Urteil des LG Stuttgart vom 14.12.2004

LG Stuttgart: beweis des gegenteils, wirkung ex nunc, einlage, gesellschafter, stillen, bestätigung, verfügung, stillschweigend, beratungsvertrag, beitrittserklärung

LG Stuttgart Urteil vom 14.12.2004, 7 O 249/04
Haftung des Kapitalanlagevermittlers wegen verschuldet fehlerhafter Beratung: Unanwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft bei Beratungsfehlern im Zusammenhang mit einer Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter an einer Aktiengesellschaft
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 6.007,50 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
bezahlen,
b) die Klägerin von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der ... AG aus der Beitrittserklärung als atypisch stiller Gesellschafter vom 18.09.2002
freizustellen,
c) in die Übertragung der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an die AG in Höhe von 54.000,– Euro (...) auf die Beklagte einzuwilligen
Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung der Beteiligung an der ... AG, Vertragsnr. ...
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Streithelferin trägt ihre Auslagen selbst.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 72.000,– Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 56.700,– Euro
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Beteiligung an der
... in Anspruch (künftig: ...).
2
Mitte September 2002 wurde die Klägerin von einem Beauftragten der Beklagten angerufen, um einen Besprechungstermin wegen Fragen der
Altersversorgung zu vereinbaren.
3
Daraufhin kam es zu 2 Besprechungsterminen. Am Ende des zweiten Termins am 18.09.2002, der in den Räumen der Beklagten stattfand,
zeichnete die Klägerin eine Einlage in Höhe von insgesamt 54.000,– Euro als atypische stille Gesellschafterin an der ... (K 1).
4
Diese Einlage sollte in 360 monatlichen Raten zu je 150,– Euro und einer Sonderzahlung von 2.700,– Euro erbracht werden. Der Vertrag sollte
30 Jahre laufen und war während dieser Zeit nicht ordentlich kündbar. Ferner war ein Agio in Höhe von 7,50 % zu entrichten.
5
Die Klägerin bestätigte auf dem Beitrittsformular den Erhalt des Prospekts über die ... und unterzeichnete ferner eine Widerrufsbelehrung,
derzufolge sie ihre Vertragserklärung innerhalb zweier Wochen widerrufen konnte.
6
Zudem unterzeichnete die Klägerin eine separate Bestätigung (K 2), derzufolge sie eingehend aufgeklärt, insbesondere über die mit der
Unternehmensbeteiligung verbundenen Risiken unterrichtet und auch über mögliche Chancen informiert worden sei, ferner, dass sie auf die
langfristige Dauer der finanziellen Verpflichtung, den Kündigungsausschluss und die Kapitalbeschaffung/Mittelverwendungskosten
entsprechend den Angaben im Prospekt hingewiesen worden sei. Daneben enthält diese Bestätigung nochmals die Erklärung, dass die Klägerin
den Emissionsprospekt erhalten hat.
7
Im Rahmen des ersten Gesprächs unterzeichnete die Klägerin einen Bogen über ihre persönlichen Verhältnisse (Anl. B 1/Bl. 26 ff d. A.). Daraus
ergab sich u. a., dass sie bisher eine Lebensversicherung und ein Sparkonto unterhielt und grundsätzlich bereit war, die dafür bisher
aufgewandten Beträge, 250,– Euro pro Monat, für eine andere Sparform einzusetzen.
8
Die Klägerin war damals – und ist heute noch – Familienpflegerin mit einem monatlichen Nettoeinkommen von damals ca. 1.500,– Euro.
9
Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe sie vor Zeichnung der Beteiligung nicht hinreichend aufgeklärt und damit die der Bekl. aus dem
stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrag erwachsenen Pflichten schuldhaft verletzt.
10 Dazu trägt sie vor,
11 sie habe beim Beratungsgespräch deutlich gemacht, dass sie in Geldanlagefragen unerfahren gewesen sei und ihre beschränkten freien Mittel
im Rahmen einer sicheren Altersversorgung habe anlegen wollen. Dafür sei die Beteiligung an der ... aber grundsätzlich nicht geeignet. Es
handle sich dabei vielmehr um eine Unternehmensbeteiligung mit hoch spekulativem Charakter und der Gefahr des Totalverlustes der Einlage,
über deren Risiken sie nicht unterrichtet worden sei.
