Urteil des LG Stuttgart vom 19.10.2010

LG Stuttgart (bürgschaft, abnahme, höhe, schlussrechnung, abnahme des werks, erfüllung, gewährleistung, vereinbarung, sicherheit, auftraggeber)

OLG Stuttgart Entscheidung vom 19.10.2010, 10 U 97/09
Leitsätze
1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, wonach eine
Vertragserfüllungsbürgschaft, die die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung,
Gewährleistung und Schadensersatz sowie die Erstattung von Überzahlungen absichern soll, erst nach Vorlage
der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche auf Verlangen in eine
Gewährleistungsbürgschaft umgewandelt wird, verstößt nicht gegen § 307 BGB.
2. Eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ergibt sich angesichts deren Reichweite unter Einbeziehung von
Rückerstattungsansprüchen insbesondere nicht daraus, dass für einen vorübergehenden Zeitraum der
Auftragnehmer neben einer Vertragserfüllungsbürgschaft über 5% der Auftragssumme zusätzlich einem - durch
Bürgschaft abzulösenden - Gewährleistungseinbehalt von 5% der Abrechnungssumme ausgesetzt ist.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die im Werkvertrag zwischen der Klägerin und der W. GmbH vom 11.07.2002
enthaltene Sicherungsabrede gemäß Ziffer 6.1 BVB in Verbindung mit Ziffer 33.1 ZVB - mit der Verpflichtung einer
nicht auf erstes Anfordern lautenden selbstschuldnerischen Bürgschaft - wirksam ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil überlassen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft, die auch der Absicherung auf
etwaige Überzahlungen gestützter Ansprüche dient, die Zahlung der gesamten Bürgschaftssumme, weil unter
Berücksichtigung nicht erbrachter Leistungen, nicht berechtigter Rechnungen und Mängel der Werkleistung der
Schuldnerin, der insolventen W. GmbH (Insolvenzschuldnerin), eine Überzahlung in Höhe von 385.653,18 EUR
vorliege.
2
In den Bauvertrag zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin vom 11.7.2002 wurden auf
Veranlassung der Klägerin allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen.
3
In den BVB (besondere Vertragsbedingungen) der Klägerin heißt es unter Ziffer 6 Sicherheitsleistung (§§ 16
und 17):
4
„Für Bürgschaften gilt Nr. 34 ZVB.“
5
Ziffer 6.1 BVB lautet:
6
„Ab einer Auftragssumme von EUR 50.000,-- gilt folgendes:
7
Als Sicherheit für die Vertragserfüllung nach Nr. 33.1 ZVB hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach
dem Formblatt KEFB.Sich1 in Höhe von 5 v. H. der Auftragssumme zu stellen. ....
8
Nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche kann der
Auftragnehmer verlangen, dass die Bürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß Formblatt
KEFB.Sich2 in Höhe von 5 v.H. der Abrechnungssumme (Bruttosumme) umgewandelt wird.“
9
Unter Ziffer 6.2. ZVB heißt es:
10
„Ab einer Auftragssumme von EUR 50.000,-- gilt folgendes:
11
Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einschl. Schadenersatz und für die
Erstattung von Überzahlungen werden 5 v. H. der Auftragssumme einschl. der Nachträge
(Bruttosumme) einbehalten, nach Feststellung der Abrechnungssumme ist diese maßgebend.
12
Der Auftragnehmer kann statt dessen eine Gewährleistungsbürgschaft nach dem Formblatt KEFB-Sich
2 stellen.“
13 Unter Nr. 33 der ZVB (zusätzliche Vertragsbedingungen) steht:
14
„33.1 Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen
aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich
Abrechnung, Gewährleistung und Schadenersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen
einschließlich der Zinsen.
15
33.2: Die Sicherheit für Gewährleistung erstreckt sich auf die Erfüllung der Ansprüche auf
Gewährleistung einschließlich Schadenersatz sowie auf die Erstattung von Überzahlungen
einschließlich der Zinsen.“
16 Nr. 34.4. ZVB hat den Wortlaut:
17
„Bei Bürgschaften hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anforderung an den Auftraggeber zu
zahlen.“
18 Ziffer 34.6 ZVB lautet:
19
„Die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltloser Annahme der
Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer
20
- die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat,
- etwaige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt hat
und
- eine vereinbarte Sicherheit für die Gewährleistung geleistet hat.“
21 Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf die Anlagen K 1 und K 5 verwiesen.
22 Die Beklagte hat am 7.08.2002 eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern
auf dem Formblatt KEFB - Sich 1 über 212.686,00 EUR abgegeben. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der
Bürgschaft wird auf die Anlage K 6 verwiesen.
23 Zum Sach- und Streitstand erster Instanz hinsichtlich des Bestehens eines Anspruchs gegen die Bürgin dem
Grunde nach wird im Übrigen auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 4.8.2009, AZ: 15
O 368/08, verwiesen.
