Urteil des LG Wiesbaden vom 16.01.2009

LG Wiesbaden: farbe, minderung, rechtsverletzung, tatsachenfeststellung, nachbesserung, auslieferung, aufrechnung, mangelhaftigkeit, ware, druckerei

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Gericht:
LG Wiesbaden 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 S 37/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 139 ZPO, Art 103 Abs 1 GG,
§ 434 BGB, § 441 Abs 3 BGB, §
133 BGB
Zurückverweisung der Berufung an das Erstgericht wegen
fehlender Entscheidungsreife aufgrund von
Verfahrensmängeln, Feststellung bzgl. des Vorliegens
eines Mangels bei Farbabweichungen
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom
18.09.2008 – 93 C 4890/08 (32) – mit dem ihm zugrunde liegenden Verfahren
aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Wiesbaden
zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht
erhoben.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlicher 631,89 EUR für die
Lieferung von 20.000 bedruckter Vliesstoffservietten.
Mit Schreiben vom 21.09.2007 bot die Klägerin der Beklagten die Lieferung von im
Flexodruckverfahren mit einem noch zu bezeichnenden Text einfarbig mit einer
Pantone- oder einer HKS-Farbe bedruckter Vliesstoffservietten an. In der schriftlich
rückbestätigten Auftragsbestätigung der Klägerin vom 09.11.2007 ist wegen der
Einzelheiten von Vliesstoffservietten weiß mit Flexodruck einfarbig Pantone blau
2767 angepaßt die Rede. Bei der Auslieferung der Servietten am 09.01.2008 rügte
die Beklagte eben diese wegen der Farbgebung als mangelhaft. Auf die Rechnung
der Klägerin vom 09.01.2008 über 1.898,05 EUR zahlte die Beklagte 1.266,16 EUR;
der Restbetrag in Höhe von 631,89 EUR bildet die Klageforderung.
Die Klägerin behauptet, aus der Lieferung und Rechnung vom 09.01.2008 stünden
noch 631,89 EUR zur Zahlung offen. Um eben diesen Betrag habe die Beklagte
ihre Zahlung nämlich zu Unrecht gekürzt. die gelieferten Servietten seien frei von
Mängeln. Insbesondere treffe nicht zu, daß die aufgedruckte Farbe von der
vertraglich vereinbarten in einer einen Mangel begründenden Weise abweiche. Daß
in dem Schreiben vom 09.11.2007 von „angepaßt“ die Rede sei, habe seinen
Grund darin, daß es sich bei der Farbe Pantone blau 2767 um eine Offsetdruck-
Farbe handele, wohingegen die Vliesstoffservietten hier im Flexodruckverfahren
bedruckt worden seien. Aus eben diesem Grunde sei sie, die Klägerin, nicht zur
Nachbesserung oder Neulieferung verpflichtet. Im übrigen habe sie, die Klägerin,
aus Anlaß der Auslieferung am 09.01.2008, als die Beklagte die
Vliesstoffservietten als mangelhaft gerügt habe, durch ihren Ehemann angeboten,
die Vliesstoffservietten von einem Dritten überprüfen zu lassen, was allerdings von
der Beklagten abgelehnt worden sei. Ob der Auftraggeber der Beklagten dieser
gegenüber tatsächlich den Farbton bemängelt habe, sei ihr, der Klägerin, nicht
bekannt. Auch sei der Minderungsbetrag, den die Beklagte in Ansatz bringe, völlig
unangemessen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 631,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 631,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, sie habe die Rechnung vom 09.01.2008 mit Recht um 631,89 EUR
gekürzt, weil die Vliesstoffservietten, welche die Klägerin am 09.01.2008
ausgeliefert habe, mit einem Mangel behaftet gewesen seien. Der Druck auf den
Servietten habe nicht die Farbe aufgewiesen, welche vertraglich vereinbart
gewesen sei. Dementsprechend habe ihr Endkunde, der die Farbe ebenfalls
bemängelt habe, die bedruckten Vliesstoffservietten nach zähen Verhandlungen
nur mit einem Preisnachlaß in Höhe von 374,00 EUR abgenommen. Obwohl sie,
