Urteil des LG Stuttgart vom 13.04.2011

LG Stuttgart: abtretung, gesetzesentwurf, nebenleistung, unternehmer, haftpflichtversicherung, tarif, verkehrsunfall, vermietung, berechtigung, vergütung

LG Stuttgart Urteil vom 13.4.2011, 4 S 278/10
Abtretung von Ansprüchen auf Erstattung von Mietwagenkosten an das Mietwagenunternehmen nach einem Verkehrsunfall
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 05.11.2010 – 8 C 1039/10 – aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H. von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert der Berufung: 572,40 EUR
Tatbestand
1
Die Klägerin/Berufungsbeklagte begehrt aus abgetretenem Recht Zahlung restlichen Schadensersatzes (Erstattung von Mietwagenkosten) aus
einem Verkehrsunfall vom 04.11.2009. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte/Berufungsklägerin hat dagegen
form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
2
1)
Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen .... Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den aufgrund des Verkehrsunfalls
entstandenen Schaden als Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin dem Grunde nach zu 100 % einzustehen hat.
3
Für die Zeit des schädigungsbedingten Ausfalls ihres Kraftfahrzeuges mietete die Zedentin bei der Klägerin am 05.11.2009 ein Ersatzfahrzeug
für den Zeitraum 05.11.2009 bis 14.11.2009 an.
4
Bereits am 05.11.2009 unterzeichnete die Zedentin eine von der Klägerin vorformulierte Erklärung "Abtretung und Zahlungsanweisung" (Anl. K2
= Bl. 19 d.A.) mit folgendem Wortlaut:
5
"Hiermit trete ich die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, Halter und deren/dessen
Haftpflichtversicherung aus dem oben genannten Schadensereignis erfüllungshalber an die ... (...) ab.
6
Ich weise die Versicherung und gegebenenfalls den regulierenden Rechtsanwalt an, den sich aus der Fahrzeuganmietung ergebenden
Schadensbetrag unmittelbar an die oben genannte Autovermietung zu zahlen und bitte darum, die Zahlungsbereitschaft kurzfristig dorthin zu
bestätigen.
7
Durch diese Abtretung und Zahlungsanweisung werde ich nicht von einer Verpflichtung zur Zahlung der Mietwagenkosten befreit, wenn die
Versicherung nicht in angemessener Zeit/Höhe leistet. Zahlungen werden mit den Ansprüchen des Geschädigten verrechnet.“
8
Die Klägerin nahm diese Abtretungserklärung durch Gegenzeichnung am 09.11.2009 an.
9
Am 25.11.2009 stellte die Klägerin für die Anmietung des Mietwagens einen Betrag von 1.246,41 EUR in Rechnung. Das Original der Rechnung
übersandte die Klägerin an die Zedentin, eine Kopie an die Beklagte. Die Beklagte bezahlte auf den Rechnungsbetrag 575,00 EUR. Mit
Anwaltsschreiben vom 25.02.2010 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten die noch ausstehenden 671,41 EUR anmahnen.
10 Mit der Klage macht die Klägerin – abweichend von der ursprünglichen Rechnung – die Differenz aus einem von ihr als berechtigten
Mindestbetrag angenommenen Betrag von 1.147,40 EUR ("Normaltarif/Selbstzahlertarif" unter Heranziehung des Schwacke-Mietpreisspiegels
unter Hinzurechnung eines Zuschlages für unfallbedingte Zusatzleistungen in Höhe von 262 EUR) und der bezahlten 575,00 EUR, mithin 572,40
EUR zuzüglich Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.
