Urteil des LG Wiesbaden vom 11.05.2010

LG Wiesbaden: kreuzung, fahrspur, strafakte, beweislastumkehr, sachverständigenkosten, verkehrsunfall, wertminderung, könig, kollision, eigentümer

1
2
3
4
5
6
Gericht:
LG Wiesbaden 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 O 92/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 StVG, § 17 Abs 1 StVG, §
17 Abs 2 StVG, § 18 Abs 1
StVG
Die Verkehrsunfallflucht eines Unfallbeteiligten begründet
keine Beweislastumkehr zu Lasten des Unfallflüchtigen.
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.909,88 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
6.286,42 € seit dem 11.03.2007, aus 424,50 € seit dem 06.11.2007 und aus
198,96 € seit dem 22.04.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben beide Parteien je zur Hälfte zu tragen, die
Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Straßenverkehrsunfall zweier Pkw.
Am 02.12.2006 ereignete sich gegen 06:40 Uhr im Bereich der Kreuzung xxx-
Straße und yyy-Straße in … ein Verkehrsunfall. Unfallbeteiligt waren der Pkw
Mitsubishi Grandis (Taxi) mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter der
Kläger ist und dessen Fahrer zur Tatzeit der Zeuge A war, und der Pkw Mercedes
Benz mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter und Eigentümer der
Beklagte zu 1) ist. Zur Unfallzeit war der Beklagte zu 2) Fahrer und die Beklagte zu
3) Haftpflichtversicherung des Beklagten-Fahrzeuges.
Es kam zur Kollision der Fahrzeuge, als das Klägerfahrzeug von der
vorfahrtberechtigten yyy-Straße nach links in die xxx-Straße abbog, aus der das
Beklagtenfahrzeug kam, um rechts in die yyy-Straße abzubiegen. Während des
beiderseitigen Abbiegens kam es auf der Kreuzung zur Kollision der beiden
Fahrzeuge. Das Klägerfahrzeug wurde im linken Frontbereich beschädigt. Die
exakte Kollisionsstelle auf der Kreuzung ist streitig. Das Beklagtenfahrzeug wurde
unmittelbar nach dem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt und vom Zeugen B
verfolgt, der sich das Kennzeichen merkte. Der Zeuge A, Fahrer des klägerischen
Fahrzeugs, bewegte das Klägerfahrzeug nach dem Anstoß von der Unfallstelle fort
und stellte es am Straßenrand ab.
Die herbeigerufenen Polizeibeamten C und D nahmen den Unfall auf. Anhand der
Spuren und Gegenstände auf der Fahrbahn ermittelten sie einen Kollisionspunkt,
der deutlich auf der Fahrbahnseite des Beklagtenfahrzeugs liegt. Die
Polizeibeamten führten den Zeugen A bei der Unfallaufnahme in der
Ermittlungsakte als „ON01“.
Der Kläger fordert Schadensersatz in voller Höhe.
Das Amtsgericht Wiesbaden verurteilte den Beklagten zu 2) als Fahrer des
6
7
8
9
11
12
13
14
15
16
17
18
10
Das Amtsgericht Wiesbaden verurteilte den Beklagten zu 2) als Fahrer des
Beklagtenfahrzeugs beim streitgegenständlichen Verkehrsunfall wegen
unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit Urteil vom 26.11.2007 zu einer
Geldstrafe von 30 Tagessätzen und entzog ihm die Fahrerlaubnis (AZ …).
Der Kläger behauptet, der Kollisionspunkt der beiden Unfallbeteiligten Fahrzeuge
habe sich auf der Fahrspur des Klägerfahrzeugs befunden. Der Zeuge A sei mit
dem Klägerfahrzeug ordnungsgemäß in die xxx-Straße eingebogen, ohne die
Kurve zu schneiden. Das Beklagtenfahrzeug sei in Schlangenlinien und mit
überhöhter Geschwindigkeit auf die Kreuzung zugefahren, um diese zu
überqueren. Er vermutet, dies beruhte auf Alkohol- und Drogeneinfluss des
Beklagten zu 2), anderenfalls hätte dieser kaum den Unfallort fluchtartig
verlassen.