die Beklagte, die Mangelhaftigkeit der gelieferten Vliesstoffservietten bereits bei
der Auslieferung am 09.01.2008 und sodann in der Folgezeit schriftlich geltend
gemacht habe, sei die Klägerin zur Nachbesserung und Nachlieferung nicht bereit
gewesen, sondern habe diese ernsthaft und endgültig abgelehnt. Die Klägerin
berufe sich auch vergeblich darauf, daß in der Auftragsbestätigung vom
09.11.2007 im Zusammenhang mit der Farbbeschreibung von „angepaßt“ die
Rede sei. Damit habe nur dem Druckverfahren Rechnung getragen werden sollen,
namentlich dem Flexodruckverfahren, in welchem der Druck habe ausgeführt
werden sollen. Keineswegs habe damit die Farbwahl in das Ermessen oder gar
Belieben der Klägerin gestellt werden sollen. Hierfür sei die Farbbezeichnung,
namentlich Pantone blau 2767, zu eindeutig. Im übrigen treffe nicht zu, daß der
Farbton auf den ausgelieferten Vliesstoffservietten der Farbe Pantone blau 2767
insoweit entspreche, daß von einem Mangel jedenfalls nicht die Rede sein könne.
Das Gegenteil sei der Fall. Die Abweichung sei so erheblich, daß von einer dem
Farbton Pantone blau 2767 angepaßten und damit entsprechenden Farbe nicht
gesprochen werden könne. Schließlich treffe auch nicht zu, daß Pantone-Farben
nicht im Flexodruckverfahren wiedergegeben werden könnten, sondern dem
Offsetdruckverfahren vorbehalten bleiben müßten. Träfe dies zu, so wäre es an der
Klägerin gewesen, eben hierauf vor Vertragsschluß hinzuweisen. Einen solchen
Hinweis habe die Klägerin ausweislich der Unterlagen aber gerade nicht erteilt.
Soweit sie, die Beklagte, den Rechnungsbetrag um mehr als 374,00 EUR gekürzt
habe, sei dies durch die Kosten gerechtfertigt, die ihr, der Beklagten, wegen der
mangelhaften Servietten durch eine Fahrt zu dem Kunden, durch Telefonate mit
diesem und durch den Schriftverkehr mit der Klägerin entstanden seien.
Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen geringfügigen Teil der Zinsforderung
weitestgehend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 631,89
EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
hieraus jährlich seit dem 23.02.2008 zu zahlen; im übrigen hat es die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei zur Zahlung des
noch offenen Rechnungsbetrages in Höhe von 631,89 EUR verpflichtet, weil die
Beklagte zur Minderung nicht befugt sei; auch stehe ihr ein zur Aufrechnung
geeigneter Schadensersatzanspruch nicht zu. Die ausgelieferten
Vliesstoffservietten seien nicht mangelhaft, weil deren Farbe nicht zu beanstanden
sei. Die Auslegung der Auftragsbestätigung vom 09.11.2007 ergebe, daß als Farbe
lediglich eine dem Farbton Pantone blau 2767 nahekommende, mit dieser aber
keineswegs identische Farbe geschuldet gewesen sei, anderenfalls in der
Auftragsbestätigung vom 09.11.2007 nicht von „Pantone blau 2767 angepaßt“,
sondern einfach von „Pantone blau 2767“ die Rede gewesen wäre. Auch habe die
Beklagte nicht vorgetragen, daß die Servietten sich nicht für die im Vertrag
vorausgesetzte Verwendung eigneten oder eine Beschaffenheit vermissen ließen,
die bei Sachen gleicher Art üblich sei und von ihr, der Beklagten, habe erwartet
werden dürfen. Im übrigen sei die Minderungshöhe nicht schlüssig dargetan. Auch
sei nicht ersichtlich, inwiefern die Farbabweichung den Minderungsbetrag
rechtfertigen solle, den die Beklagte allein der Farbdifferenz wegen in Abzug
gebracht habe. Durch die Abweichung in dem Farbton allein werde die Tauglichkeit
der Servietten zur Verwendung als eben solche nicht beeinträchtigt; daß es aus
Werbe- oder aus Wiedererkennungsgründen wichtig gewesen wäre, einen genau
definierten Farbton zu treffen, habe die Beklagte ebenfalls nicht vortragen lassen.
