Urteil des LG Stuttgart vom 02.12.2015

gegenleistung, geschäftsbedingung, darlehensvertrag, rückzahlung

LG Stuttgart Urteil vom 2.12.2015, 13 S 45/15
Leitsätze
Die Vereinbarung eines sog. Individualbeitrags in einem als "Individual-Kredit"
bezeichneten Verbraucherdarlehensvertrag, welcher in Abgrenzung zum "Basis-
Kreditvertrag" derselben Bank Sonderleistungen (jederzeitige
Tilgungsplanänderungen, vorzeitige Tilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung usw.)
vorsieht, stellt eine Hauptpreisabrede dar, die als Allgemeine Geschäftsbedingung
nicht der Inhaltskontrolle unterliegt.
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom
23.03.2015, Az. 5 C 2393/14, wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die vorläufige Vollstreckung
der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrages, es sei denn, dass die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Das in Ziffer 1 genannte
Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: bis 1.500 EUR
Gründe
I.
1 Die Kläger begehren als Verbraucher von der beklagten Bank die Rückzahlung
von 1.312,50 EUR nebst Verzugszinsen und vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten. Der von den Klägern bezahlte Betrag ist Bestandteil eines
Darlehensvertrages, in welchem er als „einmaliger laufzeitunabhängiger
Individualbeitrag“ bezeichnet ist. Die Beklagte bietet in ihrem Vertragsformular
wahlweise einen Basis-Kredit und einen Individual-Kredit an. Die Parteien haben
den Individual-Kredit vereinbart. Der Individualkredit bietet den Kunden
Besonderheiten, wie z.B. Änderungen des Tilgungsplans oder
entschädigungsfreie Teilrückzahlungen vor Fälligkeit. Wegen der Einzelheiten wird
auf das Vertragsformular (Anlage K4) Bezug genommen.
2 Die Kläger sind der Meinung, dass es sich bei dem Individualbeitrag um eine
Preisnebenabsprache und damit um eine sie benachteiligende, unzulässige
allgemeine Geschäftsbedingung handele. Sie stützen ihre Klage im Wesentlichen
auf die Rechtsansicht, der Individualbeitrag sei nicht zweifelsfrei den Leistungen
des Individualkredits zuzuordnen, ihm stehe keine (echte) Gegenleistung
gegenüber, jedenfalls sei nicht zu erkennen, welche Leistung wie vergütet werde,
all das sei auch nicht ausdrücklich besprochen worden. Die Beklagte geht
dagegen von einer nicht gerichtlich überprüfbaren Hauptpreisabsprache aus, die
Kläger hätten sich für das Individualpaket entschieden und für den
Individualbeitrag erkennbar einen wirtschaftlichen Vorteil als Gegenleistung
erhalten, weswegen die Vereinbarung der Inhaltskontrolle einer allgemeinen
Geschäftsbedingung standhalten würde.
3 Im ersten Rechtszug haben die Parteien, die weitere Darlehensverträge
geschlossen hatten, um diverse Forderungen sowie die Anrechnung geleisteter
Zahlungen gestritten. Darüber hat das Amtsgericht durch „Teilanerkenntnis- und
Endurteil“ entschieden, den Anspruch teilweise zugesprochen und teilweise
abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben nur die Kläger Berufung eingelegt,
gestritten wird nunmehr lediglich um die Frage, ob der Individualbeitrag
zurückzuerstatten ist.
4 Die Kläger haben im ersten Rechtszug u.a. beantragt,
5
die Beklagte zur Zahlung von 1.312,50 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten an sie zu verurteilen.
6 Die Beklagte hat im ersten Rechtszug bezüglich dieser Forderung Klagabweisung
beantragt.
7 Das Amtsgericht hat mit dem teilweise angefochtenen Urteil die Klage wegen des
Individualbeitrags und seiner Nebenforderungen abgewiesen. Das Urteil ist im
Wesentlichen auf die Begründung gestützt, dass der Individualbeitrag die
Gegenleistung für die Vorteile aus dem Individualpaket des Darlehensvertrages sei
und es sich deswegen um eine wirksame Hauptpreisabsprache handele, welche
einer gerichtlichen Kontrolle der Angemessenheit des Preises entzogen sei. Daher
stehe den Klägern kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch zu.