12 Insbesondere sei ihr neben der Gefahr des Totalverlustes nicht erläutert worden, dass 18,5 % ihrer Einlage gar nicht zur Kapitalverschaffung
verwendet werden sollte, noch dass bis zu 80 % der Investitionssumme in Wertpapieren angelegt werden sollten, davon bis zu 10 % sogar in
sog. "Venture Capital". Vielmehr sei ihr in Aussicht gestellt worden, dass das eingezahlte Geld am Ende mit Zins und Zinseszins wieder
ausbezahlt würde. Dabei sei ihr aber nicht erläutert worden, dass von einem möglichen Jahresüberschuß der Gesellschaft zunächst 50.000,–
Euro zugunsten der stillen Gesellschaft abgeschöpft würden und dass sie ungeachtet ihrer vereinbarten Ratenzahlung sofort in voller Höhe der
Beteiligung gehaftet habe. Auch das besondere Risiko, das darin liege, dass die ... in ihrer Anlagestrategie völlig frei gewesen sei, sei ihr nicht
erläutert worden.
13 Vor Unterzeichnung der Beitrittserklärung habe sie auch keine Möglichkeit gehabt, den Prospekt eingehend zur Kenntnis zu nehmen. Davon
abgesehen hätte sei ihn wegen ihrer fehlenden Vorbildung auf diesem Gebiet ohne Erläuterung ohnehin nicht verstanden. Im Übrigen zeichne
der Prospekt insofern ein falsches Bild von der Entwicklung der Anlage, als sämtliche grafischen Darstellungen im Jahr 2000 enden und damit
den Abschwung auf dem Aktienmarkt in der Folge nicht mehr abbilden würden, obwohl der Prospekt erst im Juli 2002 erschienen sei. Die im
Prospekt als besonderer Vorzug der Anlage erwähnte Verlustzuweisung sei für sie wegen ihres vergleichsweise geringen Einkommens nur von
untergeordneter Bedeutung gewesen.
14 Anstatt ihr von der Beteiligung aus diesen Gründen abzuraten, habe der Mitarbeiter der Beklagten ihr erläutert, dass dieses Beteiligungsmodell
ihrer Zielsetzung am nächsten komme.
15 Auf bereits veröffentlichte kritische Stellungnahmen zur ... in der allgemeinen Wirtschaftspresse habe der Vermittler ebenfalls nicht hingewiesen.
16 Bereits im Jahr 2002 habe die ... hohe Verluste von über 16 Mio. DM erwirtschaftet.
17 Wäre die Klägerin über die tatsächlich bestehenden Risiken der Anlage aufgeklärt worden, so hätte sie in Anbetracht ihres Anlageziels die
Anlage nicht gezeichnet.
18 Die Klägerin ist daher der Auffassung, die Beklagte müsse sie so stellen, als wäre ein Beitritt unterblieben
19 und beantragt daher,
20 die Beklagte zu verurteilen,
21 a) an die Klägerin 6.007,50 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
22 b) die Klägerin von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der aus der Beitrittserklärung als atypisch stiller Gesellschafter vom 18.09.2002
freizustellen,
23 c) in die Übertragung der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an der ... Beklagte einzuwilligen,
24 Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung auf die Beklagte.
25 Die Beklagte beantragt,
26 die Klage abzuweisen.
27 Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an.
