Urteil des LG Stuttgart vom 22.05.2015

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LG Stuttgart Urteil vom 22.5.2015, 16 O 410/14
Anhalten auf der Ausfädelungsspur einer Autobahn und Verlassen des Fahrzeugs zur
Feststellung der Personalien von Beteiligten an einem vorangegangenen Unfall
Leitsätze
Zur Mithaftung des nach einem Auffahrunfall auf der Autobahn auf einer Ausfädelungsspur anhaltenden
Fahrzeugführers, der sein Fahrzeug verlässt, um dort die Feststellung der Personalien der Unfallbeteiligten zu
ermöglichen und dabei durch einen auf die stehenden Unfallfahrzeuge auffahrenden LKW schwer verletzt wird.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über bereits anerkannte 75 % hinaus
weitere 15 % der materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 29.05.2013 90 % zu
ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungs- und/oder Hilfeträger übergegangen sind oder
noch übergehen werden.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.519,91 EUR zu
bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 40% und die Beklagte 60% zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert: 96.000,00 EUR
Tatbestand
1 Die Parteien streiten bezüglich der Haftungsquote aus einem Verkehrsunfall.
2 Die Klägerin befuhr am 29.05.2013 gegen 16:00 Uhr mit ihrem PKW der Marke Citroen Berlingo mit dem
amtlichen Kennzeichen F… die Bundesautobahn 81 bei Böblingen in Richtung Stuttgart, als ein von Herrn C.
H. gelenktes Fahrzeug von hinten auf das Fahrzeug der Klägerin auffuhr. Dabei entstand an den Fahrzeugen
nur ein leichter Blechschaden, die Klägerin blieb unverletzt.
3 Nach kurzer Verständigung zwischen den beiden Unfallbeteiligten fuhren diese auf die äußerst rechte
Fahrbahnspur der an dieser Stelle vierspurigen Autobahn, welche als Ausfädelspur für die Anschlussstelle
Ehningen/Böblingen-Hulb dient, um dort den nachfolgenden Verkehr nicht weiter zu behindern, den
entstandenen Schaden zu ermitteln, sowie Feststellungen zur Person zu ermöglichen. Auf dem
Ausfädelungsstreifen wurden sodann Maßnahmen zur Absicherung der Unfallstelle getroffen, insbesondere,
ein Warndreieck aufzustellen.
4 In unmittelbarer zeitlicher Folge kam es zu einem Zusammenstoß mit einem bei der Beklagten
haftpflichtversicherten LKW. Dieser prallte mit circa 90 km/h zunächst in das Fahrzeug des Herrn H., welches
dann auf das davor stehende Fahrzeug der Klägerin geschleudert wurde. Infolge dieser Kollision verlor die
Klägerin ihr rechtes Bein, erlitt Verstümmelungen im Genitalbereich und noch weitere gravierende
Verletzungen, die einen fünfeinhalbmonatigen stationären Krankenhausaufenthalt und acht Wochen
dauernde Reha-Maßnahmen notwendig machten.
5 Im Verlauf der Schadensregulierung wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2014 mitgeteilt,
dass diese von einem nicht nur unerheblichem Mitverschulden der Klägerin in Höhe von 25 % ausgehe.
6 Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie selbst kein Mitverschulden an dem Unfall treffe. Sie sei als
Unfallbeteiligte am zuvor erfolgten Auffahrunfall dazu verpflichtet gewesen, Feststellungen zu ihrer Person
am Unfallort zu ermöglichen. Zudem sei von ihr als juristischer Laiin eine Strafbarkeit wegen Unfallflucht
befürchtet worden, wenn sie die Unfallstelle zu weiträumig verlasse, weswegen sie sich zu einer
Schadensermittlung in engem räumlichem Zusammenhang verpflichtet gefühlt habe. Ein gänzliches
Abfahren von der Autobahn sei deshalb nicht möglich gewesen, da dies einen zu großen räumlichen Abstand
bedeutet hätte. Die Verbringung der Fahrzeuge auf die äußerst rechte Spur habe noch die ursprüngliche
Unfallendstellung dargestellt. Sie sei nur erfolgt, um den Verkehr nicht weiter zu behindern. Daher habe
auch kein unberechtigtes Halten auf der Autobahn vorgelegen. Das Abstellen der Fahrzeuge sei geboten und
ausnahmsweise erlaubt gewesen.
