Urteil des LG Siegen vom 07.03.2006

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Landgericht Siegen, 8 O 57/06
Datum:
07.03.2006
Gericht:
Landgericht Siegen
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 57/06
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.941,00 € nebst
4 % Zinsen seit dem 1.8.2002 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Koste des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und
die Beklagte zu 90 %.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckten Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte ist aufgrund des Grundurteils der Kammer vom 24.5.2005 verpflichtet, der
Klägerin den aus dem Wasserschaden vom 1.8.2002 in ihrer Wohnung entstandenen
Schaden zu ersetzen.
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Die Klägerin behauptet, die Wohnung sei nach ihrer Rückkehr vom 23.8.2002 bis
4.9.2002 unbewohnbar gewesen und sie habe wegen des Lärms der Trocknungsgeräte
und der Luftfeuchtigkeit nicht in der Wohnung übernachten können. Daher sei sie vom
5.9. bis 10.9.2002 im Hotel untergebracht gewesen. An Mehraufwendungen für
außerhäusliche Verpflegung seien ihr 300 € entstanden, ebenso seien 300 € für die
Hotelkosten entstanden. An Wohnungs- und Kellerinventar sei ein Schaden in Höhe
von 11.401 € eingetreten (siehe Aufstellung Blatt 13 bis 15). Hinsichtlich der
Beschaffenheit der beschädigten Gegenstände und deren Beschädigung beruft sich die
Klägerin auf die Aufstellung des Zeugen T vom 2.8.2005 (Blatt 336,337).
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.873,25 € nebst 4% Zinsen aus 11.401 € seit dem
1.8.2002 und 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1472,25 € seit 15.10.2003 zu
zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten bestreiten den Schaden der Höhe nach mit Nichtwissen. Im Keller hätten
sich keine neuwertigen Gegenstände gefunden (Zeugnis D M, Blatt 54). Insbesondere
fehlten sämtliche Angaben der Klägerin zum genauen Anschaffungspreis, Alter und
Zustand der in der Schadensliste aufgeführten Gegenstände. Die Kleidung sei nicht
durch Schimmel dauerhaft geschädigt worden, sondern es werde lediglich ein
Schimmelgeruch behauptet. Büchern könnte die Klägerin bei eBay ab ein Euro das
Stück wieder beschaffen. Die Lebensmittelvorräte wären nach der Rückkehr aus dem
Urlaub sowieso nicht brauchbar gewesen. Die behauptete Vielzahl der Elektrogeräte
hätte in den 6 m² großen Keller gar nicht reingepasst. Bei den elektrischen Geräten
hätte der Zeitwert null Euro betragen. Dies gelte auch für die Möbel im Schlafzimmer
und im Wohnzimmer.
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Maßgeblich sei die vom Zeugen M gefertigte Liste der beschädigten Gegenstände
(siehe Blatt 229, 235,236), die bei weiten nicht derart umfangreiche sei, wie die von der
Klägerin vorgelegte Liste.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen und die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und M zur
Schadenshöhe. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Niederschrift im Protokoll vom 24.5.2005 (Blatt 290) verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist überwiegend begründet.
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Dem Grunde nach steht zwischen den Parteien aufgrund des Grundurteils der Kammer
vom 24.5.2005 rechtskräftig fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den
Schaden in aufgrund des Wasseraustritts in der Wohnung der Beklagten vom 1.8.2002
zu ersetzen. Der zu ersetzende Schaden setzt sich wie folgt zusammen:
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300 € Hotelkosten
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300 € Mehraufwand für Verpflegung
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10.901 € Wohnungs- und Kellerinventar
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440 € Schadensabwicklung und -feststellung T
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11.941 € Gesamtschaden
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Die Hotelkosten sind durch die Rechnung vom 1.9.2002 (Blatt 16) in Höhe von 300 €
belegt. Dass die Klägerin zunächst einige Tage in der Wohnung gewohnt hat, vermag
die Beklagten nicht zu entlassen. Eine Wohnung ist nach einem derart umfangreiche
Wasserschaden bis zum Abschluss der Trocknungsmaßnahmen unbewohnbar. Dass
die Klägerin, aus welchen Gründen auch immer, wohl weil ihr die notwendigen
finanziellen Mittel für die Unterkunft im Hotel zunächst gefehlt hatten, anfangs in der
Wohnung trotzdem übernachtet hat, hat sie nicht verpflichtet, damit während der
gesamten Zeit der Unbenutzbarkeit der Wohnung fortzufahren, um die Schädigerin zu
entlassen.