Der Kläger behauptet, die von den Polizeibeamten angefertigte Unfallskizze (Bl. 8
d. Strafakte Amtsgericht Wiesbaden, …) sei falsch. Sie entspreche nicht den
tatsächlichen Gegebenheiten am Unfallort, da weder der Kollisionspunkt der
Fahrzeuge, noch der Fluchtweg des Beklagtenfahrzeugs korrekt eingezeichnet sei.
Der Kläger behauptet, die herumliegenden Teile und Splitter, anhand derer die
Polizeibeamten die Unfallstelle ermittelten, seien nicht definitiv den
unfallbeteiligten Fahrzeugen zuzuordnen. Es bestehe keine Sicherheit, ob
überhaupt aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall stammende Teile auf
der Fahrbahn gelegen hätten. Zudem seien sowohl das flüchtende
Beklagtenfahrzeug als auch der Zeuge B mit ihren Fahrzeugen durch die
eigentliche Unfallstelle hindurch gefahren, so dass etwa herumliegende Teile und
Splitter auf der Fahrbahn verteilt wurden. Die am Unfallort vorgefundenen Spuren
seien nicht zur Bestimmung der Kollisionsstelle verwendbar.
Der Kläger behauptet, Eigentümer des beteiligten Pkw Mitsubishi zu sein. Er
behauptet, ihm sei ein Schaden in Höhe von insgesamt 12.866,92 € durch den
Unfall entstanden, der sich im Einzelnen wie folgt zusammensetze:
Zudem fordert der Kläger nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltsvergütung
aus obigem Gegenstandswert, in Höhe von 755,80 €.
Der Kläger forderte die Beklagtenseite mit Schreiben seiner
Prozessbevollmächtigten vom 02.03.2007 zum Ersatz der vorgenannten Schäden
mit Ausnahme der weiteren Netto-Sachverständigenkosten für die Feststellung
der Reparatur und der vorgerichtlichen Anwaltsvergütung auf, unter Fristsetzung
bis zum 10.03.2007 (Anlage K 4 zum Klageschriftsatz, Bl. 32 ff d. A.). Die beiden
weiteren Schadenspositionen hat der Kläger mit Klageerweiterungsschriftsatz vom
14.04.2008 (Bl. 104 – 108 d. A.) gefordert, dem Beklagtenvertreter am 21.04.2008
zugestellt (Empfangsbekenntnis Bl. 121 d. A.).
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 12.866,92 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.03.2007 aus
12.827,84 € und aus 39,08 € seit Rechtshängigkeit (der Klageerweiterung) zu
verurteilen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 755,80 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 424,50 €
seit dem 01.09.2007 sowie aus 311,30 € seit Rechtshängigkeit der
Klageerweiterung zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Verkehrsunfall habe sich ereignet, weil das
klägerische Fahrzeug mit Schwung in die xxx-Straße eingebogen und dabei durch
Schneiden der Kurve auf die Fahrbahn des Beklagtenfahrzeugs geraten sei. Das
Beklagtenfahrzeug sei ordnungsgemäß auf dem rechten Fahrstreifen gefahren, als
es nach rechts in die yyy-Straße habe einbiegen wollen.
Die Beklagten bestreiten, dass das Beklagtenfahrzeug in Schlangenlinien oder mit
erhöhter Geschwindigkeit gefahren wäre oder der Beklagte zu 2) unter Alkohol-
und/ oder Drogeneinfluss gestanden hätte. Sie bestreiten, dass eine Beobachtung
einer etwaigen Schlangenlinienfahrt dem Zeugen A möglich gewesen wäre, da die
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
einer etwaigen Schlangenlinienfahrt dem Zeugen A möglich gewesen wäre, da die
xxx-Straße von der yyy-Straße kommend kaum einsehbar sei. Die Beklagten
berufen sich auf die Unfallaufnahme nebst Unfallskizze der Polizeibeamten C und
D, woraus sich zutreffend ergebe, dass sich der Zusammenstoß im Bereich der
Fahrbahnschnittkante auf der Fahrspur des Beklagtenfahrzeugs ereignet habe.
