Urteil des LG Stuttgart vom 07.08.2003

LG Stuttgart: gemeinschaftspraxis, gesellschafter, einsichtnahme, vergütung, örtliche zuständigkeit, sachliche zuständigkeit, gesellschaftsvertrag, gewinnbeteiligung, buchführung, geschäftsführung

LG Stuttgart Urteil vom 7.8.2003, 27 O 228/02
Ein Gesellschaftsvertrag über eine Gemeinschaftspraxis gleichberechtigter Gesellschafter erfordert neben der notariellen Beurkundung die
Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.
Leitsätze
1. Läßt sich ein Gesellschaftsvertrag zwischen den Zahnärzten einer Gemeinschaftspraxis nicht feststellen, so ist die tatsächliche Handhabung für
die Beurteilung des Status des jeweiligen Arztes maßgebend.
2. Erfüllt ein Zahnarzt die typischen Merkmale eines Arbeitnehmers mit Ausnahme des Umstandes, daß er bei der Ausübung der zahnärztlichen
Tätigkeit weisungsfrei ist, so ist er nicht als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis anzusehen.
3. Nach seinem Ausscheiden steht ihm weder eine Gewinnbeteiligung noch eine Abfindung zu.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
3. Wegen der Kosten ist das Urteil zu Gunsten der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt Einsichtnahme in die Buchhaltung und in sämtliche Abrechnungsunterlagen der Beklagten, die den Zeitraum vom
01.10.1999 bis 30.09.2002 betreffen.
2
Der Kläger praktizierte als Zahnarzt und als Arzt für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie ab 01.10. 1999 - so die Darstellung des Klägers- bzw.
nach Behauptung der Beklagten - ab 01.11.1999 bis 30.09.2002 in der zahnärztlichen und kiefer- und gesichtschirurgischen
Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 1-3. Ein weiterer Arzt, Herr Dr. Schneider, schied im 2. Quartal 2000 aus der Gemeinschaftspraxis aus.
3
Ein schriftlicher bzw. notariell beglaubigter Gemeinschaftspraxisvertrag existiert nicht.
4
Auch eine mündliche Vereinbarung über die Ausgestaltung der Gemeinschaftspraxis im einzelnen wurde zwischen den Parteien nicht getroffen.
5
Der Zulassungsausschuss für Zahnärzte genehmigte durch Beschluss vom 24.9.1999 den Formularantrag des Klägers (Blatt 44/46) auf
Ausübung einer Gemeinschaftspraxis mit den Beklagten ab 1.10.1999 (Blatt 7/8), ein entsprechender Beschluss des Zulassungsausschusses für
Ärzte erging am 25.8.1999 (Blatt 9/10). Beschlüsse über die Beendigung der Gemeinschaftspraxis per 30.9.2002 ergingen am 21.8. bzw.
13.9.2002 (Blatt 11/14).
6
Am Vermögen der Gemeinschaftspraxis war der Kläger nicht beteiligt.
7
Er wurde auch nicht in die Verträge der Praxis, wie z. B. in den Mietvertrag, mit aufgenommen. Weder auf dem Praxisschild noch auf dem
Briefpapier fand der Name des Klägers Erwähnung, geführt wurde er nur auf dem Abrechnungsstempel der KZV bzw. KV.
8
Der Kläger hatte keine Verfügungsbefugnis über die Praxiskonten, an der Geschäftsführung bzw. Vertretung der Gemeinschaftspraxis war er
nicht beteiligt. An Mitarbeiterbesprechungen hat er niemals teilgenommen, mit organisatorischen, finanziellen, abrechnungstechnischen Fragen
oder dergleichen war er nicht befasst.
9
Völlig selbstständig war er allerdings im Hinblick auf seine ärztliche bzw. zahnärztliche Tätigkeit.
10 Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit - 35 Stunden pro Woche - eine feste monatliche Vergütung von 12.000 DM, ab 1.1.2002 den
entsprechenden Betrag von 6.135,50 EUR. Im Jahre 2001 bat der Kläger um eine Erhöhung der Bezüge auf 16.000 DM pro Monat, die Beklagten
waren damit jedoch nicht einverstanden, weshalb es bei der ursprünglichen Vergütung verblieb.
