Urteil des LG Stuttgart vom 19.06.2009

LG Stuttgart (tätigkeit, gebühr, notar, beschwerde, beurkundung, handelsregister, bescheinigung, wert, gesellschafter, umsatzsteuer)

LG Stuttgart Beschluß vom 19.6.2009, 10 T 507/08
Zum Ansatz einer Notargebühr für die Unterzeichnung und Einreichung einer geänderten
Gesellschafterliste beim Handelsregister
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin wird die Kostenrechnung des Kostengläubigers Nr. 105807 vom
16.12.2008 zur Urkunde UR I Nr. 1298/2008 abgeändert und der von der Kostenschuldnerin zu entrichtende Betrag
auf 29,50 EUR zuzüglich 5,61 EUR Umsatzsteuer, insgesamt also auf 35,11 EUR festgesetzt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert : 57,12 EUR.
Gründe
I.
1
Mit der streitgegenständlichen Kostenrechnung vom 16.12.2008 berechnete der Kostengläubiger der
Kostenschuldnerin nach Beurkundung eines GmbH-Geschäftsanteils Kauf- und Übertragungsvertrags für die
Fertigung einer Gesellschafterliste eine 5/10 Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO aus einem Wert von 5.112,92
EUR (20% des Stammkapitals von 25.564,59 EUR) mit 24,00 EUR und eine 10/10 Gebühr für seine aus § 40
Abs. 2 Satz 1 GmbHG resultierende Tätigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO ebenfalls aus einem Wert von
5.112,92 EUR mit 48 EUR, zuzüglich Abrufgebühren für das elektronische Handelsregister mit 4,50 EUR und
Dokumentenpauschale mit 1,00 EUR insgesamt mithin netto 77,50 EUR bzw. brutto incl. 19% Umsatzsteuer
92,23 EUR.
2
Mit Schreiben an den Notar vom 16.12.2008 wendete sich die Kostenschuldnerin gegen die nach § 50 KostO
angesetzte Gebühr mit dem Vorbringen, es handele sich bei der in Rechnung gestellten Tätigkeit des Notars
um eine Nebenpflicht im Rahmen der Beurkundung der Geschäftsanteilsübertragung, für die eine gesonderte
Gebühr nicht verlangt werden könne. Auch im vergleichbaren Fall des § 54 Abs. 1 GmbHG dürfe eine Gebühr
für die Bescheinigung der Vollständigkeit des Wortlauts des Gesellschaftsvertrags nicht verlangt werden.
3
Der Kostengläubiger half den Einwendungen unter dem 17.12.2008 nicht ab und beantragte die Entscheidung
des Landgerichts. Er beruft sich auf die überwiegende Auffassung der Kostenliteratur und bringt vor, die
Bescheinigung des Notars nach § 40 GmbHG gehe über die Wortlautbescheinigung des § 54 GmbHG weit
hinaus, weil der Notar auch Umstände zu berücksichtigen habe, die außerhalb des eigentlichen
Urkundsvorgangs lägen wie beispielsweise der Eintritt von Bedingungen oder das Vorliegen eventuell
erforderlicher Genehmigungen. Diese eigenständige Tätigkeit, die keine bloße Nebentätigkeit sei, erfordere eine
gesonderte Vergütung.
4
Der Bezirksrevisor wendet sich in seiner Stellungnahme vom 9.3.2009 gegen den Ansatz einer Gebühr nach §
50 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Er ist der Auffassung bei der aus § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG resultierenden Tätigkeit
handele es sich um ein Nebengeschäft, weil der Notar mit der Einreichung der bescheinigten
Gesellschafterliste eine gesetzliche Verpflichtung erfülle.
5
Wegen Einzelheiten zu den im Einzelnen von den Beteiligten vertretenen Rechtsstandpunkten wird auf den
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
6
Nachdem der Kostengläubiger auf die ihm gegenüber erhobenen Einwendungen der Kostenschuldnerin die
Entscheidung des Landgerichts beantragt hat, sind die Einwendungen als Notarkostenkostenbeschwerde im
Sinne von § 156 KostO zu behandeln (§ 156 Abs. 1 S. 3 KostO).
7
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
8
Die Kammer schließt sich der von dem Bezirksrevisor vertretenen Auffassung an, wonach der Notar für seine
Tätigkeit nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Gebühr nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO nicht beanspruchen
kann.
