Urteil des LG Stuttgart vom 08.06.2004

LG Stuttgart: persönliche anhörung, teleologische auslegung, altes recht, darlehensvertrag, lebensversicherung, rückzahlung, verbraucher, bedingung, steuerberater, vermietung

LG Stuttgart Urteil vom 8.6.2004, 12 O 61/04
Verbraucherkredit: Einbeziehung von Ansparleistungen auf eine Kapitallebensversicherung in die Berechnung des Effektivzinssatzes bei
endfälligen Darlehen
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert: Euro 50.000,00
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Neuberechnung der Zinsen für ein Darlehen nach dem Verbraucherkreditgesetz und behält sich im
Wege der Stufenklage die Rückforderung überzahlter Zinsen vor.
2
Die Klägerin vereinbarte mit der Beklagten am 03.03.1994 einen Darlehensvertrag über den Nominalbetrag von 1.500.000,00 DM mit der
Kontonummer ... zum Nominalzinssatz von 6,7 % und einer Festschreibung des Zinssatzes bis 28.02.2004. Der anfängliche effektive Jahreszins
wurde im Darlehensvertrag mit 6,91 % angegeben. Das Darlehen diente dem Bau eines Wohn- und Geschäftshauses. Von der gesamten Wohn-
und Nutzfläche von 1.230 qm entfallen auf die Eigennutzung der Penthousewohnung 178 qm und auf die Vermietung von drei Büros sowie einer
Werkstatt an den Ehemann der Klägerin insgesamt 1052 qm. Die Klägerin versteuert ihre Mieteinnahmen aus dem streitgegenständlichen Objekt
als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG.
3
Zur Tilgung und Sicherstellung des Darlehens trafen die Parteien folgende Regelungen:
...
4
1.4. Rückzahlung:
5
Das Darlehen ist bei Fälligkeit der an die S abgetretenen Lebensversicherungen Nr. ... u. Nr,. ... der S Lebensversicherung AG zurückzuzahlen.
Solange die Versicherungsprämien pünktlich bezahlt werden, wird von Tilgungsraten abgesehen. Andernfalls ist eine Tilgung von 1,0 v.H.
jährlich vom ursprünglichen Kapital zuzüglich der durch die Rückzahlung ersparten Zinsen zu entrichten.
...
6
3 Sicherheiten:
7
Der Sparkasse werden vor Auszahlung – unbeschadet der Haftung etwa bereits bestehender oder künftiger Sicherheiten im Rahmen des
Sicherungszwecks – in besonderen Urkunden folgende Sicherheiten gestellt:
8
Grundschuld gemäß Erklärung vom 03.03.1994.
9
Abtretung der Lebensversicherungen Nr. ... und Nr. ... gemäß Erklärungen vom 03.03.1993.
...
10 Die Versicherungssumme der zur Sicherheit abgetretenen Lebensversicherungen betrug jeweils 375.000,00 DM. Auf diese
Kapitallebensversicherungsverträge zahlt die Klägerin monatliche Beiträge i.H.v. 1.016,30 DM (519,30 Euro) bzw. 1.023,80 DM (523,46 Euro).
Die monatlichen Zinsraten betrugen 8.375,00 DM (= 4282,07 Euro).
11 Das Darlehen wurde auf Wunsch der Klägerin mit Vertrag vom 10.03.1999 mit Wirkung ab 01.03.1999 vorzeitig mit einer Zinsbindung bis
28.02.2009 prolongiert. Der neue Nominalzins beträgt 6,81 %. Der effektive Jahreszins wurde mit 7,03 % angegeben.