11 Dieser Betrag wurde unter dem Konto "Personalkosten“ als Betriebsausgaben verbucht. Der Kläger hat seine Einkünfte als " Einkünfte aus
selbstständiger Tätigkeit " versteuert.
12 Eine darüber hinausgehende Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Gewinnbeteiligung wurde weder schriftlich noch mündlich
getroffen.
13 Der Kläger beendete seine Tätigkeit bei den Beklagten auf eigenen Wunsch durch mündliche Kündigung zum 30.9.2002.
14 Erstmals nach dem Ausscheiden aus der Praxis begehrte der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2002 (Bl.76)
Einsicht in die Buchhaltung bzw. in die Abrechnungsunterlagen. Die Beklagten lehnten die Einsichtnahme in ihre Unterlagen strikt ab. Der Kläger
beanspruchte die Einsicht um restliche Gewinnansprüche bzw. Abfindungsansprüche der Höhe nach beziffern zu können.
15 Der Kläger behauptet, die Parteien hätten sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden, der er als gleichberechtigter Gesellschafter
bis zu seinem Ausscheiden angehört habe. Anders als in der Form der Partnerschaftsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft sei der Betrieb einer
Gemeinschaftspraxis nicht zulässig. In Praxisführung und Berufsausübung, insbesondere in Bezug auf den zahnärztlichen und ärztlichen
Tätigkeitsbereich seien die Gesellschafter gleichberechtigt bei der Erfüllung ihres medizinischen Auftrages tätig gewesen. Unerheblich sei, dass
laut Beschluss des Zulassungsausschusses der Nachweis der gleichberechtigten Teilhaberschaft nicht erbracht worden sei, dieser Umstand
beruhe allein darauf, dass kein schriftlicher Vertrag vorgelegt worden sei.
16 Nach seinem Ausscheiden befinde sich die Gesellschaft nun in der Auseinandersetzung.
17 Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die gemeinsam erzielten Einnahmen seien gem. § 722 Abs.1 BGB in Ermangelung einer anderweitigen
Vereinbarung unter den Gesellschaftern zu verteilen, ihnen stünden gleiche Anteile am Gewinn und Verlust zu.
18 Die Darstellung der Beklagten sei unzutreffend, sie wollten den Kläger faktisch wie einen Arbeitnehmer behandeln. In diesem Falle wären
nämlich nach Auffassung des Klägers sämtliche Honorarabrechnungen für den Zeitraum der Gemeinschaftspraxis unrichtig und es hätten
außerdem Sozialabgaben für den Kläger von der Gemeinschaftspraxis abgeführt werden müssen.
19 Um die ihm zustehenden, restlichen Gewinn- und Abfindungsansprüche geltend machen zu können und gegebenenfalls um Kontrollrechte aus §
716 BGB ausüben zu können, benötige er Einsicht in die Buchführungs- und Vertragsunterlagen der Gemeinschaftspraxis. Der Umstand, dass er
diese Rechte während der kurzen Zeit der Gemeinschaftspraxis nicht wahrgenommen habe, weil er sich auf die ordnungsgemäße
Geschäftsführung durch den Beklagten Ziff. 1 verlassen habe, sei ohne Belang.
20 Für die zurückliegenden Jahre gebe es noch keine Gewinnverteilung, eine einheitliche Gewinn- und Verlustfeststellung der Gemeinschaftspraxis
sei ihm bis heute nicht vorgelegt worden.
21 Unerheblich sei auch der Umstand, dass der Kläger am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt gewesen sei. Eine Kapitalbeteiligung sei nicht
nötig um eine Gesellschafterstellung zu begründen.
22 Eine Einigung über eine Gewinnverteilung sei zwischen den Parteien nicht zustandegekommen. Es sei auch nicht vereinbart worden, dass der
Kläger im Falle seines Ausscheidens keine Abfindung erhalte und dass er keinerlei Rechte auf Einsicht in die Bücher, Kontozugriff, Vertretung
etc. habe. Gerade weil man sich über maßgebliche Punkte nicht habe einigen können, sei die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten
beendet worden.