24 Mit diesem Urteil hat das Landgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Die vertragliche Verpflichtung zur
Stellung der geltend gemachten Bürgschaft sei gemäß § 307 BGB unwirksam und könne deshalb
zurückgefordert werden.
25 Dies ergebe sich noch nicht daraus, dass formvertraglich eine Bürgschaft auf erstes Anfordern geschuldet
worden sei. Der Vertragsschluss und damit die Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft stamme aus der
vom Bundesgerichtshof eingeräumten Übergangszeit, so dass die unwirksame Verpflichtung zur Stellung einer
Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als Verpflichtung zur Stellung einer selbstschuldnerischen
Vertragserfüllungsbürgschaft aufrecht erhalten werden könne. Dies gelte auch für den Fall einer kombinierten
Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft.
26 Die vollständige Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft folge daraus,
dass die Klägerin, der als Verwenderin die zu beanstandende Klausel zuzurechnen sei, für den Zeitraum
zwischen Abnahme und späterer Umwandlungsreife im Sinne der einbezogenen allgemeinen
Geschäftsbedingungen hinsichtlich ihrer Ansprüche auf Gewährleistung, Schadensersatz oder Erstattung von
Überzahlungen doppelt gesichert sei. Die Einschränkung der Schuldnerin in diesem Zeitraum in einer
Gesamthöhe von 10 % des berechtigten Werklohns sei letztlich unangemessen und nicht hinzunehmen.
27 Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
28 Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt.
Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die unwirksame Verpflichtung zur Stellung einer
Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als wirksame Verpflichtung zur Stellung einer
selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft aufrecht erhalten werden könne. Die in den
streitgegenständlichen Vertrag einbezogenen Vertragsklauseln entsprächen denjenigen, die der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 25.3.2004, AZ: VII ZR 453/02, zugrunde gelegen seien. Der Bundesgerichtshof
habe über eine textlich und inhaltlich vergleichbare Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit zu
entscheiden gehabt.
29 Für den Zeitraum zwischen Abnahme und daran anschließender Werklohnfälligkeit einerseits und der
Umwandlungsreife im Sinn der allgemeinen Geschäftsbedingungen andererseits sei die Klägerin zwar doppelt,
also mit insgesamt 10 % gesichert. Das Landgericht Stuttgart habe jedoch seine Auffassung, weshalb eine
Gesamthöhe der Sicherheit von 10 % unangemessen sein soll, nicht ausreichend begründet. Es sei schon
zweifelhaft, ob die beiden Sicherheiten - Vertragserfüllungssicherheit und Gewährleistungsbürgschaft - einen
übereinstimmenden Sicherungszweck hätten. Eine denkbare kumulative Sicherung trete nur für kurze Zeit ein,
die der Auftragnehmer beeinflussen könne, indem er seiner Vertragserfüllungsverpflichtung gerecht werde. Die
zulässige Obergrenze für eine Sicherheitsleistung werde in der Regel allenfalls dann überschritten, wenn die
Sicherheitsleistung 10 % der Auftragssumme bei Vertragserfüllungssicherheiten überschreite, was hier nicht
der Fall sei. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs belaste die Kombination
Vertragserfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft auch deshalb den Vertragspartner nicht
unangemessen, weil nach dem Sicherungszweck nicht nur Gewährleistungsansprüche, sondern auch
Überzahlungen umfasst würden.
...
30 Am 4.12.2003 sei lediglich über die Abnahme des Werks der Insolvenzschuldnerin verhandelt worden.
Hinsichtlich der Teilleistung Untermaschinerie (Podien) sei die Abnahme ausdrücklich verweigert worden. Dabei
handle es sich um die Position 3.3.1 des Leistungsverzeichnisses. Einem Auftragnehmer sei es unbenommen,
Teile der Leistung ausdrücklich nicht abzunehmen. Es sei nicht „die Abnahme der Schallleistungswerte der
Podien“ verweigert worden, sondern die Abnahme der gesamten Werkleistung Untermaschinerie (Podien).
...
31 Die Klägerin beantragt:
32
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 15 O 368/08 - vom 4.8.2009 wird aufgehoben.
33
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 212.686,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten
über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.4.2007 zu bezahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der
Bürgschaftsurkunde der Beklagten vom 7.8.2002.
34
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der Bürgschaftsurkunde der
Beklagten vom 7.8.2002 im Verzug der Annahme befindet.
35
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.015,70
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit zu bezahlen.
36 Als Zwischenfeststellungsklage:
37
5. Es wird festgestellt, dass die im streitgegenständlichen Werkvertrag vom 11.07.2002 enthaltene
Sicherungsabrede gemäß Ziffer 6.1 BVB in Verbindung mit Ziffer 33.1 ZVB - mit der Verpflichtung
einer nicht auf erstes Anfordern lautenden selbstschuldnerischen Bürgschaft - wirksam ist.
