Urteil des LG Stuttgart vom 10.12.2004

LG Stuttgart: fahrzeug, pfändung, bus, auflage, bewährung, gewerbe, widerruf, kopie, versicherung, zwangsvollstreckung

LG Stuttgart Beschluß vom 10.12.2004, 10 T 466/04
Pfändung beweglicher Sachen: Unzulässige Pfändung eines der Erwerbstätigkeit dienenden Kraftfahrzeugs
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Schuldners wird der Beschluß des Amtsgerichts Kirchheim vom 19.10.2004 (Az.: 2 M 1545/04) abgeändert und die
Zwangsvollstreckung in den VW-Bus des Schuldners (amtliches Kennzeichen: ...) für unzulässig erklärt.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.
Beschwerdewert: 8.000 Euro
Gründe
I.
1
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel des Amtsgerichts Kirchheim vom 29.09.1992 (Az.: 1 F
101/92). Am 12.07.2004 pfändete der Gerichtsvollzieher den im Eigentum des Schuldners stehenden VW-Bus mit dem amtlichen Kennzeichen ...,
dessen Wert die Gläubigerin mit 8.000 Euro beziffert.
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Über einen Bevollmächtigten ließ der Schuldner am 09.08.2004 gegen die Pfändung des Fahrzeugs Erinnerung einlegen und die einstweilige
Einstellung der Vollstreckung beantragen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Schuldner (nach seiner Haftentlassung) das Fahrzeug
zur Ausübung seiner Tätigkeit als Elektromonteur benötige, da es sich um sein einziges Fahrzeug handele.
3
Mit Beschluß vom 18.08.2004 stellte das Amtsgericht die Vollstreckung einstweilen ein.
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Mit Schriftsatz vom 24.08.2004 trug die Gläubigerin vor, die Unterhaltsrückstände beliefen sich auf mehr als 80.000 Euro. Im Protokoll der
eidesstattlichen Versicherung vom 21.06.2000 habe der Schuldner noch angegeben, keiner geregelten Arbeit nachzugehen und von seiner
Mutter und Gelegenheitsarbeiten zu leben. Sie sei bereit, aus dem Vollstreckungserlös dem Schuldner einen Betrag zur Beschaffung eines
Ersatzfahrzeugs zu überlassen. Der Schuldner mache Elektroinstallationen bei Bauvorhaben, die er auch mit einem gebrauchten Kleinwagen
anfahren könne.
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Am 18.08.2004 trug der Schuldner ergänzend vor, dass er unter Bewährung stehe unter der Auflage, nach Kräften den laufenden Unterhalt zu
bezahlen und auch die Rückstände auszugleichen. Ohne sein Fahrzeug sei ihm die Erzielung von Einkommen nicht möglich.
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Mit Schreiben vom 24.08.2004 teilte der Gerichtsvollzieher mit, dass er keine Hinweise auf ein bestehendes Gewerbe, Geschäfts- oder
Lagerräume vorgefunden habe.
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Mit Beschluß vom 19.10.2004 wies das Amtsgericht die Erinnerung zurück. Der Schuldner habe trotz entsprechender Aufforderung keinen
Nachweis über seine selbständige Tätigkeit, insbesondere keine Gewerbeanmeldung vorgelegt.
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Diese Entscheidung wurde dem Schuldner am 22.10.2004 zugestellt. Am 04.11.2004 legte der Schuldner zu Protokoll Beschwerde gegen den
Beschluß vom 19.10.2004 ein. Er habe bereits am 09.09.2004 eine Kopie der Gewerbeanmeldung zur Akte gereicht. Eine solche legte er erneut
vor (Kopie der Gewerbeanmeldung vom 24.08.1987).
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Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab, weil nicht ersichtlich sei, wozu der Schuldner einen VW-Bus für das Gewerbe benötige.
10 Auf entsprechende Aufforderung trug der Schuldner vor, dass er vor seiner Inhaftierung seine Tätigkeit im Raum Weilheim, Bissingen, Nürtingen
sowie im Raum Fulda ausgeübt habe. Er sei auf das Fahrzeug angewiesen, weil er mit diesem die von ihm zu montierenden Teile zum
Montageort transportieren müsse. Mit einem kleineren Fahrzeug sei dies nicht möglich. Auf seine Veranlassung teilte sein Arbeitgeber mit, dass
der Schuldner ein Fahrzeug der derzeitigen Größe benötige, um die ihm zugewiesenen Tätigkeiten zu erledigen.
11 Die Gläubigerin erklärte hierzu, dass der Schuldner seit 1992 jegliche Unterhaltszahlung verweigere. Daran habe sich trotz der Auflage im
Bewährungsbeschluß nichts geändert. Es sei daher mit dem Widerruf zu rechnen, so dass der Schuldner das Fahrzeug in absehbarer Zeit nicht
benötige. Sie hielte es zudem für ausgeschlossen, dass der Schuldner in dem Fahrzeug ganze Ladentheken oder -einrichtungen transportiere.
II.
12 Die nach § 793 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
13 Die Pfändungsmaßnahme der Gerichtsvollziehers am 12.07.2004 war im Zeitpunkt der Vornahme rechtmäßig, weil sie nicht gegen § 811 Nr. 5
ZPO verstieß, denn zu diesem Zeitpunkt war der Schuldner noch in Haft und ging folglich keiner selbständigen Tätigkeit nach. Daß er nach seiner
Entlassung eine solche aufgenommen hat, ergibt sich aus der Gewerbeanmeldung aus dem Jahr 1987 noch nicht zwingend, weil er trotz des
angemeldeten Gewerbes im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung am 21.06.2000 angab, keine Einkünfte außer aus Gelegenheitsarbeiten
zu erzielen.
14 Allerdings hat der Schuldner nun vorgetragen, für welchen Betrieb er Montagearbeiten ausführt und dass sein Fahrzeug hierfür gerade aufgrund
seiner Größe erforderlich ist. Hierzu legte er eine Bestätigung seines Arbeitgebers vor, die nachvollziehbar und daher glaubhaft ist. Aufgrund
dieser im Beschwerdeverfahren nach § 571 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigenden neuen Umstände erweist sich die Pfändung nunmehr als mit §
811 Nr. 5 ZPO nicht vereinbar, weil der Schuldner auf sein konkretes Fahrzeug zur Erzielung von Erwerbseinkommen angewiesen ist (vgl. KG
Rpfleger 1958, 225; OLG Hamm Rpfleger 1956, 46). Die Zwangsvollstreckung in den konkreten Gegenstand ist daher unzulässig.
15 Die Entscheidung über den Widerruf der Bewährung liegt ausschließlich in der Hand der zuständigen Strafvollstreckungskammer und kann der
hier zu treffenden Entscheidung nicht antezipiert zugrunde gelegt werden.
16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Der Schuldner hätte bereits im Erinnerungsverfahren näher zu der von ihm ausgeübten
Tätigkeit vortragen können.
17 Eine Zulassung nach § 574 ZPO war nicht geboten.