28 Die Beklagte bestreitet, die Klägerin falsch beraten zu haben. Die Kläg. habe als Zielsetzung insbesondere eine Absicherung im Falle einer
Berufsunfähigkeit und eine Alternative zu ihrer bisherigen Sparform vorgegeben und sei auch bereit gewesen, ihre bisherige Sparleistung als
Investition anzulegen. Der Mitarbeiter der Beklagten, Herr, habe ihr empfohlen, den monatlichen Anlagebetrag auf 150,– Euro zu reduzieren und
die von der Klägerin ursprünglich gewollte Einmalzahlung in Höhe von 4.000,– Euro auf 2.700,– Euro incl. Agio herabzusetzen, damit ihr noch
Mittel zur freien Verfügung für Notfälle verblieben. Die Beklagte habe die Klägerin umfassend über die verschiedensten Anlage- und Sparformen
sowie über Versorgungsprodukte, die ihrem Wunsch nach einer entsprechenden Altersvorsorge entsprochen hätten, unter Einschluss sämtlicher
Fragen der Zinssicherheit, des Risikos, der Verfügbarkeit der Mittel und eventueller Kursverluste bei Aktieninvestments informiert. Danach habe
sich die Klägerin an der Möglichkeit der Beteiligung an einer stillen Gesellschaft besonders interessiert gezeigt, weil ihr der bei dieser
Anlageform mögliche vorläufige Soforteintrag eines Steuerfreibetrages auf der Lohnsteuerkarte besonders positiv erschienen sei. Die Klägerin
sei danach gewissenhaft über die Risiken einer Anlage bei der ... aufgeklärt worden. Daneben habe sie – wie von ihr selbst bestätigt worden sei
– den Prospekt erhalten. Anhand dieses Prospekts sei der Klägerin im Einzelnen dargelegt worden, welche Entwicklung das von ihr
eingebrachte Kapital nehmen könne. Es sei unzutreffend, dass sie nicht über die Verwendung der Einlagesumme und die Langfristigkeit der
Anlage aufgeklärt worden sei. Das ergebe sich bereits aus der von ihr unterzeichneten Bestätigung vom 18.09.2002 (Anl. K 2) und erstrecke sich
insbesondere auf die auf Seite 20 ff im Emissionsprospekt enthaltenen Risikohinweise.
29 Davon abgesehen sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Die im Jahr 2002 erlittenen Verluste seien damit zu erklären, dass in der Bilanz
zunächst die vorgezogenen Mittelverwendungskosten in Höhe von 18,5 % der gesamten Zeichnungssumme ausgebracht worden seien,
wodurch ein gewollter buchhalterischer Verlust zur Erzielung steuerlicher Wirkungen entstanden sei. Die tatsächliche Entwicklung der mit der
Zeichnungssumme in Höhe von ca. insgesamt 190 Mio. DM getätigten Investments sei sehr positiv. Das sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen,
dass dem Anlagebeirat ausnahmslos hochqualifizierte geschätzte Persönlichkeiten aus der Finanzwelt angehören würden.
30 Die Anlagestrategie der ... berge daher kein Risiko. Die Investitionen würden in stabile Aktienwerte, nicht in hoch spekulative Papiere, erfolgen.
31 Die Beklagte habe bei der Anlageempfehlung auch die subjektiven Anlageziele der Klägerin berücksichtigt. Die Anlage habe den Erklärungen
der Klägerin in ihrer "Selbstauskunft" (B 1) entsprochen. Auch der Gesichtspunkt der Einkommensteuerreduktion habe bei der Langfristigkeit der
Anlage ohne weiteres künftig noch Bedeutung gewinnen können.
32 Im Übrigen weise der Prospekt auf sämtliche relevanten Risiken ausführlich hin und stelle die Anlage in einer Weise dar, die es jedem
ermögliche, sie zu verstehen, auch wenn er nicht mit der Anlage von Kapital vertraut sei.
33 Die Grafiken im Prospekt (S. 12 des Prospekts) habe lediglich dazu gedient darzustellen, dass die Chancen der langfristigen Anlagedauer die
Risiken kurzfristiger Wertschwankungen übertreffen und der Index dennoch langfristig weiter steigen könne. Das Schaubild bilde die letzten 30
Jahre ab einschließlich der Stagnation der 70er Jahre, dem Ölpreisschock und dem 1987er Crash und nicht zuletzt auch die Asienkrise. Im
Übrigen werde unter der Rubrik "Wertpapiere und Aktien" auf S. 23 des Prospekts das Risiko einer negativen Börsenentwicklung anschaulich
dargestellt. Dort werde auch erkennbar, dass die Kurse bis Dezember 2000 bereits nachgegeben hätten.
34 Die Anlage sei im Übrigen auch zur Altersabsicherung geeignet. Eine sichere Geldanlage gebe es derzeit ohnehin nicht. Auf jeden Fall habe die
Anlage dem ausdrücklichen Wunsch der Klägerin, vom Sparbuch abzurücken und eine alternative Geldanlage zu suchen, entsprochen.
35 Warnhinweise in der Presse seien erst nach Unterzeichnung des Beitritts bekannt geworden. Zum Zeitpunkt der Beitritts bzw. davor seien
Vorbehalte gegen die Anlageform lediglich völlig unsubstantiiert und unkonkret geäußert worden.