38 Hilfsweise:
39
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, 15 O 368/08, vom 4.8.2009 wird aufgehoben. Das Verfahren wird
an das Landgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
40 Die Beklagte und die Streithelferin beantragen:
41
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
42
2. Die Zwischenfeststellungsklage wird abgewiesen.
43 Eine formularmäßige Sicherheitenabrede über die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes
Anfordern sei auch bei Verwendung durch einen öffentlichen Auftraggeber unwirksam. Dem Auftragnehmer
verbleibe unter Beachtung von Nr. 6.2 BVB nicht das Recht auf alternative Sicherungsmöglichkeiten. Die
Benachteiligung der Auftragnehmerin sei hier schon deshalb besonders groß, weil in Nr. 6.1 BVB die Stellung
einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ausbedungen sei, die bereits u.a. der Sicherung späterer
Gewährleistungsansprüche dienen solle und die erst nach Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis
dahin erhobener Ansprüche gegen eine reine Gewährleistungsbürgschaft ausgetauscht werden dürfe. Bei einem
entsprechenden Verhalten des Auftraggebers habe der Auftragnehmer angesichts der vertraglichen Regelung
keine vernünftige Möglichkeit, an seine Erfüllungsbürgschaft zu gelangen, selbst wenn es keine berechtigten
Ansprüche des Auftraggebers gebe. Auch bei einem öffentlichen Auftraggeber könne nicht davon ausgegangen
werden, dass er sich immer vertragsgerecht verhalte und ausschließlich berechtigte Ansprüche erhebe. Eine
Sicherungsabrede, die die Umwandlung einer Erfüllungsbürgschaft in eine Mängelbürgschaft von einem
bestimmten, dem Auftraggeber günstigen Verhalten des Auftragnehmers abhängig mache, sei unwirksam.
44 Die Erfüllungsbürgschaft sichere alle Ansprüche der Klägerin für solche Mängel, die zwar nach Abnahme, aber
erst vor Rückgabe oder Umwandlung der Bürgschaft entstünden. Entgegen der Darstellung der Klägerin könne
dies für einen längeren Zeitraum zu einem Nebeneinander der Bürgschaften führen. Der Klägerin stünde dann
eine Gewährleistungssicherheit von 10 % zu, obwohl in AGB des Auftraggebers maximal eine
Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 % vereinbart werden könne. Soweit die Erfüllungsbürgschaft auch
Gewährleistungsansprüche abdecke, sei die Sicherungsabrede auch deshalb unwirksam, weil eine dann
unzutreffende Bezugsgröße herangezogen werde, die bezogen auf die maßgebliche Abrechnungssumme zu
einer deutlich über 10 % liegenden Sicherheit führen könne. Eine Gewährleistungssicherheit werde in der Regel
anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Abrechnungssumme und nicht der Auftragssumme bestimmt. Auf
die Abrechnungssumme sei abzustellen, weil für die Gewährleistungssicherheit der Umfang der tatsächlich
ausgeführten Leistung maßgeblich sei. Nachdem die Vertragserfüllungsbürgschaft, soweit sie zur Absicherung
der Gewährleistungsansprüche diene, ebenfalls der Höhe nach auf die Auftragssumme abstelle, könne eine
Sicherung von mehr als 5 % der Abrechnungssumme eintreten mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel.
45 Gemäß § 307 BGB seien die betroffenen Klauseln unwirksam, so dass ein Anspruch auf eine
Vertragserfüllungs- und Gewährleistungssicherheit nicht bestehe. Die Umdeutung der Bürgschaft auf erstes
Anfordern im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in eine selbstschuldnerische oder einfache Bürgschaft
verstoße gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, weshalb die Entscheidung des BGH vom
4.7.2002, Az. VII ZR 502/99, überraschend und nicht überzeugend sei. Außerdem liege hier eine kombinierte
„Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft“ auf erstes Anfordern vor, die nicht „halbseitig“ geltungserhaltend
reduziert werden könne. Die in der zitierten Entscheidung eingeräumte Übergangszeit sei im Übrigen zu weit
gefasst. Es sei nicht auf das Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.7.2002, AZ: VII
ZR 502/99, sondern auf das Bekanntwerden der Entscheidung vom 18.4.2002, AZ: VII ZR 192/01 abzustellen.
Die Klägerin könne daher keinen Vertrauensschutz mehr zum Zeitpunkt der Auftragserteilung am 11.7.2002 in
Anspruch nehmen.
...
II.
46 Auf die Zwischenfeststellungsklage war festzustellen, dass die der Bürgschaft zu Grunde liegende
Sicherungsabrede wirksam ist.
1.
47 Die Voraussetzungen der Zwischenfeststellungsklage nach den §§ 525, 256 Abs. 2 ZPO liegen vor.
48 Es kann dahingestellt bleiben, ob für eine Zwischenfeststellungsklage in der Berufungsinstanz von den
Voraussetzungen des § 533 ZPO abgesehen werden kann, weil diese hier vorliegen.
