Urteil des LG Stuttgart vom 12.11.2010

LG Stuttgart: zedent, entgangener gewinn, kapitalanlage, verjährungsfrist, gespräch, agio, abtretung, beratungsvertrag, zeichnung, verfügung

LG Stuttgart Urteil vom 12.11.2010, 14 O 249/10
Verletzung der Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag bei fehlender Aufklärung über die Rückvergütungen
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 153.923,76 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab
19.07.2010 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte an der Gesellschaft „D… I…-A… Nr. … „C…, E…“ S… & D… N… KG“.
2. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Hilfsantrages, wird die Klage abgewiesen.
3. Die Drittwiderklage wird ebenfalls abgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 9 % und die Beklagte 91 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte 82 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin 18 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Streitwert: 187.219,04 EUR.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Schadenersatz wegen Pflichtverletzungen aus einem von ihr behaupteten
Anlageberatungsvertrag im Zusammenhang mit dem Erwerb eines geschlossenen Immobilenfonds (D…-Fonds Nr. …) sowie hilfsweise für den
Fall, dass die beantragte Schadensersatzleistung Steuervorteile mindernd anzurechnen sind, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den
Zedenten von etwaigen Forderungen des Finanzamts wegen nachträglicher Aberkennung von Verlustzuweisungen freizustellen.
2
Der Drittwiderbeklagte E… Z… (im Folgenden: der Zedent) zeichnete am 03.11.1993 eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds
„D… I…-A… Nr. … „C…, E…“ S… & D… N… KG“ (im Folgenden: D…-F… Nr. …) in Höhe von 200.000,00 DM zuzüglich 5 % Agio,
Zeichnungsschein Anlage K 6. Diese Zeichnung und Eintragung in das Treuegeberregister wurden sodann von der D… Bank per 25.11.1993
bestätigt, Zeichnungsannahme Anlage K 7.
3
Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Zeichnung sind zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin trägt insoweit vor, der Zedent, der im Jahre
1993 voll im Berufsleben als selbständiger Ingenieur gestanden und gerade aus dem Verkauf einer Immobilie umfangreiche liquide Mittel auf
seinem Konto zur Verfügung gehabt habe, sei angesichts der hohen Summe auf dem laufenden bei der Beklagten geführten Konto von Herrn
P… telefonisch kontaktiert und zu einem Beratungsgespräch geladen worden. Bei diesem Gespräch sei der hier streitgegenständliche D…-F…
Nr. … vorgestellt und empfohlen worden. Im Anschluss an dieses Gespräch habe die Beklagte dem Zedenten postalisch den vorausgefüllten
Zeichnungsschein sowie einen umfangreichen Verkaufsprospekt, Anlage K 9, übersandt. Bei dem Gespräch sei noch kein Prospekt gezeigt
worden, sondern nur das „Renditeblatt“, Anlage K 16, Grundlage gewesen. Nachdem er den Prospekt erhalten habe, habe der Zedent die
Anlage gezeichnet. Bereits zuvor habe man sich verständigt, dass die Hälfte der Beteiligung durch ein Darlehen der Beklagten finanziert werden
sollte, was dann unstreitig auch erfolgte, vgl. Darlehensvertrag vom 23.11./07.12.1993, Anlage K 17.
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Die Beklagte bestreitet, dass es wegen der hier streitgegenständlichen Beteiligung am D…-F… Nr. … zu einem Beratungsgespräch mit dem
Zedenten gekommen sei und dass die Beklagte durch ihren Mitarbeiter P… telefonisch Kontakt zum Zedenten aufgenommen habe. Die Beklagte
sei vielmehr vom Zedenten konkret wegen Immobilienfondsanlagen angegangen worden. Auf telefonische Prospektanforderung habe sie dem
Zedenten den Prospekt der D… I…-A… Nr. … postalisch übermittelt, worauf dieser ohne eine persönliche Erörterung des Beteiligungskonzeptes
mitgeteilt habe, den hälftigen Anteil seiner Beteiligung finanzieren zu wollen. Dieser Finanzierung habe die Beklagte zugesagt und ein
Finanzierungsangebot übersandt, dessen Bestandteil die Liquiditätsrechnung, Anlage K 16, gewesen sei.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Sie wirft der
Beklagten Schlechterfüllung dieses Beratungsvertrags vor, indem diese weder im Prospekt noch im persönlichen Gespräch den Zedenten
darüber aufgeklärt habe, dass sie für ihre Tätigkeit ein Entgelt in Höhe von 8 % aus dem Anlagebetrag von der Anlagegesellschaft erhalte.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte eine Zahlung in dieser Höhe tatsächlich erhalten hat.