11 Die Klägerin trägt vor, sie sei aufgrund der Abtretung aktivlegitimiert. Ein Verstoß gegen das RDG liege nicht vor. Die Inkassotätigkeit eines
Mietwagenunternehmers wegen restlicher Mietwagenkosten anlässlich eines vom eigenen Mietkunden unverschuldeten Unfalls gehöre als
Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild eines Mietwagenunternehmens im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG. Dies entspreche auch dem klaren
Willen des Gesetzgebers. Sie betreibe die Beitreibung derartiger Forderungen nicht geschäftsmäßig, das Geschäftsfeld der Klägerin bestehe in
der Vermietung von Fahrzeugen und nicht etwa in der Durchführung von Schadensregulierungen. Die Klägerin unterhalte auch keine eigene
Rechtsabteilung für die Beitreibung von Forderungen wie der vorliegenden, deshalb sei auch bereits außergerichtlich ein Rechtsanwalt
eingeschaltet worden. Auf die Frage, welche Vergütung für die Anmietung des Fahrzeuges konkret vereinbart worden sei, komme es nicht an,
weil die Klägerin aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche geltend mache und nicht etwa das Entgelt aus einem geschlossenen
Mietvertrag.
12 Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung gegen das RDG verstoße und damit gem. § 134 BGB
unwirksam sei. Im Übrigen seien die Mietwagenkosten in dieser Höhe nicht erforderlich gewesen. Marktüblich seien für den konkreten Zeitraum
nach der sog. „Fraunhofer“-Liste lediglich Mietkosten in Höhe von 575 EUR gewesen. Es werde außerdem bestritten, dass die Zedentin mit der
Klägerin die in Rechnung gestellte Vergütung vereinbart habe.
13 Die Klägerin hat beantragt:
14
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 572,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz hieraus seit 12.03.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 EUR zu bezahlen.
15 Die Beklagte hat beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
2)
18 Die Klägerin sei aktivlegitimiert, die Abtretung sei wirksam. Zwar ziehe die Klägerin geschäftsmäßig Schadensersatzforderungen von
unfallgeschädigten Kunden ein und erbringe damit eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG. Es ergebe sich nämlich aus dem
verwendeten Abtretungsformular, dass die Klägerin sich regelmäßig Forderungen von Geschädigten gegen die Unfallgegner abtreten lasse, um
diese in eigenem Namen geltend zu machen. Es sei im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin in verschiedenen Einzelfällen Prozesse
gegen Haftpflichtversicherungen führe, um eine grundsätzliche Klärung des Umfangs von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen im
Hinblick auf die Höhe von Mietwagenkosten herbeizuführen.
19 Gleichwohl sei die Inkassotätigkeit der Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 RDG ausnahmsweise erlaubnisfrei. In der Begründung zum Entwurf des RDG
sei als Anwendungsfall einer zulässigen Nebenleistung die Inkassotätigkeit im Bereich der Unfallschadenregulierung bezüglich
Mietwagenkosten ausdrücklich erwähnt. Die Abtretung sei im übrigen für den Geschädigten auch vorteilhaft, weil ihn dies von der lästigen
Schadensabwicklung entlaste, ohne dass er eine nachteilige Auswirkung fürchten müsse. Insbesondere trage er auch keinerlei Prozess- und
Kostenrisiko. Es gehe bei derartigen Prozessen nicht um Individualinteressen des Geschädigten, sondern um eine grundsätzliche Streitfrage
zwischen zwei Wirtschaftszweigen, nämlich den Autovermietern einerseits und der Versicherungswirtschaftswirtschaft andererseits.
20 Weiterhin sei auch die geltend gemachte Höhe des Schadensersatzanspruches gerechtfertigt.
21 Das Amtsgericht hat die Berufung ausdrücklich zugelassen, § 511 Abs. 2 ZPO.
22 Hinsichtlich der weiteren Feststellungen und Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 75ff. d.A.) Bezug genommen.
23
3)
dass die Abtretung als Verstoß gegen § 2, 4 und 5 RDG gem. § 134 BGB nichtig sei und die Klägerin daher nicht aktiv legitimiert sei.
24 Die Beklagte beantragt:
25
Unter Abänderung/Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Waiblingen, Az.: 8 C 1039/10, zugestellt am 09.11.2010, wird die Klage
kostenpflichtig abgewiesen.
26 Die Klägerin beantragt,
27
die Berufung zurückzuweisen.
28 und verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.
