein Mieterhöhungsverlangen
dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen ist. Dabei soll sich für den
Mieter hieraus die Möglichkeit ergeben, eine sachliche Prüfung des
Erhöhungsverlangens vorzunehmen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden und
eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Hierfür muss das
Begründungsverlangen die entsprechenden Grundlagen bieten. Nach Auffassung
des Berufungsgerichts ist diese Voraussetzung gerade nicht gegeben, wenn im
Rahmen des Mieterhöhungsverlangens lediglich das sogenannte Rasterfeld des
aktuellen Mietspiegels übersandt wird. Hieraus ergeben sich zwar die Angaben, die
auch im Mieterhöhungsverlangen genannt sind, wie Eingruppierung nach Baujahr,
Wohnlage, Ausstattung, Wohnfläche sowie einer Spanne für die ortsübliche Miete.
Dies allein genügt jedoch nicht, um dem Mieter eine konkrete Überprüfung für den
vorliegenden Einzelfall zu ermöglichen, da hierbei beispielsweise nicht ersichtlich
ist, nach welchen Kriterien die Eingruppierung der Wohnlage vorgenommen worden
ist, welche Ausstattungsmerkmale für einen Zuschlag oder Abschlag von der
10
11
12
13
ist, welche Ausstattungsmerkmale für einen Zuschlag oder Abschlag von der
normalen ortsüblichen Miete herangezogen werden können und hiermit gerade die
Eingruppierung der konkreten Wohnung nicht nachvollziehbar ist. Die
diesbezüglichen Erläuterungen befinden sich nicht in dem fraglichen Rasterfeld,
sondern in den weiteren Ausführungen des Mietspiegels, so dass als wirksame
Begründung gerade diese Aspekte heranzuziehen sind. Ohne diese weiteren
Erläuterungen ist eine konkrete Überprüfung des Mieterhöhungsverlangens für den
Mieter nicht möglich.
Nach Auffassung des Gerichts sind hierdurch auch keine erhöhten Anforderungen
über den Gesetzeswortlaut hinaus gestellt, die Nachvollziehbarkeit eines
Mieterhöhungsverlangens erfordert eine umfangreiche Prüfung durch den Mieter,
genauso, wie der Vermieter verpflichtet ist, eine ausführliche Begründung hierfür
zu liefern. Es entspricht auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass gerade
die Bezugnahme auf einen bestehenden Mietspiegel den Erfordernissen der
zutreffenden Begründung entspricht, dies kann allerdings nur dann der Fall sein,
wenn der gesamte Mietspiegel zur Überprüfung herangezogen werden kann.
Das Gericht ist auch wie in bereits vorgenannten Entscheidungen weiterhin der
Auffassung, dass es Aufgabe des Vermieters ist, diese Voraussetzungen zu
schaffen, wenn, wie im vorliegenden Fall, im Bereich der Landeshauptstadt W, der
Mietspiegel nicht in einem entsprechenden Amtsblatt veröffentlicht ist und somit
nicht für jeden frei zugänglich ist. Unter freier Zugänglichkeit versteht das Gericht
hierbei auch die kostenlose Zugänglichkeit für den jeweiligen Mieter. Soweit das
Amtsgericht darauf abgestellt hat, dass bei einem Vermieter, der einen großen
Bestand an Mietwohnungen hat, hier erhebliche Kosten entstehen würden, wenn
jeweils für den Mietspiegel, der zur Übersendung benötigt wird, der Kostenaufwand
von 3,– Euro anfallen würde, so vermag dies nicht zu überzeugen. Ein gewerblicher
Vermieter mit einem erhöhten Wohnungsbestand kann nicht anders behandelt
werden, als der private Vermieter, der ggf. nur eine Wohnung zur Vermietung hat.
Bei dem "Großvermieter" stehen der Vielzahl von Mieterhöhungsverlangen auch
entsprechend höhere Einnahmen insgesamt gegenüber, so dass sich hier keine
andere Betrachtung ergeben kann. Auch der Mietzins an sich kann nicht davon
abhängig sein, ob der Vermieter einen größeren Bestand an Mietwohnungen zur
Verfügung hat oder nicht. Hierauf kann bei der Frage der Kostentragungspflicht in
keinem Fall abgestellt werden.
Hinsichtlich der Kosten ist zudem darauf hinzuweisen, dass ein Betrag von 3,–
Euro, selbst wenn er auf Seiten des Vermieters für jedes Mieterhöhungsverlangen
anfallen sollte, sich durchaus im Rahmen hält im Verhältnis zu dem, was der
Vermieter hier erreichen möchte, nämlich eine monatliche Erhöhung des zu
zahlenden Mietzinses, die für einen längeren Zeitraum festgeschrieben ist, also
ein Vielfaches des einzusetzenden Geldbetrages ausmacht. Außerdem kann die
erhöhte Miete sodann auch die Basis für weitere Mieterhöhungsverlangen sein, so
dass ein Betrag von 3,– Euro im Verhältnis zu diesen Vorteilen des Vermieters in
keinem Fall ins Gewicht fällt. Die entsprechende Verpflichtung, sich den Mietspiegel
ggf. kostenpflichtig zu verschaffen, kann deshalb nicht dem Mieter auferlegt
werden.
Soweit das Amtsgericht darauf abgestellt hat, dass der Mietspiegel kostenfrei
beim Vermessungsamt der Landeshauptstadt W eingesehen werden könne, ist
dies ebenfalls kein zutreffendes Argument, zumindest nicht im vorliegenden Fall.
Auf eine derartige Möglichkeit hätte auf jeden Fall im Mieterhöhungsverlangen
hingewiesen werden müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass der Mieter
hierüber in keiner Weise informiert war. Es kann auch nicht als allgemein bekannt
angesehen werden, dass der Mietspiegel beim Vermessungsamt eingesehen
werden kann. Auf die Frage, ob dies tatsächlich so ist, war deshalb auch im
vorliegenden Fall nicht weiter einzugehen. Im Übrigen sind hier die Anhaltspunkte
dazu heranzuziehen, dass zum einen der Mieter die Möglichkeit haben muss, von
dieser Einsichtsmöglichkeit überhaupt Gebrauch zu machen, d.h. die Einsicht
muss zu vertretbaren Zeiten und in vertretbaren räumlichen Umfang möglich sein.
Ob eine reine Einsichtsmöglichkeit in den Mietspiegel allerdings zur Begründung
genügt, ist ebenfalls fraglich. Grundsätzlich muss der Mieter in der Lage sein, das
Mieterhöhungsverlangen eingehend zu überprüfen und entsprechende
Überlegungen anzustellen, sich ggf. hierbei auch fachlicher Hilfe bedienen können.
Die reine Einsichtsmöglichkeit in den Mietspiegel erscheint hierbei fraglich, da eine
längerfristige Überlegungsmöglichkeit nicht gegeben wäre. Dies korrespondiert
dann auch nicht mit den im Gesetz vorgeschriebenen Fristen für die Frage der
Zustimmung zum Mieterhöhungsverlangen.
14
15
16
17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 708 Ziffer
10 i.V.m. § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür
nicht erfüllt sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.