6
Die Klägerin trägt weiter vor, der Zedent hätte die Beteiligung nicht gezeichnet, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte nach erfolgreicher
Vermittlung der Beteiligung eine solche Summe erhalten würde, da er dann der Empfehlung der Beklagten kein Vertrauen geschenkt hätte.
7
Der Zedent hat seine Ansprüche, die ihm im Zusammenhang mit der Beteiligung gegen die Beklagte zustehen, durch Abtretungsvereinbarung
vom 07.12.2009, Anlage K 8, an die Klägerin abgetreten.
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Die Klägerin macht als Schaden des Zedenten zunächst die geleistete Beteiligungssumme zuzüglich Agio in Höhe von 210.000,00 DM (=
107.371,30 EUR) geltend. Darüber hinaus macht sie abstrakt zum einen die Kosten des Darlehens (Zinsaufwendungen) und aus dem
Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns die entgangenen Zinseinnahmen aus einer hypothetisch alternativ getätigten Kapitalanlage geltend,
wobei sie sich hinsichtlich der Höhe einheitlich an der Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten orientiert, vgl. zur
Berechnung Anlagen K 18, 19. Hieraus ergibt sich zum Stichtag 23.06.2010 ein behaupteter weiterer Schaden in Höhe von 102.920,75 EUR. Auf
diesen Betrag lässt sie sich Ausschüttungen in Höhe von unstreitig 12.271,00 EUR anrechnen sowie wiederum abstrakt entsprechend den
vorstehenden Ausführungen berechnete Habenszinsen aus dem Ausschüttungsbetrag in Höhe von 10.402,00 EUR. Hieraus errechnet sich ein
Gesamtschaden in Höhe von 187.619,04 EUR.
9
Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 187.619,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab
Zustellung der Klage zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an der Gesellschaft D… I…-A… Nr. … „C…, E…“ S… & D…
N… KG“,
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2. hilfsweise für den Fall, der die nach Ziffer 1 beantragten Schadensersatzleistung mindernden Anrechnung von erzielten
Steuervorteilen festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Herrn E… Z…, wohnhaft: …, …, von etwaigen Forderungen des
Finanzamtes wegen nachträglicher Aberkennung von Verlustzuweisungen und darauf basierender Forderung von
Steuernachzahlungen oder ähnlich begründeter Forderungen des Finanzamtes aufgrund der Beteiligung der „D… I…-A… Nr. … „C…,
E…“ S… & D… N… KG“ freizustellen.
12 Die Beklagte beantragt,
13
Klagabweisung.
14 Die Beklagte bestreitet das Zustandekommen eines Beratungsvertrages und ist der Auffassung, dass nur eine Anlagevermittlung stattgefunden
habe. Wollen man davon ausgehen, so sie die Beklagte allenfalls zu richtiger und vollständiger Information über das Anlageobjekt und die
Umstände, die über die Anlageentscheidung von Bedeutung waren, verpflichtet. Dieser Informationspflicht sei die Beklagte durch die
Übersendung des Emissionsprospektes nachgekommen. Da dieser dem Zedenten rechtzeitig vor der Zeichnung vorgelegen haben, habe sie
ihrer Informationspflicht genügt.
