Urteil des LG Wiesbaden vom 15.10.2010

LG Wiesbaden: gesetzlicher erbe, arrestgrund, nachlass, lebensversicherung, korrespondenz, erblasser, immobilie, darlehensvertrag, glaubhaftmachung, arrestbefehl

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
LG Wiesbaden 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 O 153/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 727 ZPO, § 792 ZPO
Veräußerung von Grundbesitz als Arrestgrund
Orientierungssatz
Die Umwand von Sachwerten in Geldforderungen (hier: Veräußerung von Grundbesitz)
kann einen tragenden Arrestgrund darstellen.
Tenor
Über den Arrestbefehl des Landgerichts Wiesbaden vom 16.07.2010 hinaus wird
wegen und in Höhe eines behaupteten Anspruchs des Arrestklägers zu 1) in Höhe
von 26.666,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 gegen die Arrestbeklagte sowie wegen eines
behaupteten Anspruchs des Arrestklägers zu 2) in Höhe von 26.666,67 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
09.02.2010 gegen die Arrestbeklagte sowie einer Kostenpauschale in Höhe von
10.000,- € der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Arrestbeklagten
angeordnet.
Durch Hinterlegung von weiteren 55.000,- € wird die Vollziehung des Arrestes
gehemmt und die Arrestbeklagte berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen
Arrestes zu beantragen.
Die Arrestbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie der Behauptungen der
Arrestkläger bezüglich der bei Erlass des Arrestbefehls berücksichtigten
Arrestgründe wird auf das Teilurteil vom 29.09.2010 Bezug genommen.
Darüber hinaus behaupten die Arrestkläger, dass die Arrestbeklagte den
Arrestklägern ein neues, nachgebessertes, aber immer noch unvollständiges
Nachlassverzeichnis vom 13.09.2010 vorgelegt habe.
Darin befänden sich eine Reihe neu erwähnter Nachlassgegenstände, die in dem
im Hauptsacheverfahren vorgelegten Nachlassverzeichnis vom 18.06.2010
fehlten.
Da die Arrestbeklagte das am 18.06.2010 vorgelegte Nachlassverzeichnis als
„endgültiges Nachlassverzeichnis“ deklarierte, stehe fest, dass die Arrestbeklagte
versuchte, die Arrestkläger über den wahren Nachlassbestand zu täuschen.
Außerdem verschleiere die Arrestbeklagte das Vermögen des Erblassers.
Die Erlöse aus den Immobilienverkäufen seien auf das Konto mit der Nr. … bei der
…bank gezahlt worden.
Die Arrestbeklagte trage allerdings vor, der aktuelle Kontostand belaufe sich auf
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Die Arrestbeklagte trage allerdings vor, der aktuelle Kontostand belaufe sich auf
115.000 € und dieser Betrag stehe ihr zur Verfügung.
Damit liege der Kontostand um 86.954,24 € unter der Gesamtsumme der Erlöse
aus den Immobilienverkäufen.
Die hier erfolgte Umwandlung von Immobilienvermögen in unkörperliches
Vermögen begründe einen Arrestgrund.
Nach Vorlage des Nachlassverzeichnisses vom 13.09.2010 behaupten die
Arrestkläger, dass sich der Wert des Nachlasses um 94.677,- € erhöht habe,
sodass sich ein Saldo von 275.209,90 € ergebe.
Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Arrestbeklagte zu Unrecht
Nachlassverbindlichkeiten – Vorfälligkeitsentschädigungen, Löschungsanträge,
Darlehensverpflichtung gegenüber F, Gutachterkosten, Kosten für
Erbscheinsanträge, Rechtsanwaltskosten für das Arrestverfahren – im
Bestandsverzeichnis angebe.
Darüber hinaus behaupten die Arrestkläger, dass es sich bei dem Konto in B um
ein Konto des Erblassers und der Arrestbeklagten handele. Demzufolge fehle es
nach wie vor im Nachlassverzeichnis. Zusätzlich würden Angaben zum Wert der
Lebensversicherung für Frau G fehlen.
Hinsichtlich der Auszahlung der Lebensversicherung behaupten die Arrestkläger,
dass ein Betrag von ca. 51.000 € für die Rückführung eines Darlehens für das Haus
in A verwendet worden sei. Die Differenz zu 100.000 € müsse sich demzufolge
noch auf dem Konto der …bank, auf das die Auszahlung der Lebensversicherung
erfolgt sei, befinden.