29 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
30 Die zulässig Berufung ist begründet. Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert, weil die Abtretung gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen §§
1, 2, 3 und 5 RDG nichtig ist (für vergleichbare Fälle im Ergebnis ebenso: Palandt/Ellenberger, 69. Aufl., § 134 BGB, Rdnr. 21b; zitiert nach Juris:
AG Frankfurt, Urteil vom 22.8.2008, 32 C 357/08; AG Syke, Urteil vom 2.12.2009, 24 C 1228/09; LG Stuttgart, Urteil vom 20.01.2010, 5 S 208/05;
AG Mannheim, Urteil vom 25.8.10, 9 C 208/10; a.A: LG Köln, Urteil vom 29.12.2010 - 9 S 252/10, BeckRS 2011, 00355).
31 Auf die Berufung ist das Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
32
1)
schützen, § 1 Abs.1 Satz 2 RDG. Deshalb sind Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, wie sie ausdrücklich erlaubt sind, § 3 RDG.
33 Soweit die Klägerin und das Amtsgericht der Auffassung sind, dass es der klare Wille des Gesetzgebers sei, dass Mietwagenunternehmen
künftig abgetretene Ersatzansprüche nach Verkehrsunfällen als Rechtsdienstleistungen für ihre Kunden in eigenem Namen geltend machen
können, ist dem jedenfalls für den konkreten Fall nicht zuzustimmen.
34 Richtig ist, dass in der Gesetzesbegründung zum ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BR-Dr. 623/06 vom 01.09.06, S.107ff.;
BT-Dr.16/3655, vom 30.11.2006, S.53ff) die Unfallregulierung durch Mietwagenunternehmen in bestimmten Konstellationen ausdrücklich als
erlaubte Rechtsdienstleistung erwähnt ist, nämlich bei der Frage des Erfordernisses einer „besonderen rechtlichen Prüfung“ (BR-Dr. 623/06, S.
95 ff.) und bei der Erläuterung des § 5 Abs. 1 RDG (BR-Dr. 623/06, S. 110ff.). Der aus einer Begründung zu einem Gesetzesentwurf erkennbare
Wille des Gesetzgebers – im konkreten Fall genauer gesagt: der erkennbare Wille der Bundesregierung, welche den ursprünglichen
Gesetzentwurf eingebracht hat – ist allerdings nur ein Anknüpfungspunkt für die Gesetzesauslegung. Der gesetzgeberische Wille muss sich auch
im Wortlaut des Gesetzes niedergeschlagen haben und mit dem – im konkreten Fall in § 1 RDG verankerten – Zweck des RDG übereinstimmen.
Außerdem ist die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu berücksichtigen. Der Gesetzesentwurf, welcher der ursprünglichen
Gesetzesbegründung zugrundelag, ist nicht Gesetz geworden: der vorgeschlagene Halbsatz in § 5 Abs. 1 RDG „oder zur vollständigen Erfüllung
der mit der Haupttätigkeit verbundenen gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten“ ist im Gesetzgebungsverfahren ebenso weggefallen, wie das
Erfordernis einer besonderen rechtlichen Prüfung des Einzelfalls in § 2 Abs. 1 RDG (vgl. dazu Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses,
BT-Dr.16/6634 vom 10.10.2007).
35
2)
Rechtdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG darstellt.
36 Rechtsdienstleistung ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine
rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
37
a)
fremde Rechtsangelegenheit im Sinne des § 2 RDG aus.
38 Nach ständiger Rechtsprechung zu der Vorgängervorschrift Art. 1 § 1 RBerG bedurfte der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, das es
geschäftsmäßig übernahm, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis, und zwar auch dann, wenn es
sich die Schadensersatzforderung erfüllungshalber abtreten ließ und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen gegen die Kunden
verrechnete. Wenn nämlich nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten
Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden, werden den Geschädigten
Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2005, 135 = VersR
2005, 241; NJW-RR 2005, 1371 = VersR 2005, 1256; NJW 2005, 3570 = VersR 2005, 1700).