49 Die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin ist auf Feststellung eines für die Entscheidung in der Hauptsache
vorgreiflichen Rechtsverhältnisses gerichtet. Es handelt sich nicht nur um eine Vorfrage eines einzelnen
Anspruchs, sondern es werden mit der Hauptklage mehrere prozessual selbständige Ansprüche aus
demselben Rechtsverhältnis verfolgt. Die Klägerin stützt den Bürgschaftsanspruch auf verschiedene
Hauptforderungen (v.a. Rechte aus verschiedenen Mängeln, Überzahlungen), so dass sie verschiedene
selbständige prozessuale Ansprüche geltend macht, die im Bauvertrag vom 11.07.2002 und in der Bürgschaft
der Beklagten vom 7.8.2002 lediglich eine gemeinsame Grundlage haben (BGH BauR 1998, 332, Juris RN 7).
2.
50 Die Vertragserfüllungsbürgschaft, aus der die Klägerin den eingeklagten Anspruch herleitet, ist wirksam und
geeignet, der Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch zu verschaffen.
51 Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht den Ansprüchen der Klägerin aus der Bürgschaft die Einrede
der Bereicherung gemäß § 821 BGB nicht entgegen. Der Rechtsgrund für die Stellung einer
Vertragserfüllungsbürgschaft, die auch Überzahlungen absichert, befindet sich in dem im Juli 2002 zustande
gekommenen Bauvertrag zwischen der Klägerin und der W. GmbH. Diesem Vertrag liegen unter anderem die
besonderen Vertragsbedingungen (BVB), die zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von
Bauleistungen (ZVB) und die VOB/B zum bei Vertragsschluss neuesten Stand, also in der Fassung des Jahres
2000, zugrunde.
52
a) Nach 6.1 der BVB schuldete der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft nach Formblatt
KEFB.Sich1, das eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsah. Zutreffend ist das Landgericht zu der
Auffassung gelangt, dass die Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft nicht deshalb
unwirksam ist, weil im Juli 2002 von der Klägerin als öffentlicher Auftraggeberin eine Bürgschaft auf erstes
Anfordern in AGB verlangt worden war. Insoweit ist auf Ziffer 1 der Entscheidungsgründe des Urteils des
Landgerichts Stuttgart sowie die dort zitierten Entscheidungen des BGH (BGHZ 151, 229, Juris RN 28 und
NJW-RR 2004, 880 = BauR 2004, 1143, Juris RN 24 f) zu verweisen.
53
b) Die Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft wurde nicht durch den vertraglich
vereinbarten Zusammenhang mit einer Gewährleistungsbürgschaft hinfällig.
54
aa) Die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft wurde nicht wirksam vereinbart, weil auch diese
nach Nr. 34.4 der ZVB als Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgestaltet sein sollte. Das Formblatt
KEFB-Sich 2 (Stand 01/96) haben die Parteien nicht vorgelegt. Offen ist, ob dieses Formblatt dem
Vertrag überhaupt beigelegt worden ist, nachdem die Klägerin erst nach Vertragsschluss mit Schreiben
vom 25.7.2002 (Anlage K 4) die Vordrucke für Bankbürgschaften (KEFB-Sich 1 und 3) übersandt hatte.
Diese Formulare betrafen nur die Vertragserfüllungs- und Vorauszahlungsbürgschaft (vgl. Nr. 6.1 und
6.3 BVB).
55
Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags, die vorsieht, dass ein
Sicherheitseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist auch in
allgemeinen Geschäftsbedingungen eines öffentlichen Auftraggebers unwirksam. Eine derartige
Klausel kann nicht in der Weise aufrecht erhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den
Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft abzulösen (BGH BauR
2005, 539).
56
bb) Daraus folgt jedoch nicht, dass zugleich die Vereinbarung der Vertragserfüllungsbürgschaft
unwirksam wäre. Vielmehr bleibt die getroffene Regelung zur Stellung der Sicherheit unabhängig von
der näheren Ausgestaltung ihrer Rückgabe in Nr. 6.1 3. Absatz der BVB wirksam. Inhaltlich
voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in allgemeinen
Geschäftsbedingungen sind einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich, und zwar auch dann,
wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen unwirksamen Klauseln stehen
(BGH BauR 2000, 1498, Juris RN 36). Die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft ist lediglich
nicht mehr davon abhängig, dass eine Gewährleistungsbürgschaft übergeben wird.
57
c) Die Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft ist trotz der Einbeziehung von
Gewährleistungsansprüchen in die Sicherungsabrede nicht nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs
zum Ausscheiden einer ergänzenden Vertragsauslegung bei Gewährleistungsbürgschaften auf erstes
Anfordern als unwirksam zu behandeln, weil dennoch der Klägerin die vom Bundesgerichtshof eingeräumte
Übergangsfrist für Vertragserfüllungsbürgschaften zu Gute kommt.