15 Auch wenn man von einem Beratungsvertrag ausgehe, sei der Zedent über die Vertriebskosten hinreichend aufgeklärt worden. Der
Emissionsprospekt benenne im Investitionsplan als Kosten der Eigenkapitalbeschaffung einen Anteil von 1,657 Mio. DM des einzuwerbenden
Beteiligungskapitals. Im Anschluss an den Finanzierungsplan, in dem das Beteiligungskapital (55,250 Mio. DM) aufgeführt sei, werde im
Prospekt dargelegt, dass das auf das Beteiligungskapital erhobene Agio in Höhe von 5 % im Investitionsplan nicht enthalten sei und der
Fondgesellschaft zur Abdeckung weiterer Eigenkapitalbeschaffungskosten zur Verfügung stehe. Damit sei klar gewesen, welche Anteile der
Beteiligung zum Zwecke der Eigenkapitalbeschaffung, mithin zur Abgeltung von Provisionen, aufgewandt werden konnten. Eine der Beklagten
anzulastende Pflichtverletzung ergebe sich deshalb vorliegend nicht.
16 Hinsichtlich der Schadenshöhe bestreitet die Beklagte den geltend gemachten Schaden, den sie zum einen nicht für nachvollziehbar dargelegt
hält. Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Zedent alternativ in festverzinsliche Wertpapiere investiert hätte. Die Beklagte
ist darüber hinaus der Auffassung, die Klägerin müsse sich Steuervorteile, die den Zedenten in Höhe von 37.304,65 EUR zugeflossen seien,
anrechnen lassen. Diese Berechnung gründet auf der Annahme einer Spitzenprogression und den unstreitig erfolgten Verlustzuweisungen,
insbesondere in den Jahren 1993 mit 35,58 %, 1994 mit 11, 92 % und 1995 mit 15,2 % .
17 Die Beklagte erhebt darüber hinaus die Einrede der Verjährung, da dem Zedenten bekannt gewesen sei, dass sie für die Vermittlung der
Fondsbeteiligung eine Provision erhalten habe, weil die Eigenkapitalbeschaffungskosten im Prospekt ausgewiesen seien.
18 Die Beklagte hat gegen den Zedenten Drittwiderklage erhoben, um feststellen zu lassen, dass diesem Schadensersatzansprüche wegen seiner
Beteiligung an dem D…-F… Nr. … nicht zustehen. Sie begründet ist Feststellungsinteresse damit, dass nicht ausgeschlossen werden könne,
dass etwa aufgrund nichtiger Abtretung bzw. späterer Anfechtung der Abtretung durch den Drittwiderbeklagten diese rückwirkend unwirksam
sein könne, weshalb sie auch gegenüber dem Zedenten ein Interesse an der Klärung der Frage, ob diesem noch Ansprüche zustehen, habe.
19 Die Beklagte beantragt insoweit festzustellen:
20
Dem Drittwiderbeklagten stehen Schadensersatzansprüche wegen seiner Beteiligung an dem Fonds der D… I…-A… Nr. … „C…, E…“
S… & D… N… KG, Beteiligungs-Nr.: …, gegen die Beklagte nicht zu.
21 Der Drittwiderbeklagte beantragt insoweit
22
Klagabweisung.
23 Der Drittwiderbeklagte hat im Prozess erklärt, dass er sich nicht auf eine irgendwie geartete Fehlerhaftigkeit, Nichtigkeit, Unwirksamkeit,
Anfechtbarkeit oder sonstige die Wirksamkeit der Abtretung beeinflussende Einreden berufen werde. Er hält deshalb die Drittwiderklage wegen
fehlendem Feststellungsinteresse für unzulässig.
24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
25
Zur Klage:
26 I.) Zum Hauptantrag :
27 Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
28 Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 153.923,76 EUR zu zahlen. Die Beklagte hat gegenüber dem Zedenten
bei der Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung am D…-F… Nr. … ihre Vertragspflichten verletzt und ist deshalb diesem gegenüber dem
aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig.
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a) Zwischen dem Zedenten und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Ein Beratungsvertrag kommt bereits dann
stillschweigend zustande, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden
und die Bank das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des
Beratungsgesprächs annimmt (BGH v. 14.07.2009 - XI ZR 152/08).