39 An den Grundsätzen zur Unterscheidung von eigenen und fremden Angelegenheiten ist auch nach der Neuregelung des § 2 RDG festzuhalten,
weil das Merkmal der „fremden Angelegenheit“ durch die neue Rechtslage keine Änderung erfahren hat (ebenso LG Mönchengladbach, Urteil
vom 20.01.2009, 5 S 110/08; juris; s. auch BR-Dr. 623/06, S. 98, wonach das Merkmal der fremden Angelegenheit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des RBerG entnommen sei). Soweit durch die Neuregelung die Befugnis zur Erbringung
außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen erleichtert werden soll, soll dies insbesondere durch das Erfordernis einer rechtlichen Prüfung des
Einzelfalls sowie durch die Erlaubnisfreiheit bestimmter Nebenleistungen erfolgen. Dementsprechend finden sich die Ausführungen zu
Mietwagenfirmen in der Gesetzesbegründung ausschließlich in den Erläuterungen zur Frage des Erfordernisses einer „besonderen rechtlichen
Prüfung“ (BR-Dr. 623/06, S. 95 ff.) und bei der Erläuterung des § 5 Abs. 1 RDG (BR-Dr. 623/06, S. 110ff.).
40 Im konkreten Fall spricht entscheidend für die Erbringung einer fremden Angelegenheit die Tatsache, dass die Forderung lediglich
„erfüllungshalber“ abgetreten worden ist. Daraus ergibt sich nämlich auch weiterhin die Pflicht des Mietwagenunternehmens, vor
Inanspruchnahme des geschädigten Kunden zunächst den Schädiger in Anspruch zu nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin
zeitgleich ihrer Kundin das Original der Rechnung und der Beklagten eine Kopie der Rechnung übersandt hat. Darin kann nicht das Bemühen
der Klägerin gesehen werden, die Forderung zunächst gegen ihre Kundin geltend zu machen. Vielmehr war es schon in der Abtretungserklärung
angelegt, dass sich die Klägerin primär an den Schädiger halten sollte, wie es dann in der Folge auch tatsächlich geschehen ist. Die Abtretung ist
bereits am Tag der Anmietung erfolgt. Nach der erfolgten Abtretung konnte die Zedentin davon ausgehen, dass sich die Klägerin zunächst mit
der Beklagten auseinandersetzen würde. Letztlich wurden der geschädigten Kundin Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sich diese
eigentlich selbst zu kümmern hatte.
41
b)
des Erstattungsanspruches sowie die Grundlage einer etwaigen Schadensschätzung durch den Richter gehört zu den hoch umstrittenen
Rechtsfragen im Rahmen der Unfallschadensabwicklung und erfordert fundierte Rechtskenntnisse. Dabei ist die konkrete Abtretungserklärung
ihrem Wortlaut nach keineswegs auf Fälle beschränkt, in denen die Haftung des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig ist. Zudem geht
es selbst bei unstreitiger Haftungsquote in Prozessen zwischen Mietwagenunternehmen und Haftpflichtversicherungen nicht ausschließlich um
den Streit, auf Grundlage welcher Mietwagen-Preisspiegel („Schwacke“ oder „Fraunhofer“) abgerechnet werden kann, sondern um die
Erforderlichkeit der konkreten Mietwagenkosten im Einzelfall, also etwa auch um die konkrete Anmietsituation, die erforderliche Dauer der
Anmietung und die Erstattungsfähigkeit unfallbedingten Mehraufwandes.
42 So heißt es auch in der Gesetzesbegründung zum ursprünglichem Gesetzesentwurf (BR-Dr. 623/06, S. 95 ff.):
43
„Soweit ein Kfz-Reparaturbetrieb, ein Mietwagenunternehmen oder ein Kraftfahrzeugsachverständiger dem Unfallgeschädigten dagegen
Hinweise zur Erstattungsfähigkeit der durch seine Beauftragung entstandenen Kosten erteilen, handelt es sich um eine nach § 249 BGB zu
beurteilende rechtliche Frage, deren Beantwortung – jedenfalls in den Fällen, in denen hierüber Streit entstehen kann – regelmäßig eine
besondere rechtliche Prüfung im Sinn des § 2 Abs. 1 erfordert.“
44 Im konkreten Fall hat sich die Klägerin die Ersatzansprüche ihrer Kunden bereits in einem Zeitpunkt abtreten lassen, in welchem noch nicht
absehbar war, ob bzw. inwieweit die Ansprüche des Kunden dem Grunde nach bzw. zumindest der Höhe nach unstreitig bleiben würden.