Die Beklagten bestreiten, dass der Kläger zur Unfallzeit Eigentümer des
Klägerfahrzeugs gewesen sei. Ferner bestreiten sie die Höhe des geltend
gemachten Schadens. Mangels tatsächlicher Reparatur sei der Kläger nicht
berechtigt, einen 15 %-igen Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung für
Ersatzteile und Verbringungskosten zu fordern. Zudem bestreiten die Beklagten
die durch den Sachverständigen E festgestellte Wertminderung in Höhe von
1.400,00 €; sie meinen, Taxifahrzeuge würden bis zu einer hohen Laufleistung
genutzt, so dass eine Wertminderung nicht zu Buche schlage.
Die Beklagten bestreiten die Entrichtung der Sachverständigenkosten durch den
Kläger, ebenso der außergerichtlichen Rechtsanwaltsvergütung. Zudem sei dem
Kläger der geltend gemacht Verdienstausfall nicht entstanden; sie bestreiten, dass
das Klägerfahrzeug als Taxi in Doppelschicht tätig war, was ihres Erachtens an der
geringen Laufleistung zu erkennen sei. Schließlich seien für die Reparatur laut
Sachverständigengutachten E nur 6 – 7 Tage veranschlagt.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 06.06.2008 (Bl. 130
ff d. A.) und vom 11.08.2009 (Bl. 256 ff d. A.) durch Vernehmung der Zeugen A, B,
C und D, sowie durch Einholung eines schriftlichen Unfallrekonstruktions-
Sachverständigengutachtens des Sachverständigen F, DEKRA Mainz (Bl. 283 – 301
d. A.). Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften
vom 04.11.2008 (Bl. 154 – 158 d. A.) und vom 14.07.2009 (Bl. 210 – 220 b d. A.).
verwiesen. Das Gericht hat die oben zitierte Strafakte des Amtsgerichts
Wiesbaden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst
Beweiserbieten der Parteien verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 17
Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 StVG, § 3 Pflichtversicherungsgesetz a. F. Schadensersatz
in tenorierter Höhe verlangen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Im Einzelnen:
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Angesichts des mit Klägerschriftsatz vom
14.04.2008 vorgelegten Fahrzeugbriefes (Bl. 109 d. A.) und des Kaufvertrages vom
18.04.2006 (Bl. 110 d. A.) ist hinreichend belegt, dass der Kläger Eigentümer des
Klägerfahrzeugs Mitsubishi zum Unfallzeitpunkt war.
Die Beklagtenseite hat dem Grunde nach für den streitgegenständlichen Schaden
am Klägerfahrzeug einzutreten, da der Schaden beim Betrieb des
Beklagtenfahrzeugs des Beklagten zu 1) entstand, das vom Beklagten zu 2)
gesteuert wurde und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war. Angesichts
der Einlassungen im Strafverfahren gegen den Beklagten zu 2) besteht kein
vernünftiger Zweifel, dass dieser zur Unfallzeit der Fahrer war.
Dem Kläger steht Schadensersatz jedoch nicht in voller Höhe zu. Vielmehr ist der
Rechtsstreit ist unter Zugrundelegung einer hälftigen
Schadensverursachungsquote im Sinne des § 17 Abs. 1 und 2 StVG zu beurteilen.
Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis der Tatsachen, aufgrund derer der
Unfall für das Klägerfahrzeug unabwendbar gewesen wäre, nicht geführt:
Der Kläger ist hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs beweispflichtig. Ihm
stehen keine Erleichterungen, etwa durch einen Beweis des ersten Anscheins oder
eine Beweislastumkehr zur Seite. Es handelt sich weder um einen klassischen Fall
einer Vorfahrtspflichtverletzung, noch um einen klassischen Linksabbiegerunfall
wie z.B. bei einer Kollision mit dem geradeaus fahrenden Gegenverkehr (vgl.