58
Der Bundesgerichtshof hatte in dem Urteil vom 4.7.2002 (AZ: VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, Juris RN 11)
und im Urteil vom 25.3.2004 (AZ: VII ZR 453/02, BauR 2004, 1143, Juris RN 8) über
Vertragserfüllungsbürgschaften zu entscheiden, deren Sicherungszweck sich neben Überzahlungen auch
auf die Gewährleistung bezogen hatte, ohne die Einbeziehung der Gewährleistung in eine
Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu problematisieren. Insbesondere in der letztgenannten
Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Einbeziehung von Gewährleistungsansprüchen in die
Vertragserfüllungsbürgschaft als wirksam zugrunde gelegt (BGH a.a.O. Juris RN 28).
59
Demgegenüber hatte der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart mit einem früheren Urteil vom
26.1.2000 (AZ: 9 U 201/99) den Sicherungsgegenstand „Gewährleistung“ in einer
Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern als selbständige, abtrennbare Klausel angesehen, die
gegen § 9 AGBG (heute § 307 BGB) verstoße (OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 546 = NZBau 2000, 134,
Juris RN 25 und 27). Die Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Stuttgart ist durch die zitierten
späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs überholt. In ihr fehlt eine Abgrenzung zwischen
Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft.
60
Nach der Sicherungsabrede in Nr. 6.1 BVB i.V.m. Nr. 33.1 ZVB umfasst die Vertragserfüllungsbürgschaft
im vorliegenden Fall zumindest bis zur Vorlage der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin
erhobener (berechtigter) Ansprüche auch Mängelansprüche nach § 13 VOB/B (früher bis einschließlich
VOB/B Ausgabe 2000: Gewährleistungsansprüche), in die sich Vertragserfüllungsansprüche nach § 4
VOB/B mit der Abnahme umgewandelt haben (vgl. BGH BauR 1998, 332, Juris RN 14 f.; Oppler in
Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl. § 4 Abs. 7 VOB/B RN 25 m.w.N.; Riedl / Mannsfeld in Heiermann /
Riedl / Rusam, VOB 11. Aufl. B § 13 RN 2; Einführung zu B § 13 RN 6).
61
Eine Überzahlung und deren Umfang kann vom Auftraggeber häufig erst nach Vorlage der
Schlussrechnung ermittelt werden. Angesichts des über den Zeitpunkt der Abnahme hinausgehenden
Sicherungszwecks der Vertragserfüllungsbürgschaft ist es sachgerecht, dass sie neben den gesicherten
Ansprüchen auf Vertragserfüllung, Schadensersatz (auch außerhalb des Gewährleistungsrechts) und
Rückerstattung von Überzahlungen auch Gewährleistungsrechte abdeckt. Die Vertragserfüllungsbürgschaft
wird dadurch nicht zur Gewährleistungsbürgschaft, sondern behält angesichts ihres Schwergewichts der
Absicherung von Ansprüchen auf Vertragserfüllung, Schadensersatz und Rückerstattung von Zahlungen
ihren Charakter als Vertragserfüllungsbürgschaft.
62
Auch unter Berücksichtigung der Reichweite der Vertragserfüllungsbürgschaft mit der Erstreckung der
Sicherung auf Gewährleistungsansprüche ist für eine Übergangszeit, in die der vorliegende Vertrag fällt, der
Vertrag dahin auszulegen, dass der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft
schuldet. Es entspricht dem anerkennenswerten Interesse des Auftraggebers, den Unternehmer auch in
allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft zu verpflichten. Denn
ohne eine solche Sicherung ist der Auftraggeber möglicherweise nicht ausreichend geschützt (vgl. BGHZ
151, 229 RN 31). Dies gilt nach den obigen Ausführungen auch im Hinblick auf die Reichweite der
Sicherungsabrede. Würde die Sicherungsabrede ersatzlos wegfallen, würde jede Sicherung entfallen.
Dieses Ergebnis ist mit dem durch die Sicherungsabrede zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien
nicht zu vereinbaren. Bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen hätten die Parteien eine
unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft zur Absicherung von Ansprüchen der Klägerin auf
vertragsgemäßer Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz
sowie auf Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen zumindest bis zur Vorlage der
Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche gewählt.
3.
63 Eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede folgt nicht aus dem Gesichtspunkt einer Übersicherung, selbst wenn
die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft wirksam vereinbart worden wäre.