36 Selbst wenn die Beklagte pflichtwidrig gehandelt hätte, sei ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen, da sie die
Anlageentscheidung in Kenntnis der möglicherweise damit verbundenen Risiken getroffen und sich im Übrigen bis heute von der Gesellschaft
nicht getrennt habe.
37 Im Übrigen habe die Klägerin der ... gegenüber am 14.09.2000 erklärt, dass sie Ratenrückstände nachzahlen und ab sofort die laufenden Raten
bezahlen werde. Damit habe die Klägerin das Rechtsgeschäft in Kenntnis aller vorgetragenen Umstände bestätigt. Schon deshalb sei die Klage
unbegründet.
38 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Mitarbeiters der Beklagten, der die Anlage vermittelt hat, Thomas ..., und die Klägerin
angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.10.2004 (Bl. 110 ff) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
39 Die Klage ist begründet.
I.
40 Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als hätte sie die stille Beteiligung nicht erworben. Die Beklagte hat schuldhaft gegen ihre
Pflichten aus dem mit der Klägerin zumindest stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrag verstoßen, indem sie der Klägerin eine Anlage
angeraten hat, die diese in Kenntnis aller relevanten Umstände nicht erworben hätte.
41 Im Einzelnen:
42 1. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Parteien zumindest stillschweigend einen Beratungsvertrag geschlossen haben. Sowohl aus der
Anhörung der Klägerin als auch der Aussage des Zeugen ... folgt, dass die Beklagte, die auch als Beratungsfirma auftritt, der Klägerin nicht
lediglich eine Anlage vermittelt hat, sondern dass dem Entschluss zum Abschluss der stillen Beteiligung bei der ... eine ausdrückliche Beratung
der Beklagten, die auch die individuellen Aspekte der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Klägerin mit einbezogen hat,
vorangegangen ist. Die Beklagte hat eine Selbstauskunft erhoben, diese analysiert und entsprechend den sich daraus ergebenden
Zielsetzungen der Klägerin individuelle Anlagevorschläge unterbreitet, die schließlich zur Wahl der strittigen Beteiligung geführt haben. Damit hat
die Beklagte die Klägerin in Fragen der Vermögensbildung umfangreich beraten und war nicht nur im Hinblick auf eine Anlage vermittelnd tätig.
43 2. Aufgrund dieser Beratung – was im Übrigen aber auch bei bloßer Vermittlung gilt – war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein zutreffendes
Bild der Anlage zu verschaffen, sie insbesondere über deren Risiken im Hinblick auf die Bedürfnisse und Anlageziele der Klägerin aufzuklären.
Das hat die Beklagte durch die Beratungsgespräche ihres Mitarbeiters ..., die ihr zuzurechnen sind, nicht ordnungsgemäß geleistet.
44 a) Aufgrund des insoweit übereinstimmenden Vortrags der Parteien, bestätigt durch die Beweisaufnahme, steht fest, dass die Klägerin eine
Anlage nachgefragt hat, die als sichere Altersversorgung geeignet sein sollte. Das hat die Klägerin angegeben; der Zeuge ... hat es ausdrücklich
bestätigt (Protokoll vom 19.10.2004 Bl. 118 d.A.).
45 b) Eine solche Anlage stellt die ... grundsätzlich nicht dar. Die Klägerin hat bei Erhebung ihrer persönlichen Daten (B 1/Bl. 29 d. A.) zwar
angegeben, sie sei bereit, ihr bisheriges Sparprogramm umzustellen. Ersichtlich legte sie aber Wert darauf, dass eine Absicherung ihres
Lebensstandards auf Dauer gesichert bleibt. Ihr Ziel war daher eine andere "Sparform" (B 1) mit "größerer Rendite" (Protokoll vom 19.10.2004, Bl.
111 d. A.) für ihre Rücklage von 250,– Euro monatlich, die sie bisher auf ein Sparkonto einbezahlt hatte.
46 Um eine solche "Sparform" handelt es sich bei der ... nicht. Vielmehr handelte es sich dabei um eine Unternehmensbeteiligung, die grundsätzlich
spekulativen Charakter hatte. Das folgt bereits aus der Tatsache, dass bis zu 80 % des Kapitals in Wertpapieren und bis zu 10 % in sog. "Venture
Capital" angelegt wird, was beinhaltet, dass es zu einem weitgehenden Verlust, bis hin zum Totalverlust des angelegten Kapitals kommen kann.