23 Außerdem befürchte er nach seinem Ausscheiden haftungsrechtliche Konsequenzen. Es sei nicht auszuschließen, dass die gegenüber dem
Finanzamt abgegebenen Erklärungen unzutreffend seien, es könnten Ansprüche des Finanzamts oder auch von anderen Gläubigern auf ihn
zukommen. Er habe daher die Gesellschafter mehrfach aufgefordert, ihm Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen und die Buchführung zu
gewähren, dies sei ihm jedoch verweigert worden.
24 Der Kläger beantragt,
25 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
26 I. dem Kläger Einsichtnahme in die Buchführungsunterlagen und Vertragsunterlagen der Gemeinschaftspraxis Dr. Dr. S., Dr. S.-G., B., Dr. S. für
den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 30.09.2002 zu gewähren, insbesondere in die:
27 1. Konten der Buchhaltung
28 2. Bankauszüge des Gemeinschaftspraxiskontos bei der Volksbank AG im Kreis Böblingen, Konto-Nr. 203 302 028, BLZ 603 900 00
29 3. Honorarabrechnungen mit der KZV Stuttgart für die Quartale 4/99 bis 3/02 einschließlich der Leistungsübersichten, Nachweise für
Abschlagszahlungen und Schlusszahlungen sowie Honorarabrechnungsbescheide, Degressionsbescheide, Honorarrückforderungsbescheide
und Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheide
30 4. Honorarabrechnungen mit der KV Nord-Württemberg für die Quartale 4/99 bis 3/02, einschließlich der Leistungsübersichten, Nachweise für
Abschlagszahlungen und Schlusszahlungen sowie Honorarabrechnungsbescheide, Fallzahlzuwachsbegrenzungsbescheide,
Honorarrückforderungsbescheide und Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheide
31 5. Abrechnungen mit Privatpatienten
32 6. Unterlagen und Verträge zu Abrechnungen der ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen mit dem Krankenhaus Sindelfingen aus
Konsiliartätigkeit
33 7. Unterlagen und Zahlungsbelege zur Abrechnung der belegärztlichen Tätigkeit mit dem Verband der Angestellten Krankenkassen
34 8. Alle Einnahmen und Ausgabenbelege der Gemeinschaftspraxis, Miet- und Leasingverträge, Arbeitsverträge etc.
35 II. Dem Kläger zu gestatten, sich entsprechende Ablichtungen aus den Unterlagen zu I. zu fertigen.
36 III. Dem Kläger zu gestatten, die Akteneinsichtnahme durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Buchprüfer, Steuerberater oder
Rechtsanwalt bzw. in dessen Beisein vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.
37 Die Beklagten beantragen,
38 die Klage abzuweisen.
39 Die Beklagten tragen vor, der Kläger sei lediglich „Mitgesellschafter im Sinne des Kassenarztrechts“ gewesen, dort sei zwischen
gleichberechtigten und nicht gleichberechtigten Gesellschaftern zu differenzieren. Der Kläger sei jedenfalls nicht gleichberechtigter
Mitgesellschafter gewesen, vielmehr sei seine Position stark der eines Arbeitnehmers angenähert gewesen. Abfindungs- und
Gewinnverteilungsansprüche zu Gunsten des Klägers bestünden nicht. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass das vom Kläger zur Begründung
seines vermeintlichen Anspruchs angeführte Gesellschaftsrecht §§ 705 ff BGB weitgehend dispositiv sei. Es sei zwar kein schriftlicher Vertrag
geschlossen worden, es gäbe aber eine mündliche Vereinbarung. Laut diesem sei - statt einer variablen Ergebnisbeteiligung -eine monatliche
feste Vergütung des Klägers vereinbart worden. Der Kläger habe nie deutlich gemacht, dass er diese Vergütung als eine Art Akontozahlung auf
seine vermeintlichen Gewinnansprüche betrachte. In dem Zeitraum vom 1.11.1999 bis zu seinem Ausscheiden habe der Kläger monatlich
12.000 DM bzw. den entsprechenden Euro-Betrag erhalten. Eine darüber hinausgehende Beteiligung am Gewinn habe er zu keinem Zeitpunkt
beansprucht, vielmehr habe er auf eine feste Vergütung bestanden.