64 Angesichts der vertraglichen Vereinbarung des Rückgabezeitpunkts der Vertragserfüllungsbürgschaft, der nach
dem Zeitpunkt der Abnahme liegt, kann es bei einer wirksamen Vereinbarung der Möglichkeit, den
Gewährleistungseinbehalt durch eine eigenständige Gewährleistungsbürgschaft abzulösen, auch wenn die
Vertragserfüllungsbürgschaft noch nicht zurückzugewähren ist, zu einer Kumulierung der Sicherheiten der
Klägerin in Höhe der Bürgschaftssumme der Vertragserfüllungsbürgschaft von 5 % der Auftragssumme und in
Höhe der Gewährleistungsbürgschaft von 5 % der Auftragssumme einschließlich Nachträge - nach Abrechnung
stattdessen in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme - kommen. Dies kann zu einer Sicherheit der Beklagten
in Höhe von maximal 10 % der Auftragssumme bzw. Abrechnungssumme zur Befriedigung aller bis zum
Empfang der Schlusszahlung erhobenen Ansprüche führen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts
belastet dies den Auftragnehmer im Hinblick auf den vereinbarten Sicherungszweck, der nicht nur Erfüllungs-
und Gewährleistungsansprüche, sondern auch Überzahlungen und Schadensersatzansprüche umfasst, nicht
unangemessen (vgl. BGH BauR 2004, 1143, Juris RN 28).
65
a) Dies ergibt sich hier insbesondere nicht aus dem Gesamtumfang der Sicherung. Zutreffend wird die
Vereinbarung einer Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der Brutto-Auftragssumme und einer
Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5 %-Brutto-Abrechnungssumme als üblich und zulässig angesehen
(Jagenburg in Beck’scher VOB-Komm. VOB/B 2. Aufl. § 17 Nr. 1 RN 7; vgl. auch Koeble in Kniffka /
Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl. 10 Teil RN 41 Fußnote 43; für 10 % als Obergrenze
Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl., § 17 Abs. 1 VOB/B RN 38), jedenfalls wenn einschließlich der
Mehrwertsteuer abzurechnen ist (vgl. § 17 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B (2006)). Wenn eine
Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der Auftragssumme auch bei einer Vereinbarung in AGB
zulässig ist, bestehen keine Bedenken, wenn für einen vorübergehenden Zeitraum eine Absicherung der
Vertragserfüllung in dem von den Parteien vereinbarten weiten Sinn in Höhe von 5 % der Auftragssumme
zuzüglich 5 % der Abrechnungssumme eintritt.
66
b) Darüber hinaus erstrecken sich die Einbehalte bzw. die Vertragserfüllungs- und die - unwirksam
vereinbarte - Gewährleistungsbürgschaft von ihrem Sicherungszweck her auch auf die Erstattung einer
Überzahlung (Nr. 33.1 und 2 der ZVB). Dieser Sicherungszweck rechtfertigt über die oben gemachten
Ausführungen hinaus eine Absicherung in Höhe von 5 % der Auftragssumme zuzüglich 5 % der
Abrechnungssumme bis zur Abklärung einer eventuellen Überzahlung. Danach ist der Sicherungszweck für
diese hohe Absicherung entfallen und - bei wirksamer Vereinbarung - das Sicherungsinteresse auf den
Gewährleistungseinbehalt bzw. eine entsprechende Gewährleistungsbürgschaft herabgesetzt.
4.
67 Die der Vertragserfüllungsbürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede ist nicht deshalb unwirksam, weil
die Auftragnehmerin deren Ablösung nicht mit zumutbaren Mitteln bewirken könnte und auf sie ein
unangemessener Druck ausgeübt worden wäre, unberechtigte oder vom Rechtsgrund unklare Forderungen der
Klägerin zu akzeptieren (vgl. OLG Hamm NJW 2010, 2737).
68
a) Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Ziffer 6.1 letzter Absatz BVB) ist die
Vertragserfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft erst umzuwandeln, wenn die
Schlussrechnung vorgelegt und alle bis dahin erhobene Ansprüche erfüllt sind. Durch die Unwirksamkeit
der Vereinbarung zur Gewährleistungssicherheit wird Nr. 6.1 so modifiziert, dass bei Vorliegen der
Voraussetzungen der Nr. 6.1 dritter Absatz statt eines Austausches der Sicherheiten die Rückgabe der
Vertragserfüllungsbürgschaft zu erfolgen hat.
69
Davon abweichend und noch weitergehend sieht zwar Nr. 34.6 ZVB eine Absicherung aller etwaiger
erhobener Ansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung vor. Durch die Einleitung in Nr.
6. und 6.1 BVB, wonach für Bürgschaften Nr. 34 ZVB und ab einer Auftragssumme von 50.000,- EUR die
Regelung in Nr. 6.1 BVB gilt, ist hier angesichts einer Auftragssumme von über 50.000,- EUR Nr. 34.6
ZVB nicht anwendbar, sondern diese wird durch die Regelung in Nr. 6.1 BVB verdrängt.
70
b) Teilweise wird angenommen, dass das gleichwertige Gefüge der beiderseitigen Rechte und Pflichten
faktisch aus dem Gleichgewicht gerät, wenn der Auftraggeber die Auswechslung der Bürgschaften durch
eine zögerliche Schlusszahlung behindern und zudem ein unangemessener Druck auf den Auftragnehmer
ausgeübt werden kann, auch eine unzureichende Schlusszahlung vorbehaltlos anzunehmen (OLG Hamm
a.a.O. Juris RN 59 m.w.N.). Dies muss dann nicht nur für die Auswechslung, sondern in gleicher Weise
auch für die Verpflichtung zur Rückgabe einer (Vertragserfüllungs-)Bürgschaft gelten. Eine vergleichbare
vertragliche Situation liegt hier jedoch nicht vor, weil Nr. 34.6 ZVB wegen des Vorrangs der Regelung in Nr.