Insbesondere die erforderliche Dauer der Mietwagenbenutzung konnte zum Zeitpunkt der Abtretung - nämlich am ersten Tag nach dem Unfall -
noch nicht feststehen. Hinzu kommt, dass - im Unterschied zum ursprünglichem Gesetzesentwurf - die endgültige Gesetzesfassung insoweit
verschärft wurde, als eine „besondere“ Prüfung des Einzelfalls nicht erforderlich ist. Mit der Streichung des Wortes „besondere“ sollte vermieden
werden, dass an das Erfordernis der rechtlichen Prüfung zu hohe Maßstäbe angelegt werden; es sollen nicht nur besonders schwierige oder
umfassende rechtliche Prüfungen erfasst werden, sondern alle Fälle, in denen über die Rechtsanwendung hinaus eine juristische Rechtsprüfung
erforderlich ist (vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 10.10.2007, BT-Drucks. 16/6634, S. 51).
45
c)
Abtretungsformular, dass die Klägerin sich regelmäßig Forderungen von Geschädigten gegen die Unfallgegner abtreten lässt, um diese in
eigenem Namen geltend zu machen. Es ist im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin in verschiedenen Einzelfällen Prozesse gegen
Haftpflichtversicherungen führt, um eine grundsätzliche Klärung des Umfangs von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen im
Hinblick auf die Höhe von Mietwagenkosten herbeizuführen.
46 Dabei ist das Merkmal der „Geschäftsmäßigkeit“, welches in Art. 1 § 1 RBerG noch enthalten war, dem Wortlaut der Neuregelung nicht mehr zu
entnehmen. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten. Die Tatsache, dass sich die Klägerin aber bereits am Tag der Anmietung
formularmäßig die Ersatzansprüche abtreten lässt, bevor überhaupt feststeht, ob der Anspruch des Kunden dem Grunde und der Höhe nach
unbestritten bleiben wird, zeigt indessen, dass es zum Schutz des Rechtssuchenden erforderlich ist, zu diesem Zeitpunkt vom typischen Fall
auszugehen: nach dem Gesetz (§ 17 StVG) ist nämlich bei einem Unfall, an dem mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt sind, zur Haftung dem Grunde
nach eine Abwägung im Einzelfall notwendig.
47
3)
48
a)
Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören (§ 5 Abs.1 Satz 1 RDG). Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach dem Leistungsinhalt,
dem Umfang und dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der für die Ausübung der Haupttätigkeit
erforderlichen Rechtskenntnisse zu beurteilen (§ 5 Abs.1 Satz 2 RDG).
49 Die Erlaubnisfreiheit von Nebenleistungen trägt dem Umstand Rechnung, dass viele gewerbliche Tätigkeiten, deren Schwerpunkt im
wirtschaftlichen Bereich liegt, notwendig auch mit rechtsbesorgender Tätigkeit verbunden sind (OLG Karlsruhe, 8.10.2009, 4 U 113/09) und soll
den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend den Weg für eine weite Auslegung der zulässigen Nebentätigkeiten eröffnen (BT-
Drucksache 16/3655, S.53).
50 Diese Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 RDG erfüllt jedenfalls die vorliegende Abtretung nicht.
51
b)
Inkassotätigkeit von Mietwagenunternehmen vor.
