Urteil des LG Stuttgart vom 27.01.2005

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LG Stuttgart Beschluß vom 27.1.2005, 10 T 14/05
Geltendmachung und Feststellung der Unwirksamkeit eines im schriftlichen Verfahren geschlossenen Vergleichs
Leitsätze
Die Unwirksamkeit eines nach § 278 Abs. VI ZPO festgestellten Ver-gleichs ist durch Antrag auf Terminsanberaumung zur Fortsetzung des
Rechtsstreits geltend zu machen. Über die Wirksamkeit des Vergleichs ist durch Urteil zu entscheiden.
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluß des Amtsgerichts Kirchheim/Teck vom 13.12.2004 (Az.. 7 C 404/04) aufgehoben und der Rechtsstreit zur
erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Kirchheim/Teck zurückverwiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
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I. Mit Beschluß vom 11.10.2004 stellte das Amtsgericht fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen war, dessen Inhalt
aus dem Beschluß ersichtlich ist.
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Mit Schriftsatz vom 12.11.2004 wandte die Klägerin ein, dass mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gar kein Vergleich nach §
278 Abs. 6 ZPO zustande gekommen sei. Die Beklagten hätten nicht der von ihr vorgeschlagenen Änderung im Text des widerrufenen Vergleichs
zugestimmt, sondern einen anderen Terminsvorschlag unterbreitet. Dieser sei wiederum von ihr nicht angenommen worden. Das Verfahren sei
daher fortzusetzen.
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Die Beklagten legten dar, wie aus ihrer Sicht die Besichtigung am 25.10.2004 abgelaufen sei.
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Mit Beschluß vom 13.12.2004 wies das Amtsgericht den Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Vergleichs und Entscheidung des Rechtsstreits
durch Urteil zurück.
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Gegen diese der Klägerin am 20.12.2004 zugestellte Entscheidung legte sie mit Schreiben vom 03.01.2005, eingegangen am selben Tage,
Beschwerde ein.
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Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten vor.
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II. Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Über den Einwand der Unwirksamkeit des Vergleichs konnte nicht im Wege des Beschlusses entschieden werden. Die Regelung des § 278 Abs.
6 ZPO erleichtert zwar den Abschluß des Vergleichs, indem auf die Protokollierung bei Gericht verzichtet wird, begründet aber keinen
Unterschied in der Rechtsnatur zwischen einem in mündlicher Verhandlung protokollierten und einem nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten
Vergleich (vgl. OLG München MDR 2003, 533; Foerste in Musielak ZPO, 4. Aufl, 2005, § 278 Rz. 18; zum Protokollierungscharakter des
Beschlusses OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 423). Der Verweis auf § 164 ZPO belegt diesen Protokollierungscharakter und schafft nur bezüglich
von Unrichtigkeiten im Text eine Abhilfemöglichkeit. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob es überhaupt zu einem wirksamen
Vergleichsschluß gekommen ist.
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Folglich ist beim Einwand der Unwirksamkeit des Vergleichs wie bei einem in mündlicher Verhandlung protokollierten Vergleich das Verfahren
durch mündliche Verhandlung fortzusetzen (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 25; Foerste a.a.O.; Knauer/Wolf, NJW 2004, 2857,
2859 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
10 Sofern das Amtsgericht aufgrund dieser Verhandlung zu dem Ergebnis kommt, dass der Vergleich wirksam ist, ist durch Endurteil zu entscheiden,
dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist (vgl. BGH MDR 1996, 1286).
11 Eine Zulassung nach § 574 ZPO war zur Fortbildung des Rechts bezüglich der mit der ZPO-Reform neu eingeführten Möglichkeit des
Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO geboten.