12 Die Klägerin behauptet:
13 Auf die zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge finde das Verbraucherkreditgesetz Anwendung, weil die Klägerin Verbraucherin im
Sinne dieses Gesetzes sei. Für die Verbrauchereigenschaft sei allein maßgeblich, ob der Vermieter die Vermietung in gewerblichem Umfange
betreibe. Dies könne aber nur dann angenommen werden, wenn die mit der Vermietung verbundenen Geschäfte einen planmäßigen
Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros, erfordere. Dies treffe bei der Klägerin jedoch nicht zu. Unter Berücksichtigung der
Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes stehe ihr ein Anspruch auf Neuberechnung des Darlehens gemäß § 6 Abs. 4 VerbrKrG a.F. zu, weil
die Beklagte den anfänglichen effektiven Jahreszins zu niedrig angegeben habe. Die fehlerhafte Angabe des anfänglichen effektiven
Jahreszinses resultiere daraus, dass die Beklagte in die Berechnung des effektiven Jahreszinses die von den Zahlungsterminen auf die
tilgungsersetzenden Lebensversicherungen abweichenden Tilgungsverrechnungstermine nicht berücksichtigt habe. Diese seien jedoch nach
der Preisangabenverordnung in die Errechnung des effektiven Jahreszinses einzubeziehen, da der Abschluss des Darlehensvertrages vom
Abschluss der Lebensversicherungsverträge abhängig gemacht worden sei. Dies bestätige sich daraus, dass in der Zusammenstellung der
Darlehensangebote der SV Sparkassenversicherung mit Schreiben vom 24.01.1994 vermerkt sei, dass Voraussetzung für die Gewährung der
Darlehen der Abschluss einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 50 % der Darlehenssumme bei einer Laufzeit von 25 Jahren sei. Die von
den Zahlungsterminen auf die tilgungsersetzende Kapitallebensversicherung abweichenden Tilgungsverrechnungstermine seien bei der
Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht berücksichtigt worden. Bei Berücksichtigung dieser Abweichung der Zahlungszeitpunkte von der
Tilgungsanrechnung ergäbe sich aber ein wesentlich höherer effektiver Jahreszins als der im Vertrag angegebene.
14 Die Klägerin beantragt:
15 1. Die Beklagte wird verurteilt, den Darlehensvertrag Nr. ... ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit einem reduzierten Nominalzins,
berechnet auf der Basis des richtigen effektiven Jahreszinses unter Berücksichtigung des von den monatlichen Zahlungsterminen der
Kapitallebensversicherungen bei der S Lebensversicherungs AG, Versicherungsnummer: ... und Nr. ..., abweichenden
Tilgungsverrechnungstermins neu abzurechnen. Bei der Berechnung des maßgeblichen Nominalzinses ist die Differenz zwischen dem richtigen
und dem angegebenen effektiven Jahreszins als absoluter Betrag vom bisherigen Nominalzins abzuziehen.
16 2. Der weitere Leistungsantrag auf Rückgewähr der überzahlten Zinsen und Nutzungszinsen wird nach ordnungsgemäßer Abrechnung beziffert.
17 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
18 Die Beklagte erwidert:
19 Die Klägerin habe bei Abschluss des Vertrages nicht als Verbraucherin im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes gehandelt, weshalb das
Verbraucherkreditgesetz auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht anzuwenden sei. Selbst wenn aber eine
Verbrauchereigenschaft der Klägerin anzunehmen sei, stehe der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da die Ansparleistungen auf
eine Kapitallebensversicherung gemäß den §§ 4 Abs. 3 Nr. 5 der PAngVO sowie gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 5 PAngVO in die Berechnung des
effektiven Jahreszinses nicht einzubeziehen seien. Im Übrigen würde bei die Berücksichtigung der Ansparleistungen in der Lebensversicherung
bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses sowohl der Nominalzinssatz als auch der Effektivzinssatz höher und nicht niedriger ausfallen,
was gemäß § 6 Abs. 4 VerbrKrG und gemäß § 494 Abs. 3 BGB unschädlich sei. Schließlich erhebt die Beklagte bezüglich eines etwaigen
Anspruches der Klägerin auf Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Zinsen die Einrede der Verjährung.