Mit ihrer Frist- und formgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung verfolgt
die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter. Sie macht
geltend, das angefochtene Urteil beruhe zum einen auf einer unrichtigen und
unvollständigen Tatsachenfeststellung und zum anderen auf einer erheblichen
Rechtsverletzung. Ausgehend von einer unzutreffenden Auslegung der
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Rechtsverletzung. Ausgehend von einer unzutreffenden Auslegung der
Auftragsbestätigung sei das Erstgericht zu dem Ergebnis gelangt, die gelieferten
Vliesstoffservietten seien mangelfrei, weil die Farbe, mit welcher sie bedruckt
worden seien, dem Farbton Pantone blau 2767 hinreichend ähnlich sei. Damit
verkenne das Amtsgericht die Bedeutung des bei der Auftragserteilung in Bezug
genommenen Pantone Matching Systems als eines solchen, mit welchem auch
Farbtöne dargestellt werden könnten, die im Vierfarbdruck nicht wiederzugeben
seien. Die Farbe, welche sie, die Beklagte, tatsächlich bestellt habe, namentlich
Pantone blau 2767, hätte bei mangelfreier Erledigung des Auftrags auch von der
Klägerin erreicht werden können, und zwar unbeschadet des Flexodruckverfahrens,
welches hier vereinbarungsgemäß zum Einsatz gekommen sei. Dies habe das
Amtsgericht mangels Sachkunde auf dem streitgegenständlichen Fachgebiet
ebenso verkannt wie es dem Zusatz „angepaßt“, ebenfalls mangels Sachkunde,
im Wege unhaltbarer Auslegung eine die Klägerin entlastende Bedeutung
beizumessen gesucht habe. Sie, die Beklagte, habe aber zum Beweis dafür, daß
die Farbe Pantone blau 2767 auch vorliegend unter den Bedingungen des
Flexodruckverfahrens mit hinreichender Treue zu erzielen gewesen wäre, bereits
erstinstanzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.
Diesen Beweisantritt habe das Amtsgericht zu Unrecht übergangen. Ebenfalls
rechtsirrig seien die Ausführungen des Erstgerichts zu der Vorschrift des § 441
Abs. 3 BGB. Soweit das Amtsgericht insoweit ausgeführt habe, auf Grund des
Vortrags der Beklagten nicht in der Lage zu sein, einen Minderungsbetrag zu
bestimmen, habe es zum einen verkannt, daß über die Vorschrift des § 441 Abs. 3
Satz 2 BGB der Anwendungsbereich des § 287 ZPO eröffnet sei; zum anderen
habe es insoweit die aus § 139 ZPO resultierende Pflicht verletzt, sie, die Beklagte,
auf tatsächliche oder vermeintliche Unzulänglichkeiten in ihrem Vortrag
hinzuweisen. Letzteres lasse die angefochtene Entscheidung als eine
überraschende erscheinen, weshalb das erstinstanzliche Urteil auch deshalb
keinen Bestand haben könne. Soweit das Erstgericht schließlich in den Mehrkosten
für Reisen, Telefonate und Schriftverkehr keine Kosten habe erblicken wollen, die
bei der Minderung zu berücksichtigen gewesen wären, erkläre sie, die Beklagte,
mit eben diesen Positionen hilfsweise die Aufrechnung gegen die Klageforderung.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 18.09.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts
Wiesbaden – 93 C 4890/08 (32) – die Klage insgesamt abzuweisen.
Sinngemäß beantragt die Beklagte daneben,
die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Amtsgericht habe der Klage zu Recht stattgegeben, indem es
den von der Beklagten behaupteten Mangel der gelieferten Vliesstoffservietten
verneint habe. Zutreffend habe das Erstgericht erkannt, daß vorliegend als
Druckfarbe nicht etwa Pantone blau 2767, sondern nur eine angepaßte Farbe
vereinbart gewesen sei. Damit habe, was die Beklagte keineswegs verkannt habe,
dem Umstand Rechnung getragen werden sollen, daß es sich bei den Farben aus
dem Pantone- oder dem HKS-Farbfächer um Farben handele, die im
Offsetdruckverfahren auf glatten, gestrichenen Flächen aufgetragen würden.