52 Das Amtsgericht bezieht sich in seinem Urteil auf folgenden Teil der Begründung zum ursprünglichem Gesetzesentwurf (BR-Dr. 623/06, S. 110 f):
53
„Gerade die im Streitfall erforderliche Rechtfertigung der eigenen Leistung oder Abrechnung durch den Unternehmer belegt die in § 5 Abs. 1
geforderte Zugehörigkeit zu dessen eigentlicher Hauptleistung. Soweit die Rechtsprechung unter Geltung des Artikel 1 § 5 RBerG bis heute
ganz überwiegend daran festhält, dass die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmer nur dann
zulässig ist, wenn es diesem wesentlich darum geht, die ihm durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen (vgl. zuletzt BGH,
VI ZR 268/04 v. 15.11.2005, VersR 2006, 283; BGH, VI ZR 251/04 v. 20.9.2005, NJW 2005, 3570; BGH, VI ZR 173/04 v. 5.7.2004, NJW-RR
2005, 1371; BGH, VI ZR 300/03 v. 26.10.2004, NJW 2005, 135), soll dies künftig nicht mehr gelten. (...) In der Tat ist es nicht nur für die
Kunden und den Unternehmer, sondern auch für die Anspruchsgegner durchweg vorteilhaft, wenn der Streit über die Berechtigung einer
Rechnungsposition unmittelbar zwischen dem Unternehmer und der letztlich zahlungspflichtigen Person ausgetragen wird. Der Kunde wird
von der für ihn lästigen Schadensabwicklung entlastet, ohne nachteilige Auswirkungen fürchten zu müssen: Setzt der Unternehmer den
Erstattungsanspruch erfolgreich durch, wird der Kunde durch die Leistung des Dritten von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem
Unternehmen befreit; bestreitet der Dritte seine Eintrittspflicht erfolgreich, wird das Unternehmen seine Forderung auch gegenüber dem
Kunden nicht durchsetzen können. Der Unternehmer kann seine Leistung unmittelbar gegenüber dem wirtschaftlich Einstandspflichtigen
rechtfertigen und braucht seinen Kunden nicht in Anspruch zu nehmen. Der Dritte schließlich wird in die Lage versetzt, sich über die von ihm
erhobenen Einwendungen gegen die Abrechnung des Unternehmers unmittelbar mit diesem auseinandersetzen zu können.... “
54 Der Gesetzgeber hat allerdings bewusst die Inkassotätigkeit von Mietwagenunternehmen nicht in den Katalog der ausdrücklich erlaubten,
konkret bezeichneten Nebenleistungen des § 5 Abs. 2 RDG aufgenommen. Auch ist schon im ursprünglichen Gesetzesentwurf darauf
hingewiesen, dass die Regulierung dem Grunde nach streitiger Schadensfälle niemals eine nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung der
Vermietung eines Ersatzfahrzeuges sein kann (BR-Dr. 623/06, vom 1.9.06 S. 95f.). Dies bedeutet, dass die Inkassotätigkeit von
Mietwagenunternehmen nicht generell erlaubt ist, sondern die Berechtigung im Einzelfall zu prüfen ist.
55 Zudem ist der im ursprünglichen Entwurf vorgeschlagene Halbsatz („oder zur vollständigen Erfüllung der mit der Haupttätigkeit verbundenen
gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten“) im Gesetzgebungsverfahren weggefallen: der Rechtsausschuss hielt die im Regierungsentwurf
enthaltene Einbeziehung gesetzlicher oder mit der Haupttätigkeit verbundener vertraglicher Pflichten für entbehrlich, da – sofern im
Zusammenhang mit einer Haupttätigkeit gesetzliche Rechtsdienstleistungspflichten bestehen, diese stets auch Teil des jeweiligen Berufs oder
Tätigkeitsbildes sind; zugleich sollte durch die die Streichung dieser entbehrlichen Tatbestandselemente einer ausufernden Auslegung der
Vorschrift, wonach rechtsdienstleistende Nebenpflichten von den Vertragsparteien willkürlich und ohne Zusammenhang mit der eigentlichen
Haupttätigkeit vereinbart werden könnten, ausgeschlossen werden (vgl. dazu Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Dr.16/6634, S.