7 Weiterhin sei die Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug im
Begriff gewesen, die erforderlichen Eigensicherungsmaßnahmen zu ergreifen und habe sich bereits mit
einem Bein hinter der Leitschutzplanke befunden.
8 Der Unfall sei damit ausschließlich vom Fahrer des LKW verursacht worden; ein ihr zurechenbares
Mitverschulden sei nicht anzunehmen.
9 Die Klägerin beantragt:
10 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über bereits anerkannte 75 % hinaus
sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 29.05.2013 zu
ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungs- und/oder Hilfeträger übergegangen sind oder
noch über- gehen werden.
11 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.519,91 zu
bezahlen.
12 3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
13 Die Beklagte beantragt,
14 die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
15 Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin ein Mitverschulden von wenigstens 25% treffe. Ihr könne
ein Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO vorgeworfen werden. Trotz des vorangegangen Unfalls sei ein
rechtswidriges Halten auf der Autobahn anzunehmen. Der Standort der Fahrzeuge auf der Ausfädelspur sei
nicht als Unfallendstellung anzusehen. Nach Verständigung der Unfallbeteiligten sei eine neue, vom
Primärunfall losgelöste Situation entstanden und daher seien beide dazu verpflichtet gewesen, die weitere
Feststellung des Schadens außerhalb der Autobahn vorzunehmen. Eine Feststellung der Personalien wäre
auch außerhalb der Autobahn ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen und zudem auch ein Gebot
des Eigenschutzes.
16 Zudem sei die Klägerin auch nicht schon mit einem Bein hinter der Leitplanke gewesen. Vielmehr habe sie
sich im Moment der Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen befunden, um das Warndreieck aus dem
Kofferraum zu holen und dies ohne den nachfolgenden Verkehr zu beachten, da der herannahende LKW
ansonsten hätte erkannt werden können und ein sicherer Aufenthalt hinter der Leitplanke möglich gewesen
wäre.
17 Ebenso sei ihr ein Verstoß gegen § 18 Abs. 9 StVO vorzuwerfen, der Fußgängern das Betreten der Autobahn
verbiete. Die Klägerin sei aufgrund des Gebotes des Eigenschutzes dazu verpflichtet gewesen, die Autobahn
auf kürzestem Wege zu verlassen und ihr Aufenthalt zwischen den Fahrzeugen stelle einen Verstoß gegen
oben genanntes Gebot dar.
18 Wegen des Sachvortrags der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 24.04.2014 (Bl. 40/45 d.A) Bezug genommen.
19 Die Strafakten des AG Böblingen Az. 8 Ds 70 Js 46603/13 waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
20 Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Unter Berücksichtigung eines weit überwiegenden
Verursachungsanteils des Fahrers und Versicherungsnehmers der Beklagten an dem streitgegenständlichen
Unfall, hat diese insgesamt 90% der Schäden der Klägerin zu ersetzen.
1.
21 Die Klage ist auch mit dem Feststellungsantrag Ziff. 1 zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO
erforderliche rechtliche Interesse der Klägerin an einer Feststellung anzunehmen, da aufgrund der von ihr
erlittenen Verletzungen und des bisher eingetretenen Schadens mit erheblichen weiteren Folgeschäden zu
rechnen ist, die derzeit noch nicht abschließend beziffert werden können.
2.
22 a) Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer für ihren Versicherungsnehmer gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1,
9 StVG i.V.m. § 115 I VVG sowie gem. § 823 Abs. 1 und 2 i.V.m § 254 Abs. 1 BGB, § 115 I VVG für den
unfallbedingten Schaden zu 90%.
