Urteil des LG Saarbrücken vom 06.08.2010

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LG Saarbrücken Urteil vom 6.8.2010, 13 S 53/10
Leitsätze
1. Die Kammer hält daran fest, dass der "Schwacke-Mietpreisspiegel 2006" zur Ermittlung
der erforderlichen Mietwagenkosten für den regionalen Bereich des Saarlandes ungeeignet
ist. Als geeignete Schätzgrundlage im Saarland erweist sich für den hier maßgeblichen
Zeitraum die "Fraunhofer Liste 2008", soweit deren Tarife um einen Zuschlag von 15 %
angehoben werden (so schon Kammer, Urteil vom 26.03.2010 - 13 S 243/09).
2. Für die Verletzung der Schadensminderungspflicht iSd. § 254 Abs. 2 BGB genügt nicht,
dass der Geschädigte ein Angebot des Schädigers oder des gegnerischen
Haftpflichtversicherers zur Vermittlung eines günstigeren vergleichbaren Mietwagens
ausschlägt, das inhaltlich nicht so gestaltet ist, dass der Geschädigte es mühelos
annehmen kann.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom
11.03.2010 – 120 C 8/09 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 50,16
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
04.09.2008 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 39,- EUR zu zahlen. Im
Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin, ein Mietwagenunternehmen, begehrt aus abgetretenem Recht restlichen
Schadensersatz in Form von Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall, der sich am ... in
... ereignet hat und bei dem das Fahrzeug von Frau ... durch ein bei der Beklagten
haftpflichtversichertes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten
steht außer Streit.
Die Beklagte wies Frau ... am Unfalltag und nochmals mit Schreiben vom 20.03.2008 auf
die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Mietwagens zu einem Tagespreis von 48,79
EUR hin. Diese ging hierauf nicht ein, sondern mietete am 25.03.2008 bei der Klägerin für
die Zeit bis zum 04.04.2008 einen Pkw der Gruppe 5, wofür die Klägerin einen Betrag von
1.140,79 EUR in Rechnung stellte. Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf Bl. 15
d.A. Bezug genommen. Gleichzeitig trat Frau ... unter dem 25.03.2008 ihren Anspruch auf
Erstattung der Mietwagenkosten bis zur Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten an die
Klägerin ab (Bl. 103 d.A.). Die Beklagte zahlte auf die Mietwagenrechnung einen Betrag
von 536,69 EUR (11 x 48,79 EUR).
Die Klägerin hat die Meinung vertreten, dass unter Zugrundelegung des Schwacke-
Mietpreisspiegels 2006 der in Rechnung gestellte Betrag unterhalb des ortsüblichen und
angemessenen Normalbetrages liege und deshalb in vollem Umfang erstattungsfähig sei.
Im Übrigen sei sogar ein Aufschlag auf diesen Normaltarif gerechtfertigt. Auf das Angebot
der Beklagten habe sich die Geschädigte nicht einlassen müssen, zumal ein vergleichbares
Fahrzeug nicht zu diesem Preis vermietet worden wäre.
Die Beklagte hat eingewandt, die in der Liste Schwacke-Automietpreisspiegel verzeichneten
Tarife könnten nicht als Schätzungsgrundlage herangezogen werden. Nach der Erhebung
„Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für
Arbeitswirtschaft und Organisation aus dem Jahr 2008 lägen die erstattungsfähigen
Mietwagenkosten unter dem Betrag, der gezahlt worden sei. Zudem müsse sich die
Klägerin ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen, weil ein gruppengleiches Fahrzeug
angemietet worden sei. Schließlich habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, auf das ihr
unterbreitete Angebot zur Inanspruchnahme eines Mietwagens einzugehen bzw. bei
großen Autovermietern wie Sixt, Europcar und Avis ein Fahrzeug zu einem wesentlich
günstigeren Preis zu mieten.
Durch Urteil vom 11.03.2010 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe, obwohl sie hierzu verpflichtet
gewesen sei, auf die Einholung von Vergleichsangeboten verzichtet. Sie könne deshalb nur
Ersatz des Normaltarifs verlangen. Dieser belaufe sich nach der Erhebung des Fraunhofer
Instituts für 2008 auf 652,01 EUR. Von diesem Betrag sei ein Abzug von 10%
vorzunehmen, da die Geschädigte ein gruppengleiches Fahrzeug angemietet habe. Der
sich danach ergebende Betrag von 586,85 EUR führe zu einer Differenz von 50,16 EUR
gegenüber den vorgerichtlich gezahlten 536,69 EUR. Diesen Differenzbetrag könne die
Klägerin aber nicht einfordern, da sie aufgrund des ihr gemachten Vergleichsangebotes
zumindest zu weiteren Erkundigungen gegenüber der Beklagten verpflichtet gewesen sei.