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Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, nachdem sich der Zedent nach der Überzeugung des Gerichts wegen der Anlage eines
größeren Geldbetrages, der aus dem Verkauf einer Immobilie freigeworden war, an die Beklagte gewandt hatte und daraufhin ein
Beratungsgespräch zwischen dem damaligen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn P…, und dem Zedenten geführt wurde, dass dann auch zur
Zeichnung der Beteiligung durch den Zedenten führte. Das Gericht gründet diese Überzeugung auf die Angaben des Zedenten bei seiner
Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung. Der Zedent hat angegeben, er habe ein eigenes Bürohaus verkauft und deshalb
dementsprechend wieder anlegen wollen. Deshalb sei es zu einem Gespräch mit Herrn P… gekommen, bei dem es nur um
Immobilienfondsanlagen, welche die D… mit verschiedenen Nummern aufgelegt habe, gegangen. Ein Prospekt sei ihm bei diesem
Gespräch noch nicht gezeigt worden, Grundlage der Besprechung sei vielmehr die Anlage K 16 gewesen. Bei diesem Gespräch sei auch
über das 5-prozentige Agio gesprochen worden, zu dem Herr P… gesagt habe, dies seien Geldbeschaffungskosten der D…-Leute, die das
Geld ja einsammeln müssten. Seine Vorstellung über den Verdienst der Bank sei gewesen, dass diese an der Kreditaufnahme zur
Finanzierung der Anlage verdienen würde.
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Diese Einlassung des Zedenten/Drittwiderbeklagten erscheint dem Gericht trotz des langen Zeitraums der zwischen dem Zeitpunkt des
damaligen Geschehens und der mündlichen Verhandlung vergangen ist, überzeugend. Sie wird insbesondere gestützt durch die
Liquiditätsübersicht, Anlage K 16, in der vom Zedenten handschriftlich hinsichtlich der für ihn bedeutsamen bzw. erklärungsbedürftigen
Beträge und Positionen jeweils Vermerke angebracht wurden. Dort findet sich hinsichtlich des Begriffs „Agio“ der handschriftliche Vermerk
„Aufgeld (Kosten)“, was dem Schluss nahelegt, dass tatsächlich über die Funktion dieses Agios beim Beratungsgespräch ausdrücklich
gesprochen wurde. Demgegenüber ist der Vortrag der Beklagten, wonach die beabsichtigte Kapitalanlage des Zedenten nicht erläutert
wurde, sondern nur auf Anforderung ein Prospekt übersandt und auf eine Finanzierungsanfrage des Zedenten die Finanzierung zugesagt zu
haben, nach den einschlägigen Erfahrungen des Gerichts mit Fondsbeteiligungen so ungewöhnlich, dass das Gericht diesen Vortrag durch
die Einlassungen des Zedenten bei seiner Parteianhörung für widerlegt hält.
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b) Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt, weil sie die Provision, die sie für das Zustandekommen der Beteiligung
erhalten sollte, dem Zedenten bei der Beratung nicht offenbar hat.
33
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Bank, die im Rahmen eines Beratungsvertrages Fondsanteile
empfiehlt, darauf hinweisen, dass sie Rückvergütungen von der Fondsgesellschaft erhält. Eine vom Umsatz abhängige
Verdienstaussicht der Bank begründet die Gefahr, dass sie ihre Empfehlungen nicht allein im Kundeninteresse abgibt, sondern
zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Vergütungen zu erhalten. Die Aufklärung über die Rückvergütung ist
notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offenzulegen. Erst durch die Aufklärung wird der
Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob ihm die Bank eine bestimmte
Anlage nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Damit der Anleger die Interessenlage zutreffend einschätzen kann, reicht
es nicht aus, dass er weiß, dass die Bank eine Vergütung erhält, vielmehr muss er auch darüber informiert werden, wie viel die Bank an
dem Geschäft verdient. Die Aufklärungspflicht besteht unabhängig von der Höhe der Rückvergütung. Dies gilt nicht nur im
Anwendungsbereich des WPHG, sondern insbesondere auch bei der Beratung über eine Anlage in einen Fonds (BGH v. 19.12.2006 -
XI ZR 56/05; v. 20.01.2009 - XI ZR 510/07, v. 27.10.2009 - XI ZR 338/08).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, den Zedenten über die zu erwartende Vergütung und deren
Höhe in Kenntnis zu setzten. Indem Herr P… hinsichtlich des offen ausgewiesenen Ausgabeaufschlages von 5 % erklärt hat, dies seien
Geldbeschaffungskosten der D…-Leute, hat er hinsichtlich dieses Betrags, der unstreitig der Beklagten als Vermittlungsprovision bzw.