8 Die Kläger wenden sich gegen das Urteil des Amtsgerichtes mit der fortgesetzten
Argumentation, dass bezüglich des Individualbeitrags eine unwirksame
Vereinbarung vorliege und deswegen ein Bereicherungsanspruch bestehe.
9 Deswegen beantragen die Kläger,
10 das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen
an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 1.312,50 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit dem 24.06.2015 und
weitere 194,21 EUR zu zahlen.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Berufung zurückzuweisen.
13 Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540
Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des
Berufungsvorbringens wird auf die vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen sowie
auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
14 Die Kammer hat zunächst beschlossen, gem. § 522 Abs.2 ZPO zu verfahren, und
hat durch Beschluss vom 15.06.2015 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei,
die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Danach haben die
Kläger auf einen am 02.06.2015 ergangenen - damals nicht veröffentlichten -
Beschluss nach § 522 Abs.2 ZPO des Landgerichts Düsseldorf (Az. 8 S 58/14)
Bezug genommen, in welchem gerade umgekehrt festgestellt wurde, dass die
Vereinbarung des Individualbeitrags durch die Beklagte in Verbraucherdarlehen
offensichtlich unwirksam sei. Daraufhin hat die Kammer zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung beschlossen, von einem weiteren Verfahren nach §
522 Abs.2 ZPO Abstand zu nehmen und stattdessen gem. § 523 ZPO zu
verfahren.
II.
15 Der form- und fristgerecht eingelegten und mit einer Begründung versehenen
Berufung der Kläger bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat zu
Recht festgestellt, dass den Klägern der mit der Berufung weiter geltend gemachte
Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB nicht zusteht.
16
1.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht entschieden,
dass es sich bei dem einmaligen laufzeitunabhängigen Individualbeitrag im
Darlehensvertrag vom 24.09.2013 um eine Klausel handele, die als
Hauptpreisabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht unterliegt; auf die
Frage, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen,
kommt es deshalb nicht an.
17 Die Kläger haben den sogenannten Individualbeitrag mit Rechtsgrund an die
Beklagte geleistet. Der Darlehensvertrag ist bezüglich des Individualbeitrags nicht
gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Parteien haben zwar, wie die Kläger richtig
argumentieren, einen Verbraucherkreditvertrag gem. §§ 488, 491 BGB
abgeschlossen und die Vereinbarung des Individualbeitrags ist eine Allgemeine
Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB, weil es sich um eine für eine
Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, welche die Beklagte den
Klägern bei Abschluss des sog. Individualkredits vorgegeben hat. Darauf kommt
es hier aber letztlich nicht an, weil die Zahlung des Individualbeitrags auch unter
AGB-Gesichtspunkten wirksam vereinbart wurde.
18
2.
Der von der Beklagten für den Individualkredit vorgegebene Individualbeitrag ist
eine sogenannte Hauptpreisabsprache, die der Inhaltskontrolle des § 307 Abs.1
S.1, Abs.2 Nr.1 BGB entzogen ist. Der hier relevante Individualbeitrag
unterscheidet sich tatsächlich und rechtlich von dem in anderen
Darlehensverträgen vereinbarten Bearbeitungsentgelt. Daher kann das Ergebnis
der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer und auch des
Bundesgerichtshofs zum Bearbeitungsentgelt nicht ohne Weiteres auf den
Individualbeitrag übertragen werden. Es handelt sich um zwei unterschiedliche
Begriffe, die für verschiedene Vertragsgestaltung stehen; daher ist eine
differenzierte Betrachtung anzustellen.
