Urteil des LG Stuttgart vom 17.06.2015

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LG Stuttgart Urteil vom 17.6.2015, 13 S 105/14
Kfz-Unfall mit einem Mietwagen aus einem EG-Mitgliedstaat in Deutschland:
Direktanspruch des Geschädigten gegen das Deutsche Büro Grüne Karte e.V.
Leitsätze
Wird bei einem Verkehrsunfall in Deutschland durch einen im europäischen Ausland
zugelassenen Mietwagen ein Schaden verursacht, steht dem Direktanspruch des
Geschädigten gegen das Deutsche Büro Grüne Karte e.V. nicht entgegen, dass der
Geschädigte außer den Daten des Fahrzeugs, dem Namen und der Adresse der
Mietwagenfirma sowie dem Namen des Fahrers nicht auch dessen Anschrift nennen
kann.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad
Cannstatt vom 27.05.2014, Az.: 5 C 3193/13, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.354,00 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.08.2013
sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
03.01.2014 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 70 % und der Beklagte 30 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 4.268,88 EUR.
Tatbestand
I.
1 Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Verurteilung zur Leistung von
Schadensersatz an die Klägerin nach einem Unfall auf dem Parkplatz … vom
03.08.2012.
2 Der Ehemann der Klägerin, der deren Fahrzeug auf dem öffentlichen Parkplatz beim
Porsche-Museum in der … abgestellt hatte, fand dieses bei Rückkehr beschädigt
vor. Außerdem befand sich am Fahrzeug ein Zettel mit dem Wortlaut:
3 „We are very sorry!!! We are broke your car at the right side. The information about
us: our car vom … Driver: S. I.“.
4 Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gemäß § 540
Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Auf die Darstellungen des Berufungsvorbringen wird
gemäß §§ 140 Abs. 2, 313 a, 542, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
5 Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und mit einer
Begründung versehene Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die Klage ist über einen Betrag von 1.354,00 EUR zuzüglich Zinsen und
vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR zuzüglich Zinsen
begründet.
6 1. Der Klägerin steht in dieser Höhe gegen den Beklagten als Passivlegitimierten
ein Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall aus
§§ 2 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, 6, 8 a AuslPflVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m.
§ 7 StVG zu.
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a) Die Voraussetzungen eines Direktanspruches gegen den Beklagte sind
gegeben.
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Vorliegend ist es vorliegend im Inland zu einem Schadensfall mit einem
ausländischen Kfz gekommen. Der Beklagte ist damit als das Deutsche Büro
Grüne Karte e.V. passivlegitimiert, denn im Rahmen des Grüne-Karte-Systems hat
er gemäß §§ 2 Abs. 1 lit. b, 6 AuslPflVG i.V.m. 115 VVG neben dem
ausländischen Versicherer die Pflichten eines Haftpflichtversicherers zu
übernehmen.
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aa) Der Einwand des Beklagten, eine Eintrittspflicht sei nicht gegeben, da die
Klägerin nicht alle erforderlichen Informationen zu den Unfallbeteiligten habe
liefern können, verfängt nicht. Es kann nicht zur Voraussetzung des Eintretens
des Beklagten gemacht werden, dass die Klägerin vorliegend die Anschrift des
unfallbeteiligten Fahrers nennt bzw. eine Kopie dessen Ausweises vorlegt. Zwar
wird in der Literatur teilweise die Angabe der Anschrift der direkt am Unfall
Beteiligten als Voraussetzung des Direktanspruchs gegen den Beklagten genannt
(vgl. Böhme-Biela, Kraftverkehrs-Haftpflichtschäden, 25. Aufl. 2013, Kap. 13, Rz.
37; MüKo, BGB, 6. Aufl. 2015, II-VO, Art. 18, Rn. 24, belegt allerdings lediglich mit
einem Hinweis auf das auch hier vorgelegte Merkblatt des Deutschen Büros
Grüne Karte e.V., Bl. 47 d.A.). Dies ist nach Ansicht der Kammer aber
unzutreffend.
10 Für den Direktanspruch gegen den Beklagten gelten nach § 6 Abs. 1 AuslPflVG
die Vorschriften der §§ 115 bis 118 VVG entsprechend (die Gesetzesverweisung
in § 6 Abs. 1 AuslPflVG auf § 3 Nr. 1 bis 4 und 6 bis 11 PflVG ist dabei überholt, an
ihre Stelle treten die Vorschriften der §§ 115 bis 118 (vgl.
Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, § 6, Rn. 1)).
Voraussetzung des Direktanspruches ist dabei, dass der Anspruchsinhaber
seinen Anspruch nach den allgemeinen Regelungen zum Schadensersatz dem
Grunde und der Höhe nach zu beweisen hat (vgl. Feyock/Jacobsen/Lemor,
Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Rn. 6) und auch die versicherungsrechtlichen
Vorgaben eingehalten werden.