Hiervon zu unterscheiden seien die Farben, die im Flexodruckverfahren zum
Einsatz kämen. Diese seien herstellerseitig an die Pantone-Farben lediglich
angelehnt, mit diesen aber keineswegs identisch. Im übrigen hänge die optische
Wiedergabe der Druckfarbe nicht nur vom Farbauftrag, sondern entscheidend auch
von der Beschaffenheit des Bedruckstoffes ab. Selbstverständlich sei saugfähiges
Vliesstoff-Material mit glattem, gestrichenen Offset-Material hinsichtlich der
Wiedergabe der aufgedruckten Farbe nicht vergleichbar. Die Farbabweichung,
welche die Beklagte geltend mache, sei so unwesentlich, daß sie niemals den
Abzug rechtfertigen könne, den die Beklagte im Wege der Minderung in Ansatz
gebracht habe.
Wegen weiterer Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Parteivorbringens
wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zugehörigen Anlagen und die Protokolle
der öffentlichen Sitzung vor dem Amtsgericht Wiesbaden vom 07.08.2008 und vor
dem erkennenden Gericht vom 16.01.2009 verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat mit dem Antrag, die Sache an das Erstgericht
zurückzuverweisen, Erfolg, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, das
angefochtene Urteil vielmehr auf einer Rechtsverletzung, insbesondere einer
Verletzung der Hinweispflichten aus § 139 ZPO und des Rechts auf Gewährung
rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sowie auf einer unvollständigen und
unrichtigen Tatsachenfeststellung beruht. Da das Verfahren im ersten Rechtszug
gleichzeitig an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels
eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist, war die Sache
auf Antrag der Beklagten unter Aufhebung des Verfahrens und des Urteils zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§
538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Erstgerichts, wonach es zur
Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung der zwischen den Parteien
umstrittenen Frage nach dem Vorliegen oder Fehlen eines Mangels im Sinne von §
434 BGB ankommt. Nicht gefolgt werden kann dabei allerdings der vom
Amtsgericht zwecks Beantwortung dieser Frage vorgenommenen Auslegung der
Auftragsbestätigung vom 09.11.2007, wonach die Farbe, mit welcher die
Vliesstoffservietten bedruckt worden seien, schon deshalb nicht als mangelhaft
angesehen werden könne, weil laut Auftragsbestätigung lediglich eine Farbe
geschuldet sei, die an den Farbton Pantone blau 2767 angepaßt im Sinne von
angenähert sei. Diese Auslegung der Auftragsbestätigung vom 09.11.2007 ist von
den im Rahmen der Vorschriften der §§ 133, 157 BGB auch vom Amtsgericht zu
beachtenden Maßstäben nicht mehr gedeckt. Mit Recht weist die Beklagte darauf
hin, daß bei der Auslegung der Auftragsbestätigung vom 09.11.2007 – wie immer –
auf die Sicht eines objektiven Dritten in der konkreten Situation der Beklagten und
unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des einschlägigen Verkehrskreises
abzustellen sei. Die von dem Amtsgericht vorgenommene Auslegung wird dem
nicht gerecht. Das Erstgericht, das eigene Sachkunde auf dem hier
interessierenden Fachgebiet weder explizit darlegt noch konkludent erkennen läßt,
verkennt zunächst einmal, daß es sich bei dem Pantone Matching System, wie
dem erkennenden Gericht aus vorausgegangenen Verfahren bekannt ist, um ein
seit Jahrzehnten weltweit eingeführtes Farbsystem handelt, welches gerade
insbesondere in der Druckbranche dazu dient, Farben ohne Rücksicht auf den
