Urteil des LG Stuttgart vom 29.07.2015

angemessenheit der kosten, nebenkosten, aktivlegitimation, erstellung

LG Stuttgart Urteil vom 29.7.2015, 13 S 58/14
Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Höhe der ersatzfähigen
Sachverständigenkosten; Darlegungslast; Berücksichtigung der Kosten für das
Einstellen des Fahrzeugs in die Restwertbörse und der Fahrtkosten
Leitsätze
1. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann vom Schädiger und dessen
Haftpflichtversicherung in der Regel die vom Sachverständigen in Rechnung
gestellten Kosten ersetzt verlangen, es sei denn, dass diese deutlich über den
marktüblichen Preisen liegen und diese Abweichung für den Geschädigten ohne
Weiteres erkennbar war; eine Marktforschung muss er nicht betreiben.
2. Er genügt seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast nicht
schon allein durch die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommenen
Sachverständigen; für die Begründung der Indizwirkung ist vielmehr auch die
Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten erforderlich. Sollte diese
Indizwirkung nicht gegeben sein, ist Beweis zu erheben.
3. Aus Rechtsgründen nicht in Ansatz gebracht werden können die Kosten für das
Einstellen des Fahrzeugs in die Restwertbörse und Fahrtkostenersatz, soweit der
Sachverständige von mehr als 25 km Entfernung anreist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schorndorf vom
03.04.2014, AZ. 6 C 176/14, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 172,67 Euro nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
08.03.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20
Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 08.03.2014 zu zahlen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der
Beklagten werden zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz tragen die Klägerin 22 % und die
Beklagte 78 %.
Die Kosten des Rechtsstreits in II. Instanz trägt die Klägerin.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 223,25 Euro
Gründe
I.
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Die Klägerin, welche Dienstleistungen im Bereich der Forderungs- und
Honorarabrechnung anbietet, begehrt aus abgetretenem Recht die Erstattung
restlicher Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall, der sich am
14.11.2013 in Schorndorf ereignet hat. Die Beklagte haftet als
Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers unstreitig zu 100 % für die durch
den Verkehrsunfall entstandenen Schäden. Der Unfallgeschädigte hat zur
Feststellung der Höhe der ihm entstandenen Reparaturkosten und der zu
zahlenden Nutzungsentschädigung ein KfZ-Sachverständigenbüro mit der
Erstellung eines Haftpflichtschadensgutachtens beauftragt. Das
Schadensgutachten vom 15.11.2013 wies voraussichtliche Reparaturkosten in
Höhe von 6.254,17 Euro netto und einen Wiederbeschaffungswert von 7.000,00
Euro aus. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete das beauftragte KfZ-
Sachverständigenbüro 956,10 Euro netto, die sich aus 678,00 Euro netto
Grundhonorar sowie Nebenkosten in Höhe von 278 Euro (Kosten für Telefon,
Porto etc. in Höhe von 17,00 Euro, das Einstellen des Fahrzeugs in eine
Restwertbörse für 17,50 Euro, Kosten für die Fotos in Höhe von 50,60 Euro (22
Fotos zu zu je 2,30 Euro), Fahrtkosten über 50 km in Höhe von 50,00 Euro,
Schreibgebühren in Höhe von 66 Euro (22 Seiten zu je 3,00 Euro),
Schreibgebühren für die Kopien in Höhe von 44,00 Euro (22 x 2,00 Euro) und
Fotokosten für den zweiten Kopiensatz in Höhe von 33 Euro (22 x 1,50 Euro))
zusammensetzen. Der Bruttobetrag der Rechnung beträgt 1.137,76 Euro. Der
Geschädigte hat seine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte auf
Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der
Rechnung des beauftragten Sachverständigen am 15.11.2013 an das
Sachverständigenbüro abgetreten, welches die Ansprüche spätestens am
09.09.2014 wiederum an die Klägerin abgetreten hat.
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Die Beklagte hat vorprozessual einen Teilbetrag in Höhe von 914,51 Euro bezahlt
und verweigert die Bezahlung des Restbetrags. Sie ist der Ansicht, das geltend
gemachte Sachverständigenhonorar sei überhöht und sie sei zum Ersatz des
Restbetrages nicht verpflichtet.
3
Das Amtsgericht hat der Klage im Wege des angefochtenen Urteils in Höhe von
144,13 Euro stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die im Urteil
des Amtsgerichts Schorndorf vom 03.04.2014 getroffenen tatsächlichen
Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die
Klägerin hat gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung, die Beklagte
Anschlussberufung eingelegt. Beide Parteien und verfolgen ihr Anliegen in der
zweiten Instanz unverändert weiter. Von der Darstellung des
Berufungsvorbringens wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542, 544
ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
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Nachdem in I. Instanz die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten
hatte, hat die Klägerin in II. Instanz mit Schriftsatz vom 09.09.2014 eine schriftliche
Abtretungserklärung zwischen dem Sachverständigenbüro und der Klägerin
(Anlage K 5, Bl. 185 d.A.) vorgelegt. Die Kammer hat zur Frage des Umfangs der
Sachverständigenkosten ein Sachverständigengutachten (Bl. 209ff. d.A.)
eingeholt.