Kick-Back zugeflossen ist, die Vergütung der Beklagten aus der streitgegenständlichen Vermittlung geradezu verschleiert und deshalb
selbst bei einem informierten Kapitalanleger einen Irrtum dahin erweckt, dass sich das Provisionsinteresse der Beklagten auf die im
Prospekt ausgewiesenen Kapitalbeschaffungskosten bzw. den Verdienst am ausgereichten Kredit beschränke. Zwar ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der Emissionsprospekt grundsätzlich bei der Frage, ob der Anleger pflichtgemäß beraten
wurde, heranzuziehen (BGH v. 12.07.2007 - III 145/06 -). Dieser Prospekt klärt aber an keiner Stelle über die Höhe der an die die
Kapitalanlage vermittelnde Bank zu zahlenden Beträge aus dem Anlagevermögen auf.
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c) Die Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für die Anlageentscheidung des Zedenten ist ebenfalls zu bejahen. Insoweit greift die
Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltes, die auch für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen gilt (BGH v. 12.05.2009 - XI ZR
586/07). Tatsachen, die geeignet wären, diese Vermutung zu erschüttern, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
36
d) Der Schaden des Zedenten besteht in den Aufwendungen für die Kapitalanlage selbst sowie den hierfür gezahlten Zinsen bzw. soweit der
Anlagebetrag aus Eigenkapitalmitteln erfolgte, aus dem entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB wegen der unterlassenen anderweitigen
Kapitalanlage. Auf diese Beträge sind die Ausschüttungen des Fonds anzurechnen sowie ggf. Steuervorteile, die dem Anleger im
Zusammenhang mit der Kapitalanlage verbleiben, soweit die Rückflüsse nicht wiederum zu versteuern sind.
37
aa) Der Klägerin steht deshalb ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich des geleisteten Beteiligungskapitals in Höhe von 107.371,30
EUR zu.
38
bb) Hinsichtlich der gezahlten Zinsen bzw. des entgangenen Gewinns und der Anrechnung der Ausschüttungen des Fonds und der
hieraus erzielten Zinseinkünfte wählte die Klägerin eine abstrakte Berechnungsweise, die sich bezüglich der Zinsen an der in der
Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank veröffentlichten durchschnittlichen Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere orientiert. Das
Gericht hält diesen Vortrag generell als Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO für ausreichend. Die
Schadenberechnung, Anlage K 18, wurde vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch verständlich erläutert, weshalb der
Einwand der Beklagten, diese sei nicht transparent, nicht durchdringt. Allerdings hat das Gericht Zweifel, ob die Klägerin/der Zedent
angesichts des bei der vorliegenden Anlage gezeigten riskanten Anlageverhaltens tatsächlich in festverzinsliche Wertpapiere investiert
hätte, weshalb es auch im Hinblick darauf, dass der Zedent noch in einen weiteren Immobilienfonds investiert hat und im Hinblick
darauf, dass bei Wertpapieren im Anschluss an den 9. September 2001 und die Finanzmarktkrise 2008 teilweise erhebliche Verluste in
Wertpapierdepots zu verzeichnen waren, einen Abschlag von 20 % hinsichtlich des entgangenen Gewinns sowie der Habenszinsen bei
der Ausschüttung für sachgerecht.