51). Der Gesetzesentwurf, auf welchen sich die Gesetzesbegründung bezieht, ist mithin gerade nicht Gesetz geworden, vielmehr wurden durch
Änderungen des Gesetzeswortlauts die Anforderungen an erlaubnisfreie Rechtsdienstleistungen verschärft.
56
c)
57 Dabei mag zwar ein Zusammenhang mit der Hauptleistung eines Mietwagenunternehmens insoweit bestehen, als das Mietwagenunternehmen
den Rechnungsbetrag gegenüber dem Kunden rechtfertigen muss. Dies stellt aber noch keine rechtliche Beratung dar. Es besteht keine
Nebenleistungspflicht des Mietwagenunternehmens, eine streitige Schadensersatzforderung des Kunden in eigenem Namen geltend zu
machen. Dabei ist der Streit um die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten in der Geschäftspraxis der Klägerin bereits angelegt: sie berechnet
dem unfallgeschädigten Kunden nämlich nicht die in der konkreten Niederlassung üblichen – möglicherweise preisgünstigeren –
Mietwagenkosten, sondern einen fiktiven Unfallersatztarif nach der Schwacke-Liste, deren Berechtigung gerichtsbekannt von
Haftpflichtversicherungen unter Verweis auf die Fraunhofer-Liste regelmäßig angegriffen wird. Eine Abtretung der Schadensersatzforderung geht
zudem über eine bloße Mitwirkung bei der Schadensabwicklung weit hinaus.
58 Die zum Zweck der Durchsetzung gegenüber der Haftpflichtversicherung erfolgende Abtretung ist jedenfalls schon deshalb keine Nebenleistung
im Sinne des § 5 RDG, weil die Befassung mit höchst streitigen Einzelfragen des Schadensersatzrechts erkennbar nicht zum „Berufs- und
Tätigkeitsbild“ eines Autovermieters gehört, und weil sie wegen der Komplexität und Schwierigkeit der damit in Zusammenhang stehenden
Rechtsfragen ein durchschnittlicher Autovermieter auch mangels ausreichender juristischer Kenntnisse gar nicht selbst, sondern nur mit
Unterstützung eines Rechtsanwalts leisten kann. Dass die Klägerin über solche fundierten Rechtskenntnisse verfügt, hat sie nicht behauptet,
sondern vielmehr selbst dargelegt, das Geschäftsfeld der Klägerin bestehe in der Vermietung von Fahrzeugen und nicht etwa in der
Durchführung von Schadensregulierungen. Die Klägerin unterhalte auch keine eigene Rechtsabteilung für die Beitreibung von Forderungen wie
der vorliegenden, deshalb sei auch bereits außergerichtlich ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden. Jedenfalls die Klägerin selbst kann - wie sie
selbst vorträgt - ihre Kunden rechtlich nicht beraten, somit würde jedenfalls die Inkassotätigkeit der Klägerin nicht zu deren "Berufs- und
Tätigkeitsbild" im Sinne des §§ 5 Abs. 1 RDG zählen.
59 Vorliegend fehlt es schließlich an einem nachvollziehbaren Bedürfnis für eine weite Auslegung des § 5 Abs. 1 RDG: Als
Mietwagenunternehmerin schließt die Klägerin – freiwillig – mit ihrem Kunden Verträge, wonach dieser das vereinbarte Entgelt zu zahlen hat.