Hentschel/ König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVO, Rd.-Nr. 55 m. N.),
noch um eine sonstige Situation, bei der sich aus allgemeinen Erfahrungssätzen
ableiten ließe, dass eine Partei vorläufigen Beweis erbracht hätte, der ggf. von der
Gegenseite durch Gegenbeweis zu erschüttern wäre.
29
30
31
32
33
Der Fahrer des Klägerfahrzeugs wollte von der Vorfahrtstraße kommend links
abbiegen, während der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs in die Vorfahrtstraße nach
rechts abbiegen wollte. Hätten beide Fahrzeuge ihre Fahrspur ordnungsgemäß
eingehalten, wäre es zu einer Kollision der Fahrzeuge nicht gekommen.
Auch angesichts der unstreitigen Verkehrsunfallflucht des Beklagten unmittelbar
nach dem Schadensereignis ist vorliegend eine Beweislastumkehr zugunsten des
Klägers nicht gegeben: Weder kann grundsätzlich noch im hiesigen Fall eine
generelle Beweislastumkehr zu Lasten des Unfallflüchtigen angenommen werden.
Eine Beweislastumkehr setzt eine durch Rechtsfortbildung geschaffene Norm
voraus. Sie ist dem Gesetzgeber und der richterlichen Rechtsfortbildung
vorbehalten (vgl. Zöller/ Greger ZPO, 25. Aufl., vor § 284, Rd.-Nr. 22, 27). In den
klägerseits zitierten Entscheidungen, in denen nach Unfallflucht eine
Beweislastumkehr ausnahmsweise angenommen wurde, handelt es sich um Fälle,
in denen es um einen streitigen Altschaden ging und um solche, bei denen am
Unfallort keine Spuren gesichert werden konnten. Beides ist hier nicht der Fall.
Streitig ist der Unfallhergang und insbesondere die Kollisionsstelle auf der
streitgegenständlichen Kreuzung. Den Zeugen C und D war es möglich, am
Unfallort Spuren aufzufinden, wodurch sie die nach ihrer Ansicht gegebene
Kollisionsstelle ermittelten. Der Kläger bestreitet, dass die Spuren zutreffend
aufgefunden und zuordnungsfähig waren. Allerdings resultieren die Probleme der
Sicherung hinreichender Unfallspuren nicht ausschließlich aus der
Verkehrsunfallflucht des Beklagten zu 2). Auch der Zeuge A, der das
Klägerfahrzeug steuerte, veränderte die unfallbedingte Endstellung des
Klägerfahrzeugs, als er nach dem Unfall trotz geringen Verkehrs in den frühen
Morgenstunden an den Straßenrand fuhr (vgl. polizeiliche Verkehrsunfallskizze Bl.
8 der Strafakte des Amtsgerichts Wiesbaden). Beide Fahrer hatten angesichts der
erheblichen Unfallfolgen das benutzte Fahrzeug in Unfallstellung zu belassen und
zu sichern (vgl. Hentschel/ König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 142 StGB, Rd.-
Nr. 35).
