Urteil des LG Stuttgart vom 25.03.2015

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LG Stuttgart Urteil vom 25.3.2015, 13 S 66/14
Drittschuldnerklage: Ersatz der Anwaltskosten für die vorgerichtliche
Zahlungsaufforderung nach unterbliebener Drittschuldnererklärung;
Kostenentscheidung bei erst in zweiter Instanz schlüssigem Klagevortrag
Leitsätze
1. Der Anspruch des Gläubigers gegen den Drittschuldner auf Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten für die erste Zahlungsaufforderung setzt nach § 840 Abs.2 S.2
ZPO voraus, dass die Nichtabgabe oder nicht rechtzeitige Abgabe der
Drittschuldnererklärung für jene Tätigkeit des Rechtsanwalts ursächlich ist. Das ist nur
dann der Fall, wenn die Hauptforderung nicht durchsetzbar ist und sich das aus der
richtig und rechtzeitig abgegebenen Drittschuldnererklärung ergeben hätte.
Anderenfalls kommt ein solcher Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten - bei der ersten Zahlungsaufforderung liegt regelmäßig kein
Verzug vor - nicht in Betracht.
2. Zu einem schlüssigen Klagvortrag für eine auf § 840 Abs.2 S.2 ZPO gestützte
Klage gehört ein Tatsachenvortrag zur Begründung der Kausalität der Nichtabgabe
oder der nicht rechtzeitigen Abgabe der Drittschuldnererklärung für die fruchtlose
Tätigkeit des Rechtsanwalts. Erfolgt der schlüssige Vortrag erst in der zweiten Instanz,
hat dies die Kostenfolge des § 97 Abs.2 ZPO.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom
21.03.2014 - Az. 18 C 4328/13 -
wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3. Das Urteil des Amtsgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Streitwert in der Berufungsinstanz: 70,20 EUR
Gründe
I.
1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung vorgerichtlicher
Anwaltskosten, die für die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung vom 03.12.2012
hinsichtlich der vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts
N., Az. …, betroffenen Forderung entstanden sind. Der Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss war der Beklagten am 17.10.2012 mit der Aufforderung
zur Abgabe der Drittschuldnererklärung zugestellt worden. Eine
Drittschuldnererklärung gab die Beklagte zunächst nicht ab.
2 Mit Schreiben vom 02.01.2013 (Anlage B 1, Bl. 104 d. A, vorgelegt vom
Klägervertreter in der Berufungsinstanz), erklärte die Beklagte gegenüber den
Klägervertretern:
3
In obiger Sache teilen wir Ihnen mit, dass wir die Pfändung vorgemerkt haben.
Aufgrund der weiteren Unterhaltsberechtigten ergibt sich nur ein pfändbares
Einkommen von aktuell 15,26 EUR. Geprüft wird gegenwärtig, wem dieser
pfändbare Betrag zusteht. Es ist davon auszugehen, dass nach Abzug der
Kosten für die Pfändung ein Betrag für Gläubiger nicht verbleibt.
4 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte
mit der Berufung.
5 Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540
Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Auf die Darstellung des Berufungsvorbringens wird
gem. § 540 Abs. 2, 313 a, 542, 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO
verzichtet.
II.
6 Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und mit einer
Begründung versehene Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
(1)
7 Die Klage ist über einen Betrag in Höhe von 70,20 EUR begründet. Der Klägerin
steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten außergerichtlichen
Anwaltskosten gem. § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu.
8 a) Der Anspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 entfällt entgegen der Ansicht der
Berufung nicht deshalb, weil die Klägervertreter bereits mit der Beantragung des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die Beklagte mandatiert waren.