19
a)
„§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf solche
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Hierunter fallen … zwar weder Bestimmungen über den Preis der
vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht
geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung. Preisnebenabreden, die keine
echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern mit denen der
Klauselverwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich
oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten
auf den Kunden abwälzt, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt, sind
hingegen der Inhaltskontrolle unterworfen … Ob eine Klausel nach diesen
Grundsätzen eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie
Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese hat sich, ausgehend
von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten
Durchschnittskunden, nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede
stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen
und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig
beteiligten Verkehrskreise verstanden wird…“ (BGH Urteil vom 13.05.2014 - XI ZR
170/13).
20
b)
Bei dem Individualbeitrag handelt es sich - anders als im Sachverhalt, welcher
der BGH-Entscheidung (zum Bearbeitungsentgelt) zugrunde lag - objektiv um die
Gegenleistung für eine zusätzlich angebotene Leistung im Interesse des Kunden.
Das ist aus dem Darlehensvertrag auch ohne Weiteres für jeden Bankkunden
ersichtlich. Der Kunde hat bei der Beklagten nach dem Vertragsformular die Wahl
zwischen dem Basis-Kredit und dem Individual-Kredit. Dass die Bank auf den
Abschluss des Individual-Kreditvertrages drängt, ist nach dem Rechtsgedanken
des Art. 247 § 8 EGBGB nicht per se unzulässig, Gründe für eine solche
Unzulässigkeit im Einzelfall sind hier nicht ersichtlich.
21 Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen ist der, dass bei
dem Basis-Kredit Art und Zeitpunkte von Tilgung und Zinszahlung von Anfang an
genau fixiert sind, während dem Kunden beim Individual-Kredit in dieser Hinsicht
zahlreiche Spielräume zugebilligt werden. Diese Spielräume haben einen
wirtschaftlichen Wert für den Kunden, dafür zahlt er den Individualbeitrag, der eine
grundlegend andere Funktion als das Bearbeitungsentgelt hat. Jenem stand
nämlich regelmäßig gerade keine Gegenleistung für den Darlehensnehmer
gegenüber, weswegen von einer kontrollfähigen und regelmäßig unwirksamen
Preisnebenabsprache auszugehen war (vgl. BGH aaO). Hier haben die Kläger
indes zusätzlich zum Hauptvertrag über die Darlehensgewährung gegen Zins eine
Zusatzleistung mit der Beklagten vereinbart, welche als Hauptpreisabrede
gesondert zu vergüten ist. Diese Vergütung muss, weil sie gerade nicht die
Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Darlehens ist, nicht
laufzeitabhängig sein. Es würde auch keinen Sinn machen, bei der Gegenleistung
für die vorzeitige, entschädigungsfreie Rückzahlung des Darlehens, diese von der
Laufzeit abhängig zu machen, weil dann umgekehrt proportional zur
Wirtschaftlichkeit die Gegenleistung desto geringer wäre, je früher zurückbezahlt
wird.
22
c)
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass aus dem Darlehensvertrag
selbst der Unterschied zwischen Basisleistung und zusätzlicher Individualleistung
nicht zu ersehen sei. Genau das Gegenteil ist richtig. In dem Vertrag ist zunächst,
der Üblichkeit und dem Gesetz (§ 492 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB)
entsprechend fixiert, wann die Kläger welche Tilgungsraten und Zinszahlungen zu
erbringen haben. Ausdrücklich aufgezählt werden sodann die abweichenden
Sondervereinbarungen mit Kunden des Individual-Kredits. Schon aus dem
Grundtext des Vertrages, aber erst recht aus der Aufzählung der Sonderrechte,
ergibt sich zweifelsfrei, dass Kunden des Basis-Vertrages diese Rechte nicht
haben, dass es für diese Kunden in der Regel bei den fixen
Rückzahlungsbedingungen bleibt und Abweichungen nur gegen Entgelt in jedem
Einzelfall in Betracht kommen. Insofern wird auch für den Darlehensnehmer
deutlich, dass der Individualbeitrag als pauschales Entgelt für die besonderen
Leistungen des Individualkredits zu zahlen ist. Dass bei der Vertragsvariante
Individual-Kredit der Individualbeitrag eben dafür zu bezahlen ist, ist genau so
offensichtlich, wie z.B. der Zusammenhang des Einzelzimmerzuschlags mit der
Buchung eines Einzelzimmers im Hotel oder der Zusammenhang zwischen der
kostenpflichtigen Sitzplatzreservierung und der Bereitstellung eines solchen
Platzes im Zug.