Demnach ergeben sich keine Besonderheiten der Beweislast. Da der Kläger
vollständigen Schadensersatz begehrt, hätte er eine Unabwendbarkeit des
Schadensereignisses gemäß § 17 Abs. 3 StVG zu beweisen. Dieser Beweis ist dem
Kläger nicht gelungen: Für das Klägerfahrzeug unabwendbar wäre das
Schadensereignis, wenn es durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet
werden konnte. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über
den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (vgl. Hentschel/König § 17
StVG, Rd.-Nr. 22, m. w. N.). Den Nachweis der Einhaltung äußerster möglicher
Sorgfalt konnte der Kläger nicht führen. Es konnte nicht mit der für eine
Verurteilung hinreichenden Sicherheit festgestellt werden, dass der Zeuge A beim
Abbiegen in die xxx-Straße ordnungsgemäß die rechte Fahrspur einhielt und ein
Fehlverhalten des Beklagten zu 2) unfallursächlich war:
Der Zeuge A sagte in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom
14.07.2007 zwar aus, die Kollisionsstelle habe sich auf dem Lichtbild auf Blatt 12
unten der Strafakte von dem roten Unfallpfeil rechts ereignet und nicht an der von
den Polizeibeamten ermittelten Unfallstelle in der Fahrspur des
Beklagtenfahrzeugs (vgl. Bl. 8, 12 der Strafakte). Jedoch wird der Aussage des
Zeugen A keine hohe Bedeutung beigemessen, da sie nicht ganz mit der Aussage
vor dem Strafgericht in Einklang steht und der Zeuge als Angestellter des Klägers
Eigeninteressen verfolgen könnte. Während seiner Vernehmung am 14.07.2009
sagte der Zeuge aus, als er abgebogen sei, habe sich aus der xxx-Straße das
Beklagtenfahrzeug sehr schnell genähert. Das Beklagtenfahrzeug sei ihm in die
linke Seite seines Fahrzeugs hinein gefahren und schnell verschwunden (Seiten 2 f.
des Sitzungsprotokolls vom 14.07.2009, Bl. 223 ff d. A.). Hingegen hatte dieser
Zeuge in seiner strafgerichtlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung gegen
den Beklagten zu 2) am 26.11.2007 noch ausgesagt, das Beklagtenfahrzeug sei
„auf der falschen Fahrseite“ gefahren (Bl. 85 d. Strafakte).
Auch durch die Aussage des Zeugen B konnte der Kläger seine Behauptungen
zum unabwendbaren Unfallhergang und insbesondere zur Kollisionsstelle auf
eigener Fahrspur nicht beweisen. Der Zeuge B, von Beruf ebenso Taxifahrer, sagte
in der Vernehmung des Gerichts vom 04.11.2008 aus, hinter dem Klägerfahrzeug
gefahren zu sein und gesehen zu haben, dass das Beklagtenfahrzeug vor dem
Unfall Schlangenlinien fuhr. Der Zeuge A habe versucht, den Unfall zu vermeiden,
es sei ihm aber nicht gelungen. Das Beklagtenfahrzeug sei irgendwie zwischen der
Ampelsäule durchgefahren und habe auf die Ampel nicht geachtet. Auf Befragen
34
35
36
37
38
Ampelsäule durchgefahren und habe auf die Ampel nicht geachtet. Auf Befragen
des Beklagtenvertreters musste der Zeuge B sodann einräumen, dass sich die
Ampel nicht an der streitgegenständlichen Kreuzung befindet, sondern tatsächlich
an der nächsten Kreuzung (Seite 3 des Sitzungsprotokolls vom 04.11.2008, Bl.
156 d. A.).
Zudem erhöht es die Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen B nicht, dass
dieser vor dem Strafgericht in der Hauptverhandlung noch aussagte, das
Beklagtenfahrzeug sei vor ihm in Schlangenlinien gefahren (Seite 3 des
Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts Wiesbaden vom 26.11.2007, Bl. 85 unten der
Strafakte), er sei also hinter dem Beklagtenfahrzeug in der xxx-Straße gefahren,
während er bei der Beweisaufnahme vor diesem Gericht aussagte, hinter dem
Klägerfahrzeug in der yyy-Straße gefahren zu sein (Bl. 156 Mitte d. A.). Hieraus
lässt sich eine hinreichende Überzeugung des Gerichts von den Behauptungen
des Klägers zum Unfallhergang nicht herleiten.