20 Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
21 Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
22 Die von der Klägerin geltend gemachte subjektive Klaghäufung ist im Sinne einer Stufenklage für zulässig zu erachten. Zwar kann die
unbezifferte Leistungsklage gemäß § 254 ZPO grundsätzlich nur dann geltend gemacht werden, wenn sie mit der Klage auf Rechnungslegung
oder auf Vorlage eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verbunden ist. Über den Wortlaut des
Gesetzes hinaus hat dies für Informationsansprüche jeglicher Art zu gelten, welche zur Bezifferung des Leistungsantrags erforderlich sind (Zöller-
Greger, 24. Aufl., § 254 ZPO RN 6). Da die Klägerin auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vor Bezifferung des Anspruchs auf Rückgewähr
überzahlter Zinsen zunächst einen Anspruch auf Neuberechnung der Darlehenszinsen auf der Basis des korrigierten Effektivzinssatzes gemäß §
6 Abs. IV VerbrKrG zusteht, ist der Anspruch auf Neuberechnung als ein zur Bezifferung des Leistungsanspruchs notwendiger
Informationsanspruch i.S. des § 254 ZPO zu bewerten, weshalb die Klaghäufung als Stufenklage zulässig ist.
II.
23 Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Neuberechnung der Zinsen nach dem VerbrKrG und damit auch
kein Rückzahlungsanspruch zusteht.
24 1. Auf das 1994 zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis findet gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und das
Verbraucherkreditgesetz grundsätzlich in der bis zum 31.12.2001 maßgeblichen Fassung Anwendung, da dies für alle Schuldverhältnisse gilt,
die vor dem 01. Januar 2002 entstanden sind. Allerdings bestimmt Art. 229 § 5 S.2 EGBGB, dass für Dauerschuldverhältnisse Satz 1 mit der
Maßgabe gilt, dass anstelle der in Satz 1 bezeichneten Normen vom 01. Januar 2003 an nur das Bürgerliche Gesetzbuch, das
Handelsgesetzbuch, das Fernunterrichtsschutzgesetz und die Verordnung über die Informationspflichten nach bürgerlichem Recht in der dann
geltenden Fassung anzuwenden sind. Nun handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag vom 03.03.1994
um ein Dauerschuldverhältnis (Palandt, 63. Aufl., Art. 229 § 5 EGBGB RN 7, § 314 BGB RN 4; Heß, NJW 2002, S. 256) mit der Folge, dass auf ihn
bis 31.12.2002 altes Recht Anwendung findet. Am 01.01.2003 tritt dann ein "Statutenwechsel" ein (Heß, NJW 2002, S. 256). Deshalb kommt auf
den Darlehensvertrag bis 31.12.2001 altes Schuld- und gegebenenfalls Verbraucherschutzrecht und sodann das neue Recht zur Anwendung
25 2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Neuabrechnung des streitbefangenen Darlehensvertrages gem. § 6 IV VerbrKrG a.F. nicht zu, da auf der
Grundlage der Darlegungen der Klägerin nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte in den Darlehensverträgen vom 03.03.1994 und
10.03.1999 fehlerhafte Effektivzinssätze angegeben hat.
26 a) Zwar findet das Verbraucherkreditgesetz entgegen der Auffassung der Beklagten auf den vorliegenden Fall Anwendung, da die Klägerin beim
Abschluss des Darlehensvertrages in ihrer Eigenschaft als Verbraucher handelte und der Abschluss des Darlehensvertrages der Finanzierung
privater Zwecke dient. Die Auslegung des nunmehr in § 13 BGB verankerten, jedoch auf europäisches Verbraucherrecht zurückgehenden
Verbraucherbegriffes wird durch die europäische und nationale Rechtsprechung geprägt. Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein
Rechtsgeschäft zu einem Zweck schließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Micklitz in
Münchner Kommentar, 4. Auflage, § 13 BGB, RN 34; Reich, Europäisches Verbraucherrecht, RZ 156). Der Vertrag muss folglich privaten
Zwecken dienen. Doch neben Verträgen, die z.B. der Haushaltsführung, der Urlaubs- und Freizeitgestaltung dienen, werden davon auch
Verträge für Zwecke der privaten Vermögensanlage, z.B. die Anschaffung von Immobilien, erfasst. In Sachverhaltskonstellationen des
gemischten Zwecks, in denen der Gegenstand oder die Leistung teils zur privaten, teils zur gewerblichen bzw. selbständigen beruflichen
Nutzung bestimmt ist, ist mit der herrschenden Meinung zutreffend danach zu differenzieren, ob die gewerbliche oder die berufliche
Zweckbestimmung überwiegt (Micklitz in Münchner Kommentar, 4. Auflage, § 13 BGB, RN 34).