40 Die Beklagten vertreten weiterhin die Rechtsansicht, dass der Kläger selbstverständlich ein Recht auf Einsicht in die Unterlagen habe, falls er
solche benötige, wenn Haftungsfragen aus Behandlungsfehlern im Raum stünden. Die Geltendmachung von Kontrollrechten sei aber dann gem.
§ 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger nur bezwecke, Geschäftsgeheimnisse auszuspionieren oder Ansprüche geltend mache, wie
hier die vermeintlichen Gewinnansprüche, die ihm gar nicht zustünden.
41 Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2003 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
42 I. Die zulässige Klage bleibt im Ergebnis erfolglos.
43 Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart ergibt sich wegen der Höhe des Streitwerts aus §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG. Die örtliche
Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO, da die Beklagten im Landgerichtsbezirk ansässig sind..
44 II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Buchführungs- und Vertragsunterlagen der Beklagten, da ein wirksamer
Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen worden ist (1), ihm daher zu keinem Zeitpunkt Rechte gem. § 716 BGB,
oder eine Beteiligung am materiellen oder immateriellen Wert der Praxis zustand.
45 Für Ansprüche gemäß §§ 242,810 BGB hat der Kläger kein hinreichendes rechtliches Interesse dargetan (2).
(1) Zwar haben die Parteien einen „Antrag auf Führung einer Gemeinschaftspraxis (BGB Gesellschaft gem. § 705 folgende BGB)“ gem. § 33
Abs. 2 der Zulassungsordnung für Vertragszahnärzte bzw. Ärzte gegenüber den Zulassungsausschüssen gestellt, die auch positiv
beschieden worden sind, gleichwohl fehlt es an einem Gesellschaftsvertrag, der zwingende Voraussetzung für das Bestehen einer
Gemeinschaftspraxis ist. Dieser Gemeinschaftspraxisvertrag muss sowohl dem zivilrechtlichen Mindeststandard als auch den Anforderungen
genügen, die aufgrund berufs- und vertragsarztrechtlicher Bestimmungen an diese Form der ärztlichen Berufsausübung gestellt werden, damit
die Genehmigungsfähigkeit nach § 33 Abs. 2 Ärzte- ZV eintritt (vgl. Wigge, Vertragsarzt- und berufsrechtliche Anforderungen an
Gemeinschaftspraxisverträge, NZS 2001, 293 ff).
Gem. § 85 Abs. 4b SGB V richtet sich die Punktmengengrenze bei Gemeinschaftspraxen nach der Zahl der gleichberechtigten
zahnärztlichen Mitglieder. Bei nicht gleichberechtigten Mitgliedern gilt die Regelung für angestellte Zahnärzte entsprechend. Eine
Gleichberechtigung der zahnärztlichen Mitglieder liegt vor, wenn vertraglich gleiche Rechte und Pflichten der Teilhaber in Berufsausübung und
Praxisführung vereinbart sind. Der Nachweis der gleichberechtigten Teilhaberschaft ist gegenüber dem Zulassung Ausschuss durch Vorlage
des notariell beglaubigten Vertrages zu erbringen.
Nachdem die Parteien keinen notariell beglaubigten Gemeinschaftsvertrag vorgelegt haben, konnte die Gleichberechtigung nicht festgestellt
werden, der Kläger wurde daher bezüglich der.Punktmengen wie ein angestellter Zahnarzt behandelt.
Die Beziehung zwischen den Parteien genügt aber auch den zivilrechtlichen Anforderungen an eine GbR nicht.
Nachdem es weder einen mündlichen noch einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt, ist die tatsächliche Handhabung der Parteien über
den Zeitraum von annähernd drei Jahren maßgeblich für die Beurteilung ihrer rechtlichen Beziehungen.
Wesensnotwendig für eine GbR ist der Abschluss eines Vertrages, der nicht auf den Austausch von Leistungen, sondern auf die Erreichung
eines gemeinsamen Zweckes gerichtet ist und die Beteiligten gegenseitig zur Förderung dieses Zweckes verpflichtet (BGHZ 135,387). Dabei
schließt der Ausschluss einzelner Gesellschafter vom Gewinn einen gemeinsamen Zweck nicht zwingend aus, jedoch ist diese
Gestaltungsform von einem getarnten Dienstverhältnis abzugrenzen.
