Urteil des LG Siegen vom 13.02.2006

LG Siegen: gutachter, privatperson, verzug, vollstreckbarkeit, obergutachten, energie, wagen, ampel, datum

Landgericht Siegen, 3 S 81/05
Datum:
13.02.2006
Gericht:
Landgericht Siegen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 S 81/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Olpe, 25 C 295/04
Leitsätze:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.05.2005 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Olpe – 25 C 295/04 – teilweise abgeändert und
wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagten zu 1), 2) und 3) bleiben verurteilt, als Gesamtschuldner an
den Kläger 1.160,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basis-zinssatz seit dem 11.02.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der
Kläger zu 7 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 93 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2; 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO
2
i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO)
3
Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
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Das Amtsgericht Olpe hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagten als
Gesamtschuldner nach §§ 7, 17, 18 StVG; 3 Nr. 1 PflVG; 840 BGB haften.
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Zutreffend hat es die Unfallschilderung seitens des Klägers als bewiesen angesehen.
Dies ergibt sich einerseits aus den nachvollziehbaren Aussagen der Zeugen I (Bl. 62 /
RS d. A.), Helena I2 (Bl. 63 d. A.), Andreas I2 (Bl. 63 / RS d. A.) sowie L (Bl. 74 d. A.).
Auch wenn die Zeugen I2 mit dem Kläger verwandt sind, haben alle Zeugen
übereinstimmend angegeben, der klägerische Wagen habe bereits hinter dem Zeugen T
an der Ampel gestanden, als der Beklagte zu 1) von hinten aufgefahren sei. Die
Aussage des Zeugen T (Bl. 82 d. A.) steht diesen Angaben nicht entgegen, da er nur
bekundet hat, die Zeugin I sei ihm aufgefahren. Ob diese bereits davor von dem
Beklagten zu 1) angeschoben worden ist, konnte der Zeuge nicht sagen. Er konnte auch
nicht mehr angeben, ob es ein oder zwei Mal geknallt hat. Seine Aussage ist also
bezüglich des streitigen Unfallhergangs unergiebig.
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Völlig zu Recht hat das Amtsgericht den klägerischen Unfallhergang auch durch das
Gutachten des Dipl.-Ing. M vom 15.02.2005 (Bl. 92 ff. d. A.) als erwiesen angesehen.
Dieses widerlegt überzeugend die Darstellung der Beklagten, der Beklagte zu 1) sei
dem klägerischen Pkw nur leicht von hinten aufgefahren und könne diesen folglich gar
nicht in den Pkw des Zeugen T geschoben haben. Der Gutachter hatte zwar – wie er
selbst zugesteht – nur wenige Anknüpfungstatsachen für eine Plausibilitätsprüfung des
Unfallhergangs (Bl. 94 d. A.). Trotzdem gelangt er aufgrund einer absolut
nachvollziehbaren Bewertung der Verformungen an dem Pkw des Klägers zu dem
Ergebnis, dass auf den Heckbereich eine 2,78-fach größere Energie als auf den
Frontbereich eingewirkt habe (Bl. 96 d. A.). Dies spreche eindeutig für ein Auffahren des
Beklagten zu 1), da das Verhältnis der Verformungsenergien in dem Bereich des 2- bis
3-fachen liege, was allein die Klägerdarstellung plausibel mache (Bl. 96 f. d. A.).
Besonders überzeugend ist in diesem Zusammenhang, dass der Gutachter ausführt, die
äußeren Schadenserscheinungen im Heckbereich seien zwar optisch eher gering. Dies
spreche aber dennoch nicht für die Schilderung der Beklagten, da die (inneren)
Stauchungen im Heckbereich des klägerischen Fahrzeugs (Lichtbilder: Bl. 52, 53 d. A.)
eines hohen Energieaufwandes bedurft hätten (Bl. 97 d. A.). Verglichen mit der
Fahrzeugfront sei der Energieaufwand auf jeden Fall höher (Bl. 97 d. A.). Damit ist der
Vortrag der Beklagten, es habe nur ein minimales Auffahren stattgefunden, widerlegt.
Gleichzeitig ist auch die Unabwendbarkeit des Unfalls für den Kläger bzw. die Zeugin I
bewiesen.
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Dem Vortrag der Beklagten, es hätte ein Obergutachten eingeholt werden müssen, ist
aufgrund der überzeugenden Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht zu
folgen. Der Hinweis, der Sachverständige hätte die Reparaturrechung des Fahrzeugs
der Beklagten beachten müssen, ist schon nach § 531 ZPO unbeachtlich. Entgegen
ihres Vortrags im Schriftsatz vom 19.04.2005 (Bl. 110 d. A.) haben die Beklagten die
Reparaturrechnung nicht im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zu den
Gerichtsakten gereicht.
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Zu Unrecht hat das Amtsgericht dem Kläger jedoch den gesamten geltend gemachten
Schaden zugesprochen:
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Als Kostenpauschale kann der Kläger – dies ist ständige Rechtsprechung der Kammer
– anstatt 25,56 € nur 20,- € verlangen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich,
warum eine Privatperson eine höhere Pauschale als ein Rechtsanwalt verlangen
können soll (vgl. Nr. 7002 VV RVG).
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Zu Unrecht hat das Amtsgericht zudem die geltend gemachten Entsorgungskosten in
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Höhe von 80,- € zugesprochen. Entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten
hätten diese nur dann zugesprochen werden können, wenn nachgewiesen worden
wäre, dass diese auch tatsächlich angefallen sind. Bei einer fiktiven
Schadensberechnung wie der vorliegenden bleiben diese außer Betracht.
Insgesamt war das amtsgerichtliche Urteil also hinsichtlich der Schadenshöhe um 85,56
€ entsprechend dem Tenor abzuändern.
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Die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab dem 11.02.2004 ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB. Verzug trat
durch das eine Zahlung ablehnende Schreiben der Beklagten zu 3) vom 11.02.2004 (Bl.
15 d. A.) ein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1; 100 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10
(analog); 711; 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
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Die Voraussetzungen, unter denen eine Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen
ist, sind nicht gegeben.
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Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.245,68 € festgesetzt.
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L T1 Dr. T2
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