Unter Berücksichtigung der, nach Ansicht der Arrestkläger nicht abzugsfähigen
und nicht aufgeführten Posten, ergebe sich nach ein durch Arrest zu sichernder
Pflichtteilsanspruch in Höhe von € 60.000,- je Arrestkläger.
Mit Teilurteil vom 29.09.2010 hat das Landgericht Wiesbaden den Arrestbefehl
vom 16.07.2010 gemäß Antrag vom 09.07.2010 mit dem Inhalt, dass wegen und
in Höhe eines behaupteten Anspruchs des Antragsstellers zu 1) in Höhe von
33.333,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 09.02.2010 gegen die Antragsgegnerin sowie wegen eines behaupteten
Anspruchs des Antragsstellers zu 2) in Höhe von 33.333,33 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 gegen
die Antragsgegnerin sowie wegen einer Kostenpauschale in Höhe von 10.000,- €,
der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin angeordnet
wird, bestätigt.
Die Arrestkläger haben ihren ursprünglichen Antrag vom 09.07.2010 in der
mündlichen Verhandlung vom 23.09.2010 erweitert und beantragen nunmehr,
wegen einer Differenzpflichtteilsforderung des Arrestklägers zu 1) in Höhe von
26.666,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 09.02.2010 gegen die Arrestbeklagte sowie wegen einer
Differenzpflichtteilsforderung des Arrestklägers zu 2) in Höhe von 26.666,67 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
09.02.2010 gegen die Arrestbeklagte, den dinglichen Arrest in das gesamte
Vermögen der Arrestbeklagten anzuordnen.
Die Arrestbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Arrestbeklagte behauptet erneut, dass die Verkäufe der Immobilien notwendig
gewesen seien, um den Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen gegenüber
der …bank nachzukommen.
Aufgrund einer erstrangigen Sicherung der …bank im Vorfeld habe die
Arrestbeklagte keinerlei eigene Verfügungsbefugnisse über die geflossenen
Verkaufserlöse gehabt, sodass diese jeweils auf ein Konto der …bank geflossen
seien.
Nach Erlösverteilung der Immobilienverkäufe im Rahmen der
Darlehensrückführung sei nun ein Betrag in Höhe von 115.000,- € für die
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
Darlehensrückführung sei nun ein Betrag in Höhe von 115.000,- € für die
Arrestbeklagte frei verfügbar.
Hinsichtlich der fehlenden außergerichtlichen Reaktion in Form der
Auskunftserteilung behauptet die Arrestbeklagte, dass sie sich an die
Korrespondenz mit der Mutter der Klägerin nicht mehr erinnert habe, da sie das
Schreiben an den ursprünglich beauftragten Notar E übermittelt habe. In der Zeit
zwischen dem ersten anwaltlichen Schreiben der Arrestkläger im Februar 2010 bis
zur Klageerhebung sei es ein Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der
Arrestbeklagten gewesen, dass dort keine Kurznachricht an die
Arrestklägervertreter geschickt worden sei.
Darüber hinaus sei bei der ersten Auskunft auch nichts verschwiegen worden,
sondern die Angabe des Kontos des Erblassers auf B sei vergessen und mit der
ergänzten Auskunft nachgeholt worden. Was die Erstattung der
Einkommenssteuer 2008 anbelangt, so habe die Arrestbeklagte den Bescheid erst
auf Nachfrage beim Finanzamt als Kopie übermittelt bekommen; der
Originalbescheid sei ihr im November 2009 nicht zugegangen. Insoweit habe kein
vorsätzliches Verschweigen einer Einkommenssteuerposition vorgelegen. Die
Lebensversicherung der … sei der Bank abgetreten worden, daher sei sie im
ersten Auskunftsverzeichnis nicht aufgetaucht.
Bezüglich der Versicherungsleistungen an die zweite Ehefrau des Erblassers, Frau
G, habe der Kollege … nunmehr mitgeteilt, dass eine Versicherung eine
Unfallversicherung des Erblassers gewesen sei und dass bei der zweiten
Versicherung wohl der Arbeitgeber des Erblassers der Versicherungsnehmer
gewesen sei und der Erblasser die versicherte Person gewesen sei. Beide
Versicherungen seien deshalb nicht zum Nachlass zu rechnen.