27 Das mit dem hier zu beurteilenden Darlehensvertrag finanzierte Wohn- und Geschäftshaus wird überwiegend vermietet und nur im
Dachgeschoss als eigene Wohnung genutzt. Bezüglich der gewerblichen Zweckbestimmung hat der BGH in seinem Urteil vom 23.10.2001 (WM
2001, S. 2379 f.) für den Bereich der Verwaltung eigenen Vermögens konkrete Kriterien für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne
von § 1 Abs. 1 VerbrKrG in der Form aufgestellt, dass die Verwaltung eigenen Vermögens – selbst durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts –
unabhängig von der Höhe der verwalteten Werte grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 1 VerbrKrG sei, wenn nicht der
Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer
Organisation, erfordere. Dies kann für die Verwaltung von einer Wohnung und vier Gewerbeeinheiten, von denen drei an einen einzigen Mieter
vermietet sind, nicht angenommen werden.
28 b) Ungeachtet der Anwendbarkeit des Verbraucherschutzrechts auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien, steht der Klägerin ein
Anspruch auf Neuberechnung der Darlehenszinsen gemäß den §§ 6 IV VerbrKrG a.F. nicht zu.
29 Eine Verminderung des dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegten Zinssatzes setzt voraus, dass der effektive oder der anfängliche
effektive Jahreszins im Darlehensvertrag zu niedrig angegeben ist. Dies ist nicht der Fall, weil die Beiträge zu den für die Tilgung vorgesehenen
Kapitallebensversicherungen bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht zu berücksichtigen sind.
30 Die Berechnung des effektiven und des anfänglichen effektiven Jahreszinses richtet sich gemäß § 4 VerbrKrG a.F. nach § 4 der PAngVO. Danach
sind gemäß § 4 Abs. III Nr. 5 PAngVO in die Berechnung die Gesamtkosten des Kredits für den Kreditnehmer einschließlich etwaiger
Vermittlungskosten mit Ausnahme der Kosten für Versicherungen oder Sicherheiten einzubeziehen. Als Gegenausnahme zur Nichteinbeziehung
der Kosten für Versicherungen sieht § 4 Abs. III Nr. Nr. 5 PAngVO lediglich vor, dass "Kosten einer Versicherung einbezogen werden, die die
Rückzahlung an den Darlehensgeber bei Tod, Invalidität, Krankheit oder Arbeitslosigkeit des Kreditnehmers zum Ziel haben, über einen Betrag,
der höchstens dem Gesamtbetrag des Kredits, einschließlich Zinsen und sonstigen Kosten, entspricht, und die der Darlehensgeber zwingend als
Bedingung für die Gewährung des Kredits vorschreibt." Die Ausführungshinweise des Bund-Länder-Ausschusses vom 18.12.1992 stellen in Nr.