39
Daraus ergibt sich folgender Gesamtschaden:
40
Beteiligungssumme inklusive 5 % Agio
107.371,30 EUR
entgangener Gewinn (102.920,75 EUR x 80 %)
82.336,60 EUR
./. Ausschüttungen
12.271,01 EUR
./. Habenzinsen aus Ausschüttungen (10.402,00 EUR x 80 %)
8.321,60 EUR
Gesamtschaden
169.115,29 EUR
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cc) Im Wege der Vorteilsausgleichung muss sich die Klägerin die Steuervorteile des Zedenten aus der Kapitalanlage nach den
Grundsätzen der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Insoweit ist nämlich in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass
zu den auf den Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen grundsätzlich auch Steuern gehören, die der
Geschädigte infolge der Schädigung erspart (BGH v. 17.11.2005 - III ZR 350/04 unter Berufung auf BGHZ 23, 132; 74, 103 und ständig).
Allerdings ist bei Betrachtung möglicher Steuervorteile auch in den Blick zu nehmen, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung des
Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamtes,
sei es durch eine Besteuerung der Schadenersatzleistung. Steht fest, dass die Schadensersatzleistung vollständig der Besteuerung
unterliegt, kann die Anrechnung von Steuervorteilen entfallen, soweit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart
außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (ständige Rechtsprechung des BGH, z. B.
Urteil vom 31.05.2010 - II ZR 30/09 mit Hinweis auf Urteil vom 07.12.2009, II ZR 15/08). Dabei ist der Schädiger für den Nachweis der
anrechenbaren Steuervorteile darlegungs- und beweispflichtig, wobei allerdings dem Geschädigten es im Sinne einer sogenannten
sekundären Darlegungslast zunächst obliegt, die Grundlagen einer Besteuerung vorzulegen.
42
Demnach kommt das Gericht unter Berücksichtigung von § 287 ZPO vorliegend zu folgendem Ergebnis:
43
Zwischen den Parteien sind die „Ergebniszuweisungen“ aus der Fondsbeteiligung wie sie die Klägerin auf Seite 23 ihres Schriftsatzes
vom 01.09.2010 vorgetragen hat, unstreitig. Da die Klägerin für die Jahre 1993 bis 1998 ihre Besteuerungsgrundlagen nicht
vorgetragen und damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, ist für diesen Zeitraum entsprechend dem Vortrag der
Beklagten davon auszugehen, dass sich der Steuervorteil auf 50 % der Verlustzuweisungen belief. Die Verlustzuweisungen betrugen
64.116,00 EUR, der Steuervorteil also 32.058,00 EUR.
44
Für die Jahre 1999 bis 2007 hat die Klägerin Steuerbescheide vorgelegt. Berücksichtigt man das für diese Jahre in den
Steuerbescheiden jeweils ausgewiesene zu versteuernde Einkommen und stellt es dem hypothetischen Einkommen gegenüber das
sich bei Addition der Ergebniszuweisung aus der Fondsanlage ergeben würde, so errechnet sich beim Zedenten ein Steuervorteil für
1999 in Höhe von 182,53 EUR, für 2003 von 513,00 EUR und für 2004 von 158,00 EUR, insgesamt also in Höhe von 853,53 EUR. Bei
dieser Berechnung hat das Gericht aus Vereinfachungsgründen die Steuerbelastung durch den Solidaritätszuschlag bzw. die
evangelische Kirchensteuer nicht berücksichtigt. Demnach beträgt der anzurechnende Steuervorteil für die Jahre 1993 bis 2008 (für die
Jahre 2009 und 2010 haben die Parteien keinen Sachvortrag gehalten) 32.911,53 EUR (32.058,00 EUR zzgl. 853,53EUR).