Denn die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung und die
streitgegenständliche außergerichtliche Zahlungsaufforderung stellen
unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten nach dem RVG dar. Es ist
unzutreffend, wenn die Berufung davon ausgeht, dass aufgrund der bereits
erfolgten Beauftragung der Klägervertreter mit der Beantragung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses auch die außergerichtliche Durchsetzung des
Zahlungsanspruches bereits „mandatiert und begleitet, gesichert und alternativlos“
war und damit auch die außergerichtliche Zahlungsanforderung rein deklaratorisch
gewesen sei. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Beantragung eines
Pfändung- und Überweisungsbeschlusses kann nicht so ausgelegt werden, dass
damit automatisch auch die außergerichtliche Beitreibung der gepfändeten
Forderungen beauftragt wäre. Selbst wenn man den Auftrag dergestalt auslegen
würde, änderte sich hierdurch im Übrigen nichts an der gebührenrechtlichen
Trennung der Angelegenheiten.
9 b) Die Klägerin kann die entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten vorliegend
nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO ersetzt verlangen, da diese kausal durch den auf
der Nichterfüllung der der Beklagten nach § 840 Abs. 1 ZPO obliegenden Pflicht
zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung beruhenden Entschluss, die gepfändete
Forderung außergerichtlich geltend zu machen, verursacht wurde (so sinngemäß
der Leitsatz der Entscheidung BGHZ 98, 291).
10 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Anwaltskosten für eine nochmalige
Aufforderung an den Drittschuldner zur Abgabe der Erklärung und weitere
vorprozessuale Aufforderungsschreiben nicht zu erstatten sind (BGH, Urteil vom
04.05.2006, Az. IX ZR 189/04, zitiert nach juris; BGH Beschluss vom 14.01.2010,
Az. VII ZB 79/09, zitiert nach juris). Dies wird damit begründet, dass der
Pfändungsgläubiger, unterlässt der Drittschuldner die nach § 840 Abs. 1 ZPO
geforderten Angaben, von der Beitreibbarkeit des gepfändeten Anspruchs
ausgehen und diesen ohne Kostenrisiko einklagen kann (BGH, Urteil vom
04.05.2006, Az. IX ZR 189/04, Rz. 14, zitiert nach juris; BGH Beschluss vom
14.01.2010, Az. VII ZB 79/09, Rz. 14, zitiert nach juris). Der Pfändungsgläubiger
kann den Drittschuldner daher unmittelbar auf Leistung in Anspruch nehmen, ohne
weitere Schritte zu unternehmen, um den Drittschuldner zur Abgabe der Erklärung
nach § 840 Abs. 1 ZPO - worauf nach ständiger Rechtsprechung (BGH a.a.O.)
auch kein Anspruch des Pfändungsgläubigers besteht - zu veranlassen.
11 Die Kammer teilt in diesem Zusammenhang nicht die Ansicht des OLG Dresden
(Urteil vom 01.12.2010, Az. 1 U 475/10, Rz. 29, zitiert nach juris), nach der sich die
Ursächlichkeit der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung für die
Entstehung der Kosten einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung (die den
nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu ersetzenden Schaden darstellen) bereits daraus
ergibt, dass eine Veranlassung zur außergerichtlichen Zahlungsaufforderung nicht
bestehen würde, wenn sich der Drittschuldner rechtzeitig über eine bestehende
Leistungsbereitschaft erklärt hätte.
12 Denn auch in dem Fall, in dem der Drittschuldner seine Leistungsbereitschaft
positiv (und rechtzeitig) erklärt, muss er in der Folge vorgerichtlich zur Zahlung
aufgefordert werden. Würde der Pfandgläubiger seinen Leistungsanspruch bei
ausdrücklicher Erklärung der Leistungsbereitschaft durch den Drittgläubiger
nämlich ohne außergerichtliche Zahlungsaufforderung sogleich gerichtlich geltend
machen, setzte er sich prozessual dem Kostenrisiko eines sofortigen
Anerkenntnisses aus. Eine Veranlassung, den Drittschuldner zunächst
außergerichtlich zur Zahlung aufzufordern, besteht also auch in dieser
Konstellation. Die Kausalität des Unterbleibens der Drittschuldnererklärung für die
Vornahme der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung entfällt jedoch damit.