23 Unter Berücksichtigung und urkundsbeweislicher Verwertung der im Strafverfahren erfolgten Feststellungen
des Sachverständigen Dipl. Ing. K., in dessen Gutachten vom 02.07.2013 (Bl. 69 d. Beiakten) sowie des
weiteren Inhalts der Ermittlungsakten, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts ein feststehender
erheblicher Verstoß des Fahrers des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs gegen die allgemeine
Rücksichtnahmepflicht in § 1 Abs. 1 und 2 StVO. Dieser hätte bei Aufbietung der erforderlichen
Sorgfaltspflicht ohne weiteres die auf der Ausfädelspur stehenden Fahrzeuge der Klägerin und des
Unfallbeteiligten H. erkennen und sein Fahrverhalten auf diese Situation einstellen können.Es lagen keine
Einschränkungen im Hinblick auf die Sichtverhältnisse vor und die Kollision wäre für den Fahrer des LKW bei
Beachtung des vor ihm befindlichen Verkehrs stets vermeidbar gewesen. Eine technische Ursache kann
ausgeschlossen werden. Zwar ist es zutreffend und anerkannt, dass der nachfolgende Verkehr auf
Autobahnen nicht im selben Maße auf stehende Fahrzeuge eingerichtet ist wie in anderen Verkehrslagen.
Jedoch muss gerade auf Ausfädelspuren mit langsamer fahrenden PKW und vor allem LKW gerechnet
werden, die die vor ihnen liegende Ausfahrt anfahren wollen, sodass zwar immer noch nicht mit haltenden
Fahrzeugen gerechnet werden muss, jedoch zumindest mit einer Anpassung hinsichtlich der eigenen
Geschwindigkeit und Fahrweise.
24 Es handelte sich also um einen vollkommen vermeidbaren Unfall aufgrund grob pflichtwidrigen Verhaltens.
25 b) Dem gegenüber ist der Klägerin nur ein geringer Mitverschuldensvorwurf zu machen. Unstreitig ist ihr ein
Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO vorzuwerfen. Auf Autobahnen - dazu gehören auch die
Verzögerungsstreifen - darf nicht gehalten werden. Ein Verstoß liegt lediglich dann nicht vor, wenn für das
Anhalten eine zwingende Notwendigkeit bestand (vgl. BGH VersR 1979, 323; OLG Karlsruhe DAR 2002,
34). Eine solche Rechtfertigung, und damit eine Ausnahme zu diesem grundsätzlichen Verbot, lag hier nicht
vor. Zwar ging dem Anhalten ein Auffahrunfall voraus, jedoch war dieser nach stillschweigender
Verständigung zwischen den Beteiligten, die weiteren Maßnahmen an einem anderen Ort durchzuführen,
kein Anlass mehr, um auf der Autobahn und der von dieser miterfassten Ausfädelspur zu halten. Dies gilt vor
allem auch aufgrund der klaren Haftungslage, des geringen Ausmaßes des Schadens sowie der Nähe zur
Ausfahrt Böblingen-Hulb. Vielmehr hätten diese Maßnahmen an einem vom Autobahnverkehr nicht direkt
betroffenen Ort stattfinden müssen. Durch die Verbringung der Fahrzeuge an den Fahrbahnrand der
Ausfädelspur war ohnehin die ursprüngliche Unfallendstellung nicht mehr gegeben.
26 Auch eine im Raum stehende Strafbarkeit der Klägerin nach § 142 StGB vermag an diesem Umstand nichts
zu ändern. Ein tatbestandliches „ sich entfernen“ lag nicht vor. Aufgrund des Einverständnisses des anderen
Unfallbeteiligten schied ein solches aus (OLG Düsseldorf NJW 1985, 2725; Geppert in: Leipziger Kommentar
zum StGB, 12. Aufl. 2009, § 142 Rn. 76 ff.; 121). Vermag man eine solch fundierte Rechtskenntnis einem
Laien berechtigter Weise nicht unterstellen, so verbleibt doch die Tatsache, dass für einen solchen Laien
ebenso der Vorwurf der „Fahrerflucht“ ausscheiden würde, wenn nicht eine Verhinderung der feststellenden
Maßnahmen bei Verlassen der Unfallstelle, sondern deren Ermöglichung an anderem Ort beabsichtigt war.