45
Diesem Steuervorteil gegenüberzustellen sind die von der Klägerin hinsichtlich der zugesprochenen Schadenersatzleistung zu
zahlenden Steuern. Bei der streitgegenständlichen Fondsanlage erzielte der Zedent einkommenssteuerpflichtige Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung, wie dies im Fondsprospekt näher erläutert ist. Bei der schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung einer
solchen Beteiligung sind die aus der Rückübertragung sich ergebenden Einkünfte insoweit nicht steuerpflichtig, als sie den
Gesellschaftsanteil selbst betreffen. Steuerpflichtig sind nur die Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als
Werbungskosten abgezogen worden waren, hier also derjenige Anteil des Schadensersatzbetrages, der auf die Erstattung von
Zinsaufwendungen entfiel (vgl. dazu BGH v. 17.11.2005 - III ZR 350/04, zitiert nach Juris Rn. 12, 16 sowie BGH v. 15.07.2010 - III ZR
336/08, zitiert nach Juris Rn. 52). Der Klägerin sind aber hier nach den obigen Ausführungen Zinsschäden in Höhe von 169.115,29 EUR
abzüglich 107.321,30 EUR = 61.743,99 EUR zu erstatten. Das Gericht unterstellt mangels anderer greifbarer Anhaltspunkte, dass die
Klägerin keine anderweitig zu versteuernden Einkünfte hat. Dann beträgt ihre Steuerlast, wenn der Zufluss der Schadensersatzleistung
noch im Jahr 2010 erfolgt (ohne Berücksichtigung von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) bei einem Betrag in Höhe von 61.743,99
EUR 17.760,00 EUR. Der Steuervorteil der Klägerin, der von dem oben dargelegten Schadensersatzbetrag abzuziehen ist, beträgt
demnach 32.911,53 EUR abzüglich 17.760,00 EUR, dies sind 15.151,53 EUR. Der zu zahlende Schadensersatzbetrag beläuft sich
demnach auf insgesamt 153.923,76 EUR.(169.115,29 EUR abzgl. 15.151,53 EUR). Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es bei
seiner Schadensschätzung die vom Zedenten bzw. der Klägerin erzielbaren Zinseinnahmen aus den Steuervorteilen unberücksichtigt
gelassen hat, was im Hinblick darauf, dass beim entgangenen Gewinn oben ein Abschlag von der Umlaufrendite für festverzinsliche
Wertpapier gemacht wurde, bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO vertretbar erscheint.
46
dd) Soweit die Klägerin Zinsen aus dem zugesprochenen Schadensbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
geltend macht, stehen ihr diese aus §§ 286, 288 BGB zu.
47
e) Die Verjährungseinrede der Beklagten greift nicht durch.
48
aa) Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht unterlag nach dem bis 31.12.2001 geltenden Recht der 30-
jährigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a. F.. Nach Artikel 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird diese Frist in die drei Jahre
betragende und damit kürzere Verjährungsfrist übergeleitet, die nach Artikel 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB vom 01.01.2002 berechnet
wird. Auch in den Fällen der Geltung der Überleitungsvorschriften ist der Beginn der kurzen Verjährungsfrist unter Anwendung des §
199 Abs. 1 BGB n. F. zu bestimmen und hängt insbesondere von den subjektiven Tatbestandsmerkmalen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ab
(BGH v. 23.01.2007 - XI ZR 44/06 - = BGHZ 171, 1).
49
bb) Die Verjährungseinrede ist nicht begründet, da die maßgebliche Verjährungsfrist bei Einreichung der Klage am 29. Juni 2010 noch
nicht abgelaufen war (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung zum 31.12.2009 wäre nur dann eingetreten, wenn bis zum 01.01.2002
auch die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns, nämlich Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den
Anspruchsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - vorgelegten hätten.