6.1 BVB keine Anwendung findet und die Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft damit nicht von der
vorbehaltlosen Annahme einer Schlusszahlung abhängig ist.
71
c) Zu Recht hat das OLG Hamm (a.a.O., Juris RN 68) darauf hingewiesen, dass im Fall einer wirksamen
Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft diese nach Erledigung des Sicherungszweckes
zurückzugeben ist. Zweck der Vertragserfüllungsbürgschaft ist jedoch im vorliegenden Fall - wie auch in
dem der zitierten Entscheidung des OLG Hamm zu Grunde liegenden Sachverhalt - u.a. die Absicherung
von Ansprüchen auf Rückerstattung von Überzahlungen. Ob und in welchem Umfang eine Überzahlung
vorliegt, wird in der Regel erst nach Vorlage der Schlussrechnung durch den Auftraggeber geprüft werden
können.
72
Auch im Streit über die Berechtigung eines Rückzahlungsverlangens oder der sonstigen von ihm
erhobenen Ansprüche hat der Auftraggeber ein berechtigtes Interesse auf eine ausreichende Absicherung
seines geltend gemachten Anspruchs. Müsste er die Bürgschaft vor (gerichtlicher) Abklärung der
Berechtigung des streitigen Anspruchs zurückgeben, wäre er nicht mehr geschützt, wenn die Berechtigung
des erhobenen Anspruchs sich letztlich bestätigen sollte. Dieses Sicherungsinteresse rechtfertigt die
Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft mit erweitertem Sicherungszweck und der damit
verbundenen späten Rückgabe der Bürgschaft bis zur Erfüllung aller bis zur Schlussrechnung erhobenen
Forderungen. Das Interesse des Auftragnehmers, die Vertragserfüllungsbürgschaft zeitnah zur Abnahme
seiner Leistung zurück zu erhalten oder bei wirksamer Sicherungsabrede gegen eine
Gewährleistungsbürgschaft austauschen zu dürfen, muss dahinter zurück treten.
73
Dieser Auffassung steht die Entscheidung des BGH vom 13.11.2003 (BGHZ 157, 29, Juris RN17) nicht
entgegen. Dort ging es um die für die Ablösung eines Bareinbehalts vereinbarte, durch schützenswerte
Interessen des Auftraggebers nicht gedeckte Bedingung, dass neben dem Stellen einer Bürgschaft keine
wesentlichen Mängel vorlagen. Vorliegend ist dagegen entscheidend, ob ein Auftraggeber die Möglichkeit
hat, durch eine in AGB vereinbarte Sicherungsabrede z.B. die Rückerstattung von Überzahlungen bis zu
deren abschließenden (gerichtlichen) Abklärung abzusichern. Das ist nach Ansicht des Senats zu bejahen.
5.
74 Der Inanspruchnahme der Bürgin steht nicht entgegen, dass der Sicherungszweck der
Vertragserfüllungsbürgschaft bereits erfüllt wäre.
75
a) Das Werk der Insolvenzschuldnerin wurde mit Vorbehalten abgenommen. Nach der Abnahmebegehung
vom 4.12.2003 haben die Parteien im Abnahmeprotokoll vom 15. / 16.12.2003 (Anlage K 7) Mängel
festgehalten und vereinbart, dass ein Einbehalt in Höhe von 30.000,-- EUR zu erfolgen habe und ansonsten
Schlussrechnung gelegt werden könne. Dies machte nur Sinn, wenn auch die Klägerin von einer Abnahme
der Arbeiten an den Podien nach Position 3.3.1 des LV ausgegangen ist.
76
Damit haben die Parteien des Bauvertrags sich mit den im Bauabnahmeprotokoll festgehaltenen
Erklärungen geeinigt, dass die Leistung der Insolvenzschuldnerin insgesamt, also einschließlich der
Position 3.3.1 des LV unter Vorbehalt von Mängelrechten als abgenommen gelten soll und der Werklohn
insgesamt durch eine Schlussrechnung fällig gestellt werden könne. Dementsprechend findet sich unter
Ziffer 4 des Abnahmevertrags, überschrieben mit „Abnahme“, keinerlei Hinweis auf eine Teilabnahme. Die
Gewährleistungsfrist wurde bis auf Ende 4.12.2008 festgesetzt.