Gegen die Klageabweisung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren
ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt. Die Klägerin rügt insbesondere die Heranziehung
der Fraunhofer Erhebung für das Jahr 2008. Sie meint, dass sich die Unzulänglichkeit der
Erhebung jedenfalls daraus ergebe, dass nach der Erhebung für 2009 eine Erhöhung der
Preise um durchschnittlich 7,5 bis 25% erfolgt sei. Dies sei aber nicht annähernd mit der
vom Statistischen Bundesamt festgestellten Preiserhöhung in Einklang zu bringen, was nur
den Schluss zulasse, dass die Fraunhofer Erhebung 2008 falsch sei. Im Übrigen wiederholt
und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache
teilweise Erfolg, da die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere als
die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs.1 ZPO).
1. Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte
eines Verkehrsunfalls auf der Grundlage der §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG vom
Haftpflichtversicherer des Schädigers nach § 249 BGB als erforderlichen
Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein
verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für
zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 160, 377, 383 f; zuletzt Urteil vom
02.02.2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545). Ein höherer Tarif als der Normaltarif ist
nur erstattungsfähig, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die
Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf
Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und
infolge dessen zur Schadenbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH aaO). In
diesem Fall muss der Geschädigte darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm
unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der
gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein
wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt –
zumindest auf Nachfrage – zugänglich war (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR
18/06, VersR 2007, 515 mwN.). Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund
unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist,
kann lediglich offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer
Normaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine
kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden
Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 –
VI ZR 139/08, VersR 2010, 545; Kammer, Urteil vom 16.10.2009 – 13 S 171/09).
2. Bei der Ermittlung des Normaltarifs hat das Amtsgericht den Schwacke-Mietpreisspiegel
2006 nicht herangezogen, sondern stattdessen auf die Erhebung „Marktpreisspiegel
Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und
Organisation aus dem Jahr 2008 abgestellt. Dies hält sich im Rahmen tatrichterlichen
Ermessens nach § 287 ZPO.
a) Der Bundesgerichtshof hat zwar wiederholt die grundsätzliche
Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 als
Schätzungsgrundlage zur Ermittlung des Normaltarifs im Rahmen
des tatrichterlichen Ermessens gem. § 287 ZPO bejaht, jedoch stets
darauf hingewiesen, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die
bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, der Klärung
bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend
gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl.
BGH, Urteil vom 2.2.2010 – VI ZR 7/09, VersR 2010, 545; Urteil
vom 18.5.2010 – VI ZR 293/08, jeweils mwN.). Solches gilt für den
hiesigen regionalen Bereich. Eine offene Erhebung wie die von
Schwacke führt in der hier maßgeblichen Region zu deutlich
überhöhten Tarifangaben. Wie die Kammer bereits ausgeführt hat,
ergibt sich dies aus verschiedenen Gutachten der gerichtlichen
Sachverständigen ... und ... in unterschiedlichen Verfahren (vgl. die
Nachweise im Urteil vom 26.2.2010 - 13 S 240/09), in denen die
Sachverständigen – gerichtlich beauftragt – nach einem
Verkehrsunfall jeweils die üblichen Mietwagenpreise im Saarland
ermittelt und dabei bei offener Anfrage von den saarländischen
Mietwagenunternehmen bis nahezu doppelt so hohe Preisangaben
erhalten haben wie bei der anschließenden verdeckten Anfrage (vgl.
die Nachweise im Urteil vom 26.2.2010 - 13 S 240/09). Vor diesem
Hintergrund erscheint der Schwacke-Mietpreisspiegel in der hiesigen
Region nicht als geeignete Schätzungsgrundlage.
b) Als eine für die Kammer geeignete Schätzungsgrundlage erweist
sich dagegen die Erhebung „Marktpreisspiegel Mietwagen
Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und
Organisation aus dem Jahr 2008, der gerade eine verdeckte
Datenerhebung zugrunde lag. Zwar werden von Teilen der
Rechtsprechung (vgl. etwa Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil
vom 22.12.2009 – 4 U 294/09 – 83, NZV 2010, 242; OLG
Stuttgart, Urteil vom 08.07.2009 – 3 U 30/09, NJW-RR 2009, 1540;
vgl. aber auch OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 03.08.2009 – 7
U 94/09, DAR 2009, 705) Einwendungen gegen die Erhebung des
Fraunhofer-Instituts vorgebracht, die sich teilweise auch nach
Auffassung der Kammer als beachtenswert erweisen. Den
berechtigten Einwendungen kann jedoch angemessen Rechnung
getragen werden, ohne dass die generelle Eignung der Fraunhofer-
Erhebung als Ausgangspunkt für die Ermittlung des hier
maßgeblichen regionalen Marktpreises entfiele.