Denn Schäden, die auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten des
Schädigers entstanden wären, werden vom Schutzzweck der Haftungsnormen
regelmäßig nicht erfasst (vgl. nur Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, vor § 249 Rn. 64
m.w.N.).
Dieses Ergebnis erschließt sich auch vor dem Hintergrund folgender
Überlegungen: Ein Anspruch auf die Tragung der Kosten der Vornahme der
vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung durch einen Rechtsanwalt besteht in der
Konstellation, in der sich der Drittschuldner rechtzeitig erklärt hat, lediglich nach
den allgemeinen Regeln, normalerweise also nur unter Verzugsgesichtspunkten.
Wenn nun aber nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH,
Urteil vom 04.05.2006, Az. IX ZR 189/04, Rz. 14, zitiert nach juris; BGH Beschluss
vom 14.01.2010, Az. VII ZB 79/09, Rz. 14, zitiert nach juris) der Gläubiger im Fall
einer unterbliebenen bzw. verspäteten Drittschuldnererklärung von der
Beitreibbarkeit des gepfändeten Anspruchs ausgehen darf, also durch den sich
nicht bzw. verspätet erklärenden Drittschuldner konkludent ein entsprechender
Schein gesetzt ist, kann insofern nichts anderes gelten als im Fall einer
ausdrücklichen Erklärung des Drittschuldners.
13 Zwar kann der Gläubiger in diesem Fall gerichtlich ohne Kostenrisiko gegen den
Drittschuldner vorgehen. Denn der Gläubiger, der mangels Auskunft des
Drittschuldners gegen diesen eine nicht begründete Zahlungsklage erhoben hat,
kann im Prozess gegen den Drittschuldner Ersatz des durch die Nichtabgabe bzw.
verspätete Abgabe der Auskunftserklärung entstandenen Schadens auf
Grundlage des § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO in der Weise geltend machen, dass er von
der Leistungsklage zur Feststellungsklage übergeht (grundlegend BGH, Urteil vom
4.2.1981, Az. VIII ZR 43/80, zit. nach juris). Voraussetzung einer Haftung nach §
840 Abs. 2 S. 2 ZPO ist aber auch in dieser Konstellation, dass der entstandene
Schaden kausal durch die Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe der
Drittschuldnererklärung verursacht wurde.
14 Eine solche Kausalität besteht nach Ansicht der Kammer aber nur dann, wenn die
Forderung gegen den Drittschuldner von Beginn an nicht beitreibbar war, dies aber
erst nach einer vom Drittschuldner verspätet abgegebenen Erklärung feststeht (so
auch die Fallgestaltung im Urteil des BGH vom 4.2.1981, Az. VIII ZR 43/80, Rz. 10;
zit. nach juris). Denn nur in diesem Fall sind die Rechtsverfolgungskosten zur
Geltendmachung der Forderung unnütz aufgewandt worden. War die Forderung
gegen den Drittschuldner dagegen von Beginn an beitreibbar, so sind die
Rechtsverfolgungskosten gerade nicht aufgrund der unterlassenen bzw.
verspäteten Drittschuldnererklärung entstanden, sondern im Rahmen der
regulären Rechtsverfolgung.