77
Der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin, die Abnahme der Teilleistung Untermaschinerie
(Podien) sei ausdrücklich verweigert worden, war nicht nachzugehen. Es ist hier nicht entscheidend,
welche Erklärungen im Rahmen der Abnahmeverhandlung am 4.12.2003 abgegeben wurden. Die
Abnahmeerklärung bzw. die Vereinbarung der Parteien des Bauvertrags über die Abnahme befindet sich im
späteren Bauabnahmeprotokoll, das die Parteien des Vertrags mit Unterschriften vom 15. / 16.12.2003
genehmigt haben.
78
b) Ohne ausdrückliche Abrede soll in aller Regel die Erfüllungsbürgschaft im Erfüllungszeitraum bis zur
Abnahme und die Gewährleistungsbürgschaft den Gewährleistungszeitraum nach der Abnahme erfassen
(vgl. Werner / Pastor Der Bauprozess 12. Aufl. RN 1252; Heiermann in Heiermann / Riedl / Rusam VOB
11. Aufl. B § 17 RN 54; a. A. Joussen in Ingenstau / Korbion, VOB 17. Aufl., § 17 Abs. 1 RN 19, § 17 Abs.
8 VOB/B RN 3 und RN 6, wonach eine Erfüllungssicherheit mangels anderer Anhaltspunkte auch
Mängelansprüche im Gewährleistungsstadium nach der Abnahme abdecken soll, soweit diese nicht bei
Abnahme durch eine Gewährleistungssicherheit zu ersetzen ist). Die bei Abnahme vorbehaltenen Rechte
wandeln sich in Mängelansprüche gemäß § 13 Nr. 5 ff. VOB / B um (BGH BauR 2003, 689, Juris RN 32;
BauR 1982, 277).
79
Vorliegend wurde jedoch über die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Nr. 6.1 BVB i.V.m. Nr.
33.1 ZVB) ausdrücklich vereinbart, dass sich die Sicherheit für die Vertragserfüllung neben der
vertragsgemäßen Ausführung der Leistung auf Abrechnung, Gewährleistung, Schadensersatz sowie auf die
Erstattung von Überzahlungen erstreckt. Dadurch haben die Parteien sowohl des Bau- als auch des
Bürgschaftsvertrags der Abnahme nicht die Funktion zugewiesen, das Recht auf eine
Vertragserfüllungssicherheit zu begrenzen, sondern haben deren Reichweite weiter gefasst (vgl. BGHZ
139, 325, Juris RN 18). Sie haben die Abrechnung einschließlich der Erstattung von Überzahlungen sowie
Schadensersatzforderungen bis zur Schlussrechnung der Vertragserfüllung zugeordnet, auch wenn diese
Ansprüche mit der Absicherung einer vertragsgemäßen Erfüllung der Leistung des Auftragnehmers
unmittelbar nichts mehr zu tun haben (vgl. Joussen in Ingenstau / Korbion, a.a.O. § 17 Abs. 8 VOB/B RN
7).
80
Da bislang die Berechtigung der erhobenen Ansprüche der Klägerin u.a. wegen Überzahlungen und wegen
Beschädigungen nicht geklärt ist, besteht der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft fort.
81
c) Nichts anderes gilt hier deshalb, weil die - hier nicht wirksam vereinbarte (vgl. oben 2. b) aa)) -
Gewährleistungsbürgschaft nach Ziffer 6.2 der BVB und Nr. 33.2 ZVB auch die Erstattungen von
Überzahlungen abdecken sollte. Sowohl vom Sicherungszweck als auch nach der Regelung des
Austausches der Vertragserfüllungsbürgschaft gegen eine Gewährleistungsbürgschaft, soweit diese
Regelung wirksam ist, ist der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft vorrangig. Durch die
Schlussrechnung und Schlusszahlung sowie die Abklärung und Erfüllung aller (berechtigten) Ansprüche vor
dem Austausch der Bürgschaften ist der verbleibende Sicherungszweck der Gewährleistungsbürgschaft
über die eigentliche Gewährleistung hinaus gering. Dem Sicherungszweck der
Vertragserfüllungsbürgschaft, der angesichts der Höhe möglicher Überzahlungen und sonstiger
abgesicherter Ansprüche ein erhebliches Gewicht zukommt und dem jedenfalls bis zu 10 % der Auftrags-
bzw. Abrechnungssumme gerecht werden, entspricht die Vereinbarung, erst nach Zugang der
Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin erhobener Ansprüche die Rückgabe der
Vertragserfüllungsbürgschaft und damit eine Reduzierung der Absicherung des Auftraggebers um 5 % der
Auftragssumme auf lediglich 5 % der Abrechnungssumme zu schulden. Die Sicherungsabrede ist insoweit
wirksam.
6.
82 Angesichts der Häufigkeit, mit der die hier streitigen Klauseln Verwendung finden, und der Bedeutung von
Vertragserfüllungsbürgschaften mit einer Sicherungsabrede, die über die reine Vertragserfüllung hinausgeht, für
die Bauwirtschaft hat die Rechtssache im Umfang dieses Teilurteils eine grundsätzliche Bedeutung, so dass
die Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen war.