Der Kläger konnte auch durch Einholung des gerichtlichen
Sachverständigengutachtens Dipl.-Ing. F vom 11.12.2009 (Bl. 283 – 301 d. A.)
nicht beweisen, dass die Anstoßstelle auf seiner Fahrspur lag. Der
Sachverständige F konnte den Kollisionspunkt nicht verlässlich rekonstruieren, es
fehlten Anknüpfungspunkte zur Begutachtung (vgl. insbesondere S. 12 ff des
Sachverständigengutachtens vom 11.12.2009, Bl. 294 ff d. A.). Es ist nicht belegt,
dass das Unfallereignis für das Klägerfahrzeug unabwendbar war. Es bleibt
möglich, dass das Klägerfahrzeug seine Fahrspur nicht (ganz) einhielt und die
Kurve schnitt.
Hinzu kommt, dass die Zeugen und Polizeibeamten C und D am Unfallort die auf
Bl. 8 der Strafakte eingezeichnete Unfallstelle auf der Fahrspur des
Beklagtenfahrzeugs ermittelten. Der Zeuge C sagte in seiner Vernehmung durch
dieses Gericht am 04.11.2008 glaubhaft aus, die Unfallstelle nach der gegebenen
Spurenlage ermittelt und nach Fahrzeugteilen oder Glas gesucht zu haben, die
aus Sicht des Taxifahrers viel zu weit links gelegen haben (Seite 2 des
Sitzungsprotokolls vom 04.11.2008, Bl. 155 d. A.). Der Zeuge D sagte in seiner
Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2009 aus, dass der
Zeuge C die Verkehrsunfallskizze anhand von Glasteilen oder sonstigen
aufgefundenen Gegenständen gefertigt habe, und dass es eine Spur gab, die auf
die polizeilich ermittelte Anstoßstelle schließen ließ (Seite 6 des Sitzungsprotokolls
vom 14.07.2009, Bl. 227 d. A.). Es ist nicht erkennbar, dass die Ermittlung der
Polizeibeamten durch mangelnde Sachkenntnis oder durch ein Weiterbewegen der
Splitter- und sonstigen Spuren nach dem Unfall durch darüberfahrende Fahrzeuge
beeinflusst worden wäre. Die Polizeibeamten hatten bei der Unfallaufnahme
Kenntnis von der Flucht des Beklagtenfahrzeugs und der Nacheile durch den
Zeugen B, so dass sie diese Umstände einbeziehen konnten. Im Ergebnis ist die
Ermittlung des Kollisionspunktes durch die Polizeibeamten jedenfalls nicht derart
fraglich, dass das Gericht von der klägerseits geschilderten Kollisionsstelle
hinreichend überzeugt wäre.
Ebenso wenig konnte der Kläger in der umfangreichen Beweisaufnahme belegen,
dass das Beklagtenfahrzeug an der Unfallverursachung ein höherer Anteil trifft als
das eigene Fahrzeug. Richtig ist, dass sich der Beklagte zu 2) nach dem
Unfallereignis in strafbarer Weise vom Unfallort entfernte. Es ist nicht undenkbar,
dass sich Kraftfahrzeugführer auch ohne Konsum von Rauschmitteln – zum
Beispiel aus sonstigen Ängsten oder Verwirrung – unerlaubt vom Unfallort
entfernen. Das strafbare Verhalten des Beklagten zu 2) dem Verkehrsunfall
beweist nicht die vom Kläger behaupteten Umstände bei der des
Unfalls, die auf einen erhöhten Verursachungsanteil schließen ließen. Nach der
vorgenannten Würdigung der Aussagen der Zeugen A und B erachtet es das
Gericht auch nicht als bewiesen, dass das Beklagtenfahrzeug in Schlangenlinien
auf die Kreuzung zufuhr. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass den
Zeugen A und B durch die rechts der xxx-Straße verlaufende 1,50 m hohe Hecke
und den auf dem rechten Fahrstreifen kurz vor der Kreuzung geparkten Klein-Lkw
mit 2,5 m Höhe (Unfallskizze Bl. 8 d. Strafakte) die Sicht auf das
Beklagtenfahrzeug nicht vollständig frei gewesen sein dürfte. Im Ergebnis bleibt
der genaue Unfallhergang und insbesondere die Kollisionsstelle trotz ausgiebiger
Beweisaufnahme ungeklärt.