Die so genannte " Null-Vermögensbeteiligungsgesellschaft " entspricht zwar nicht dem Prototyp der gesetzlichen Regelung (§§ 718,722 Abs.
1,734 BGB setzen ein gemeinsames, sogenanntes Gesamthandsvermögen voraus), nach nahezu einhelliger Meinung sind diese Vorschriften
jedoch dispositiver Natur (Sprau in Palandt § 722 Abs. 1 BGB; Ulmer in Münchner Kommentar § 734 Rdnr. 10; Vorwold: Nachfolge in eine
Arztpraxis,ErbStB 2003,24ff.,Wigge aaO ). Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist es mit der Gesellschafterstellung ohne
weiteres vereinbar, dass ein Gesellschafter weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist (BGH, NJW
1987,3124 ), die Beteiligung am Verlust einer Gesellschafter darf demnach völlig ausgeschlossen werden (BGH, WM 1989,1850).
Andererseits hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1994 eine Gewinn- und Verlustbeteiligung als Voraussetzung für das Vorliegen
einer BGB-Gesellschaft angenommen (BGH NJW 1995, 192).
Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer fehlenden Gewinn- und Verlustbeteiligung in einer Personengesellschaft rechtfertigt nach
Auffassung z. B. von Wigge (aaO) noch nicht ohne weiteres die Annahme, dass dies auch im Bereich ärztlicher Gemeinschaftspraxen
zulässig ist. Null-Beteiligungsmodelle seien nur für einen begrenzten Zeitraum von zwei bis drei Jahren zur Vorbereitung einer
gleichberechtigten Partnerschaft zulässig.
Ungeachtet dieser Problematik, die hier nicht entschieden werden muß, ist zu berücksichtigen, dass die Stellung des Klägers dadurch
geprägt war, dass er kein wirtschaftliches Risiko trug, wirtschaftlich nicht selbstständig war und ihm jegliche betriebliche Dispositionsfreiheit
fehlte - von einer freiberuflichen Tätigkeit also keine Rede sein konnte.
Auf Grund des unwidersprochenen Vorbringens der Beklagtenseite bzw. dem übereinstimmenden Vortrag ist davon auszugehen, dass
- der Kläger am Vermögen nicht beteiligt war,
- er am Gewinn und Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt war,
- er monatlich fixe Bezüge in Höhe von 12.000 DM bzw. 6135,50 EUR erhielt,
- keine Geschäftsführungsbefugnissen und keine Vertretungsmacht besaß,
- er nach außen nur gegenüber der KZV/KV in Erscheinung trat.
Die Zahlung eines festen Gehaltes ist eine typische Regelung für ein Arbeitnehmerverhältnis. Im vorliegenden Falle trug der Kläger praktisch
überhaupt kein Risiko, da er nicht nur am Verlust nicht teilnahm, sondern seine Vergütung auch vom erzielten Umsatz und auch vom
erwirtschafteten Gewinn unabhängig war. Dies war nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten Ziff. 1 für den Kläger jedoch
Bedingung für seine Tätigkeit.
Die Erklärung des Beklagten zu 1, es sei zwischen den Parteien vereinbart gewesen, dass dem Kläger eine feste monatliche Vergütung von
12.000 DM zustünde, der Kläger kein unternehmerisches Risiko tragen sollte, er weder kapitalmäßig an der Gesellschaft beteiligt, noch in
wichtige Verträge eingebunden war, keine Verfügungsbefugnis über die Praxiskonten hatte und die Finanzbuchhaltung während seiner
Tätigkeit nie einsehen wollte, wurde vom Kläger nicht bestritten.
Damit steht fest, dass anstelle einer Gewinn- und Verlustbeteiligung eine Festvergütung zwischen den Parteien vereinbart worden war.
Der Kläger hat die monatlichen festen Bezüge von 12.000 DM insgesamt 35 x kommentarlos akzeptiert, wie sich aus der auszugsweise
vorgelegten Finanzbuchhaltung der Beklagten ergibt.