27 Könnte aufgrund des grob pflichtwidrigen und unachtsamen Verhaltens des Schädigers dieses fehlerhafte
Verhalten der Klägerin eventuell ganz zurücktreten, darf jedoch nicht übersehen werden, dass es sich nicht
um einen Unfall auf einem Grün- oder Standstreifen handelte, sondern auf einem Ausfädelungsstreifen und
daher einem regulären Fahrstreifen einer Autobahn. Dementsprechend ist der Klägerin ein Verstoß gegen
das Verbot des § 18 Abs. 9 StVO vorzuwerfen, als Fußgänger die Autobahn zu betreten. Durch das Verbot
sollen auf den dem schnellen Kraftfahrzeugverkehr dienenden Autobahnen sowohl der fließende Verkehr vor
den von Fußgängern ausgehenden Gefahren, wie auch umgekehrt Fußgänger vor den Gefahren des
Kraftfahrzeugverkehrs geschützt werden. Die Fahrbahn von Autobahnen darf daher im Hinblick auf die
damit verbundenen erheblichen Gefahren nur ganz ausnahmsweise, insbesondere in Notfällen zur
Hilfeleistung betreten werden (vgl. OLG Karlsruhe NZV 2014, 404 m.w.N.). Ein solcher Notfall war - auch
auf Grundlage des Vorbringens des Klägerin - nach dem ersten Unfallereignis angesichts des dadurch
lediglich eingetretenen geringen Sachschadens objektiv gesehen nicht gegeben. Ein Aussteigen zur
Besichtigung eines geringfügigen (Blech-)Schadens rechtfertigt aber in der Regel keine Ausnahme vom
Betretungsverbot. Denn insoweit steht das mit einer Aufklärung durch eine - allenfalls kurze - Besichtigung
des Schadens verbundene Interesse regelmäßig in keinem vernünftigen Verhältnis mit der dadurch für Leib
und Leben hervorgerufenen Gefahr (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
28 Nach den Feststellungen des Sachverständigen K. in dessen schriftlichen Gutachten kann anhand der
Spurenlage am Unfallort eindeutig nachvollzogen werden, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Aufpralls
des LKW's auf das Fahrzeug des Herrn H. im Bereich zwischen dessen PKW und ihrem eigenen Wagen
befunden hat. Die Entfernung zwischen diesen beiden Fahrzeugen betrug ca. 1,5 bis 2,5 m. Aufgrund der
Kollision wurde das Fahrzeug des Herrn H. in eine Drehbewegung versetzt. Aufgrund der feststellbaren
Kontaktspuren im Bereich des Oberzuges des linken Radhauses und an der Schutzplanke spricht vieles dafür,
dass es zu der schweren Verletzung der Klägerin gekommen sein muss, als diese im Begriff war, mit dem aus
ihrem Fahrzeug entnommenen Warndreieck die Unfallstelle zu sichern. Der Sachverständige K. hat auf Seite
19 seines Gutachtens (Bl. 89 d. Beiakte) ausgeführt, dass er bei der Vermessung der Unfallstelle ein auf der
Fahrbahn liegendes, aus der Verpackung genommenes Warndreieck vorgefunden habe. Die Angaben der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe das Warndreieck bereits in einer Entfernung von 10 m
hinter dem Fahrzeug des Herrn H. aufgestellt gehabt, dürften demzufolge eher unzutreffend sein. Aufgrund
der erlittenen schweren Verletzungen ist nachvollziehbar, dass es der Klägerin objektiv gesehen nicht mehr
möglich ist, den Geschehensablauf in allen Einzelheiten korrekt wiederzugeben. Die Schilderung, sie sei
nach dem Aufstellen des Warndreiecks mit den Händen an der Leitplanke am Fahrzeug des Herrn H. entlang
gegangen und im Begriff gewesen, auf Höhe von dessen Fahrzeug die Leitplanke mit dem linken Bein zuerst
zu übersteigen, ist jedenfalls mit den objektiven Feststellungen des Sachverständigen kaum in Einklang zu