2.2. klar, dass Prämien einer Kapitallebensversicherung, die der späteren Tilgung des Kredits dient, nicht in die Berechnung des effektiven
Jahreszinses einzubeziehen sind. Zwar kommt dieser norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift keine Bindungswirkung für die Gerichte zu,
jedoch ist die Nichteinbeziehung der Prämien einer Kapitallebensversicherung in die Berechnung des effektiven Jahreszinses mit der
überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Frankfurt BKR 2002, 272 ff; OLD Köln WM 2003, 119;
Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl., § 78 RN 28 a, 92; Schimansky/Bunte/Lwowski-Gundlach,
Bankrechtshandbuch, 2. Aufl., § 82 RN 20; Bohner WM 2001, 2227) für durchaus sachgerecht zu erachten. Die Ersetzung der Regeltilgung im
Rahmen der Immobiliarfinanzierung durch die Ablaufleistung einer Lebensversicherung stellt regelmäßig ein aus steuerlichen und
Versorgungsgründen gewähltes Finanzierungsmodell dar, welches der kreditgebenden Bank eine Einbeziehung des Kapitalbildungsanteils der
Lebensversicherung in den Effektivzins regelmäßig nicht erlaubt. Der Darlehensnehmer erlangte zum Zeitpunkt des Abschlusses des hier
streitigen Darlehensvertrages eine Verzinsung des angesparten Kapitals in der Lebensversicherung etwa in Höhe der für das Darlehen
geschuldeten Zinsen. Während aber die Darlehenszinsen bezüglich des fremdvermieteten Anteils der Immobilie in voller Höhe als
Werbungskosten steuerlich absetzbar waren, blieb der Zinsertrag auf das in der Lebensversicherung angesparte Kapital steuerfrei. Darüber
hinaus konnte die Tilgung in Form der bezahlten Lebensversicherungsprämien sogar im Rahmen der Höchstbeträge für Sonderausgaben als
steuerfreies Einkommen eingesetzt werden. Schließlich bestand durch das abgesicherte Todesfallrisiko ein Schutz der Erben bei einem
Versterben des Darlehensnehmers vor Ablauf des Lebensversicherungsvertrages. Damit war allerdings zugleich eine zusätzliche Absicherung
der kreditgewährenden Bank gegen einen Ausfall verbunden. Da darüber hinaus aus der Lebensversicherungsprämie die Anteile für die
Versicherung des Todesfallrisikos und die Kapitalansparung einzeln ausgewiesen sind, gebietet eine teleologische Auslegung der
Verbraucherschutzbestimmungen, den Kapitalbildungsanteil der Lebensversicherung nicht in die Effektivzinsberechnung mit einzubeziehen.
Denn es handelt sich um eine steuerlich motivierte Finanzierungsart, deren effektive Belastung unter Berücksichtigung der Steuervorteile nicht
von der Bank, sondern nur durch einen steuerlichen Berater festgestellt werden kann.
31 Auch die auf Art. 1 a Abs. 2 der Änderungsrichtlinie zur Verbraucherkreditrichtlinie zurückgehende Ausnahmeregelung des § 6 III Nr. 5 PAngVO,
wonach in die Berechnung des Effektivzinses die Kosten einer Versicherung einbezogen werden, die die Rückzahlung an den Darlehensgeber
bei Tod, Invalidität, Krankheit oder Arbeitslosigkeit des Kreditnehmers zum Ziel haben, über einen Betrag, der höchstens dem Gesamtbetrag des
Kredits, einschließlich Zinsen und sonstigen Kosten entspricht, und die der Darlehensgeber zwingend als Bedingung für die Gewährung des
Kredits vorschreibt, gebietet keine andere Betrachtungsweise. Unabhängig von den mit der Aufspaltung der Kapitallebensversicherung in einen
Ansparteil, welcher der Kapitalbildung dient – und damit von der Ausnahmevorschrift nicht erfasst wird – und einen der Absicherung des
Todesfallrisikos dienenden Teil bereits dargestellten Schwierigkeiten, vermochte die Klägerin die Voraussetzungen für die Anwendung der
Ausnahmeregelung im konkreten Fall nicht zu beweisen. Zunächst legt der Wortlaut der Vorschrift eine Interpretation dahingehend nahe, dass