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Der geltend gemachten Betrag von 300 € für Mehraufwand für außerhäusliche
Verpflegung ist zu ersetzen. Die Wohnung war für die Klägerin nach ihrer Rückkehr am
23.8.2002 bis 23.10.2002 nur eingeschränkt nutzbar, weil erst danach konnte sie sich
eine notdürftige Küchenausstattung wieder beschaffen, wie durch den
Leistungsbescheid des Sozialamtes über die Gewährung einer Beihilfe zur Anschaffung
von Küchengeräten vom 17.1.2002 (Blatt 19) belegt ist. Die für eine außerhäusliche
Verpflegung für einen Zeitraum von zwei Monaten geltend gemachten Mehrkosten von
300 €, das heißt fünf Euro pro Tag, sind nicht übersetzt. Nach der Lebenserfahrung sind
diese Kosten als Mehraufwand bei der Verpflegung außer Haus auf jeden Fall
angefallen (§ 287 ZPO).
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An Wohnungs- und Kellerinventar ist ein Schaden in Höhe von 10.901 € eingetreten
(siehe Aufstellung Blatt 13 bis 15). Die Schadensaufstellung der Klägerin vom
18.9.2002 ist nachvollziehbar, glaubhaft. Darüber hinausgehende Angaben der Klägerin
zum genauen Anschaffungspreis, Alter und Zustand der in der Schadensliste
aufgeführten Gegenstände sind für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO nicht
erforderlich. Überwiegend handelt es sich um Gegenstände des täglichen Bedarfs, bei
denen aufgrund der Vielzahl der beschädigten Gegenstände eine konkrete Angabe auf
gar nicht möglich sind.
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Die vom Zeugen T gefertigte Aufstellung der beschädigten Gegenstände vom 18.9.2002
(Blatt 13 bis 15 der Akte gibt einen hinreichenden Überblick über den gesamten
beschädigten Hauswart und ermöglicht in Verbindung mit den von ihm gefertigten
Lichtbildern (Hülle Blatt 78) eine hinreichend sichere Schadensschätzung. Der Zeuge T
hat nicht lediglich das niedergeschrieben, was ihm die Klägerin gesagt hat. Er hat die
Gegenstände selbst in Augenschein genommen und an Hand der Altesangaben der
Klägerin, den Zeitwert geschätzt. Dazu hat er teilweise Ermittlungen zum Wert der
Gegenstände angestellt, die in die Liste Eingang gefunden haben. Er hat auch die
Preise durch Nachfrage im Elektrofachhandel geklärt. Er konnte in seiner Vernehmung
auch bestätigen, dass die Bücher nicht mehr brauchbar waren und die Elektrogeräte im
Keller neuwertig und aufgrund des Wasserschadens nichts mehr zu gebrauchen waren.
Auch hat er die Elektrogeräte überprüft und teilweise versucht, sie einzuschalten und
danach in die Liste aufgenommen, weil sie nicht funktionierten. Der Zeuge T bestätigt,
dass die Fotos Blatt 78 der Akte den Zustand der Wohnung wiedergeben, wie er ihn bei
seiner Besichtigung wahrgenommen hat. Schließlich konnte er auch die Schäden an
den Möbeln glaubhaft bestätigen.
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Die Kleidung war nach glaubhafter Aussage des Zeugen T klamm und in den
Schränken befand sich Schimmelpilz. Daher ist davon auszugehen, dass die
Schimmelpilzesporen bereits auf der Kleidung verteilt waren. Auch ohne sichtbare
äußerliche Beschädigungen, erleidet eine Kleidung, die mehr als drei Wochen hinweg
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(wie hier vom Schadenseintritt am 1.8.2002 bis zur Rückkehr der Klägerin am
23.8.2002) einen erheblichen, häufig irreparablen Schaden. Zum Beispiel für die
Lederhandtaschen der Klägerin wird durch die Bescheinigung des
Reinigungsunternehmens Rehbein vom 18.10.2002 (Blatt 77) bestätigt, dass die
Reinigung nicht mehr möglich war. Dies gilt nach der Lebenserfahrung auch für die
restliche Bekleidung, ohne das äußerlich sichtbarer Beschädigungen zu sehen
gewesen wären. Da die Klägerin nicht sofort nach ihrer Rückkehr die Kleidung reinigen
lassen konnte (zunächst musste der Schaden festgestellt werden) erscheint es
glaubhaft, dass dadurch die Kleidung einen unangenehmen Schimmelgeruch
angenommen hat, der sie unbenutzbar machte oder dass sie jedenfalls mit einem
vernünftigen Aufwand nicht wieder herstellbar war. Bei Wiederherstellung auffallend
werden nämlich nicht nur Kosten für die Reinigung, sondern auch für das Verbringen in
die Reinigung und zurückbringen angefallen.
Insbesondere erscheinen die angesetzten Preise angesichts des durch die Bilder Blatt
251 bis 263 dokumentierten Zustandes der Wohnung nach dem Wasserschaden
angemessen. Hinsichtlich der Stereoanlage wird der Vortrag der Klägerin durch die
Bestätigung der Firma L3 vom 20.2. 2004 (Blatt 115) über die Anschaffung belegt. Zu
korrigieren war der Zeitwert des Fernsehgerätes, dessen Anschaffungspreis die
Klägerin zunächst irrtümlich in Euro statt in DM angegeben hatte. Daher schätzt das
Gericht den Zeitwert des Fernsehers zum Zeitpunkt der Schädigung auf rund 300 €.