subjektiven Farbeindruck zu kommunizieren und damit gerade deshalb möglichst
genau, etwa bei der Erteilung eines Auftrags an eine Druckerei, bezeichnen zu
können. Insofern ist die Bezeichnung „Pantone blau 2767“ – entgegen der
Einschätzung des Amtsgerichts – als eine solche aus dem Pantone-Farbfächer
allein ihrer Eindeutigkeit wegen einer Auslegung grundsätzlich erst gar nicht
zugänglich. Hieran vermag auch der Zusatz „angepaßt“ nichts zu ändern. Denn
derlei Einschränkungen beziehungsweise Modifikationen sind dem Pantone
Matching System gerichtsbekanntermaßen fremd. Statt dessen wird innerhalb
eines jeden mit einer Zahl zu bezeichnenden Farbwertes zwischen „C“ für
„coated“ (glänzend gestrichen), „U“ für „uncoated“ (ungestrichen) und „M“ für
„matte“ (matt gestrichen) unterschieden, und zwar in Abhängigkeit davon, auf
einer welchen Papiersorte die Farbe aufgetragen worden ist beziehungsweise
aufgetragen werden soll. Letzteres dient der Berücksichtigung des Umstandes,
daß die Erscheinung einer Farbe in hohem Maße auch von der Qualität des
Untergrundes abhängig ist, auf welchem die jeweilige Farbe aufgetragen worden ist
beziehungsweise aufgetragen werden soll. Da das Erstgericht bei der von ihm
vorgenommenen Auslegung demgegenüber ohne die vorherige Einholung des hier
von beiden Seiten beantragten Sachverständigengutachtens mangels eigener
Sachkunde zu keinem sachgerechten Ergebnis gelangen konnte, liegt hierin zum
einen eine Rechtsverletzung und zum anderen eine unvollständige
beziehungsweise unrichtige Tatsachenfeststellung, welche nur in einer
aufwendigen und gegebenenfalls umfangreichen Beweisaufnahme durch Einholung
eines Sachverständigengutachtens behoben werden kann. Die Hilfsüberlegung des
Erstgerichts, wonach weder vorgetragen noch anderweit ersichtlich sei, daß es
vorliegend aus Werbe- oder aus Wiedererkennungsgründen für die Beklagte oder
deren Kunden wichtig gewesen wäre, einen genau bezeichneten Farbton zu treffen,
vermag an Vorstehendem nichts zu ändern. Das Amtsgericht läßt außer acht, daß
die Erteilung eines Auftrags an eine Druckerei unter Bezugnahme auf eine genau
bezeichnete Farbe aus dem Pantone-Farbfächer an Eindeutigkeit nichts zu
wünschen übrig läßt. Ein Kunde, der so verfährt, weiß nicht nur, was er tut, sondern
will sich grundsätzlich auch nicht mit Farbtönen abspeisen lassen, die dem genau
bezeichneten mehr oder weniger stark ähneln. Demgemäß wird es das
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bezeichneten mehr oder weniger stark ähneln. Demgemäß wird es das
Amtsgericht bei dem von ihm zu beauftragenden Sachverständigengutachten
zunächst einmal klären lassen müssen, ob es sich bei dem aufgedruckten Farbton
auf den ausgelieferten Vliesstoffservietten, wie von der Klägerin behauptet und von
der Beklagten bestritten, tatsächlich um Pantone blau 2767 handelt. Für den Fall,
daß diese Frage im Sinne der Klägerin zu beantworten sein wird, ist dem
Sachverständigen die Frage zu unterbreiten, ob die dessenungeachtet
feststellbare Abweichung im Farbton auf das zum Einsatz gekommene
Flexodruckverfahren oder aber auf die Beschaffenheit des zu bedruckenden
Stoffes, namentlich der Vliesstoffservietten, zurückzuführen sei. Die Frage, wem
dies anzulasten ist, wird das Amtsgericht aber als Rechtsfrage selbst zu
beantworten haben. Zweifelsfrei zu bejahen wird ein Mangel im Sinne von § 434
BGB demgemäß nur dann sein, wenn es sich bei dem von der Klägerin tatsächlich
eingesetzten Farbton jedenfalls nicht um den Farbton Pantone blau 2767 handelt.
