Urteil des LG Ravensburg vom 10.07.2014

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LG Ravensburg Urteil vom 10.7.2014, 8 O 36/14 KfH
Wettbewerbsverstoß im Internet: Irreführende Wirkungsbehauptungen in der
Werbung für ein Gerät zur Kryolipolyse-Behandlung zum Abbau von Fettzellen
Tenor
I. Dem Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder festzusetzender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
untersagt, im geschäftlichen Verkehr für den Vertrieb von Geräten zur Kryolipolyse-
Behandlung mit den folgenden Angaben zu werben
1.
„Fettpolster durch Kälte reduzieren“,
2.
„Die Kryolipolyse Methode ist eine Methode, bei der Fettzellen am
Körper durch Kälte reduziert werden, also weggefroren und so
dauerhaft weg bleiben“,
3.
mit dem Text und/oder der Abbildung:
„Diese Methode funktioniert deshalb so gut, da Fettzellen von Natur
aus sehr empfindlich auf Kälte reagieren und so zerstört werden.
Die Methode erfolgt ganz ohne Nebenwirkungen und schmerzfrei.
Eingesetzt werden kann Kryolipolyse an Bauch, Beinen, Hüfte,
Gesäß und Knie. Bei der Behandlung, die bis zu ca. 60 Minuten
dauert wird der gewünschte Körperbereich durch den Applikator
einer Kälte von bis zu -5 Grad Celsius ausgesetzt. Dabei wird das
Fettgewebe angesaugt und runtergekühlt. Das Fett kristallisiert und
zerstört dadurch die Fettzellen. Die toten Fettzellen werden durch
den Stoffwechsel auf natürliche Weise abgebaut. Neue Fettzellen
können sich nicht mehr generieren was zu einer dauerhaften
Fettentfernung führt.
Bereits nach der ersten Anwendung können Fettzellen um bis zu
30% reduziert werden“,
4.
„Wissenschaftliche Studien belegen außerdem, dass Fettzellen
anders als andere Zellen besonders auf Kälte reagieren, deshalb
ist die Kryolipolyse so wirkungsvoll“,
sofern dies jeweils geschieht, wie in Anlage A 4 zum Antrag vom 20.06.2014
wiedergegeben.
II. Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Streitwert: 40.000,00 EUR
Tatbestand
1 Der Verfügungskläger begehrt vom Verfügungsbeklagten die Unterlassung
mehrerer in Verbindung mit dem Vertrieb von Geräten zur Durchführung einer
Kryolipolyse-Behandlung getroffener Werbeaussagen.
2 Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen
Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder,
insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren
Wettbewerbs eingehalten werden.
3 Der Verfügungsbeklagte vertreibt kosmetische Geräte, insbesondere im Internet
unter www……… (Anl. A 3). Unter anderem vertreibt er Geräte der Kryolipolyse-
Methode und bewirbt diese mit den aus dem Tenor ersichtlichen Aussagen (Anl. A
4). Insbesondere sollen bei der Kryolipolyse durch eine Kältebehandlung
(Abkühlung auf ca. - 5° C über die Dauer von etwa einer Stunde) Fettzellen
absterben und danach vom Körper abgebaut werden.
4 Der Verfügungskläger erlangte am 22.05.2014 Kenntnis von der beanstandeten
Werbung und mahnte den Verfügungsbeklagten deswegen mit Schreiben vom
26.05.2014 unter Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung wettbewerbsrechtlich ab (Anl. A 5).
5 Der Verfügungsbeklagte bestätigte mit E-Mail-Schreiben vom 05.06.2014 (Anl. A 6)
den Zugang der Abmahnung, lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung
jedoch ab.
6 Der Verfügungskläger ist der Auffassung, die im Internetauftritt getroffenen
Werbeaussagen seien irreführend, weil die behaupteten Wirkungen einer
dauerhaften Fettreduzierung nicht einträten, sondern einer reinen
Marketingphantasie entsprängen.