50
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 09.11.2007 - V 25/07 - = NJW 2008, 506) beginnt die Verjährungsfrist
vertraglicher Ansprüche, wenn ein Schuldner mehrere offenbarungspflichtige Umstände verschwiegen hat und ihm damit mehrere
Beratungsfehler vorzuwerfen sind, gesondert zu laufen. Auch ein einheitlicher Vorgang, der bei natürlicher Handlungseinheit Teilakte
aufweist, beispielsweise beim Verschweigen mehrerer aufklärungspflichtiger Umstände, beinhaltet mehrere Handlungen und damit
mehrere voneinander abzugrenzende Beratungsfehler, die in Bezug auf die Verjährung als jeweils selbständige Schädigung mit einem
eigenen Lauf der Verjährungsfrist anzusehen sind. Deswegen ist vorliegend nicht auf die (Möglichkeit der) Kenntnisnahme vom
Scheitern der Anlage abzustellen. Bei Aufklärungspflichtverletzungen im Rahmen einer Beratung kommt es vielmehr auf Kenntnis der
Umstände an, aus denen sich die Offenbarungspflichtig und deren Verletzung ergibt. Somit ist für jede behauptete Pflichtverletzung von
der Beklagten die Kenntnis gesondert darzulegen und zu beweisen (so zusammenfassend OLG Stuttgart vom 28. 07. 2010 - 9 U 182/09
- ). Bezüglich der nicht offengelegten Provision in Höhe von 8 % hat die Beklagte nicht dargetan, dass die Klägerin oder der Zedent
davon bereits vor dem Jahr 2007 Kenntnis hatte. Demnach konnte der Lauf der Verjährungsfrist nicht vor dem 01.01.2008 beginnen.
51 II.) Zum Hilfsantrag :
52
Da das Gericht bei der Schadenersatzleistung erzielte Steuervorteile anspruchsmindernd berücksichtigt hat, ist auch über den für diesen
Fall gestellten Hilfsantrag zu entscheiden.
53
Der Hilfsantrag ist unzulässig, weil die Klägerin mit diesem Antrag keine eigenen Ansprüche geltend macht, sondern Ansprüche des
Zedenten und Drittwiderbeklagten. Für die Geltendmachung von Ansprüchen Dritter fehlt einer Klägerin aber grundsätzlich die
Prozessführungsbefugnis als Prozessvoraussetzung. Auch ist hier nicht ersichtlich, dass die Klägerin befugt sein könnte, diese
Ansprüche als sogenannte Prozessstandschafterin geltend zu machen.
B.
54
Zur Drittwiderklage:
55 Die Drittwiderklage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
56 Wie der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 13.06.2008 - V ZR 114/07 - in einem dem hiesigen Sachverhalt vergleichbaren
Fall judiziert hat, sind Drittwiderklagen gegen den Zedenten dann zulässig, wenn der mit der Widerklage verfolgte Anspruch sich auf den mit der
Klage verfolgten Anspruch bezieht (BGH a. a. O., zitiert nach Juris Rn. 24). Die Aufspaltung in zwei Prozesse, nämlich einmal der Klägerin gegen
die Beklagte auf Schadensersatz und der Beklagten gegen den Widerbeklagten auf negative Feststellung, dass diesem keine Ansprüche
zustehen, brächte prozessökonomisch keine Vorteile, sondern nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nur Mehrbelastungen und zudem das
Risiko einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen (BGH a. a. O., Rn. 28).
57 Für solche Drittwiderklagen ist auch das Feststellungsinteresse in dem Fall zu bejahen, dass sich der Drittwiderbeklagte nach der Abtretung
keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt (so BGH a. a. O., Rn. 31).
II.
58 Die Drittwiderklage ist aber nicht begründet.
59 Streitgegenstand der Drittwiderklage ist die Behauptung der Beklagten, dass dem Drittwiderbeklagten vor der Abtretung bereits keine eigenen
Schadensersatzansprüche zugestanden hätten. Aus den vorstehenden Ausführungen des Gerichts zur Klage ergibt sich aber gerade, dass zu
Gunsten des Drittwiderbeklagten solche Ansprüche bestanden, weshalb die Drittwiderklage abzuweisen war.
C.
60
Nebenentscheidungen:
61 Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei waren hinsichtlich Klage und Drittwiderklage so genannte fiktive Streitwerte in Höhe von
jeweils 187.619,04 EUR zu bilden und innerhalb dieser beiden Streitgegenstände die Kosten nach der so genannten Baumbach’schen-Formel
nach dem gegenseitigen Obsiegen und Unterliegen zu verteilen. Demnach unterlag die Beklagte bezüglich der Klage in Höhe von 82 % und
bezüglich der Widerklage vollständig, weshalb sie insgesamt 91 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und 82 % von den
außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten, gegenüber dem die Beklagte vollständig
unterlag.
62 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aus § 709 ZPO.