Urteil des LG Siegen vom 23.02.2006

LG Siegen: vergütung, aufwand, mehrbelastung, abrechnung, heim, tante, datum, pauschalierung

Landgericht Siegen, 4 T 38/06
Datum:
23.02.2006
Gericht:
Landgericht Siegen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 T 38/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegen, 33 XVII H 924
Schlagworte:
Vergütung des Berufsbetreuers bei Übernahme der Betreuung von
ehrenamtlichen Betreuer.
Normen:
VBVG § 5 Abs. 2, S. 2 Nr. 4
Leitsätze:
Übernimmt der berufsmäßig bestellte Betreuer eine Betreuung von
einem ehrenamtlichen Betreuer, so ist als Beginn der Betreuung nicht
der Zeitpunkt der Übernahme der Betreuung, sondern die ursprüngliche
Einrichtung der Betreuung zu verstehen. Ist seit dem Beginn der
Betreuung mehr als ein Jahr vergangen, erhält der Betreuer
entsprechend die Vergütung jeweils nach der vierten Alternative des § 5
VBVG.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird wie folgt abgeändert:
Der Betreuerin wird auf ihren Antrag vom 31. Dezember 2005 für die Zeit
vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 eine Vergütung in Höhe von
462,00 € bewilligt.
Dieser Anspruch richtet sich gegen die Landeskasse.
Der weitergehende Antrag und die Beschwerde werden nach einem
Wert von 242,00 € zurückgewiesen.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
Die Betreuung für die Betroffene wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 22.
Dezember 1999 angeordnet.
2
Nachdem die Betreuung zunächst durch eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes
Katholischer Frauen e.V. geführt worden war, war durch Beschluss vom 27. Mai 2003
die Tante der Betroffenen, Frau T aus L, zur ehrenamtlichen Betreuerin bestellt worden.
3
Durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 3. Juni 2005 ist anstelle von Frau T die
Beteiligte als Berufsbetreuerin zur neuen Betreuerin der Betroffenen bestellt worden.
4
Auf ihren Antrag vom 2. Oktober 2005 ist der Beteiligten für den Zeitraum vom 1. Juli
2005 bis 30. September 2005 eine Vergütung von insgesamt 866,80 € bewilligt worden,
wobei für das 1. Quartal 7 Stunden und für das 2. Quartal 5,5 Stunden pro Monat in
Ansatz gebracht wurden.
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Mit Schreiben vom 31. Dezember 2005 hat die Beteiligte für den Zeitraum vom 1.
Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 Vergütung beantragt und dabei wiederum für das
2. Quartal 5,5 Stunden pro Monat und für das 3. Quartal 5 Stunden pro Monat in Ansatz
gebracht.
6
Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der
Rechtspfleger des Amtsgerichts Siegen der Beteiligten für die Zeit vom 1. Oktober 2005
bis 31. Dezember 2005 eine Vergütung in Höhe von 426,00 € brutto bewilligt und den
weitergehenden Antrag in Höhe von 241,98 € zurückgewiesen. Dabei sind pro Monat
3,5 Stunden angesetzt worden.
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Das Rechtsmittel ist gemäß § 56 Abs. 5 FGG zulässig, kann aber in der Sache selbst
nur insoweit Erfolg haben, als in der Beschlussformel offenbar versehentlich ein Betrag
von 426,00 € genannt worden ist, während sich aus den Gründen des Beschlusses
ergibt, dass es richtig 462,00 € heißen sollte.
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Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VBVG beträgt der Stundenansatz für einen mittellosen
Betreuten, der nicht in einem Heim lebt, ab dem 2. Jahr der Betreuung 3 ½ Stunden im
Monat.
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Während das Amtsgericht die Auffassung vertritt, bei der Frage, welcher Zeitaufwand zu
berücksichtigen ist, sei generell auf den Beginn der Betreuung abzustellen, meint die
Beteiligte, es müsse im Hinblick darauf, dass das VBVG nur die Vergütung des
Berufsbetreuers regelt, auf den Beginn der berufsmäßig geführten Betreuung abgestellt
werden.
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Im Gesetz findet sich für die Frage, ob im Falle eines Wechsels der Betreuung von
einem ehrenamtlichen zu einem Berufs-Betreuer die Zeiten der ehrenamtlichen
Betreuung zu berücksichtigen sind oder nicht, keine klare Aussage. Angesichts der
Intention des Gesetzgebers, durch Pauschalierung eine möglichst einfache und
eindeutige Abrechnung zu ermöglichen, pflichtet die Kammer der Auffassung des
Amtsgerichts bei, dass es bei der Bestimmung der Stundenansätze auf die 1.
Betreuerbestellung ankommt. Denn nur so kann eine Einzelfallbewertung vermieden
werden.
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Durch die Staffelvergütung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine
Betreuung unmittelbar nach deren Einrichtung zunächst arbeitsintensiver ist.
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Zwar mag auch bei Übernahme einer Betreuung von einem ehrenamtlichen Betreuer im
Einzelfall etwas mehr Aufwand erforderlich sein, so ist doch zu bedenken, dass in der
Regel auch ein ehrenamtlicher Betreuer bereits Vorarbeiten leistet, die der
Berufsbetreuer für sich nutzen kann. Dass hierbei eventuell Schwierigkeiten auftreten
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können, weil etwa der ehrenamtliche Betreuer überfordert war, gebietet keine
abweichende Beurteilung, da eine mögliche Mehrbelastung bei der Bestimmung der
Pauschalen durch den Gesetzgeber bereits berücksichtigt worden ist (wie hier: OLG
München, 33 WX 237/05, OLG Schleswig 2 W 240/05, LG Münster 5 T 1091/05, LG
Detmold 3 T 299/05).
Eine Abänderung des Stundenansatzes kam daher auf die Beschwerde hin nicht in
Betracht. Die Vergütung ist mit 462,- € in den Gründen des angefochtenen Beschlusses
richtig berechnet worden. Lediglich in der Beschlussformel wurden die Ziffern verdreht.
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage hat die
Kammer die weitere Beschwerde gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG zugelassen.
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Die Wertfestsetzung beruht auf §§131 Abs. 2, 30 KostO.
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