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der
Sache jedoch lediglich in geringem Umfang Erfolg. Die Klägerin hat lediglich im
tenorierten Umfang einen weitergehenden Anspruch auf Sachverständigenkosten
in der geltend gemachten Höhe aus abgetretenem Recht gem. §§ 7, 17 StVG, 823
BGB, 115 Abs. 1 PflVG, 249 BGB i.V.m. 398 BGB.
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1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, so dass sie gegen die Beklagte den
Schadensersatzanspruch aus §§ 7, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PflVG, 249,
398 BGB geltend machen kann. Die Beklagte hat zwar in I. Instanz und in der
Erwiderung auf die Berufung der Klägerin deren Aktivlegitimation bestritten. In I.
Instanz wurde als Anlage K 7 (Bl. 33) lediglich die Abtretungserklärung des
Geschädigten an den Sachverständigen vorgelegt. Nachdem in II. Instanz die
Abtretungserklärung des Sachverständigen an die Klägerin vom 09.09.2014 (K 5,
Bl. 185) vorgelegt wurde, ist die Aktivlegitimation der Klägerin durch die Urkunde
nachgewiesen. Beide Abtretungserklärungen sind auch hinreichend bestimmt, so
dass zwei wirksame Abtretungen vorliegen.
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2. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind grundsätzlich auch die
Kosten der Schadensfeststellung Teil des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu
ersetzenden Schadens, mithin auch die Kosten von Sachverständigengutachten,
soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind
(BGH, Urteil vom 23.12.2007, Az. VI ZR 67/06, 1450; Urteil vom 11.02.2014, Az. VI
ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Der Geschädigte ist nach
schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung
frei, er kann jedoch nach § 249 Abs. 2 BGB vom Schädiger als erforderlichen
Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt
eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des
Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen
erscheinen. Dabei ist der Geschädigte aber nach dem Begriff des Schadens und
dem Zweck des Schadensersatzes wie auch dem Rechtsgedanken des § 254
Abs. 2 Satz 1 BGB gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den
wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Jedoch darf hierbei
nicht das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB aus den Augen verloren
werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein
möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGH, Urteil vom
11.02.2014, Az. VI ZR 225/13).
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3. Zum Zweck der Erstellung eines Schadensgutachtens, welches regelmäßig von
der Haftpflichtversicherung des Schädigers vorausgesetzt wird, darf sich der
Geschädigte daher damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres
erreichbaren KfZ-Sachverständigen zu beauftragen. Er muss - wie auch das
Amtsgericht völlig richtig ausführt - nicht zuvor eine Marktforschung nach dem
honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH a.a.O. sowie im Urteil vom
22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr seiner
Rechtsprechung vom Urteil vom 11.02.2014 (Az. VI 225/13) im Urteil vom
22.07.2014 (Az. VI ZR 357/13) darauf hingewiesen, dass der Geschädigte seiner
ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast nicht schon allein durch
die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommenen Sachverständigen (so
noch im Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13), sondern ausschließlich durch
Vorlage der von ihm beglichenen Rechnung des mit der Begutachtung seines
Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen genügt. Damit bildet (ex post gesehen)
ausschließlich der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde
liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte
Aufwand bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die
Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" (ex ante zu bemessenden)
Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese Auffassung teilt die
Kammer uneingeschränkt und hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteil
vom 16. Juli 2014, Az. 13 S 54/14) nicht mehr fest.
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Dieser Beweislast ist die Klägerin nicht uneingeschränkt nachgekommen. Die
Rechnung war zwar an den Geschädigten gerichtet; jedoch nicht er, sondern die
Beklagte hat unstreitig die Rechnung des Sachverständigen bezahlt. Nachdem
gerade die Begleichung der Rechnung jedoch ein wesentliches Indizmoment
darstellt, da der Geschädigte damit bestätigt, dass die entsprechende
Preisvereinbarung getroffen wurde und die für ihn nicht vorhersehbaren Kosten
nicht einfach auf den Schädiger abgewälzt werden sollen, ist die Indizwirkung der
Angemessenheit der Kosten damit vorliegend entfallen.
10 4. Dem Geschädigten steht damit ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für das
Schadensgutachten, bestehend aus dem Grundhonorar und den tatsächlich
entstandenen Nebenkosten, zu, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht
sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist. Zumindest letzteres war
vorliegend nicht der Fall.