Letztlich behauptet die Arrestbeklagte, dass die Berechnung des vorläufigen
Nachlasswertes durch die Arrestkläger unzutreffend sei. Die
Vorfälligkeitsentschädigungen seien mit einzurechnen. Anhand des jetzt von der
Arrestbeklagten vorgelegten Nachlassverzeichnisses ergebe sich ein
Gesamtnachlasswert von 278.990,48 €. Daraus errechne sich ein
Pflichtteilsanspruch der Arrestkläger in Höhe von 46.498,- €.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat das Hauptsacheverfahren, Az. 2 0 80/10, zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 2303 I BGB steht den Arrestklägern unstreitig ein Pflichtteilsanspruch zu.
Wie bereits mit Teilurteil vom 29.09.2010 entschieden, haben die Arrestkläger den
von ihnen behaupteten Anspruch in Höhe von 33.333,33 € je Arrestkläger nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
09.02.2010 glaubhaft gemacht.
Die Glaubhaftmachung erfolgte durch Vorlage des Erbvertrages vom …,
Urkunden-Rolle Nr. … des Notars …, des Eröffnungsprotokolls des
Nachlassgerichts … vom 15.07.2009, der Klageschrift der Arrestkläger vom
01.04.2010 zum Aktenzeichen 2 O 80/10, des Schriftsatzes der
Prozessbevollmächtigten der Arrestbeklagten im Hauptsacheverfahren vom
18.06.2010 nebst der dort als Anlage beigefügten Nachlassaufstellung der
Arrestbeklagten.
Den Arrestklägern steht darüber hinaus auch ein erweiterter Pflichtteilsanspruch in
Höhe eines Differenzbetrages von 26.666,67 € je Arrestkläger nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 zu.
Die Glaubhaftmachung der Antragserweiterung erfolgte durch den Schriftsatz der
Arrestklägerin vom 21.09.2010 nebst der dort beigefügten Anlagen, insbesondere
der Anlage zum Darlehensvertrag vom 06.08.2000 und der Anlage zur Rechnung
der Gutachter … vom 22.10.2009.
Die Arrestbeklagte hat bei der Aufstellung des Nachlassverzeichnisses
Vermögenspositionen des Erblassers unberücksichtigt gelassen.
35
36
37
38
39
40
41
42
43
Die Arrestbeklagte ist gemäß § 2314 BGB verpflichtet, den Arrestklägern über den
Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Diese Auskunft umfasst die
vollständige Auflistung aller hierzu gehörenden Nachlassgegenstände,
Nachlassrechte und -verbindlichkeiten, also der Aktiva und Passiva. Zu dem
ansatzfähigen Aktivvermögen (Aktiva) gehören grundsätzlich alle dem Erblasser
gehörenden vererblichen Vermögensgegenstände (Münchner Kommentar - Lange
§ 2311 BGB Rn. 4).
Dazu zählt insbesondere auch das Bankguthaben des Erblassers (Groll/Rösler,
Abschn. C VI Rn. 27). Das Konto in B wurde von der Arrestbeklagten zu Unrecht
nicht als Aktiva in das Nachlassverzeichnis aufgenommen. Inhaber des Kontos ist
nämlich ausweislich des Kontoauszuges vom 20.08.2010 (Bl. 423 d. A.) Herr …,
mithin der Erblasser.
Hinsichtlich der Versicherungsleistungen an die zweite Ehefrau des Erblassers,
Frau G, hat die Arrestbeklagte ausgeführt, dass es sich dabei um eine
Unfallversicherung und um eine Arbeitnehmerversicherung handele. Sie hat dies
allerdings nicht glaubhaft gemacht. Demgegenüber stehen die Angaben aus dem
nachgebesserten Nachlassverzeichnis vom 13.09.2010, wonach zwei
Lebensversicherungen aufgeführt sind. Soweit die Versicherungsprämie vom
Arbeitgeber der versicherten Person eingezahlt worden sein sollte, wie die
Arrestbeklagte nunmehr behauptet, handelt es sich um einen Gehaltsbestandteil
der versicherten Person, der der bezugsberechtigten Person im Todesfall
wertmäßig zugewendet wird.
Soweit die die Arrestbeklagte verschiedene Verbindlichkeiten in das
Nachlassverzeichnis aufgenommen, schmälern diese den Nachlass jedoch nicht.
Zu den ansatzfähigen Verbindlichkeiten (Passiva) gehören grundsätzlich
diejenigen Verbindlichkeiten, die der Pflichtteilberechtigte auch in seiner
Eigenschaft als gesetzlicher Erbe hätte tragen müssen. Abzuziehen sind demnach
Erblasserschulden gemäß § 1967 I BGB, Erbfallschulden § 1967 II BGB,
Nachlasskosten- und Erbschaftsverwaltungsschulden, deren Rechtsgrund und
Notwendigkeit – aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten – auf den Erbfall
zurückzuführen sind (Staudinger-Haas, § 2311 BGB Rn. 26; Münchner Kommentar-
Lange § 2311 BGB Rn. 10; J. Mayer, Pflichtteilsrecht § 5 Rn. 27).