Darauf wird zwar im Prospekt hingewiesen (K 3 Seite 20), das ändert aber an der grundsätzlichen Einordnung der strittigen Beteiligung als einer
risikobehafteten Unternehmensbeteiligung nichts.
47 c) Die Beklagte hätte der Klägerin die Anlage daher allenfalls dann empfehlen dürfen, wenn sichergestellt gewesen wäre, dass die Klägerin sich
aufgrund einer umfassenden Information über den tatsächlichen Charakter der Anlage klar darüber war, dass sie nicht die gewünschte
Sparanlage, sondern eine Unternehmensbeteiligung mit höheren Renditechancen aber auch höheren Risiken erhalten würde und sie sich in
Kenntnis dieses Umstandes für diese Beteiligung entschlossen hätte.
48 Das war nach Auffassung des Gerichts aber nicht der Fall.
49 Der für die Klägerin wesentliche Gesichtspunkt war nach ihrer Aussage derjenige des (zumindest) Kapitalerhalts. Diesem Erfordernis entspricht
die Beteiligung aber schon deshalb nicht, weil grundsätzlich. ein Verlustrisiko bis hin zum Totalverlust besteht.
50 Der Zeuge ... hat zwar angegeben, er habe die Klägerin über das Totalverlustrisiko aufgeklärt. Die Klägerin hat das aber nachdrücklich bestritten.
Das Gericht glaubt der Klägerin. Die Aussagen des Zeugen ... zu diesem Punkt sind unklar und zeigen, dass der Zeuge die Materie nicht
hinreichend durchdrungen hat. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Zeuge das sog. Totalverlustrisiko, wenn er es überhaupt erwähnt hat,
jedenfalls unangemessen heruntergespielt (bagatellisiert) hat. Der Zeuge hat das zwar – in wertender Aussage – bestritten
(Verhandlungsprotokoll Bl. 121 d. A.). Seine Darstellung, die Anlage sei eine einer "Sparform" vergleichbare "Ansparform" mit höheren Risiken,
aber auch höheren Chancen als beispielsweise ein Sparvertrag (Bl. 121 d. A.) und es sei eine offene Frage, ob es richtig sei, Aktien zu erwerben,
wenn sie im Wert tief liegen oder nicht, da niemand wisse, wie sich das Ganze entwickle und was nun gut oder schlecht sei (Bl. 119); ein
Widerspruch zu dem Wunsch nach einer sicheren Altersversorgung habe bei dieser Anlageform aber nicht vorgelegen, weil auch andere
Anlageformen zwar sicherer, aber eben nicht sicher seien (Bl. 118), belegt nach Auffassung des Gerichts, dass der Zeuge ... der Klägerin das
tatsächlich bestehende Risiko eines Verlustes ihrer Einlage nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit vor Augen geführt hat, insbesondere in
Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin eine sichere Altersversorgung angestrebt hat, was dem Zeugen ... nach seiner eigenen Aussage
bekannt war.
51 Das Gericht glaubt der Klägerin, dass sie in Kenntnis des Risikos des Verlustes ihrer Einlage diese nicht gezeichnet hätte. Die Klägerin war
weder willig, ein solches Risiko einzugehen, noch war sie sich – davon ist das Gericht aufgrund ihrer Aussage überzeugt – bewusst, ein solches
Risiko mit der Zeichnung dieser Anlage einzugehen.
52 Der Umstand, dass der Zeuge die Klägerin bewogen hat, ihre "Sparrate" gegenüber ihrer ursprünglichen Absicht zu reduzieren, ist insoweit ohne
Belang. Es bleibt der Tatbestand, dass die Klägerin ihre gesamten frei verfügbaren Mittel weitgehend diesem Risiko ausgesetzt hat mit der Folge
des Risikos des letztendlichen Fehlens der gewünschten zusätzlichen Alterssicherung.
53 Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, diese fehlende Aufklärung sei ohne Belang, da der Prospekt dieses Risiko hinreichend klar
beschreibe. Die Klägerin hat den Prospekt zwar erhalten, jedoch erst am Ende des zweiten Gesprächs, bei dem sie die Beteiligung auch
gezeichnet hat. Sie hatte daher keine ausreichende Möglichkeit, vom Prospektinhalt vor ihrer Beteiligungsentscheidung Kenntnis zu nehmen,
geschweige denn ihn hinreichend zu erwägen.