Diese Ungeklärtheit gilt allerdings auch für die Beklagtenseite, für die ebenso
wenig die Unabwendbarkeit des Verkehrsunfallereignisses im Sinne des § 17 Abs.
3 StVG belegt ist. Soweit sich die Beklagten auf die polizeilichen
39
40
41
42
43
44
45
46
3 StVG belegt ist. Soweit sich die Beklagten auf die polizeilichen
Spurenfeststellungen berufen, ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge C auch nicht
mit absoluter Sicherheit sagen konnte, dass Glassplitter auf der linken Seite des
Klägerfahrzeugs lagen (S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 04.11.2008, Bl. 155 d. A.).
Der Beklagte zu 2) hatte erhebliche Sorgfaltspflichten anzuwenden, da er auf die
vorfahrtberechtigte yyy-Straße einbog, vgl. § 8 StVO. Unabwendbarkeit ist
beiderseits nicht bewiesen.
Mangels Feststellungsfähigkeit des Kollisionspunktes ist nicht feststellbar, welches
der unfallbeteiligten Fahrzeuge – gegebenenfalls zu welchem Anteil – den Unfall
verschuldete. Nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zählen.
Bleibt der Unfallhergang ungeklärt, so ist die von beiden Parteien jeweils
zugestandene Fahrweise zugrunde zu legen (Hentschel/ König, § 17 StVG, Rd.-Nr.
31 m. w. N.). Die Beweisaufnahme konnte wie oben begründet den Unfallhergang
nicht klären. Fahrfehler sind nicht zugestanden. Es bleibt unklar, ob das
Klägerfahrzeug die Kurve schnitt oder das Beklagtenfahrzeug das abbiegende
Klägerfahrzeug aus eigenem Fahrfehler rammte.
Lässt sich zum Verschulden nichts feststellen, darf jedem Halter nur seine
Betriebsgefahr zugerechnet werden (Hentschel/ König, a.a.O.). Beim
Begegnungszusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge gleichen Typs und annähernder
gleicher Geschwindigkeit ist die Betriebsgefahr gleich groß (Hentschel/ König, § 17
StVG, Rd.-Nr. 10 m. N.). Da vorliegend beide Fahrzeuge in etwa vergleichbar waren
und angesichts der jeweils anstehenden Abbiegemanöver die Geschwindigkeit
annähernd gleich groß gewesen sein dürfte, war die Betriebsgefahr beider
Fahrzeuge gleich groß. Deshalb ist unter Abwägung aller Umstände gemäß § 17
Abs. 1 davon auszugehen, dass die Verursachungsanteile beider Pkw gleich hoch
waren. Demnach ist der Kläger berechtigt, die Hälfte seines Schadens
einzufordern.
Die Anspruchshöhe ergibt sich wie folgt:
Die Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten E sind zutreffend fiktiv
abgerechnet. Angesichts der tatsächlichen Reparatur sind auch die
Kostenaufschläge noch angemessen. Zu addieren sind die Kosten des
Sachverständigen E, der Wertminderung, ein 9-tätiger Verdienstausfallschaden
und die elftätigen Funkgebühr.