23
d)
Wenn die Kläger meinen, bei kundenfeindlichster Vertragsauslegung lasse sich
ein solcher Zusammenhang nicht herstellen, so ist das nicht zutreffend. Erstens
wird der Zusammenhang in Ziffer 8 der beigefügten Kreditbedingungen der
Beklagten verdeutlicht. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass der einmalige
laufzeitunabhängige Individualbeitrag Bestandteil des Individual-Kreditvertrags ist.
Zweitens listet die Beklagte in dem ebenfalls dem Vertrag beigefügten Preis- und
Leistungsverzeichnis auf, welchen Wert jede der Individualleistungen hat, wenn
der Kunde den Basis-Kredit wählt und später eine solche Leistung in Anspruch
nehmen will. Drittens ergibt sich der Zusammenhang zwischen Individualleistung
und Individualbeitrag schon sprachlich und systematisch aus dem Vertragstext.
Zwar gehen Zweifel bei der Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des
Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei aber solche Auslegungsmöglichkeiten,
die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich
in Betracht zu ziehen sind (BGH aaO). Dass hier der der Individualbetrag für die
beschriebene Individualleistung zu zahlen ist, liegt für jeden Bankkunden auf der
Hand. Ein anderer Zusammenhang ist völlig fernliegend und auch die Kläger
können eine andere Verständnismöglichkeit nicht konkret benennen. Der
Gedanke, der Kunde bekomme auf Wunsch das Individualpaket und dessen
Leistungen von der Bank geschenkt, den Individualbeitrag zahle er für
irgendetwas, nicht näher definiertes anders, erscheint der Kammer höchst
fernliegend.
24
e)
Nicht zutreffend ist auch der Einwand der Kläger, dass der Vertrag keine
zusätzlichen Leistungen enthalte, die zusätzlichen Leistungen, die der Kunde über
den Individual-Kredit erhalte, jedenfalls nicht ersichtlich seien. Diese Leistungen
sind auf Seite 1 des Vertrages ausdrücklich aufgelistet. Beispielsweise ist dort
genannt, dass der Kreditnehmer eine kostenlose Sonderzahlung in Höhe von 80
% des aktuellen Kreditsaldos leisten könne. In den Kreditbedingungen wird das
unter „Vorzeitige Rückzahlung“ näher erklärt und beim Preis- und
Leistungsverzeichnis ausdrücklich klargestellt: Beim Basis-Kredit wird eine
Vorfälligkeitsentschädigung erhoben, beim Individual-Kredit nicht. Gleiches gilt für
andere Punkte, der Kunde sieht jeweils genau den Unterschied: So kostet zum
Beispiel jede nachträgliche Zahlungsplanänderung beim Basis-Kredit 40 EUR,
beim Individualkredit nichts extra. Damit werden die beiden Vertragstypen
transparent nebeneinander gestellt, jeder Kunde kann erkennen, welche
zusätzlichen Leistungen er ähnlich einer Flatrate pauschal dazu bucht und welche
er ggf. einzeln bezahlen muss. Ob sich die Pauschale für den Kunden
wirtschaftlich lohnt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die der gerichtlichen
Überprüfung - bis hin zu der mangels entsprechenden Tatsachenvortrags hier
nicht relevanten Frage einer möglichen Sittenwidrigkeit - entzogen ist.