Das von der Arrestbeklagten als Erblasserschuld aufgeführte Darlehen von F
(Position 20 des Nachlassverzeichnisses) ist keine Erblasserschuld und vom
Nachlass nicht abzugsfähig. Der Darlehensvertrag vom 06.09.2000 lief bereits am
31.12.2004 aus, sodass der Fälligkeitszeitpunkt längst erfolgte. Es ist demnach
von einer Rückzahlung auszugehen. Wenn die Rückzahlung noch nicht erfolgt sein
sollte, ist die Verbindlichkeit gegenüber F bereits gemäß § 195 BGB verjährt und
auch daher nicht abzugsfähig (J. Mayer, Pflichtteilsrecht § 5 Rn. 31). Dies haben die
Arrestkläger durch Vorlage der Anlage zum Darlehensvertrag glaubhaft gemacht,
§§ 916, 920 II ZPO. Die Arrestbeklagte hat weder Gegenteiliges behauptet, noch
glaubhaft gemacht.
Auch die von der Arrestbeklagten im Nachlassverzeichnis unter Position 30 als
Erbfallschuld aufgeführten Gutachterkosten für die Immobilie … in … sind nicht
abzugsfähig. Diese sind nicht angefallen, weil sie zur Feststellung des Bestandes
und Wertes des Nachlasses erforderlich waren (Münchner Kommentar-Lange §
2311 BGB Rn. 13), sondern aufgrund der anschließenden Veräußerung der
Immobilie durch die Arrestbeklagte. Diese Veräußerung beruhte jedoch auf einem
eigenen Entschluss der Arrestbeklagten und ist daher eine Eigenschuld der
Arrestbeklagten, mithin der Erbin, die keine Nachlassverbindlichkeit darstellt.
Ebenso verhält es sich mit den unter Positionen 35 und 36 aufgeführten
Rechtsanwaltskosten für das Arrestverfahren als Erbfallschuld. Auch diese sind
nicht notwendig für die Feststellung des Bestandes und Wertes des Nachlasses
gewesen. Sie sind erst dadurch entstanden, dass die Arrestbeklagte
außergerichtlich keine Korrespondenz mit den Arrestklägern über den Nachlass
geführt hat und es schließlich durch ihr weiteres Verhalten zu Gründen kam, die
den Erlass des Arrestbefehls vom 16.07.2010 (vgl. den Arrestbefehl vom
16.07.2010 und das Teilurteil vom 29.09.2010) rechtfertigten.
Auch die Kosten für die Erbscheinsanträge, aufgeführt unter den Positionen 28 und
31, sind nicht als Erbfallschulden abzugsfähig. Sie dienen in erster Linie der
Legitimation des Erben, nicht der Verwaltung des Nachlasses (vgl. OLG Stuttgart
44
45
46
47
48
49
50
51
Legitimation des Erben, nicht der Verwaltung des Nachlasses (vgl. OLG Stuttgart
JAB1 BW 1987,76, OLG München, Urt. v. 27.02.2008; Staudinger-Hass, § 2311 BGB
Rn. 46; Soergel/Stein § 1967 BGB Rn. 17; Soergel-Damrau, § 2353 BGB Rn. 51).
Darüber hinaus führt die Arrestbeklagte unter den Positionen 1, 2 und 6 als
Passiva verschiedene Vorfälligkeitsentschädigungen an. Auch diese sind nicht vom
Nachlass abzuziehen. Sie beruhen auf Dispositionen des Erben und können daher
die Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht beeinträchtigen (vgl. Groll/Rösler, Abschn.
C VI Rn. 51; J- Mayer, Pflichtteilsrecht § 5 Rn. 31). Dem Erben wären diese Kosten
nicht angefallen, wenn er das Darlehen nicht vorzeitig zurückgezahlt hätte.
Ebenso verhält es sich mit der unter Position 32 als Erbfallschuld aufgeführten
Löschungsbewilligung im Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie in A
. Auch hierbei handelt es sich um neue Eigenverbindlichkeit der Arrestbeklagten,
die nicht abzugsfähig ist.
