Urteil des LG Saarbrücken vom 17.05.2010

LG Saarbrücken: zahlungsaufforderung, angemessene frist, rechtskraft, geldschuld, fälligkeit, daten, eugh, bringschuld, verfügung, konkretisierung

LG Saarbrücken Beschluß vom 17.5.2010, 5 T 142/10
Leitsätze
1. Für die Vollstreckbarkeit eines Urteils, mit dem der Beklagte zur Zahlung rückständigen
Unterhalts verurteilt wird, muss die Gesamtforderung in dem Urteilstenor nicht beziffert
sein, es reicht aus, wenn aufgrund des Urteilstenors die Höhe des Unterhaltsrückstands
durch eine zumutbare Rechenoperation ermittelt werden kann.
2. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH Urteil
vom 03.04.2008, NJW 2008, 1935-1936, Juris Rn. 28) ist § 270 BGB nunmehr
dahingehend auszulegen, dass die Geldschuld eine Bringschuld des Schuldners darstellt.
3. Wenn sich der Schuldner für die Überweisung des von ihm zu zahlenden Geldbetrages
entscheidet, ist es seine Aufgabe, von dem Gläubiger die erforderlichen Daten seiner
Bankverbindung zu erfragen.
4. Der Einwand, der Gläubiger hätte dem Schuldner seine Kontodaten ungefragt benennen
müssen, ist für die Erstattungsfähigkeit der Vollstreckungsgebühr des von dem Gläubiger
beauftragten Rechtsanwalts unerheblich.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 294,41 Euro.
Gründe
A)
Der Schuldner ist durch das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 11.12.2008
– 2 UF 13/08 – verurteilt worden, an die Klägerin monatlich nachehelichen Unterhalt, fällig
jeweils zum 3. Werktags eines jeden Monats in Höhe von
524,- Euro
für Dezember 2004,
659,- Euro
für Januar bis Dezember 2005,
520,- Euro
für Januar bis Dezember 2006,
506,- Euro
für Januar bis September 2007,
479,- Euro
für Oktober bis Dezember 2007 und
337,- Euro
ab Januar ab Januar 2008 zu zahlen.
Das Urteil ist für vorläufig vollstreckbar erklärt und es wurde den Prozessbevollmächtigten
des Schuldners am 15.12.2008 zugestellt.
Die Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin haben den Schuldner durch Schreiben vom
13.01.2009 unter Bezugnahme auf das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom
11.12.2008 aufgefordert, an die Gläubigerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten den
aufgelaufenen Unterhaltsrückstand in Höhe von 25.044,- Euro zu zahlen.
Gleichzeitig ist dem Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil angedroht worden
und er ist aufgefordert worden, die Gebühren der Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin
für die Zahlungsaufforderung in Höhe eines Betrages vom 294,41 Euro an die Gläubigerin
zu erstatten.
Die Prozessbevollmächtigten des Schuldners haben durch Schreiben vom 14.01.2009 die
Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin um Mitteilung einer Bankverbindung der
Gläubigerin oder um Vorlage einer Inkassovollmacht gebeten. Die Inkassovollmacht ist
durch Schreiben vom 19.01.2009 übersandt worden.
Das Amtsgericht hat auf den Antrag der Gläubigerin gegen den Schuldner
Zwangsvollstreckungskosten in Höhe von 294,41 Euro nebst Zinsen festgesetzt.
Gegen diesen am 08.09.2009 zugestellten Beschluss hat der Schuldner am 21.09.2009
sofortige Beschwerde eingelegt.
Er ist der Auffassung, die Zahlungsaufforderung durch Schreiben vom 13.01.2009 sei nicht
gerechtfertigt gewesen, da ihm die Inkassovollmacht der Prozessbevollmächtigten der
Gläubigerin erst mit Schreiben vom 19.01.2009 übersandt worden sei.
Es hätte ausgereicht, wenn die Klägerin selbst dem Beklagten die Nummer ihres Kontos
mitgeteilt hätte, auf das die Unterhaltsrückstände zu überweisen waren.
In dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts sei die Gesamtsumme der
Unterhaltsrückstände des Schuldners nicht ausgewiesen.
Im Übrigen sei die Forderung erst mit Rechtskraft des Urteils des Saarländischen
Oberlandesgerichts – also frühestens am 15.01.2009 – fällig geworden.
Der Schuldner beantragt
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2009 aufzuheben und
den Festsetzungsantrag der Gläubigerin zurückzuweisen.
Die Gläubigerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Schuldner bzw. seinem Prozessbevollmächtigten sei es
möglich gewesen, den Unterhaltsrückstand aus dem Urteil des Saarländischen
Oberlandesgerichts zu berechnen.
Falls der Schuldner keine Kontoverbindung der Gläubigerin gehabt habe, hätte er bei der
Gläubigerin nachfragen müssen.
Falls der Schuldner Zweifel an der Inkassobevollmächtigung der Prozessbevollmächtigen
der Gläubigerin gehabt habe, hätte er ohne Weiteres an die Gläubigerin selbst zahlen
können und müssen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Verfügung vom 16.03.2010 nicht
abgeholfen und sie der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
B)
I.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 788,104 Abs. 3, 567 ff ZPO
zulässig.
