Urteil des LG Trier vom 29.04.2003

LG Trier: vergütung, behandlung, patient, massage, krankenversicherer, stroh, anteil, öffentlich, ergänzung, abstimmung

Bürgerliches Recht
Versicherungsvertragsrecht
LG
Trier
29.04.2003
1 S 186/02
Erstattung von Kosten für Krankengymnastik, Massage und Heißluftbehandlungen in der
Krankheitskostenversicherung
1 S 186/02
Landgericht Trier
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Forderung aus privater Krankheitskostenversicherung
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Trier
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2003
durch den Präsidenten des Landgerichts Krämer,
den Richter am Landgericht Hardt und
die Richterin Luther
für R e c h t erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird in Abänderung
des Urteils des Amtsgerichts Trier vom 28.11.2002
- 8 C 426/02 - die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in
beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt in Abänderung des angefochtenen Urteils
zur Abweisung der Klage.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für krankengymnastische
Behandlung, Massage und Heißluftbehandlungen in Höhe des noch offenen Betrages von 1.096,11 EUR
aus den §§ 1 Abs. 1 VVG, 1 Abs. 1 MB/KK 94. Die Beklagte hat diese Kosten zu Recht in ihren
Abrechnungen vom 01.12.2000, 05.02.2001, 11.06.2001, 01.08.2001, 12.12.2001, 22.01.2002,
26.04.2002 und 25.07.2002 nicht vollständig, sondern nur in Höhe der beihilfefähigen Höchstsätze
erstattet.
Die Kammer schließt sich der entsprechenden Rechtsprechung des Amts- und Landgerichts Köln (AG
Köln, VersR 96, 1094; LG Köln, VersR 00, 627) an.
Gemäß Ziffer 2.1 der wirksam Vertragsbestandteil gewordenen allgemeinen Versicherungsbedingungen
der Gruppenversicherung für die Krankheitskostenversicherung nach den M-Tarifen sind nur solche
Aufwendungen für Leistungen des Krankengymnasten erstattungsfähig, die im Rahmen der in
Deutschland üblichen Preise berechnet sind. Die vom Kläger geltend gemachten Erstattungsbeträge
übersteigen in Höhe der von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen die in Deutschland üblichen
Preise. Im Rahmen des § 612 Abs. 2 BGB, der im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer als
Patient und dem Heilbehandler hinsichtlich der Vergütung Anwendung findet, kann die Beklagte zur
Bestimmung der Üblichkeit in diesem Sinne auf die Beihilfesätze als Maßstab zurückgreifen. Zwischen
Patient und Heilbehandler kommt ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB zustande. Zur Bestimmung der
Patient und Heilbehandler kommt ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB zustande. Zur Bestimmung der
Vergütung findet
§ 612 Abs. 2 BGB Anwendung. Eine individuelle Vergütungsvereinbarung ist unstreitig nicht erfolgt. Auch
eine taxmäßige Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB kann nicht festgestellt werden. Eine amtliche
Taxe oder sonstige konkrete Regelungen über die Höhe des Vergütungsanspruchs von Heilhilfspersonen
gegenüber Privatversicherten sind nicht existent (vgl. AG Köln, a.a.O. und LG Berlin, VersR 01, 223). Aus
diesem Grund ist die gemäß § 612 Abs. 2 BGB übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Üblich ist
grundsätzlich die für eine gleiche oder ähnliche Dienstleistung an dem betreffenden Ort gewöhnlich
gewährte Vergütung (vgl. Palandt, BGB, 62. Auflage, § 612 Rdnr. 8). Aufgrund der eindeutigen
Regelungen in den Tarifbedingungen des Versicherungsvertrages sind im Verhältnis der Parteien
zueinander allerdings die in Deutschland üblicherweise berechneten Preise zugrunde zu legen. Damit ist
nach dem Versicherungsvertrag nicht auf die örtlichen Verhältnisse, sondern auf die in der gesamten
Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich zu zahlende Vergütung abzustellen. Die Beklagte als privater
Krankenversicherer kann ihre Leistungspflicht auf die Vergütungen begrenzen, die als Höchstsätze im
Rahmen der Beihilfe für Beamte und Angestellte festgelegt sind. Vergütungen, die einzelne Behandler
darüber hinaus berechnen, liegen nicht mehr im Bereich des Üblichen im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB
(vgl. LG Köln, aaO). Zur Bestimmung der Üblichkeit stellen die Behilfesätze eine geeignete Grundlage dar.