25
f)
In diesem Zusammenhang können sich die Kläger schließlich nicht auf eine
mangelnde Transparenz der Kalkulation des Individualbeitrags berufen. Eine
Hauptpreisabrede unterliegt gerade nicht der Kontrolle ihrer Angemessenheit. Die
Kalkulation wird von einem Vertragspartner intern vorgenommen, der andere kann
annehmen oder ablehnen. Er hat aber keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass
seine Gegenleistung exakt dem Wert der Leistung entspricht, dass sie nicht zu
anderen Zwecken verwendet wird und dass ihm das alles offen dargelegt wird.
Eine solche Offenlegungsverpflichtung ergibt sich weder allgemein aus dem
Bürgerlichen Recht noch speziell aus dem Recht der
Verbraucherdarlehensverträge (vgl. BGH Urteil vom 04.06.1997 - VIII ZR 312/96;
Urteil vom 28.01.2003 - XI ZR 156/02; Urteil vom 07.12.2010 - XI ZR 3/10). Die
Kläger können sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 29.11.02 - V ZR 105/02 und das dort in Bezug
genommene Urteil vom 20.03.1985 - VIII ZR 342/83 berufen. Unabhängig davon,
dass keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen, ging es in diesen beiden
Urteilen um die Frage, ob eine punktuell unangemessene Benachteiligung durch
einen Vorteil an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Dass es jemandem, der
sich auf einen solchen Ausgleich berufen will, im Einzelfall obliegen kann, die
Berechnung verschiedener Vor- und Nachteile offenzulegen, steht außer Frage.
Darum geht es hier aber nicht, eine unangemessene Benachteiligung ist bei der
Hauptleistungsverpflichtung nämlich nicht zu prüfen und ggf. auszugleichen.
26
3
. Die Kammer hält das mit ähnlicher Argumentation ergangene Urteil des
Landgerichts Mainz vom 18.11.2015 (3 S 47/15) für zutreffend, auf die dortige
Begründung wird Bezug genommen. Die Rechtsprechung des Landgerichts
Düsseldorf zum Individualbeitrag ist dagegen nicht geeignet, die Kammer zu einer
anderen Bewertung der Rechtslage zu veranlassen.
27
a)
Aus hiesiger Sicht zutreffend erkennt die 8. Berufungskammer des Landgericht
Düsseldorf (z.B. im Beschluss vom 02.06.2015 - 8 S 58/14), dass sich die Beklagte
in dem abgeschlossenen Individual-Kreditvertrag „nicht nur zur Überlassung der
Darlehensvaluta verpflichtet [habe], sondern darüber hinaus zur Erbringung
weiterer Leistungen“; dieses Leistungspaket grenze den Individual-Kredit von
anderen Verbraucherdarlehen ab und stelle dem Kunden zusätzliche Leistungen
zur Verfügung. Nicht für überzeugend hält die Kammer dagegen die dort folgende
Argumentation, die zusätzlichen Leistungen seien unbeachtlich, weil es sich
ungeachtet der Zusatzleistungen eben doch nur um einen
Verbraucherdarlehensvertrag handele. Dass es sich mit und ohne
Zusatzleistungen um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, ist zwar sicher
richtig und zwischen den Parteien - jedenfalls hier - auch nicht umstritten. Das ist
aber nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr ist die Frage zu beantworten, ob
die angebotenen Zusatzleistungen eine Gegenleistung für den Individualbeitrag
darstellen (das war auch beim Bearbeitungsentgelt die relevante Fragestellung in
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Urteile vom 13.05.2014 - XI ZR
170/13 u.a.). Die Formulierung des Landgerichts Düsseldorf „ungeachtet der
Zusatzleistungen“ konstatiert nur, dass die Zusatzleistungen unbeachtlich seien,
begründet aber nicht warum. Deswegen ist es der hiesigen Kammer nicht möglich,
sich mit dieser Argumentation, auf die sich die Kläger berufen, näher
auseinanderzusetzen. Die später folgenden Ausführungen im Düsseldorfer
Beschluss zu der Bewertung und Abwägung der Zusatzleistungen und des
Individualbeitrags finden ersichtlich im Rahmen der Inhaltskontrolle des § 307
Abs.1 S.1 BGB statt. Diese Norm ist aber nicht anwendbar, weil § 307 Abs. 3 Satz
1 BGB solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der
Inhaltskontrolle ausnimmt, durch welche der Preis der vertraglichen Hauptleistung
festgelegt wird, worunter auch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht
geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung fallen (BGH aaO). Soweit die
Kläger versuchen zu argumentieren, Leistung und Gegenleistung stünden in
keinem angemessenen Verhältnis, deswegen sei die Leistung nichts wert,
deswegen unterliege die Vereinbarung der Gegenleistung der Inhaltskontrolle,
weswegen die Unangemessenheit des Verhältnisses von Leistung und
Gegenleistung mit der Folge der Unwirksamkeit der Vereinbarung festgestellt
werden könne, handelt es sich um einen unzulässigen Zirkelschluss. Zunächst ist
lediglich zu prüfen, ob eine Zusatzleistung von nicht unerheblichem
wirtschaftlichen Wert angeboten wird. Ist das - wie hier - der Fall, dann findet eine
Inhaltskontrolle der Gegenleistung nicht statt.