II.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Die für die Zahlungsaufforderung durch Rechtsanwaltsschreiben vom 13.01.2009
gemäß Nr. 3309 VV RVG angefallene 3/10 Vollstreckungsgebühr ist einschließlich der
Pauschale für Post- und Telekommunikation (VV RVG Nr. 7002) und der Umsatzsteuer (VV
RVG Nr. 7008) von dem Schuldner an die Gläubigerin zu erstatten.
2. Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung
ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gemäß §§ 788, Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung
mit 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren
Ausfertigung des Vollstreckungstitels ist, wenn die Fälligkeit der titulierten Forderung
eingetreten ist und wenn dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung
der Forderung eingeräumt war (vergl. dazu LG Saarbrücken, Beschluss vom 28.07.2009 –
5 T 395/09 – Juris Randnummer 23).
3. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung vom
13.01.2009 erfüllt. Es lag mit dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom
11.12.2008 – 2 UF 13/08 – das für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist, ein
Vollstreckungstitel vor, der den Prozessbevollmächtigten des Schuldners bereits am
15.12.2008 zugestellt worden war.
Die Auffassung des Schuldners, seine Zahlungsverpflichtung sei erst mit Rechtskraft dieses
Urteils des Saarländischen Oberlandesgerichts fällig geworden, geht fehl. Die von dem
Schuldner zitierten Fundstellen (BGH NJW 2006, 2472, 2474 und Palandt / Grüneberg
BGB, 68. Auflage, § 315 BGB Randnummer 15) sind nicht einschlägig, da sie sich auf
Gestaltungsurteile beziehen, die gemäß § 315 BGB die Leistungspflicht des Schuldners
konkretisieren (vergl. Palandt / Grüneberg § 315 BGB Rn. 317 mit weiteren Nachweisen).
Nur dann, wenn die Konkretisierung der Leistungspflicht durch gerichtliche Entscheidung im
Wege des Gestaltungsurteils erfolgt, tritt die Fälligkeit der Leistungsverpflichtung des
Schuldners erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils ein. Anders verhält es sich
bei einem Leistungsurteil, wie es das Saarländische Oberlandesgericht hinsichtlich der
Unterhaltsforderung des Schuldners am 11.12.2008 verkündet hat (Saarländisches
Oberlandesgericht Aktenzeichen 2 UF 13/08). Da das Saarländische Oberlandesgericht sein
Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt hat, ist die Zahlungsverpflichtung des Schuldners mit
der Verkündung dieses Urteils fällig geworden, ohne dass es auf den Eintritt der
Rechtskraft ankommt.
4. Auch der weitere Einwand des Schuldners, die Höhe des von ihm zu zahlenden
Unterhaltsrückstandes sei in dem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts nicht
konkret festgestellt, ist unerheblich.
Es reicht aus, dass aufgrund des Urteilstenors die Höhe des Unterhaltsrückstands durch
eine zumutbare Rechenoperation – es waren lediglich Multiplikationen und Additionen
vorzunehmen – ermittelt werden konnte. Eine solche Rechenoperation konnte auch von
dem Schuldner erwartet werden.
5. Zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung am 13.01.2009 war die von der Gläubigerin
abzuwartende angemessene Zahlungsfrist verstrichen.
Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners am 15.12.2008 zugestellt
worden. Bis zur Abfassung der Zahlungsaufforderung am 13.01.2009 waren vier Wochen
verstrichen. Innerhalb dieses Zeitraums hätte der Schuldner seine Zahlungsverpflichtung
erfüllen müssen.
6. Der Schuldner kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm vor der
Zahlungsaufforderung die Bankverbindung der Gläubigerin nicht mitgeteilt worden war.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH Urteil
vom 03.04.2008, NJW 2008, 1935-1936, Juris Rn. 28) ist § 270 BGB nunmehr
dahingehend auszulegen, dass die Geldschuld eine Bringschuld des Schuldners darstellt
(vergl. Palandt / Heinrichs § 270 BGB Rn. 1). Dies bedeutet, dass der Wohnsitz des
Gläubigers sowohl Leistungs- als auch Erfolgsort der Geldschuld ist (vergl. Palandt /
Heinrichs § 269 BGB Rn. 1). Der Schuldner hat demgemäß dafür zu sorgen, dass das von
ihm geschuldete Geld rechtzeitig bei dem Gläubiger eingeht. Er hat die Wahl, ob er seiner
Zahlungspflicht durch Barzahlung oder durch Überweisung genügt. Wenn er sich für die
Überweisung entscheidet, ist es seine Aufgabe, von dem Gläubiger die erforderlichen Daten
seiner Bankverbindung zu erfragen. Dies bedeutet, der Schuldner hätte innerhalb des ihm
zur Verfügung stehenden Zeitraums von vier Wochen von der Gläubigerin deren
Bankverbindung erfragen und den von ihm geschuldeten Unterhaltsrückstand auf das
Bankkonto der Gläubigerin überweisen müssen. Sein Einwand, die Gläubigerin hätte ihm
ihre Kontodaten ungefragt benennen müssen, ist für die Erstattungsfähigkeit der
streitgegenständlichen Vollstreckungsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin
unerheblich.
7. Deshalb war die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Amtsgerichts mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO in Höhe der in Streit
stehenden Vollstreckungskosten festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vergl. dazu § 574 ZPO) wird mangels der
dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.