aa) Dass der Auftrag für die Studie vom Gesamtverband
der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. erteilt wurde,
kann angesichts der angewandten, transparenten und
nachvollziehbaren Methoden keinen relevanten Einwand
gegen den Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland
begründen.
bb) Auch der Umstand, dass die Fraunhofer-Studie
Aufschläge und Zuschläge für Sonderleistungen sowie
Nebenkosten – mit Ausnahme der bereits berücksichtigten
Kosten für eine Haftungsreduzierung mit typischer
Selbstbeteiligung sowie unbegrenzte Laufleistung –
bewusst zu vermeiden sucht, spricht nicht generell gegen
die Verwendung der Fraunhofer-Studie. Insoweit besteht
die Möglichkeit, im Einzelfall konkret notwendige Zuschläge
hinzuzusetzen, wie dies auch bei Verwendung der
Schwacke-Liste geschieht.
cc) Soweit teilweise beanstandet wird, dass die Erhebung
des Fraunhofer-Instituts nicht auf dreistellige, sondern auf
zweistellige Postleitzahlengebiete abstellt, wird die damit
verbundene Pauschalierung zur Überzeugung der Kammer
für den hier maßgeblichen regionalen Markt durch die
Sicherstellung einer höheren statistischen Relevanz
weitgehend ausgeglichen, ohne dass der Bezug zum
regionalen Markt verloren ginge.
dd) Soweit kritisiert wird, die Studie habe einen für
Unfallsituationen untypischen Anmietzeitpunkt mit einer
Woche Vorlauf gewählt, hat das Fraunhofer IAO in einer
Untersuchung festgestellt, dass der Anmietzeitpunkt nur
in äußerst seltenen Fällen einen Einfluss auf den Preis hat
(Marktpreisspiegel Mietwagen-Deutschland 2008, S. 15),
im Einzelfall jedoch zu einem Preisanstieg von bis zu 4,2 %
führen kann. In seiner Erhebung 2009 kommt das
Fraunhofer IAO zu dem Ergebnis, dass eine sofortige
Anmietung im Durchschnitt zu einer Preiserhöhung von
lediglich 2,1 % führt (Marktpreisspiegel Mietwagen
Deutschland 2009, S. 97 f.).
ee) Schließlich wird gegen die Studie des Fraunhofer IAO
vorgebracht, dass Internet-Angebote, die nicht jedermann
zugänglich seien, in die Preisermittlung eingeflossen seien.
Da die Internet-Angebote ausweislich der Erhebungen des
Fraunhofer IAO jedoch nicht als Sondermarkt mit
grundsätzlich günstigeren Tarifen eingestuft werden
können und sie die Marktpreise insgesamt beeinflussen,
sieht die Kammer keine Bedenken dagegen, dass Internet-
Angebote grundsätzlich Berücksichtigung finden. Ohne
dass die Gewichtung von Telefon- und Internetangeboten
im Einzelnen der Überprüfung bedürfte, haben die
Ergebnisse des Fraunhofer IAO jedenfalls gezeigt, dass die
Unterschiede zwischen beiden Kategorien sich in einem
begrenzten Rahmen halten.
ff) Die hiernach verbleibenden Einwendungen gegen die
Fraunhofer-Studie sind nach Einschätzung der Kammer
zwar beachtlich, da die ermittelten Werte tendenziell unter
den für einen Unfallgeschädigten typischerweise
realisierbaren Mietkosten liegen. Sie führen nach
Auffassung der Kammer jedoch für den hier maßgeblichen
regionalen Markt nicht zur gänzlichen Ungeeignetheit der
Erhebung des Fraunhofer-Instituts als Grundlage für eine
regionale Marktpreisermittlung. Vielmehr erscheint der
Kammer im Wege des nach § 287 ZPO gebotenen
Schätzungsermessens ein Zuschlag von 15% auf die vom
Fraunhofer-Institut ermittelten Normaltarife als
angemessen. Dieser Zuschlag berücksichtigt neben
örtlichen Schwankungen zum einen den – auch von der
Berufung hier behaupteten - Preisanstieg für die sofortige
Verfügbarkeit eines Mietwagens, zum anderen den
Umstand, dass Telefon-Angebote durchschnittlich etwas
teurer als Internet-Angebote sind. Dass die Erhebung des
Fraunhofer-Instituts – zumal unter Anwendung eines
solchen Zuschlags – im hier maßgeblichen regionalen
Markt nicht zu irreal niedrigen Tarifen führt, wird auch
durch die in o.a. Verfahren vorgelegten Gutachten der
Sachverständigen ... und ... bestätigt. Die von ihnen bei
anonymer Anfrage regional ermittelten Mietwagenkosten
liegen im Bereich dessen, was das Fraunhofer-Institut
festgestellt hat.