Es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend eine Wertminderung nicht
anrechnungsfähig wäre, weil das Klägerfahrzeug als Taxi diente. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass das Klägerfahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst gut 7 Monate
alt war. Soweit die Beklagten einen doppelschichtigen Einsatz des Klägerfahrzeugs
bestritten und dies am Indiz einer relativ geringen Kilometerleistung festmachten,
hat der Kläger glaubhaft dargelegt, dass das Klägerfahrzeug zunächst als
Privatfahrzeug diente und erst ab September 2007 voll im Tag- und
Nachschichtbetrieb als Taxi eingesetzt wurde (S. 4 d. Klägerschriftsatzes vom
14.04.2008, Bl. 107 d. A.). Auch die Anrechnung eines Ausfalls von 9 Tagen
erscheint noch berücksichtigungsfähig. Zwar ermittelte der Sachverständige E
eine fiktive Reparaturdauer von 6 – 7 Arbeitstagen. Jedoch dürfte eine solche
Reparatur stets über ein Wochenende gehen, an dem ein Taxi gleichermaßen
einsetzbar ist wie an Werktagen. Weitere 2 Tage Wartezeit bis zur
Gutachtenvorlage sind jedoch nicht berücksichtigungsfähig; dies wäre denkbar bei
rein fiktiver Schadensabrechnung, vorliegend wurde das Klägerfahrzeug aber in
unbekannter Zeit repariert. Zu addieren ist die Rechnung des Sachverständigen E
vom 30.03.2007 für dessen Tätigkeit der Feststellung, dass das Klägerfahrzeug
inzwischen instand gesetzt wurde (Bl. 112 ff d. A.) in Höhe von 39,08 €. Angesichts
des Bestreitens der tatsächlichen Reparatur durch die Beklagten ergibt sich die
Ersatzfähigkeit auch dieser Sachverständigenkosten.
Zusammen mit den fiktiven Reparaturkosten in Höhe von 8.869,84 €, den
ursprünglichen Sachverständigenkosten E in Höhe von 883,00 €, der
Wertminderung in Höhe von 1.400,00 €, dem 9-tägigen Verdienstausfall in Höhe
von 1.260,00 €, der elftätigen Funkgebühr in Höhe von 110,00 € und den weiteren
Sachverständigenkosten E i.H.v. 39,08 € ergibt sich ein Schaden in Höhe von
12.561,92 €. Hiervon kann der Kläger die Hälfte verlangen, d. h. 6.280,96 €.
Zu addieren ist die volle geforderte Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €. Hieraus
ergibt sich die Schadensersatz-Hauptforderung in Höhe von 6.305,96 €.
Angesichts des Vorgenannten ist der Kläger auch berechtigt, aus dem
46
47
48
49
50
Angesichts des Vorgenannten ist der Kläger auch berechtigt, aus dem
vorgenannten Wert die nicht anrechenbare Rechtsanwaltsvergütung der
Klägerbevollmächtigten zu verlangen. Eine 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Wert
ergibt eine Vergütung in Höhe von 487,50 €. Zu addieren ist eine Postpauschale in
Höhe von 20,00 € und die Mehrwertsteuer in Höhe von 96,42 €. Daraus ergibt sich
eine berechtigte Schadensersatz-Nebenforderung in Höhe von 603,92 €.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB. Zu den
Zinsbeginnen ist zu berücksichtigen, dass die meisten Schadenspositionen unter
erfolgloser Zahlungsfristsetzung bis zum 10.03.2007 anwaltlich eingefordert
wurden (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 02.03.2007, Anlage K 4, Bl. 32 ff
d. A.). Hingegen forderte der Kläger auf die nicht anrechenbare
Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 424,50 € Zinsen ab 01.09.2007 und die
weiteren Sachverständigenkosten E und weitere vorgerichtliche
Rechtsanwaltsvergütung mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 14.04.2008, den
Beklagten zugestellt am 21.04.2008 (Empfangsbekenntnis Bl. 121 d.A.). Die
ursprüngliche Klage wurde den letzten Beklagten am 07.11.2008 zugestellt
(Empfangsbekenntnis Bl. 81 a d.A.). Hieraus resultieren die tenorierten
Zinsbeginne 11.03.2007 (Großteil der Forderungen, insgesamt 6.286,42 €),
08.11.2008 (Rechtsanwaltsvergütung i.H.v. 424,50 €) und 22.04.2008 (hälftige
weitere Sachverständigenkosten E i.H.v. 19,54 € und weitere Rechtsanwaltskosten
i.H.v. 179,42 €).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO. Im
Verhältnis des hälftigen Obsiegens und Unterliegens waren auch die Kosten
aufzuteilen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709, S. 1
und 2 ZPO.
Der Streitwert wird gemäß §§ 3 ff ZPO auf 12.866,92 € festgesetzt, den Wert der
Hauptforderung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.