Es liegt auch ein Arrestgrund gemäß § 917 ZPO vor. Dieser wurde von den
Arrestklägern dargelegt und glaubhaft gemacht. Zu den bereits erfolgten
Ausführungen zum Arrestgrund wird auf das Teilurteil vom 29.09.2010 Bezug
genommen. Der Arrestbeklagten ist es nicht gelungen, die Umstände der
Arrestgründe zu beseitigen.
Die Ausführungen der Arrestbeklagten hinsichtlich der außergerichtlich
unterbliebenen Auskunftserteilung sind nicht glaubhaft gemacht worden und
überzeugen das Gericht nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die
Arrestbeklagte die Korrespondenz mit der Mutter der Arrestkläger vergessen
haben kann. Sie selbst hat vorgetragen, dass sie nach dem Tod des Erblassers
bereits ein Telefongespräch mit der Mutter der Arrestkläger geführt habe und es
dabei auch um die Zusammensetzung des Nachlasses gegangen ist. Auch wenn
die Arrestbeklagte mit der Auskunftserteilung einen Notar beauftragt hat, so ist sie
doch weiterhin mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beschäftigt
gewesen, indem sie beispielsweise Unterlagen bei dem von ihr beauftragten Notar
einreichte. Selbst wenn sich die Arrestbeklagte nicht mehr an ein Gespräch mit der
Mutter der Arrestkläger erinnert hat, die Verpflichtung den Pflichtteilberechtigten
Auskunft zu erteilen, kann die Arrestbeklagte nicht vergessen haben. Dennoch
wurde das Nachlassverzeichnis erst erstellt, nachdem die Arrestkläger
Hauptsacheklage erhoben haben.
Auch das Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der Arrestbeklagten in der
Zeit zwischen dem ersten anwaltlichen Schreiben der Arrestkläger im Februar
2010 bis zur Klageerhebung, eine Kurznachricht an die Arrestklägervertreter zu
schicken, ist der Arrestbeklagten zuzurechnen.
Den Arrestgrund, folgend aus dem nachgebesserten Nachlassverzeichnis, konnte
die Beklagte ebenfalls nicht beseitigen. Sofern sie dazu ausführt, dass Positionen
vergessen worden seien oder nicht aufgeführt werden konnten, weil keine Belege
vorhanden gewesen seien, ist ihr entgegen zu halten, dass die Nachbesserung
erst erfolgte, nachdem die Arrestkläger auf die Notwendigkeit der Nachbesserung
hingewiesen haben. Mit Einreichung des Nachlassverzeichnisses vom 18.06.2010
zum Hauptsacheverfahren forderte die Arrestbeklagte die Arrestkläger auf, die
erste Stufe für erledigt zu erklären. Damit brachte sie zum Ausdruck, dass das
Nachlassverzeichnis vollständig sei und sie es gewissenhaft erstellt habe. Sie hat
zu keiner Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Belege, wie der
Einkommenssteuerbescheid 2008, zur Zeit der Nachlasswerterstellung noch nicht
vorgelegen haben.
Auch zu ihren Ausführungen zu der nicht im Nachlassverzeichnis aufgeführten
Versicherung an die zweite Ehefrau des Erblassers, Frau G, bietet die
Arrestbeklagte keinen Beweis an, sodass ihr auch hierdurch keine Erschütterung
des Arrestgrundes gelingt.
Letztlich ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, wieso die Arrestbeklagte nur
über einen Betrag von 115.000,- € verfügt. Die Arrestkläger haben glaubhaft
gemacht, für welche Beträge die einzelnen Immobilien veräußert wurden. Nach
diesen Angaben müsste die Arrestbeklagte jedoch über mehr als 115.000,- €
verfügen können. Der substantiierten Wertberechnung ist die Arrestbeklagte nicht
erheblich unter Glaubhaftmachung entgegengetreten. Es besteht somit weiterhin
der Arrestgrund aufgrund der Umwandlung von Sachwerten in eine Geldforderung.
Dies hat die Arrestbeklagte durch Veräußerung der Grundstücke getan.
Immobilien stellen ein gegenüber dem Barvermögen im Regelfall sicheres
52
Immobilien stellen ein gegenüber dem Barvermögen im Regelfall sicheres
Sicherungsmittel dar. Barvermögen kann leichter verschoben und verschleiert
werden. Die Notwendigkeit der Verkäufe hat die Arrestbeklagte nach wie vor nicht
substantiiert dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit
erging gemäß § 709 S. 1, 2 ZPO hinsichtlich der Kosten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.