Soweit der Kläger behauptet, er habe unterschiedliche Vergütungen erhalten, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus den Jahreskonten der
Beklagten ergibt sich, dass der Kläger 35 x exakt 12.000 DM (6.135,50 EUR) erhalten hat, was einer Gesamtsumme von 420.000 DM
entspricht. Dass die Zahlung der monatlichen Vergütung in Teilbeträgen von unterschiedlichen Konten der Beklagten erfolgte, ist für die
rechtliche Beurteilung irrelevant.
Zwar behauptet der Kläger, dass ihm nicht 432.000, sondern nur 420.000 DM ausbezahlt worden seien, die Differenz von 12.000 DM
begründet aber allenfalls einen Zahlungsanspruch, jedoch keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Buchführung der Beklagten.
Es mag in diesem Rechtsstreit dahinstehen, ob sich diese Summe daraus ergibt, dass der Kläger, entgegen seinem bisherigen Vortrag, nicht
am 1.10.1999, sondern erst am 1.11.1999 seine Tätigkeit aufgenommen hat.
Nach der mündlichen Verhandlung steht für die Kammer fest, dass der Kläger, dem gemeinsamen Zweck, zu dessen Förderung er als
Gesellschafter gem. §§ 705 ff BGB verpflichtet gewesen wäre, wenig gedient, sondern diesen eher torpediert hat.
Der Beklagte Ziff. 1:
„Er erhielt 12.000 DM für die 35 Stunden. Die hielt er pünktlich ein. Ich habe allerdings erwartet, dass er so lange arbeitet, wie Patienten da
sind. Ihn kümmerte das nicht. Er ging dann eben.(...)
Einmal hat er einen überwiesenen Kieferbruch aus Leonberg abgelehnt und erklärt, es sei heute keine Narkose mehr möglich. (...)
Ich habe erfahren, dass er die Frage eines Patienten nach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommentierte mit: Sie sind wohl zu faul
zum Schaffen. Auch äußerte er einmal, er solle sich mit Alkohol betrinken oder eine andere Ersatzdroge nehmen. Das habe ich von einem
Herrn Dr. B. per Fax vom 06.02.2002 erfahren, der sagte, das sei doch geschäftsschädigend.“
Der Beklagten Ziff. 1 führte weiter aus, dass der Kläger darauf bestanden hat, ein monatlich fixes Gehalt zu beziehen. Er habe die Erhöhung
der Bezüge auf 16.000 DM pro Monat verlangt, eine Beteiligung am Umsatz als Möglichkeit der Einkommenssteigerung jedoch ausdrücklich
abgelehnt.
Durch seine Einstellung und insbesondere seinem Beharren auf der festen Vergütung brachte der Kläger zum Ausdruck, dass er nicht bereit
war, sich auch nur in geringem Maße - da er nach wie vor nicht am Verlust beteiligt gewesen wäre - am unternehmerischen Risiko zu
beteiligen.
Typisch für ein Anstellungsverhältnis ist auch, dass der Kläger keinerlei betriebliche Dispositionsfreiheit hatte und auch nicht haben wollte. Er
bestand auf seiner 35-Stundenwoche, hielt seine Arbeitszeiten exakt ein und war offenbar nicht bereit im Interesse der Gemeinschaftspraxis,
des gemeinsamen Zweckes, Mehrarbeit auf sich zunehmen, d. h. Patienten zu behandeln, die ihn über seine planmäßige Arbeitszeit hinaus
beschäftigt hätten.
Damit erfüllt der Kläger die typischen Merkmale des Arbeitnehmers - allerdings mit der Ausnahme, dass er in seiner ärztlichen bzw.
zahnärztlichen Tätigkeit nicht weisungsgebunden war.
Auch aus Sicht der Beklagten nahm der Kläger keine Gesellschafterstellung ein, da seine Vergütung angestelltentypisch unter dem Konto
"Personalkosten" als Betriebsausgabe und nicht wie die Tätigkeitsvergütung eines Gesellschafters verbucht wurde.