54 Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Prospekt während eines Teils des Gesprächs auf dem Tisch lag und – wie sowohl die Klägerin
als auch der Zeuge ... angegeben haben – auszugsweise vom Zeugen mit der Klägerin erörtert worden ist. Nach Aussage des Zeugen befasste
sich das Gespräch zunächst mit der Frage, welche Anlagen in Betracht zu ziehen waren. Daraus folgt, dass der Prospekt erst zu irgendeinem
späteren Zeitpunkt während des Gesprächs auf dem Tisch lag und eine Rolle spielen konnte. Selbst wenn man unterstellt, dass er ca. eine
Stunde oder gar 1 1/2 Stunden während des ca. 2 Stunden dauernden Gesprächs erläuternd herangezogen worden ist, genügt dies keinesfalls,
um der Klägerin einen hinreichenden Einblick in die komplexe Struktur der Anlage zu gewähren.
55 Entscheidend ist daher allein, welche Qualität die mündliche Information der Klägerin durch den Zeugen ... hatte. Das zeigt auch der Umstand,
dass der Zeuge selbst erklärt hat, er habe die Klägerin am Ende des Gesprächs darauf hingewiesen, sie solle den Prospekt mitnehmen und ihn
durchlesen, da im Prospekt noch interessante Details stünden; für Fragen stünde er dann zur Verfügung. Die weitere Aussage des Zeugen, er
meine, das Wesentliche erörtert zu haben (Bl. 120), ändert daran nichts.
56 Die Entscheidung des Beitrittsberechtigten hat erst dann zu erfolgen, wenn er in vollem Umfang über die Anlage ein zutreffendes Bild hat. Das
war am Ende des Gesprächs – unabhängig von der fehlenden ordnungsgemäßen Aufklärung über das Totalverlustrisiko – selbst nach Aussage
des Zeugen ..., auch wenn es nach dieser nur noch um interessante Details ging, nicht der Fall.
57 Die Beklagte kann sich auch nicht auf das zweiwöchige Widerrufsrecht berufen. Dieses Recht dient nicht dazu, sich nach Vertragsschluss
umfassend zu informieren und dann den Vertrag gegebenenfalls rückgängig zu machen, sondern allenfalls dazu, einem beim Beitritt in vollem
Umfang informierten Anleger die Möglichkeit zu geben, seine Entscheidung in Ruhe zu überdenken.
58 Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Klägerin habe schriftlich bestätigt, sie sei voll umfänglich informiert worden (K 2). Dadurch
ist der Klägerin auf jeden Fall der Beweis des Gegenteils nicht abgeschnitten worden, dieser Beweis ist – wie im Einzelnen im Vorstehenden
dargelegt – nach Auffassung des Gerichts erbracht.
59 Dieser Fall zeigt, dass die nach Kenntnis des Gerichts aus vielen vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten nicht unübliche Praxis mancher
Vertriebsorganisationen, derartige Vermögensanlagen in der Weise zu vertreiben, dass die Beitrittsentscheidung bereits am Ende des
Informationsgesprächs fällt, ohne dass der Anleger hinreichend Zeit hatte, zuvor die oft ausreichend informativen Prospekte in Ruhe zur Kenntnis
zu nehmen, für Vermögensanlagen dieser Art grundsätzlich bedenklich ist und die von der Rechtsprechung zu Recht geforderte
selbstverantwortliche Beitrittsentscheidung eines voll informierten Anlegers häufig nicht sicherstellt.
60 3. An der Kausalität des Informationsdefizits besteht kein Zweifel. Nur ergänzend wird daher insoweit auf die einschlägige Rechtsprechung
Bezug genommen (BGH NJW 93, 2865; NJW 2000, 3346; VersR 2002, 1251; BGH Entscheidung vom 19.07.2004 AZ. II ZR 354/02). Danach ist
eine unrichtige Information regelmäßig ursächlich für die Beitrittsentscheidung, ohne dass es darauf ankommt, dass der unrichtig dargelegte
Umstand gerade derjenige ist, der auch zum Scheitern der Anlage und zur Entstehung eines Schadens geführt hat.