11 a) Ob die Gutachterkosten deutlich überhöht sind, bestimmt sich nach Auffassung
der Kammer nicht durch einen Vergleich mit von Sachverständigenverbänden
ermittelten Tabellen wie etwa derjenigen der BVSK-Honorarbefragung. Die
Kammer teilt insoweit die Einschätzung des Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom
29.07.2013, Az. 13 S 41/13), welche auch vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde
(Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Dass insbesondere die BVSK-
Nebenkostentabelle nicht zur Feststellung der im Rahmen des § 249 BGB
erforderlichen Nebenkosten geeignet ist, wird auch dadurch bestätigt, dass hierin
nicht allein auf die tatsächlich entstandenen Aufwendungen abgestellt wird,
sondern in den Nebenkosten in der Regel Gewinnanteile enthalten sind, die „bei
anderer Betrachtung dem Grundhonorar zuzurechnen wären, das dann
entsprechend höher anzusetzen wäre“ (BVSK-Honorarbefragung 2013 Nr. 8).
12 b) Die Kammer hat deswegen zur Beurteilung der Frage, ob die vom
Schadensgutachter in Rechnung gestellten Preise erheblich über den üblichen
Preisen liegen, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der vom Gericht
bestellte Sachverständige hat für die Kammer aufgrund der gewählten
Vorgehensweise, einer Umfrage bei 35 Sachverständigenbüros in der näheren
Umgebung, gut nachvollziehbar ausgeführt, dass der gewählte
Abrechnungsmodus, das Geltendmachen des Grundhonorars in Abhängigkeit von
der ermittelten Schadenshöhe zzgl. Nebenkosten, branchenüblich ist. Zur
Begründung dieses Abrechnungsmodus hat der Sachverständige ausgeführt,
dass die Grundhonorare bei geringeren Schadenshöhen teilweise nicht
kostendeckend seien, wohingegen diese bei umfangreicheren Schäden einen
besseren Kostendeckungsbeitrag leisten könnten. Diese Einschätzung kann die
Kammer uneingeschränkt nachvollziehen und hält dies auch für überzeugend,
nachdem auch der Ansatz der Höhe der Rechtsanwaltsgebühren diesen
Grundsätzen folgt. Substantiierte Einwendungen gegen die Vorgehensweise hat
auch die Beklagte nicht vorgebracht. Allein ihre Darlegungen, dass eine
Abrechnung nach Zeit günstiger wäre, rechtfertigt nicht, diesen branchenüblichen
Abrechnungsmodus im Rahmen der schadensrechtlichen Erforderlichkeitsprüfung
in Frage zu stellen.
13 Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Abrechnung der
Nebenkosten von der Kostenstruktur des Sachverständigenbüros und dessen
Auftragslage abhängt. Die verschiedenen Untergruppierungen der Nebenkosten,
die in der konkreten Abrechnungen in Rechnung gestellt werden, werden von
nahezu allen Sachverständigen in Rechnung gestellt, so dass auch diese
Vorgehensweise, wie auch vom Bundesgerichtshof bestätigt, nicht zu
beanstanden ist.
14 Der Sachverständige hat weiter festgestellt, dass sowohl das in Rechnung
gestellte Grundhonorar als auch die Nebenkosten zwar immer im oberen Bereich,
jedoch stets noch in der Spannweite der von allen Sachverständigen geltend
gemachten Beträge liegen; bei jeder Position verlangen mindestens zwei befragte
Sachverständige höhere Gebühren. Im Rahmen der mündlichen Erörterung des
Gutachtens hat der Sachverständige jedoch klargestellt, dass die von ihm
angewandte, aus Sicht der Kammer nicht zu beanstandende Methode nur über
die Gesamtbreite, d.h. bei einem Vergleich der Gesamtkosten und nicht auf die
Einzelposition bezogen stimmig ist, da die Einzelpositionen teilweise in das
Grundhonorar mit einberechnet werden. Diese Darlegungen, die mit den
Erläuterungen zur BVSK-Nebenkostentabelle übereinstimmen, kann die Kammer
uneingeschränkt nachvollziehen.
15 Der Sachverständige hat sodann festgestellt, dass die in Rechnung gestellten
Nettokosten für das Schadensgutachten in Höhe von 956,10 Euro den
Durchschnittswert um ca. 25,2% und den Höchstwert der Umfrage um ca. 6,2%
überschreiten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen (Bl. 210ff. d.A,) Bezug genommen. Damit wird deutlich, dass die
in Rechnung gestellten Kosten für das Schadensgutachten zwar sehr hoch sind
und auch am oberen Rand dessen liegen, was in Rechnung gestellt werden darf.