bringen. Im Ergebnis bleibt deshalb offen, ob der Klägerin ein - auch subjektiv - gravierender Vorwurf
gemacht werden kann, sich nicht rechtzeitig nach dem Betreten der Fahrbahn in Sicherheit gebracht zu
haben. Der Aufenthalt auf der Fahrbahn als solcher, um eine Absicherung der Unfallstelle durch Aufstellen
des Warndreiecks herbeizuführen, war zwar in der konkreten Situation objektiv betrachtet pflichtwidrig,
kann aber subjektiv gesehen aufgrund der Gesamtumstände einen erheblichen Schuldvorwurf nicht
begründen. Zu berücksichtigen ist hierbei vor allem, dass durch den vorhergegangenen Auffahrunfall
naturgemäß eine gewisse Aufgeregtheit bei der Klägerin verursacht wurde, im Rahmen der Feststellungen
zu Hergang und Personalien des anderen Unfallbeteiligten keine Fehler zu machen, wie von ihr in der
mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert wurde. Andererseits war sich die Klägerin durchaus der
Gefahr bewusst, welche durch ein Verbleiben der Fahrzeuge im Bereich der Fahrspuren der Autobahn
hervorgerufen wurde. Dies war ja der Anlass dafür gewesen, die PKWs auf der vermeintlich sichereren
Ausfädelspur abzustellen. Ob es ihr aber während der erforderlichen zeitlichen Dauer der von ihr als
geboten erachteten Sicherung der Unfallstelle durch Aufstellen eines Warndreiecks überhaupt möglich
gewesen wäre, nach dessen Entnahme aus ihrem Fahrzeug rechtzeitig hinter die Schutzplanke zu gelangen,
kann nicht weiter aufgeklärt werden. Eine über das Fahrbahnbetretungsverbot hinausgehende
Pflichtverletzung in Form einer unzureichende Eigensicherung ist daher nicht sicher feststellbar. Inwieweit
eine rechtzeitige Reaktion bei Erkennen des herannahenden LKW vor der Kollision möglich gewesen wäre,
bleibt ebenfalls ungeklärt.
29 Insgesamt erscheinen die oben ausgeführten Pflichtverletzungen, welche der Klägerin vorzuwerfen sind, im
Vergleich zu der grob fahrlässigen Verursachung des Unfalls durch den Fahrer des bei der Beklagten
versicherten LKW als so untergeordnet, dass im Rahmen einer Gesamtabwägung ein Mitverschuldensanteil
nach § 254 BGB mit keiner höheren Quote als 10% in Betracht kommt.
3.
30 Die Beklagte hat auch die Kosten außergerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zu tragen. Diese sind als
Rechtsverfolgungskosten von der Schadensersatzpflicht umfasst.
31 Zwar ergibt sich nach den oben dargelegten Umständen nur eine Haftung von 90% hinsichtlich aller
Schadensposten der Klägerin. Da die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren jedoch mit 1.519,91 EUR aus einem
Streitwert in Höhe von nur 40.000 EUR errechnet wurden, sind diese vollumfänglich zu erstatten. Die
vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bezog sich auf den mit ihrer Klage geltend
gemachten Streitgegenstand, dessen Streitwert mit 96.000,00 EUR anzusetzen ist. Ausgehend von einem
insgesamt im Raum stehenden Schaden in der Größenordnung von 480.000,00 EUR, wie in der Klage
angegeben, von welchem 25 % noch im Streit stehen, ergibt sich unter Vornahme eines Abschlags von 20 %
wegen der erhobenen Feststellungsklage ein Streitwert von 96.000,00 EUR.
32 Eine grundsätzlich ersatzfähige 1,3-Geschäftsgebühr aus diesem Streitwert beträgt 1.953,90 EUR, und 90%
davon entsprechen 1.758,51 EUR. Der geltend gemachte Betrag in Höhe von 1.519,91 EUR ist daher in
vollem Umfang zu erstatten.
33 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
34 4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den § 709 ZPO.