Warum sie dann, wenn eine Haftpflichtversicherung ihren Tarif für überhöht hält und nicht zahlt, anstatt sich an den Kunden zu halten, auf
eigenes Risiko und Kosten aus abgetretenem Recht mit den Beschränkungen des Schadenersatzes (§ 249 BGB) gegen die Versicherung sogar
gerichtlich vorgeht, und zwar ohne dass sie dafür von diesem Kunden eine Gegenleistung erhielte, ist nicht ohne weiteres verständlich. Ebenso
wenig ist ein Vorteil für den Kunden ersichtlich, weil dieser nur einen Ersatzwagen will, und zwar zu dem Tarif, auf den er einen
Schadensersatzanspruch hat, und möglichst nicht in eine gerichtliche Auseinandersetzung hingezogen werden will, in welcher er z.B. Angaben
zu seiner Anmietsituation machen müsste. Vielmehr kann die Dienstleistung der Klägerin – dies wird erstinstanzlichem Urteil ebenso übersehen
wie in der Gesetzesbegründung – gegebenenfalls sogar zu einem Nachteil für den Zedenten führen, weil dieser je nach Qualität der
Prozessführung der Zessionarin dem Risiko ausgesetzt ist, seinen Erstattungsanspruch gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung im
schlimmsten Fall ganz zu verlieren und dennoch die Anmietkosten zahlen zu müssen.
60
d)
um eine grundsätzliche Streitfrage zwischen zwei Wirtschaftszweigen, nämlich den Autovermietern einerseits und der
Versicherungswirtschaftswirtschaft andererseits, ändert daran nichts. Zwar drängt sich in der Tat der Eindruck auf, dass es der Klägerin - die ja im
Verhältnis zum Anmietkunden problemlos ihren vertraglich vereinbarten Mietpreis durchsetzen könnte - gar nicht darum geht, den konkreten
Zahlungsanspruch durchzusetzen, sondern sie die Klärung von Rechtsfragen bezüglich der Höhe des von Unfallkunden zu zahlenden
Mietpreises erstrebt. Daraus ergibt sich aber kein schutzwürdiges Bedürfnis, die Inkassotätigkeit von Mietwagenunternehmen zulasten des
Rechtssuchenden generell zuzulassen.
61 Denn es geht in derartigen Rechtsstreitigkeiten nicht um abstrakte Rechtsfragen, sondern um individuelle Ansprüche eines Unfallgeschädigten
im einem konkreten Einzelfall. Gem. § 249 Abs. 2 BGB ist nämlich der zur Beseitigung des konkreten Schadens erforderliche Geldbetrag zu
erstatten, d.h. die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und
notwendig halten durfte. Auf welcher Grundlage die erforderlichen Mietwagenkosten zu ermitteln sind, ist dabei eine Frage des Einzelfalls.
Insbesondere kann der aus § 249 Abs. 2 BGB folgende Grundsatz, welcher den Geschädigten gegenüber dem Schädiger privilegiert, keine
uneingeschränkte Geltung in den Fällen beanspruchen, in denen sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der
nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Insoweit kann aus schadensrechtlicher Sicht der zur Herstellung erforderliche
Geldbetrag nicht ohne weiteres mit einem solchen „Unfallersatztarif” gleichgesetzt werden (vgl. BGH NJW 2005, 1041ff.).
62 Im Übrigen reißt eine Abtretung von Schadensersatzforderungen auf Erstattung von Mietwagenkosten (oder auch Reparaturkosten) schon kurz
nach dem Unfall einen einheitlichen Lebensvorgang auseinander: Abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt die Alleinhaftung des
Unfallgegners - wenn dieser nicht gerade schon an der Unfallstelle seine Alleinhaftung anerkannt hat - regelmäßig noch nicht feststeht, kann zu
diesem Zeitpunkt auch die Erstattungsfähigkeit des Sachschadens (wegen etwaiger Vorschäden) sowie die erforderliche Dauer der Anmietung
des Ersatzfahrzeuges noch nicht unstreitig sein. Konsequenz wäre, dass dann entweder mehrere Prozesse wegen desselben Unfalls geführt
werden müssten – z.B. müsste das Mietwagenunternehmen auf Erstattung der Mietwagenkosten, die Werkstatt auf Erstattung der
Reparaturkosten und der Geschädigte auf Zahlung von Schmerzensgeld klagen – oder sich der Geschädigte die Ansprüche wieder rückabtreten
lassen müsste.
63
4)
64 Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil angesichts der praktischen Bedeutung dieses Falles und der divergierenden
gerichtlichen Entscheidungen zu vergleichbaren Fallkonstellationen die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.