Sie liegen jedoch noch nicht in einem Bereich, welcher an die Sittenwidrigkeit
grenzt, so dass bereits aus diesem Grunde eine Unangemessenheit zu bejahen
wäre.
16 b) Die Überhöhung der Kosten war für den Geschädigten jedoch nicht erkennbar.
Die Kosten für das Gutachten sind zwar hoch; der „durchschnittliche“ mit der
Materie des Gebührenrechts für Sachverständige nicht befasste Geschädigte ist
jedoch mit den „üblichen“ für die konkrete Schadensfeststellung abrechenbaren
Kosten des Sachverständigen nicht vertraut. Die Kosten für das Gutachten sind
auch nicht in einem Maß überhöht, als dass ein Laie Anlass gehabt hätte, diese zu
überprüfen. Sonstige besondere Umstände, aus welchen die Geschädigte von
vorneherein den Schluss hätte ziehen können, dass der Sachverständige im
Verhältnis zum konkret entstandenen Unfallschaden ein Honorar verlangt, das die
in der Branche üblichen Sätze deutlich übersteigt, sind weder ersichtlich noch
vorgetragen. Schließlich hat auch die Beklagte zur Frage der Erkennbarkeit einer
möglichen Überhöhung des Honorars nichts vorgetragen.
17 c) Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten
die “üblichen Kosten“ überschreiten, führt auch weder dazu, dass die geltend
gemachten Kosten von vorneherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2
Satz 1 BGB für die Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch
rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen
seine Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (BGH
a.a.O.).
18 d) Die Kosten für das Schadensgutachten sind nach Auffassung der Kammer
jedoch in zwei Bereichen der Nebenkosten zu kürzen.
19 aa) Die Kosten für das Einstellen in die Restwertbörse in Höhe von 17,50 Euro
können nach Auffassung der Kammer nicht verlangt werden. Es ist nicht
nachvollziehbar, dass Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der
Schadenskalkulation über die EDV getätigt werden müssen, zusätzlich zu
bezahlen sind und nicht im Grundhonorar enthalten sind, nachdem diese
Tätigkeit den wesentlichen Teil der Arbeit des Sachverständigen bei der
Erstellung des Gutachtens darstellt. Darüber hinaus gehört die Nutzung des EDV-
Programms nebst Lizenzen zu den üblichen Vorhaltekosten eines
Sachverständigenbüros, so dass dem Schadensgutachter insoweit bereits keine
gesonderten Nebenkosten entstanden sein dürften.
20 bb) Die Kammer teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Fahrtkosten
des Schadensgutachters lediglich für einen Bereich bis 25 km, für Hin- und
Rückfahrt mithin 50 km zu erstatten sind. Im Großraum Stuttgart ist davon
auszugehen, dass im nahen Umkreis von 25 km ein Sachverständiger gefunden
werden kann, der in der Lage ist, den Schaden angemessen zu beurteilen.
Anlass, einen Sachverständigen mit einem weiteren Anreiseweg zu beauftragten,
besteht nicht; anderenfalls muss sich der Geschädigte, wie vorliegend, ein
Mitverschulden anrechnen lassen, § 254 Abs. 2 BGB.
21 cc) Danach sind von in Ansatz gebrachten Kosten für das Einstellen in die
Restwertbörse in Höhe von 956,10 Euro 17,50 Euro sowie 25,00 Euro für die
überhöhten Fahrtkosten abzuziehen. Daraus ergibt sich ein berechtigter
Rechnungsbetrag in Höhe von 913,60 Euro netto bzw. 1.087,18 Euro brutto. Auf
diesen hat die Beklagte bereits 914,51 Euro bezahlt, so dass sie noch verpflichtet
ist, weitere 172,67 Euro zu bezahlen.
22 5. Bezüglich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten und Zinsen stehen der
Klägerin entsprechende Ansprüche gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt
des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu.
III.
23 Aus den unter Ziffer II. genannten Gründen ist die zulässige Anschlussberufung
der Beklagten unbegründet.
IV.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 2 ZPO. Nachdem die Klägerin
erst in II. Instanz ihre Aktivlegitimation durch Vorlage der schriftlichen
Abtretungserklärung zwischen ihr und dem Schadensgutachter bewiesen hat, hat
sie die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
25 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO.
26 Anlass, die Revision nach § 543 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Im vorliegenden
Fall wurde mit der Beauftragung des Sachverständigen eine einzelfallbezogene
Schadensbetrachtung durchgeführt, welche gerade keine grundsätzliche
Bedeutung hat. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13
S 41/13, in welchem die Auffassung vertreten wird, das JVEG könne als
Schätzgrundlage für die Schätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden, steht
dem nicht entgegen, nachdem lediglich ein dem Tatrichter eingeräumtes
Ermessen anders ausgeübt wird.