9
Zutreffend weist der Bezirksrevisor darauf hin, dass die Gebühr nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 KostO nur entstehen
kann, wenn die Erteilung von Bescheinigungen über Tatsachen oder Verhältnisse, die urkundlich nachgewiesen
oder offenkundig sind, nicht ein bloßes Nebengeschäft im Sinne von § 35 KostO darstellt (Hartmann,
Kostengesetze, 38. Aufl. § 50 KostO Rn. 3). Um ein solches handelt es sich aber, wenn der Notar in Erfüllung
von § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nach Mitwirkung an einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter
oder des Umfangs ihrer Beteiligung die Liste der Gesellschafter anstelle der Geschäftsführer unterschreibt und
zum Handelsregister einreicht.
10 Nebengeschäft im Sinne von § 35 KostO ist alles dasjenige, was mit dem Hauptgeschäft so eng
zusammenhängt, dass es nicht als ein selbständiges Geschäft in Erscheinung tritt. Hierzu zählt alles, was im
Verhältnis zum Hauptgeschäft keine zentrale Bedeutung hat, und das jedenfalls erfolgt, um das Hauptgeschäft
vorzubereiten oder seinen Vollzug zu fördern und den mit diesem beabsichtigten Erfolg herbeizuführen (OLG
Hamm FGPrax 2005, 232; Hartmann a.a.O. § 35 KostO Rn. 4). Ein Nebengeschäft liegt vor, wenn die Tätigkeit
zur Vorbereitung und Herbeiführung des Rechtserfolgs des Hauptgeschäfts erforderlich ist (OLG Celle DNotZ
91, 415). Mithin ist all das Nebengeschäft, was zum Pflichtenkreis des Notars gehört und deshalb ohne
besonderen Auftrag zur sachgemäßen Erledigung des Hauptgeschäftes auszuführen ist (OLG Stuttgart JurBüro
1984, 1078 = Justiz 1984, 136). Umgekehrt gilt dasjenige, was der Notar ohne einen Verstoß gegen seine
Amtspflicht ablehnen kann, nicht als Nebengeschäft.
11 Dies berücksichtigt stellt die Unterschrift der aktualisierten Gesellschafterliste und ihre Einreichung beim
Handelsregister ein Nebengeschäft zur Beurkundung einer Geschäftsanteilsübertragung dar, weil der Notar zu
dieser Tätigkeit nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG verpflichtet ist. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin
darauf hin, dass eine Parallele zur nach § 54 GmbHG vom Notar zu erteilenden Bescheinigung des neuen
vollständigen Wortlauts des Gesellschaftsvertrags gezogen werden kann. Auch diese ist wegen der
Ausführungsverpflichtung des Notars Nebengeschäft im Sinne von § 35 GmbHG. Dass § 47 KostO insoweit
ausdrücklich klarstellt, dass ein gebührenfreies Nebengeschäft im Sinne von § 35 KostO vorliegt, rechtfertigt
nicht den Schluss, dass die aus § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG resultierende Tätigkeit des Notars kein
gebührenfreies Nebengeschäft darstellt, weil eine klarstellende Norm allein keinen eigenen Regelungsgehalt
beinhaltet, sondern nur auf einen bereits ohne sie geltenden Grundsatz hinweist. Das Argument der
Gegenauffassung, eine entsprechende Anwendung des § 47 KostO sei wegen des im Kostenrecht geltenden
Analogieverbots ausgeschlossen, greift nicht, da das aus § 1 Satz 1 KostO folgende Analogieverbot (vgl.
hierzu BGH NJW-RR 2006, 1003; OLG Köln, Beschluss vom 1.3.2009 Az. 2 Wx 14/09) lediglich die
entsprechende Anwendung einer Gebührenvorschrift zulasten des Kostenschuldners ausschließt; die analoge
Anwendung des § 47 KostO sich aber zugunsten des Gebührenschuldners auswirkt.
12 Zu Recht weist der Bezirksrevisor schließlich darauf hin, dass die von dem Kostengläubiger dargestellten
Kriterien der Verantwortung und des Aufwands bei der kostenrechtlichen Betrachtung keine Berücksichtigung
finden können.
13 Die angegriffene Notarrechnung war nach alledem um den Bruttobetrag von 57,12 EUR auf den Bruttobetrag
von 35,11 EUR zu reduzieren.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 156 Abs. 5 Satz 1 KostO, die Anordnung der Erstattung
außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.
15 Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, zu der veröffentlichte
Rechtsprechung bislang nicht vorliegt, war die weitere Beschwerde nach § 156 Abs. 2 Satz 1 KostO
zuzulassen.
16 Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 II, 30 I KostO.