61 4. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin auch geschädigt worden. Für diese Feststellung bedarf es nicht des Nachweises eines
konkreten Vermögensschadens, der i. Ü. wegen der hohen Verluste, auch wenn sie gewollt gewesen sein sollten, bezüglich der Einlage der
Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen wird, da der Klägerin die steuerreduzierenden Folgen – wie auch die Beklagte einräumt – nur in
relativ geringem Umfang zugute kommen. Es genügt vielmehr, dass die Klägerin infolge der unzureichenden Information eine für sie objektiv
ungünstige Anlage gezeichnet hat. Das ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat sich für die Dauer von 30 Jahren ohne Entnahmemöglichkeit zur
Kapitaleinzahlung verpflichtet, ohne eine hinreichende Gewissheit über und schon gar keinen Einfluss auf die Verwendung ihres Kapitals zu
haben, sondern einer unbestimmten und im Belieben der ... stehenden Anlagestrategie ausgeliefert zu sein. Damit liegt der Schaden darin, dass
sie in Bezug auf ihr Anlageziel überhaupt eine derart zweifelhafte Art der Vermögensanlage gewählt hat unabhängig vom gegenwärtigen oder
künftigen Stand dieses Vermögens (BGH, a.a.O.).
62 5. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft, nach denen die in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaft für die Vergangenheit als wirksam
zu behandeln und lediglich mit Wirkung ex nunc kündbar ist, führen zu keiner Beschränkung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin. Der
Bundesgerichtshof hat diese Grundsätze zwar nicht nur auf Gesellschaften mit eigenem Vermögen angewandt, sondern auch auf reine
Innengesellschaften wie die stille Gesellschaften, die kein gemeinschaftliches Vermögen bilden (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Das kann aber dann
nicht gelten, wenn der geltend gemachte Anspruch sich gar nicht gegen die Gesellschaft richtet, sondern wie im vorliegenden Fall gegen die
Beratungsgesellschaft, die wegen schuldhafter Falschberatung für die Mängel des Beitritts allein verantwortlich ist (vgl. BGH a.a.O.).
63 6. Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass die Übertragung des Gesellschaftsanteils der Zustimmung der Gesellschaft bedürfe und von ihr
gar nicht geleistet werden könne. Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz Zug um Zug gegen ihre schriftliche Zustimmung zur
Übertragung der Beteiligung an der "...". Diese Zustimmung beschreibt die Leistungshandlung, die die Klägerin zur Übertragung des von ihr
erworbenen Gesellschaftsanteils auf die Beklagte vornehmen kann. Das liegt dem Zug-um-Zug Antrag der Kläg. zugrunde, der daher insoweit
auszulegen war.
64 Bei dem Beteiligungsvertrag handelt es sich um einen Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Ziff. 2 AktG). Für die Änderung eines
Teilgewinnabführungsvertrags, zu der auch der Austausch eines stillen Gesellschafters gehört, bedarf es nach § 259 Abs. 1 AktG der
Zustimmung der Hauptversammlung. Daher können die Parteien die Übertragung der von der Klägerin erworbenen Beteiligung nicht allein durch
beiderseitige Vereinbarung wirksam vornehmen. Dieser Umstand kann aber einem auf das negative Interesse gerichteten
Schadensersatzanspruch wegen der von der Beklagten zu verantwortenden unvollständigen Information über das Beteiligungsangebot nicht
entgegenstehen. Deshalb muss es ausreichen, wenn die Klägerin von ihrer Seite alles Erforderliche veranlasst, um den Rechtsübergang auf die
Beklagte Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Einlage und Freistellung ihrer Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber zu
bewerkstelligen. Dazu genügt ihre schriftliche Zustimmung zur Übertragung. Davon abgesehen ist nach § 12 des Gesellschaftsvertrages
die...ohnehin zur Zustimmung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der vorliegend gegeben ist, verpflichtet.
65 7. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin ihre Beitrittsentscheidung in Kenntnis ihrer Fehlerhaftigkeit nachträglich
genehmigt hätte. Dazu genügt die Nachzahlung aufgelaufener rückständiger Raten parallel zu dem Rechtsstreit nicht. Aufgrund des Rechtsstreits
war vielmehr klar, dass die Klägerin ihre Rechte aus der fehlerhaften Beratung nach wie vor weiter verfolgen will und lediglich der ... keine
Handhabe geben wollte, rechtliche Schritte aufgrund eventueller Ratenrückstände einzuleiten.
II.
66 Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 101 ZPO.
67 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.