11 Nach Ansicht der Kammer kann zur Frage der vom Anspruchsinhaber zu
machenden Angaben auch ohne ausdrückliche Verweisung der Regelungsgehalt
des § 119 VVG herangezogen werden. Nach § 119 Abs. 3 S. 1 VVG kann der
Versicherer von dem Dritten (hier die Klägerin) Auskünfte verlangen, soweit sie zur
Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich
sind. Insofern sind allerdings lediglich sachdienliche Fragen zu beantworten.
12 Die nach dieser Vorschrift zu erteilenden sachdienlichen Auskünfte hat die
Klägerin vorliegend erteilt. Denn in der Sache hat die Schadensregulierung nach
Art. 40 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht als Recht des Begehungsortes zu
erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1971, Az.: VI ZR 97/70; Greger-Zwickel,
Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 15, Rn. 64). Damit ist
sachrechtlich § 7 StVG als Anspruchsnorm einschlägig, der eine Halterhaftung
statuiert. Bei einem Unfall mit einem Mietfahrzeug muss es daher ausreichen,
wenn der Geschädigte gegenüber dem Beklagten Angaben zum Halter des am
Unfall beteiligten Fahrzeuges macht. Die Angaben zum Fahrzeughalter sind durch
die Klägerin aber vollständig gemacht worden und durch den Beklagten auch nicht
moniert worden. Mit den Informationen zum Autovermieter als Halter des
schädigenden Fahrzeuges hatte der Beklagte aber die zur Identifizierung des
Haftenden (und damit auch dessen ausländischer Versicherung) erforderlichen
Informationen. Inwiefern der Beklagte, die ausländische Versicherung oder der
Halter des Fahrzeuges Regress beim Fahrer des Fahrzeuges nehmen kann, ist
nach deutschem Haftungsrecht für die Frage der Einstandspflicht gegenüber dem
Geschädigten irrelevant. Ob der Unfallverursacher selbst durch das
Mietwagenunternehmen identifiziert werden kann, ist dessen eigenes, mit einer
Autovermietung stets einhergehendes Risiko.
13 Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, eine Kopie des Ausweises des
gegnerischen Fahrers vorzulegen. Nach § 119 Abs. 3 S. 2 VVG sind nur Belege
vorzulegen, die vorhanden sind oder leicht beschafft werden können (vgl.
Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 119, Rn. 12). Eine Ausweiskopie war bei der
vorliegenden Sachlage aber weder vorhanden noch leicht zu beschaffen.
14 Auch wenn man sich nicht ausdrücklich auf § 119 Abs. 3 S. 2 VVG stützte, muss
es nach Ansicht der Kammer beim sachrechtlichen Eingreifen einer Halterhaftung
zur Begründung der Einstandspflicht des Beklagten ausreichen, wenn der
Geschädigte ausreichende Angaben zur Identifizierung des Halters des
Unfallfahrzeuges macht.
15 2. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach gem.
§ 7 StVG sind gegeben. Die Beklagte hat die Verursachung des Unfalls durch das
streitgegenständliche Mietfahrzeug nicht wirksam bestritten. Alleine der Vortrag, die
Ermittlung des angeblichen Fahrers sei nicht möglich ist, kein hinreichend
substantiiertes Bestreiten des von Klägerseite vorgetragenen Unfallhergangs.
16 3. Die Klägerin hat allerdings lediglich einen Anspruch in Höhe von 1.354,00 EUR.
17 Einen höheren Schaden hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Sie hat insofern
vorgetragen, dass die Reparatur des Fahrzeuges 1.200,00 EUR gekostet habe.
Zuzüglich einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR und Nutzungsausfall
für 3 Tage á 43,00 EUR = 129,00 EUR, ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden in
Höhe von 1.354,00 EUR. Für die Notwendigkeit einer Wiederbeschaffung im Wert
von 3.500,00 EUR, Ab- und Anmeldekosten und eines Nutzungsausfalls von 14
Tagen trägt die Klägerin keine Tatsachen vor. Unschlüssiger Tatsachenvortrag
muss aber nicht bestritten werden. Insofern war die Klage daher als unbegründet
abzuweisen.
II.
18 Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1
BGB. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten aus einem Streitwert
von 1.254,00 EUR, was 201,71 EUR entspricht, ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286
Abs. 1 S. 1 BGB.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 542, 544 ZPO
i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
III.
20 Anlass, die Revision nach § 543 ZPO zuzulassen, besteht nicht, weil die
Rechtssache als Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.