gg) Da die Kammer in mehreren Prozessen aufgrund einer
Auswertung beider Erhebungen sowie unter
Berücksichtigung der oben zitierten
Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gelangt ist,
dass der Schwacke-Mietpreisspiegel Werte enthält, die
den hier maßgeblichen regionalen Marktpreis nur
unvollkommen abbilden, während die ermittelten Preise
der Fraunhoferstudie jedenfalls den hiesigen regionalen
Markt sehr viel realistischer wiedergeben, sieht sich die
Kammer auch daran gehindert, den marktüblichen
Normaltarif aus einem arithmetischen Mittel beider
Erhebungen zu gewinnen, wie es teilweise favorisiert wird
(vgl. etwa Saarländisches Oberlandesgericht, aaO).
Insofern hat die Kammer Bedenken, auf eine Tabelle als
Schätzungsgrundlage nach § 287 ZPO zurückzugreifen,
die nach den bisherigen Erkenntnissen für die Zwecke der
vorzunehmenden Schätzung im hiesigen regionalen
Bereich nicht geeignet ist.
c) Danach war zur Schadensbeseitigung die Anmietung zu einem
Normaltarif nach dem Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland
2008 des Fraunhofer-Instituts, angehoben um den Zuschlag von 15
%, erforderlich. Dies führt zu folgender Ermittlung des Normalpreises
im Postleitzahlengebiet 66 unter Zugrundelegung einer Anmietdauer
von 11 Tagen bei Fahrzeugklasse 5:
1 x 284,73 EUR (7-Tage-Preis) und 1 x 198,12 EUR (3-
Tage-Preis) und 1 x 84,16 EUR (Tagespreis) = 567,01
EUR zzgl. pauschal 15 % (85,05 EUR) = 652,06 EUR.
Kosten für die gewährte Vollkaskoversicherung sind nicht
erstattungsfähig, da sie in den vom Fraunhofer Institut ermittelten
und der Schadensberechnung zugrunde zu legenden
Mietwagenpreisen bereits enthalten sind (Mietpreisspiegel Mietwagen
Deutschland 2008, Seite 16).
d) Die Klägerin – der insoweit die Darlegungslast obliegt – kann sich
im Übrigen nicht darauf berufen, dass ihr in der konkreten
Unfallsituation kein günstigerer Normaltarif zugänglich gewesen sei.
Dass sie ihrer Verpflichtung, sich vor der Anmietung nach dem
Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen (vgl. BGH, Urteil
vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09, VersR 2010, 494; Urteil vom
02.02.2010 – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683), nachgekommen wäre,
ist nicht vorgetragen. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, dass sie
zu keinen günstigeren Bedingungen hätte einen Mietwagen erlangen
können. Gegen diese hypothetische Annahme spricht bereits die
durch die o.a. Untersuchungen belegte Tatsache, dass tatsächlich
auf dem regionalen Markt günstigere Angebote zu finden sind.
Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine Not- und Eilsituation, die ein
sofortiges Anmieten ohne Nachfrage gerechtfertigt hätte, vorgelegen
hätte. Überdies zeigt die Klägerin keine Besonderheiten im hier
maßgeblichen regionalen Markt auf, die es generell erlaubt hätten,
das Einholen von Vergleichsangeboten zu unterlassen (vgl. Kammer,
Urt. v. 26.02.2010 – 13 S 240/09).
3. Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin müsse sich eine
Eigenersparnis anrechnen lassen, weil ein gruppengleiches Fahrzeug angemietet worden
sei. Dies hält sich im Rahmen tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO. Richtig ist zwar,
dass die ersparten Kosten des eigenen Fahrzeugs im Wege des Vorteilsausgleichs nur von
den Mietwagenkosten abzuziehen sind, wenn ein Mietwagen nicht nur für kurze Zeit und
für eine unterdurchschnittliche Fahrstrecke in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil
vom 10.05.1963 – VI ZR 235/62, NJW 1963, 1399). Davon kann allerdings bei einer
Inanspruchnahme von 11 Tagen und bei gefahrenen 431 km ausgegangen werden. Die
von der Berufung zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.06.1983 – VI ZR
213/81 (NJW 1983, 2694) steht dem nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat dort zur
Frage einer km-Grenze bei der Anrechnung einer Eigenersparnis durch die Nutzung eines
gruppengleichen Mietwagens keine Aussage getroffen. Die Ausführungen des
Bundesgerichtshofs zu einer Grenze von 1.000 km beziehen sich ausschließlich auf die
Frage einer Entschädigung für die Nutzung eines beschädigten Altfahrzeuges bei einer
Schadensabrechnung auf Neuwagenbasis. Dem gegenüber hat der Bundesgerichtshof in
seiner Entscheidung vom 10.05.1963 ausdrücklich eine solche Grenze bei der Nutzung von
Mietwagen abgelehnt (BGH, aaO). Die Höhe der vom Amtsgericht in Ansatz gebrachten
Eigenersparnis von 10% steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil
vom 19.10.2007 – 13 A S 32/07), die vom Bundesgerichtshof gebilligt wird (vgl. BGH,
Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, aaO mwN.).
4. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie die Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB durch
das Erstgericht rügt. Der Erstrichter hat zu Unrecht einen Verstoß der Geschädigten gegen
ihre Schadensminderungspflicht angenommen.
a) Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den
Geschädigten iSd. § 254 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass dem
Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen
„ohne weiteres“ zugänglich gewesen ist. Die dafür maßgeblichen
Umstände haben nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger bzw.
sein Haftpflichtversicherer darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil
vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, aaO). Dabei ist für die Beurteilung
der Zugänglichkeit eines wesentlich günstigeren Normaltarifs darauf
abzustellen, was dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner
individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade
für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren
Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten
Markt zugänglich war (BGH, Urteil vom 04.04.2006 – VI ZR 338/04,
NJW 2006, 2106). Der Geschädigte darf sich zwar nicht
grundsätzlich dagegen verwehren, dass ihn der Versicherer im Wege
eines aktiven Schadensmanagements über ein in zumutbarer Weise
annehmbares, günstigeres Angebot informiert. Jedoch kommen von
vorneherein nur Angebote auf dem in der Lage des Geschädigten
zeitlich und örtlich relevanten Markt in Betracht (vgl. Kammer Urteil
vom 26.02.2010 – 13 S 240/09 mwN.).
b) Diesen Anforderungen genügt weder das telefonische noch das
schriftliche Vermittlungsangebot der Beklagten. Außer dem Mietpreis
enthalten beide Angebote der Beklagten keine Informationen, die der
Geschädigten eine verlässliche Überprüfung ermöglicht hätten. Die
Geschädigte konnte anhand der Angebote weder beurteilen, ob es
sich um ein Angebot in dem für sie zeitlich und örtlich relevanten
Markt handelte, noch erhielt sie Kenntnis von den weiteren
Mietbedingungen. Der Geschädigten war es entgegen der Auffassung
des Erstgerichts auch nicht zuzumuten, ihrerseits bei der Beklagten
entsprechende Nachforschungen einzuleiten. Wie bei der
Unterbreitung von Restwertangeboten durch den Versicherer (vgl.
dazu BGHZ 143, 189 ff mwN.) genügt der bloße Hinweis auf eine
preisgünstigere Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Mietwagens,
um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen
muss, nicht, um seine Obliegenheiten zur Schadensminderung
auszulösen. Das Angebot muss vielmehr inhaltlich so gestaltet sein,
dass der Geschädigte es mühelos annehmen kann.
5. Danach ergibt sich folgende Berechnung des weiteren Schadens:
Mietwagenkosten nach Normaltarif:
652,06 EUR
Abzug wegen Eigenersparnis 10%:
./. 65,21 EUR
Verbleiben
50,16 EUR
Zwischenergebnis:
586,85 EUR
Abzüglich gezahlter
536,69 EUR
6. Die außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind Teil des
ersatzfähigen Schadens nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Sie berechnen sich wie folgt:
Gesamt
39,00 EUR
1,3 Geschäftsgebühr VV 2300
Gegenstandswert 50,16 EUR:
32,50 EUR
Auslagenpauschale VV 7002:
6,50 EUR
7. Die Zinsregelung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Dabei waren der Klägerin wegen des
geringfügigen Obsiegens die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10,
711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den
konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des
Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).