Das Finanzamt hat im Rahmen der Betriebsprüfung diese Vorgehensweise nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten gebilligt. Dies
verwundert nicht, nachdem der Kläger weder am Vermögen der Gesellschaft, noch am Gewinn noch am Verlust beteiligt war, also nicht das
geringste unternehmerische Risiko trug. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass das Finanzamt von einer Mitunternehmerschaft
des Klägers ausgeht, der in die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gem. § 180 Abs. 1 AO einzubeziehen wäre.
Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der Kläger mit den Beklagten keinen Gesellschaftsvertrag, auch keinen Gemeinschaftspraxisvertrag
abgeschlossen hat. Die tatsächliche Übung spricht eindeutig dagegen.
Dem Kläger stehen daher auch die Rechte eines Gesellschafters, Kontrollrechte gem. § 716 BGB (während seiner Zugehörigkeit),
Gewinnbeteiligung gem. § 722 Abs. 1 BGB und eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis nach seinem Ausscheiden nicht zu.
Nachdem feststeht, dass dem Kläger schon dem Grunde nach weder eine Gewinnbeteiligung, noch eine Abfindung zusteht, hat er jedenfalls
keine Einsichtsrechte um deren Höhe beziffern zu können.
Voraussetzung der Ansprüche gem. § 716 BGB ist, dass der Anspruchsinhaber die Stellung eines Gesellschafters i.S.d. §§ 705 ff BGB
innehat. In der Person des Klägers lag diese Voraussetzung zu keinem Zeitpunkt vor.
(2) Auch kann der Kläger sein Recht auf Einsichtnahme nicht mittels §§ 242, 810 BGB verfolgen. Dieses Recht ist nicht Selbstzweck.
Der Anspruch aus §§ 810, 242 BGB setzt voraus, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme hat.
Dieses Interesse ist dann zu bejahen, wenn der Kläger die Informationen aus den Unterlagen benötigt für die Erhaltung, Förderung oder
Verteidigung seiner rechtlich geschützten Sphäre.
Das ist zum einen dann der Fall, wenn der Kläger das Einsichtsrecht braucht, um Gewinn- oder Abfindungsansprüche zu beziffern, die sich
aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der Parteien ergaben. Dass solche Ansprüche dem Kläger nicht zustehen, wurde oben
ausgeführt.
Zum anderen ist aber auch ein Anspruch auf Einsicht gem. §§ 810, 242 BGB wegen haftungsrechtlicher Konsequenzen unbegründet.
Ein rechtlich beachtliches Interesse an der Einsicht in die Finanzbuchhaltung und in sämtliche Abrechnungsunterlagen hat der Kläger nicht
dargetan.
Hinreichend bestimmte Anhaltspunkte für eine mögliche deliktische Inanspruchnahme hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst
nicht ersichtlich.
Die Besorgnis allein, dass der Kläger für Behandlungsfehler in Anspruch genommen werden könnte, ist nicht hinreichend konkret, um
Informationsansprüche zu bejahen.
Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn ein zivil- oder strafrechtliches Verfahren gegen den Kläger wegen eines behaupteten
Behandlungsfehlers anhängig wäre.
Dies behauptet der Kläger jedoch selbst nicht.
Für diesen Fall haben die Beklagten bereits zugesagt, dass ihm die Einsicht in alle relevanten Unterlagen gewährt werden wird.
Die Haftung für Behandlungsfehler gibt dem Kläger allerdings nur das Recht auf Einsicht in Patientenakten oder Behandlungsdokumente,
nicht aber auf die klageweise geltend gemachte Einsicht in die Finanzbuchhaltung der Beklagten.
Ebenfalls nicht tragkräftig ist die Behauptung des Klägers, Einsichtnahme unter dem Aspekt seiner Haftung für Altverbindlichkeiten gem. §
736 II BGB aus Verträgen mit Leasinggebern, Lieferanten etc. zu benötigen.
Nach neuester Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 7. April 2003 / Az: II ZR 56/02) gebieten es Erwägungen des Vertrauensschutzes, den
Grundsatz der persönlichen Haftung des in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eintretenden für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft erst
auf künftige Beitrittsfälle anzuwenden.
Damit wäre für Fälle wie den vorliegenden, in dem der Eintritt des Klägers als Gesellschafter in die Gemeinschaftspraxis von 1999 datiert,
eine Haftung aus § 736 II BGB für Altverbindlichkeiten ohnehin ausgeschlossen.