Unter den Privatversicherten stellen die öffentlich Bediensteten neben den freiberuflich Tätigen und den
über der Versicherungspflichtgrenze liegenden privaten Angestellten einen erheblichen Anteil dar. Sie
sind - wie der Kläger - "Selbstzahler". Die beihilfefähigen Höchstsätze hat der Bundesminister des Inneren
nach Abstimmung mit den jeweiligen Fachverbänden festgelegt. Die Fachverbände haben die
Vergütungen ihren Mitgliedern zur Anwendung empfohlen, weshalb davon auszugehen ist, dass die bei
Festlegung durchschnittlich für derartige Leistungen geforderten Vergütungen, also die üblichen,
zugrundegelegt worden sind. Damit liegen Vergütungen, die einzelne Behandler darüber hinaus
berechnen, nicht mehr im Rahmen des Üblichen.
Die Kammer schließt sich aus diesen Gründen auch nicht der vom OLG Karlsruhe (VersR 96, 961)
vertretenen Auffassung an, wonach sich das übliche Entgelt im Sinne des § 612 BGB bei krankengymna-
stischer Behandlung von Privatpatienten auf den 2,3-fachen Kassensatz beläuft. Entscheidend ist nach
den konkreten Vertragsbedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages
ausschließlich, was der Gesamtheit der Versicherten im allgemeinen in Deutschland für die
streitgegenständlichen Leistungen in Rechnung gestellt wird.
Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass auch die privaten Krankenversicherer ein berechtigtes
Interesse an einer Begrenzung ihrer Ausgaben haben, was fast zwangsläufig auf die Anwendung ge-
bührenrechtlicher Normen hinausläuft (vgl. LG Köln, aaO und Haberstroh, VersR 00, 538). Ein Merkmal
der privaten Krankenversicherung ist, dass je nach Ausgestaltung des Versicherungsvertrages seitens
des Versicherungsnehmers eine Ergänzung bzw. Erweiterung des Versicherungsschutzes gewählt
werden kann. Dies hat jedoch keinen Einfluss darauf, was im Verhältnis zwischen Patient und
Heilbehandler als üblich und angemessen anzusehen ist. Der Status des Patienten (gesetzlich oder privat
versichert) als Auftraggeber ist bei der Bemessung der Üblichkeit des Preises ohne Belang (vgl.
Haberstroh, aaO). Im Rahmen der privaten Krankenversicherung besteht kein Anspruch dahingehend,
dass für identische Leistungen auch überhöhte Abrechnungen erstattet werden sollen (LG Berlin, VersR
01, 224). Dies entspricht auch dem Interesse der Versichertengemeinschaft, um eine Erhöhung der
Beiträge zu vermeiden und eine Regulierung der Behandlungshonorare auf einem angemessenen
Niveau zu erreichen.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, ob die dem Kläger berechneten Honorare üblich
sind, ist aus den dargestellten Gründen nicht notwendig, da die Kammer anhand des Vergleiches der
erstatteten Aufwendungen mit den beihilfefähigen Sätzen die erforderliche Feststellung treffen kann, dass
die Erstattungen der Beklagten diesen Sätzen entsprechen.
Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob eine krankengymnastische Behandlung des Klägers nach
der Methode "Vojta/PNF" medizinisch notwendig war oder nicht. Insoweit hat die Beklagte mit Schreiben
ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2003 dargelegt, dass sie auch für diese aufwändigere
Behandlung die vorgesehenen beihilfefähigen Höchstsätze erstattet hat. Dem ist der Kläger nicht mehr
entgegengetreten. Daraus, dass die Beklagte mit ihrer nicht streitgegenständlichen Leistungsabrechnung
vom 20.03.2003 die krankengymnastische Behandlung, Massagen und Heißluftbehandlungen des
Klägers in der Zeit vom 29.08. bis 15.10.2002 und vom 21.10. bis 16.12.2002 ohne Abzüge erstattet hat,
kann noch nicht auf eine Selbstbindung der Beklagten dahingehend geschlossen werden, dass sie
nunmehr bereit wäre, auch die zeitlich davor liegenden streitgegenständlichen Behandlungen ohne
Abzüge zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 1.096,11 EUR.
gez. Krämer gez. Hardt gez. Luther