7 Der Verfügungskläger beantragt,
8 I. Dem Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall
der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00
Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder festzusetzender Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für den Vertrieb von Geräten zur
Kryolipolyse-Behandlung mit den folgenden Angaben zu werben
9
1.
„Fettpolster durch Kälte reduzieren“,
10 2.
„Die Kryolipolyse Methode ist eine Methode, bei der Fettzellen am Körper durch
Kälte reduziert werden, also weggefroren und so dauerhaft weg bleiben“,
11 3.
mit dem Text und/oder der Abbildung:
„Diese Methode funktioniert deshalb so gut, da Fettzellen von Natur aus sehr
empfindlich auf Kälte reagieren und so zerstört werden. Die Methode erfolgt ganz
ohne Nebenwirkungen und schmerzfrei. Eingesetzt werden kann Kryolipolyse an
Bauch, Beinen, Hüfte, Gesäß und Knie. Bei der Behandlung, die bis zu ca. 60
Minuten dauert wird der gewünschte Körperbereich durch den Applikator einer
Kälte von bis zu -5 Grad Celsius ausgesetzt. Dabei wird das Fettgewebe
angesaugt und runtergekühlt. Das Fett kristallisiert und zerstört dadurch die
Fettzellen. Die toten Fettzellen werden durch den Stoffwechsel auf natürliche
Weise abgebaut. Neue Fettzellen können sich nicht mehr generieren was zu einer
dauerhaften Fettentfernung führt.
12 Bereits nach der ersten Anwendung können Fettzellen um bis zu 30% reduziert
werden“,
13 4.
„Wissenschaftliche Studien belegen außerdem, dass Fettzellen anders als andere
Zellen besonders auf Kälte reagieren, deshalb ist die Kryolipolyse so
wirkungsvoll“,
14 sofern dies jeweils geschieht, wie in Anlage A 4 wiedergegeben.
15 Der Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückzuweisen.
16 Er ist der Auffassung, die Wirksamkeit der Kryolipolysebehandlung sei
wissenschaftlich nachgewiesen.
17 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten
Schriftsätze und Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
04.07.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
18 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
19 Die Antragsbefugnis folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
20 Der Verfügungskläger hat die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruch
nach § 8 UWG glaubhaft gemacht.
21 Die beanstandete Werbung verstößt wegen Irreführung gegen §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2
Nr. 1 UWG sowie § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 20 Verordnung Nr. 1223/09 über
kosmetische Mittel.
22 Der Verfügungsbeklagte hat nicht glaubhaft machen können, dass die in der
beanstandeten Werbung (Anl. A 4) behauptete Wirkungsweise der Kryolipolyse
gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Die Darlegungs- und
Beweislast, damit auch die Glaubhaftmachungslast im Verfahren über den Erlass
einer einstweiligen Verfügung, obliegt dem Verfügungsbeklagten. Zwar obliegt
auch der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, grundsätzlich dem
Unterlassungsgläubiger (BGH GRUR 2013, 649). Behauptet eine Werbung jedoch
eine bestimmte gesundheitsbezogene Wirkungsweise durch Darstellung einer
naturwissenschaftlichen Erklärung unter Bezugnahme auf wissenschaftliche
Studien, wie es der Verfügungsbeklagten mit der in Anl. A 4 dargestellten Werbung
tut, übernimmt er die Verantwortung für die Richtigkeit der aufgestellten
Behauptungen und hat diese deshalb darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH
GRUR 2013, 649 zur Wirksamkeit eines Arzneimittels zur Behandlung von
Diabetes mellitus; BGH GRUR 2012, 1164 zur Wirksamkeit eines Arzneimittels zur
diätetischen Behandlung von Gelenkarthrose). Diese überwiegend zu
Arzneimitteln entwickelten Grundsätze finden auch auf den Vertrieb von Geräten,
die zur medizinischen Behandlung dienen, Anwendung. Aussagekräftige und
wissenschaftlich fundierte Studien hat der Verfügungsbeklagte bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung nicht benannt oder gar vorgelegt.