Auch der Zeitwert des Bettes ist gegenüber der Aufstellung der Klägerin mit 200 € nur
halb so hoch anzunehmen, da der ursprünglich angegebenen Preis die gesamte dritten
Anlage einschließlich des zweiten Ehebettes umfasste. Daher ist der Gesamtwert der in
der Liste der Klägerin angegebenen Gegenstände um 500 € zu ermäßigen. Der Zeuge
T hat außerdem Angaben zu der Beschaffenheit der einzelnen Gegenstände in der
Aufstellung vom 2.8.2005 (Blatt 336,337 gemacht), die den angesetzten Zeitwert
glaubhaft erscheinen lassen.
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Die vom Zeugen M gefertigte Liste der beschädigten Gegenstände (siehe Blatt 229,
235,236), die bei weiten nicht derart umfangreich ist, wie die von der Klägerin vorgelegte
Liste, ist nicht ohne weiteres maßgeblich, da nicht auszuschließen ist, dass der Zeuge
nicht sämtliche Gegenstände als beschädigt wahrgenommen hat. Er ging von
vornherein davon aus, dass eine Eintrittspflicht der Versicherung, für die er tätig
geworden war, wohl nicht zu bejahen sein wird. Daher hatte er anders als der Zeuge T
keinen Anlass, eine vollständige detaillierte Aufstellung zu erstellen, sondern konnte
sich nur auf eine grobe Übersicht beschränken. Dementsprechend hat er in seiner
Vernehmung lediglich angegeben, dass einige Gegenstände möglicherweise in der
Liste der Klägerin zu Unrecht aufgeführt worden seien (Blatt 290), wobei er aber nicht
anzugeben vermochte, welche das konkret waren. Konkret ist seiner Aussage lediglich
insoweit, dass er keine verschimmelte Kleidung gesehen habe. Darauf kommt es aber
aus den oben dargestellten Gründen nicht an. Die Klägerin macht nicht geltend, dass
die Kleidung verschimmelte gewesen sei, sondern lediglich einen Schimmelgeruch der
Kleidung. Allein dieser genügt, um Kleidung unbrauchbar zu machen.
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Die Beklagte übersieht bei ihrem Einwand, dass die Gegenstände teilweise bei eBay
preiswert einzukaufen wären, dass die Klägerin einen der artigen
Wiederbeschaffungsaufwand wegen einzelner Gegenstände nicht verpflichtet ist zu
leisten. Der Beklagten stand es frei, einen derartigen Aufwand selbst zu betreiben und
im Wege der Naturalrestitution den Schaden der Klägerin zu ersetzen. Der Geschädigte
hat bei einer derartigen Vielzahl von einzelnen beschädigten Gegenständen nicht die
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Möglichkeit und Pflicht aus § 245 BGB, jeweils das günstigste Angebot auf dem Markt
nachzuforschen, sondern hat Anspruch auf Erstattung des vernünftigerweise
aufzuwendenden Betrages. Die Klägerin hätte im übrigen dann zusätzlich Anspruch auf
Ersatz des Mehraufwandes für die Beschaffung (Zeitaufwand, Kosten), der in der Regel
den niedrigsten erzielbaren Preis bei eBay wiederum erheblich verteuern würde.
Zu ersetzen sind auch die Kosten der Tätigkeit des Zeugen T gemäß Rechnung vom
26.9. 2002, Blatt 75. Der Zeuge T hat glaubhaft bestätigt, dass ihm der darin berechnete
Zeitaufwand im wesentlichen entstandenen war und er eine Vergütungsvereinbarung
darüber mit der Klägerin getroffen hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin
sich hier zur Dokumentation des Schadens einer fremden Person bedient hat, deren
Arbeitsaufwand zu ersetzen ist. Allerdings ist der von Ihnen berechnete Stundensatz
von 65 € überhöht, da er entgegen seiner Rechnung nicht als Fachingenieur tätig
geworden ist, sondern lediglich als eine mehr oder weniger fachkundige Schreibkraft,
was einen ungefähr hälftigen Stundensatz rechtfertigt, so dass von der Rechnung über
872,25 € (Blatt 75) lediglich 440 € gerechtfertigt erscheinen.
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1, 291 BGB (siehe Beschluss über
Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Blatt 25). Die Nebenentscheidungen ergeben sich
aus auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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Der Urteilstenor war gegenüber dem Protokoll vom 7.3.2006 wegen offensichtlichen
Schreibfehlers zu berichtigen, da durch einen Übertragungsfehler (Ziffer 3 statt 9) der
ausgeurteilte Betrag um 600 € zu niedrig angegeben wurde (§ 319 Abs. 1 ZPO) .
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