Während des Zeitraums vom 01.10.1999 bis zum 30.09.2002 trat er nach außen gegenüber Dritten, Gläubigern nicht als Gesellschafter auf.
Das Vorbringen des Klägers ist an dieser Stelle in sich widersprüchlich, da er dem Vortrag der Beklagten, er sei in keine Verträge
aufgenommen worden und nach außen nur gegenüber der KZV bzw. KV in Erscheinung getreten, von ihm akzeptiert wurde. Ansprüchen
Dritter sind aber unter diesen Umständen nicht gegeben.
Nachdem der Kläger mangels entsprechender Vereinbarung nicht Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis geworden ist, ist mit seiner
Inanspruchnahme wegen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht zu rechnen.
Die bloße Vermutung von Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung bzw. der Abrechnung gegenüber der KV und KZV Stuttgart sind derart
unbestimmt, dass sie ein rechtliches Interesse i.S.d. §§ 242, 810 BGB nicht begründen.
Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger befürchte , die in der Praxis arbeitende Ärztin Frau Dr. S...A... habe vermutlich zahnärztliche
Leistungen ohne Zulassung erbracht und deshalb sei nicht auszuschließen, dass sich weitere Unregelmäßigkeiten in der
Gemeinschaftspraxis ergeben haben könnten , liefert keinen hinreichend konkreten Anhaltspunkt für eine unredliche Geschäftsführung oder
falsche Abrechnung. Damit kann der Kläger kein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die Buchführung geltend machen.
Ein Anspruch auf Einsichtnahme lässt sich auch nicht aus § 242 BGB zu Gunsten des Klägers herleiten.
Die Rechte aus §§ 242, 810 BGB sind nämlich dann ausgeschlossen, wenn die Vorlegung der Unterlagen ohne genügend konkrete Angaben
lediglich dazu dienen soll, erstmalig Unterlagen für die Rechtsverfolgung gegen den Besitzer der Urkunde zu schaffen oder
Geschäftsgeheimnisse auszukundschaften (vgl. hierzu BGHZ 93, 191 und 109, 260).
Genau diese Absicht, nämlich die Beklagten gegebenenfalls einer steuer-, straf- und disziplinarrechtlichen Verantwortung zuzuführen, gibt der
Kläger mit seinen Andeutungen und Verweisen auf einen möglichen Abrechnungsbetrug gegenüber der KV/KZV Stuttgart zu erkennen. Sein
Begehren stellt eine Art der Ausforschung dar, da der Kläger offen einräumt, erst einmal Einsicht nehmen zu wollen, um dann weitere
rechtliche Schritte gegen die Beklagten zu prüfen. Diese Vorgehensweise ist nicht nur dem deutschen Zivilprozessrecht fremd, sie kann sich
auch materiellrechtlich nicht auf den allgemeinen Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB stützen.
Weitere Anspruchsgrundlagen, aus denen sich ein Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die Buchführung, die Verträge und die
Abrechnungsunterlagen der Beklagten ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Sonstiger Langtext
109
Beschluss:
110 Der Streitwertwert wird auf 62.500 EUR festgesetzt.
111 Für den Wert einer Auskunftsklage ist maßgebend das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft. Er hat seinen
Anspruch maßgeblich begründet mit der Behauptung, er wolle die Höhe seiner restlichen Gewinnbeteiligung bzw.
seines Abfindungsanspruches zur Vorbereitung der Geltendmachung dieser Ansprüche in Erfahrung bringen. In diesem
Zusammenhang behauptete er, er gehe davon aus, dass ihm für seine dreijährige Tätigkeit noch ein Anspruch in einer
Größenordnung von 200.000 bis 300.000 EUR zustehe. Allerdings ist das Interesse an der Auskunft nicht identisch mit
der Hauptsache, sondern lediglich mit einem Teilwert gem. § 3 ZPO zu schätzen.
112 Nachdem dem Kläger bislang jegliche Anhaltspunkte für die Bezifferung seines Anspruches fehlen, ist von einem eher
größeren Bruchteil auszugehen, den die Kammer vorliegend mit einem Viertel bewertet.