Urteil des LG Stuttgart vom 07.10.2008

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LG Stuttgart Beschluß vom 7.10.2008, 13 S 189/08
Girovertrag: Beweislast bei Auszahlung durch einen Geldausgabeautomaten
Leitsätze
Bei behaupteter Fehlfunktion eines Geldausgabeautomaten trägt die Bank die Beweislast für einen fehlerfreien
Auszahlungsvorgang und für die Erfüllung des unregelmäßigen Verwahrungsanspruchs gegenüber ihrem
Bankkunden
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen – 9 C 148/08 – vom 28.05.2008 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 900 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die übrigen Voraussetzungen für eine Zurückweisung gem. § 522
Abs. 2 ZPO liegen vor.
2
Die Feststellungen des Amtsgerichts sind gem. § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen, da keine konkreten
Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit begründen. Aus der Berufungsbegründung ergeben
sich keine Gesichtspunkte, die eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung aus rechtlichen oder
tatsächlichen Erwägungen rechtfertigen.
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Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich der „Richtigstellung“ des bei der Beklagten bestehenden Girokontos
des Klägers zu Recht abgewiesen. Die Beklagte, die Bank des Klägers, konnte beweisen, dass der von ihr
betriebene Geldausgabeautomat dem Kläger am 15.08.2007 tatsächlich den von diesem eingegebenen Betrag
in Höhe von 1.000 EUR und nicht nur 100 EUR ausgegeben hat.
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1. Dem Kläger stand ausweislich des von ihm vorgelegten Kontoauszugs vom September 2007, was im
Übrigen unstreitig blieb, ein „Guthaben“ in Höhe von 4.652,20 EUR gegen die Beklagte zu. Ein solches
Girokontoguthaben stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen jederzeit einforderbaren Anspruch aus
unregelmäßiger Verwahrung gem. § 700 Abs. 1 i.V.m. §§ 488 ff. BGB n. F. dar (BGHZ 131, 60 ff. = NJW 1996,
190 f. m.w.N. [zu § 700 Abs. 1 i.V.m. §§ 607 ff. BGB a. F.]; Sprau in: Palandt, BGB, 67. Auflage, § 676f Rn. 8
und § 700 Rn. 1).
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2. Der Anspruch ist in Höhe von 1.000 EUR am 15.08.2007 durch Auszahlung am Geldausgabeautomaten der
Beklagten erfüllt worden, § 362 BGB.
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a) Dies ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte mit einem Aufwendungsersatzanspruch in Höhe
von 1.000 EUR hätte gem. §§ 387, 389 BGB die Aufrechnung erklären oder eine Verrechnung
vornehmen können.
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Ein Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 675 Abs. 1, 670 BGB aus entgeltlicher Geschäftsbesorgung
bzw. unmittelbar aus § 670 BGB liegt nicht vor. Anders als bei der rechtlichen Konstruktion im
Dreipersonenverhältnis – bei Abhebung von Geldbeträgen bei einer „fremden“ Bank (Casper in:
Münchener Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 676h Rn. 13: Abhebung bei einem fremden
Vertragsunternehmen) – bestehen im Zweipersonenverhältnis, das heißt bei Abhebung von Beträgen
durch den Bankkunden bei der eigenen Bank, keine geschäftsbesorgungsrechtlichen Ansprüche
(Sprau in: Palandt, BGB, 67. Auflage, § 676f Rn. 8). Im letzteren Fall hat die Bank, wie auch sonst bei
behaupteten Guthabensauszahlungen durch ihre Bankangestellten, die Erfüllung nach § 362 BGB
eines Anspruchs des Bankkunden zu beweisen.
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b) Der Anspruch aus unregelmäßiger Verwahrung ist indes durch Erfüllung entsprechend § 362 BGB
teilweise erloschen.
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Die Beklagte konnte die von ihr behauptete Auszahlung an einem ihrer Geldausgabeautomaten in Höhe
von 1.000 EUR beweisen. Das Amtsgericht kam in nicht zu beanstandender Weise zu der von der
Berufung angegriffenen Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO.
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Die Beweislast für die Erfüllung bei Auszahlung mittels eines Geldausgabeautomaten gegenüber dem
Berechtigten – Vornahme der Transaktion durch den Karteninhaber, korrekte Ausgabe durch den
Automaten u. a. – trägt die Bank (Sprau in: Palandt, BGB, 67. Auflage, § 676h Rn. 11 und 21; BT-Drs.
14/3195 S. 34: „Auch sollte darauf geachtet werden, dass nicht ungewollt eine Beweislastumkehr zu
Lasten des Kunden eintritt.“).
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Die Beklagte bedarf als Bank, anders als wie bei Missbrauchsfällen von Zahlungskarten durch Dritte
für § 676h BGB teilweise vertreten, für Fälle einer behaupteten Fehlfunktion des bankeigenen
Geldausgabeautomaten keiner entsprechenden Beweiserleichterung (zutreffend: Sprau in: Palandt,
BGB, 67. Auflage, § 676h Rn. 11, 21).
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Die Beklagte hat mit dem Bankangestellten, dem unmittelbar nach dem Auszahlungsvorgang in der
Filiale anwesenden Zeugen I., den vorgelegten Unterlagen zu den Befüllungsbeträgen
(Kassettenbefüllungsliste), den einzelnen Geldausgabeauszahlungsbeträgen (Journalausdruck) und der
Auszählungsprotokolle der beauftragten Sicherheitsfirma beim Auffüllen des Geldausgabeautomaten
(Protokollauszüge) eine Erfüllung und das Nichtvorliegen eines technischen Fehlers des
Geldausgabeautomaten hinreichend bewiesen.
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Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei unter Würdigung der Zeugenangaben und der vorgelegten
Urkunden festgestellt, dass der betreffende Geldausgabeautomat am 13./14.08.2007 mit 299.000 EUR
befüllt worden war. Bei der nächsten Befüllung mittels Kassettentausches entnahm die von der
Beklagten beauftragte Sicherheitsfirma die im Geldausgabeautomaten befindliche Geldkassette mit der
Restsumme von insgesamt 51.120 EUR. Der Geldausgabeautomatenausdruck hat nach
aufgezeichneten Auszahlungen in Höhe von 247.880 EUR als einen noch zu verbleibenden Restbetrag
in der Geldkassette 51.120 EUR errechnet, protokolliert und beim Geldkassettenwechsel ausgewiesen.
Die Sicherheitsfirma hat, wie der erstinstanzlich vernommene Zeuge überzeugend und widerspruchsfrei
angeben konnte, unter ständiger Videoaufzeichnung, wie bei der Beklagten gemeinhin üblich, den
Betrag aus der entnommenen Geldkassette ausgezählt und den identischen Betrag in Höhe von
51.120 EUR ermittelt und schriftlich dokumentiert. Da die Angestellten der Sicherheitsfirma bei der
Zählung des Kassettenbetrages von den vermeintlich überschüssigen 900 EUR (behauptete 100 EUR-
Ausgabe, statt 1.000 EUR-Ausgabe) keine Kenntnis hatten und die Angestellten bei der Beklagten aus
Sicherheitsgründen über keine Schlüssel zu den Geldausgabeautomaten verfügen, ist eine
Manipulation der im Geldausgabeautomaten befindlichen Geldbeträge bis zum Eintreffen des mit der
Befüllung beauftragten Sicherheitsdienstes ausgeschlossen.
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Bei diesem Sachstand hätte es dem Kläger oblegen, den bewiesenen Ausschluss eines technischen
Fehlers am Geldausgabeautomaten durch Gegenbeweisantritte zu erschüttern.
II.
15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.