Sollten die Farbabweichungen demgegenüber auf das eingesetzte Druckverfahren
oder aber auf die Qualität des bedruckten Stoffes zurückzuführen sein, wird das
sachverständig beratene Amtsgericht daneben die Rechtsfrage zu klären haben,
wem dies anzulasten ist und ob gegebenenfalls im Vorfeld der Auftragserteilung
von der einen oder anderen Seite Hinweispflichten mißachtet worden sein könnten.
Auch der von der Beklagten bereits erstinstanzlich angeführte Gedanke einer von
der Klägerin zwar angebotenen, aber möglicherweise von Anfang an unmöglichen
Leistung kann nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden. Sollte das
Erstgericht nach allem zu der Überzeugung gelangen, daß der beklagtenseits
behauptete Mangel tatsächlich gegeben sei, so wird es sich mit der Frage nach der
Angemessenheit der von der Beklagten in Ansatz gebrachten Minderung zu
befassen haben. Mit dem Bemerken, daß der Vortrag der Beklagten insoweit
ohnehin nicht zureichend sei, ist es nicht getan. Die Beklagte rügt insoweit mit
Recht eine Verletzung von Hinweispflichten nach § 139 ZPO und damit eine
Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Denn den Verfahrensakten erster Instanz kann nicht entnommen werden, daß die
Beklagte explizit auf unzureichenden Vortrag die Minderung betreffend von dem
Erstgericht hingewiesen worden sei. In dem Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 07.08.2008 findet sich insoweit lediglich ausgeführt, daß zur Minderungshöhe
derzeit nicht vorgetragen sei. Es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte, die in
diesem Zusammenhang mit Recht auf die Anwendbarkeit von § 287 ZPO verweist,
auf Grund dieses lapidaren Hinweises sich veranlaßt gesehen haben könnte, zur
Minderungshöhe mehr vorzutragen als tatsächlich geschehen, namentlich daß sie
ihrerseits im Verhältnis zu ihrem eigenen Kunden einen Abzug in Höhe von 374,00
EUR habe hinnehmen müssen. Eben dieser Vortrag kann aber ohne weiteres die
Grundlage einer im Rahmen des § 441 Abs. 3 Satz 2 BGB nach § 287 ZPO vom
Erstgericht vorzunehmenden Schätzung bilden. Auch insoweit konnte das
angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Umgekehrt wird es auf die Frage, ob
die Beklagte der Klägerin denn auch Gelegenheit zur Nachbesserung
beziehungsweise Nachlieferung gegeben habe, nach allem nicht ankommen.
Letzteres deshalb nicht, weil die Klägerin ihrem eigenen Vortrag zufolge lediglich
zur Überprüfung der gelieferten Ware durch einen Dritten bereit war, das
Nachbesserungsverlangen der Beklagten aber bereits im Vorfeld dieses
Rechtsstreits unbeachtet ließ und statt dessen darauf beharrte, daß die von ihr
erbrachte Leistung frei von Mängeln sei, weshalb es der Beklagten freistand, eine
Herabsetzung des Preises zu fordern. Soweit das Amtsgericht schließlich die
Kosten von Reisen, Telefonaten und Schreiben, die nach dem Vortrag der
Beklagten durch die von ihr behauptete Mangelhaftigkeit der Ware verursacht
worden sein sollen, im Rahmen des § 441 Abs. 3 BGB für nicht
berücksichtigungsfähig hält, ist es darauf hinzuweisen, daß die Beklagte in der
zweiten Instanz mit den von ihr insoweit noch nicht bezifferten Beträgen hilfsweise
die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt hat. Sollte es hierauf
entscheidungserheblich ankommen, wird die Beklagte insoweit weiter vorzutragen
haben.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das hiesige Berufungsverfahren war
abzusehen, weil das aufgehobene Urteil auf Verfahrensmängeln beruht, diese aber
eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 GKG begründen. Die
Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens war
hingegen dem Amtsgericht vorzubehalten, weil es insoweit auf das Ergebnis des
weiteren Verfahrens ankommt.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das
Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
23 Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche
Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§
543 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.