15 Vorliegend hat die Klägerin durch Vorlage des Schreibens der Beklagten vom
02.01.2013 (Anlage B 1, Bl. 104 d. A.) jedoch eine Kausalität der verzögerten
Abgabe der Drittschuldnererklärung für die Entstehung der Kosten der
außergerichtlichen Zahlungsaufforderung nachgewiesen. Mit diesem nach Ablauf
der Frist für die Abgabe der Drittschuldnererklärung bei der Klägerin
eingegangenen Schreiben vom 02.01.2013 teilte die Beklagte der Klägerin nämlich
mit, dass nicht davon auszugehen sei, dass nach Abzug der Kosten für die
Pfändung ein Betrag für die Gläubiger verbleibe. Von einer Beitreibbarkeit der
gepfändeten Forderung war folglich nicht auszugehen. Wäre die Erklärung vom
02.01.2013 durch die Beklagte rechtzeitig abgegeben worden, hätte die Klägerin
von der außergerichtlichen Geltendmachung der gepfändeten Forderung
abgesehen. Es kam folglich lediglich aufgrund der verzögerten Abgabe der
Drittschuldnererklärung und des hierdurch entstandenen Anscheins der
Beitreibbarkeit der gepfändeten Zahlungsaufforderung zur vorgerichtlichen
Zahlungsaufforderung vom 03.12.2012. Die hierdurch entstandenen
vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 70,20 EUR sind demnach gemäß
§ 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu ersetzen.
III.
16 (1) Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz
1 BGB.
17 (2) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO.
18 Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsinstanz gem. § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen,
nachdem die Klägerin nach der von der Kammer vertretenen Auffassung in der
ersten Instanz unterlegen wäre und erst die Vorlage der Erklärung der Beklagten
vom 02.01.2013 in der Berufungsinstanz der Klage zum Erfolg verhelfen konnte.
Einer Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass die Klägerin
bereits in 1. Instanz obsiegt hat. Denn es ist nicht Voraussetzung, dass die
siegende Partei im vorausgegangenen Rechtszug unterlegen ist. Nach Wortlaut
und Zweck der Vorschrift kann sie auch gegenüber der in erster Instanz
siegreichen Partei in Betracht kommen (OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999
– 12 U 53/99 –, Rn. 7, zit. nach juris). Dass die Kammer eine andere
Rechtsauffassung als das Amtsgericht vertritt, ist für die Kostenfolge des § 97 Abs.
2 ZPO unerheblich. Denn die Vorschrift ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen
die in zweiter Instanz obsiegende Partei aufgrund desjenigen neuen Vortrags
obsiegt, den das Ausgangsgericht vermisst hat. Sie gilt vielmehr für alle die Fälle,
in denen das Berufungsgericht tatsächlich auf Grund des neuen Vortrages der
Klage stattgegeben hat. Auch wenn das „neue Vorbringen” vom Boden der
Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts aus unbehelflich war, bleibt zu prüfen, ob
die Partei imstande war, das neue Vorbringen schon dem Ausgangsgericht zu
unterbreiten (BGH NJW 1960, 818). Dies ist vorliegend aber der Fall. Es liegt
entgegen der Ansicht der Klägerin keine Fallgestaltung vor, in der keinerlei Anlass
zum Vortrag der entsprechenden Tatsachen gegeben war. Denn die Klägerin
machte Schadensersatz gem. § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO geltend, es lag daher nahe,
vorzutragen, ob die Beklagte eine Drittschuldnererklärung abgegeben hatte, und
falls ja, wann diese Erklärung erfolgte und mit welchem Inhalt sie abgegeben
wurde. Anspruchsvoraussetzung des § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO ist gerade die
Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß § 840 Abs. 1 ZPO. Vorliegend hatte die
Klägerin aber erstinstanzlich lediglich vorgetragen, dass die
Drittschuldnererklärung am 4.1.2013 einging, der Inhalt der Erklärung wurde nicht
dargetan, obwohl dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre.
19 (3) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708
Nr. 10, 711, 713, 542, 544 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
20 (4) Anlass, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen besteht nicht,
nachdem es für die Frage der Begründetheit der Klage nicht auf die Frage einer
möglichen Abweichung von der Rechtsprechung des OLG Dresden (Urteil vom
01.12.2010, Az. 1 U 475/10, Rz. 29, zitiert nach juris), nach der eine Begründetheit
der Klage ebenfalls anzunehmen wäre, ankommt. Die Rechtssache hat auch keine
grundsätzliche Bedeutung. Die Klägerin ist im Übrigen lediglich in der Kostenfolge
beschwert, einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung stünde § 99 ZPO
entgegen.