23 Auch die Ausführungen in dem außerhalb eines nachgelassenen Schriftsatzrechts
eingereichten Schriftsatz vom 07.07.2014 zu vorliegenden wissenschaftlichen
Studien reichen zur Glaubhaftmachung nicht aus und gebieten die
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung daher nicht. Zum einen sind die
Unterlagen weitgehend in englischer Sprache verfasst und schon deshalb zur
Glaubhaftmachung nicht geeignet. Darüber hinaus belegen die vorgelegten
Unterlagen nicht die Durchführung einer wissenschaftlich fundierten Studie. Zwar
dürfte für den Beweis der Wirksamkeit eines Geräts zur Kryolipolyse nicht die
Durchführung einer placebokontrollierten Untersuchung zu fordern sein, weil nicht
davon ausgegangen werden kann, dass die Wirksamkeit der Behandlung sich vor
allem am Befinden der Patienten erkennen lasse. Allerdings fehlt es schon an der
konkreten und nachvollziehbaren Darstellung des die Studie durchführenden
Instituts sowie der der angewendeten Methoden zur Datengewinnung und deren
statistischer Auswertung. Zudem ist für keine der Studien erkennbar, dass es sich
um eine randomisierte, gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen
entsprechende Studie gehandelt habe. Vielmehr ist sogar ausdrücklich erwähnt,
dass lediglich Literaturstudien vorgenommen worden seien. Soweit Tierversuche
zugrunde liegen, sind die Studien nicht ausreichend.
24 Ob die Werbeaussage möglicherweise durch nicht prospektive Studiendaten
getragen wird, kann dahin stehen, denn der Verfügungsbeklagte hat solche
Studien nicht dargelegt.
25 Darüber hinaus hat der Verfügungsbeklagte bereits in der Erwiderung vom
03.07.2014 eingeräumt, dass die werbenden Angaben insoweit unzutreffend
seien, als behauptet werde, Fettzellen könnten sich nach der
Kryolipolysebehandlung nicht regenerieren, so dass Fettzellen dauerhaft
wegblieben, die Kryolipolyse damit zu einer dauerhaften Fettentfernung führe.
Zudem hat der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung im Rahmen
der Erörterung des Sach- und Streitstands eingeräumt, dass auch die Angabe, die
Methode erfolge ganz ohne Nebenwirkungen und schmerzfrei, nicht zutreffend sei,
da weder Schmerzen noch Nebenwirkungen ausgeschlossen seien.
26 Der Verfügungsbeklagte ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der
Werbeaussage auch nicht berechtigt, die Aussage "Fettpolster durch Kälte
reduzieren" als Überschrift zu verwenden, weil es sich lediglich um eine wörtliche
Übersetzung der griechischen Grundbegriffe der Bezeichnung "Kryolipolyse"
handle. Aus der beanstandeten Werbung geht nicht ansatzweise hervor, dass
lediglich ein ins griechische transferierter Fachbegriff verwendet werde. Vielmehr
stellt sich die beanstandete Aussage als plakativ hervorgehobene Behauptung
dar, die aufgrund der Verwendung als Überschrift sogar eine erhöhten
Richtigkeitsanspruch erhebt.
27 Eine Erledigung der Hauptsache ist durch die Abgabe der als Anlage zur
Erwiderung vom 03.07.2014 vorgelegten Unterlassungserklärung nicht
eingetreten. Der Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers ist dadurch schon
deswegen nicht erloschen, weil sich der Verfügungsbeklagte keinerlei
Strafbewehrung unterworfen hat. Die den Anspruch auf Unterlassung
begründende Wiederholungsgefahr ist damit nicht ausgeschlossen.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert ist angesichts des
geplanten Verkaufspreises von 6.900,- EUR je Gerät mit 40.000,- EUR
festzusetzen.