sie auf solche kombinierten Kapitallebensversicherungen keine Anwendung findet. Doch selbst wenn man die Ausnahmevorschrift grundsätzlich
auch auf Kapitallebensversicherungen für anwendbar hält, scheitert die Anwendung im konkreten Fall daran, dass die Klägerin den Nachweis,
dass der Darlehensgeber den Abschluss der Kapitallebensversicherungen zwingend als Bedingung für die Gewährung des Kredits vorschrieb,
nicht erbrachte. Die Beklagte kann sich nicht auf das Angebot der SV Sparkassenversicherung berufen, da der Darlehensvertrag mit der
beklagten Kreissparkasse Esslingen Nürtingen zustande gekommen ist. Darüber hinaus leitet sich aus der für die Rückzahlung des Darlehens
maßgeblichen Ziffer 1.4 des Darlehensvertrages ab, dass die Beklagte nicht auf Abschluss der Lebensversicherungsverträge zur Gewährung des
Darlehens bestanden hat, sondern dass der Abschluss der Lebensversicherungsverträge lediglich zur Befreiung der von der Klägerin sonst
geforderten Tilgung in Höhe von jährlich 1 % diente. Bei der einem Verbraucher eingeräumten Option für einen Tilgungsersatz lässt sich aber
eine zwingende Abschlussvoraussetzung für die Kreditgewährung nicht annehmen. Vielmehr hat die Bank in diesem Fall lediglich die vom
Verbraucher sicher geschuldeten Leistungen in die Effektivzinsberechnung mit aufzunehmen.
32 Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLGR Hamburg 1999, 48)
entschiedenen Fall, in welchem die Gewährung eines Verbraucherkredites ausdrücklich von dem Abschluß einer Kreditlebensversicherung
abhängig gemacht worden war.
33 Die persönliche Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vermochte den Abschluss der Lebensversicherungsverträge als
"zwingende Bedingung für die Kreditgewährung" nicht zu bestätigen. So gab diese u.a. an, dass "die Idee mit der Lebensversicherung" auch von
ihrem Steuerberater gekommen sein könne." Auf weitere Frage, ob die Klägerin vorab mit dem Steuerberater über die Art der Finanzierung
gesprochen habe, gab die Klägerin ferner an, das sei ja normal, dass man vorher mit dem Steuerberater darüber spreche. Diese
bruchstückhaften Mitteilungen sprechen aus der Erfahrung der Kammer dafür, dass das Konzept der Immobiliarfinanzierung vom Steuerberater
der Klägerin entwickelt und letztlich auch umgesetzt wurde. Daraus folgt, dass nicht die Beklagte den Abschluss der
Lebensversicherungsverträge gefordert, sondern die Klägerin den Tilgungsersatz für den Vertragsabschluss gefordert hat. Insoweit ist aber eine
Schutzwürdigkeit der Klägerin nicht ersichtlich.
34 Die Entscheidung des BGH vom 18.12.2001 (BGH NJW 2002, 957 ff), nach der für Verbraucherkreditverträge, deren Fälligkeit von der
Auszahlung eines Bausparvertrages oder einer Kapitallebensversicherung abhängt, die Verpflichtung zur Angabe des Gesamtbetrages aller der
vom Verbraucher zu erbringenden Leistungen festgestellt wurde, steht dem nicht entgegen. Denn diese Entscheidung bezog sich ausschließlich
auf die Frage der Angabe des Gesamtbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. und nicht auf die Frage, welche Zahlungen in die
Berechnung des effektiven Jahreszinses einzubeziehen sind.
35 3. Selbst wenn aber die Voraussetzungen für die Neuberechnung der Zinsen gem. § 6 IV VerbrKrG a.F. anzunehmen wären, bliebe die Klage
ohne Erfolg.
36 Denn die Berufung auf diesen Formmangel wäre rechtsmissbräuchlich, nachdem der steuerliche Berater der Klägerin das Finanzierungskonzept
entwickelt hat und die Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrages die Höhe sämtlicher von ihr mit der Finanzierung zusammenhängender
Kosten kannte (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
III.
37 Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.