28 Zu einer neuen Beurteilungen der Rechtlage gelangt die Kammer auch nicht durch
den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17.07.2015 (8
S 20/15), welcher zwar die Divergenz zur Rechtsprechung der Landgerichte Mainz
und Stuttgart erkennt und benennt, aber gleichwohl gem. § 522 Abs.2 ZPO verfährt
und lediglich ausführt, der hiesigen Argumentation „vermag die Kammer … nicht
beizutreten“.
29
b)
Die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat sich in dem hier
relevanten Streitpunkt weitgehend der Rechtsprechung der dortigen 8. Zivilkammer
angeschlossen; auch das Urteil vom 08.07.2015 (12 O 341/14) überzeugt
deswegen die hier zur Entscheidung berufene Kammer nicht. Ebenso wenig kann
die hiesige Kammer der semantischen Analyse, der Individualbeitrag sei nicht
eindeutig die Gegenleistung für die Leistungen des Individual-Kredits, weil er nur
„Individualbeitrag“ und nicht etwa „Individualkreditbeitrag“ heiße, folgen. Die
Annahme, ein im Rahmen eines Darlehensvertrages mit zusätzlichem
Individualpaket gesondert zu zahlender Individualbeitrag, heiße aus Sicht des
Kunden nicht etwa so, weil er die Gegenleistung für die gleichnamige Extraleistung
darstelle, sondern einfach nur deswegen, weil er individuell berechnet und
vereinbart worden sei, ist im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu § 305c BGB (BGH
aaO) zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht
ernstlich in Betracht zu ziehen. Sollte es sich - auch aus Sicht des Kunden - hier
um einen individuell vereinbarten Zusatzbetrag handeln, wäre zudem in Frage zu
stellen, ob eine solche Individualvereinbarung überhaupt eine allgemeine
Geschäftsbedingung sein kann. Jedenfalls springt der Zusammenhang zwischen
dem Individual-Kredit in Abgrenzung zum Basis-Kredit und dem Individualbeitrag in
einer Vertragsurkunde dermaßen ins Auge, dass jede andere Bedeutung als
konstruiert und damit fernliegend anzusehen ist (s.o.2 c,d).
30
4.
Die Kläger haben mangels Hauptforderung auch keinen Anspruch gem. §§ 288,
291 BGB auf Ersatz der geltend gemachten Zinsen und der vorgerichtlichen
Anwaltskosten als Verzugsschaden.
III.
31 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO; der Ausspruch
über die Vollstreckbarkeit des amtsgerichtlichen Urteils ergibt sich aus § 708 Nr.10
Satz 2 ZPO. Nachdem das Landgericht Düsseldorf wiederholt über einen
vergleichbaren Sachverhalt zu entscheiden hatte und in dem streitentscheidenden
Punkt zu einer von der Kammer und auch vom Landgericht Mainz abweichenden
Rechtsauffassung gelangt ist, wird zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung gem. § 543 ZPO die Revision zugelassen.