Urteil des LG Ravensburg vom 20.03.2015

einstweilige verfügung, werbung, beitrag, ausgabe

LG Ravensburg Urteil vom 20.3.2015, 8 O 2/15 KfH
Wettbewerbsverstoß in der Presse: Beistellung von Werbung zu redaktionellen
Beiträgen
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 15.01.2015 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass
der Verfügungsbeklagten untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr in der Zeitschrift
„W. (…)“ in redaktionellen Beiträgen über Produkte von Anbietern, die in der
identischen Ausgabe bezahlte Anzeigen geschaltet haben, in einseitig lobender Form
zu berichten, und dies unter Benennung nur eines Produktanbieters, wenn dies
geschieht wie im Fall des Beitrags „Luxuriöse Strick-Shirts“ auf S. 14 der Ausgabe
4/2014 und/oder des Beitrags „Göttliche Beine“ auf S. 15 der Ausgabe 4/2014.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: 15.000,-- EUR
Tatbestand
1 Der Verfügungskläger ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen,
insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Zu seinen über 2.000
Mitgliedern zählen unter anderem die Industrie und Handelskammern sowie die
meisten Handwerkskammern. Die Beklagte ist ein Verlag und gibt unter anderem
die Zeitschrift „W. (…)“ heraus, die von Sanitätsfachgeschäften an Kunden
kostenlos abgegeben wird.
2 Der Verfügungskläger wendet sich gegen zwei Beiträge, die in der Rubrik
„GesundheitsBoutique“ in der vorgenannten Zeitschrift in der Ausgabe 4/2014
erschienen sind. Wegen des Inhalts der Beiträge wird auf die S. 14 und 15 der
Anlage AS 1 verwiesen. Sowohl im ersten Beitrag, in dem es um luxuriöse Strick-
Shirts aus Kaschmir und Seide geht, als auch im zweiten Beitrag, in dem
Kompressionsstrümpfe beworben werden, wird jeweils nur ein Anbieter dieses
Warentyps genannt. In der gleichen Ausgabe des Journals ist auf S. 2 eine
Werbeanzeige des Anbieters der Kompressionsstrümpfe ebenfalls für
Kompressionsstrümpfe enthalten, und ebenfalls in derselben Ausgabe ist auf S. 10
eine Werbeanzeige des Anbieters der Feinstrick-Shirts abgedruckt. Allerdings
werden in dieser Anzeige keine Feinstrick-Shirts aus Kaschmir und Seide
beworben, sondern Unterwäsche aus Angorawolle. Wegen des Inhalts der
Werbeanzeigen wird auf die S. 2, 10 der Anlage AS 1 verwiesen.
3 Der Verfügungskläger ist der Auffassung, dass die angegriffenen Beiträge auf den
S. 14 und 15 der Zeitschrift Schleichwerbung im redaktionellen Gewand darstellten
und damit gegen das Gebot der Trennung von Werbung und Redaktion gem. §§ 3
Abs. 1, 4 Nr. 3 UWG verstießen, sodass ein Unterlassungsanspruch des
Verfügungsklägers gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 bestehe.
4 Auf Antrag des Verfügungsklägers ist der Verfügungsbeklagten durch Beschluss
der Kammer vom 15.01.2015 antragsgemäß untersagt worden, im geschäftlichen
Verkehr in der bezeichneten Zeitschrift in redaktionellen Beiträgen über Produkte
von Anbietern, die in der identischen Ausgabe bezahlte Anzeigen geschaltet
haben, in einseitig lobender Form zu berichten.
5 Gegen diesen Beschluss hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom
24.02.2015 Widerspruch eingelegt.
6 Der Verfügungskläger beantragt,
7
die einstweilige Verfügung vom 15.01.2015 aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe,
dass im Antrag Ziff. 1 nach „zu berichten,“ noch folgender Nebensatz eingefügt
wird: „und dies unter Benennung nur eines Produktanbieters“.
8 Die Verfügungsbeklagte beantragt,
9
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
10 Die Verfügungsbeklagte meint, dass bei einer Gesamtwürdigung kein
Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers bestehe. Sie hebt darauf ab, dass
die Beiträge in einer Rubrik enthalten seien, in der die Produktbeschreibungen im
Vordergrund stünden, die jeweiligen Hersteller aber nicht besonders
hervorgehoben würden. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der
Leser bei Produktvorstellungen in einer kostenlosen Zeitschrift des Fachhandels
keine kritische Berichterstattung erwarte. Zudem werde für den Leser auf Grund
der Tatsache, dass es sich um eine Produktpräsentation handle, und auch auf
Grund der Sprache und Formulierung der Beiträge deutlich, dass die dort
vorgestellten Produkte durchgängig als Beispiele für ähnliche Produkte anderer
Hersteller anzusehen seien. Die Verfügungsbeklagte meint, dass die Produkte
weder inhaltlich noch sprachlich in unlauterer Weise präsentiert würden, so würden
in der Veröffentlichung zu den Feinstrick-Shirts die Vorteile eines Kaschmir-Seide-
Materialmixes inhaltlich zutreffend geschildert, und bei den
Kompressionsstrümpfen werde die neu erschienene Produktpräsentation des
Anbieters vorgestellt, wobei auch eine blumige Sprache nicht zu beanstanden sei.
Die Verfügungsbeklagte steht schließlich auf dem Standpunkt, dass das
gerichtliche Unterlassungsgebot übermäßig in die verfassungsrechtlich geschützte
Pressefreiheit eingreife, da sie dann auf jegliche Produktvorstellung verzichten
müsste, wenn sie zugleich eine Anzeige in derselben Ausgabe ihrer Zeitschrift
schalte, und umgekehrt.
Entscheidungsgründe
11 Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 15.01.2015 ist zu bestätigen, da auch
nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Verfügungskläger gegenüber
der Verfügungsbeklagten einen Anspruch darauf hat, redaktionelle Beiträge der
angegriffenen Art zu unterlassen, jedenfalls wenn in der gleichen Ausgabe der
Zeitschrift eine Werbeanzeige dieses Produktanbieters geschaltet wird.
12 Der Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3
Nr. 2, 3 Abs. 1, Abs. 2, 4 Nr. 3 UWG. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere
geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen der
Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu
beeinträchtigen. Bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist dies
nach § 3 Abs. 2 UWG jedenfalls dann der Fall, wenn sie nicht der fachlichen
Sorgfalt entsprechen und geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf
Grund von Information zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 4 Nr. 3
UWG handelt unlauter, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen
verschleiert.
13 Veröffentlichungen zum Zwecke des Wettbewerbes müssen ihren werbenden
Charakter eindeutig erkennen lassen. Wegen des Grundsatzes der strikten
Trennung von Werbung und redaktionellem Text darf in einem redaktionell
gestalteten Beitrag über eine gewerbliche Ware oder Leistung nicht einseitig und
über das durch eine bloße sachliche Information bedingte Maß hinaus werblich
berichtet werden. Die Verletzung des Trennungsgebots führt zur
wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit der im Raume stehenden
Veröffentlichungen, da der Verkehr einem redaktionellen Beitrag, der von einem
nicht am Wettbewerb beteiligten neutralen Dritten verfasst ist, regelmäßig größere
Bedeutung und Beachtung beimisst, als entsprechenden eindeutig als Werbung
gekennzeichneten oder zweifelsfrei als Werbung erkennbaren Angaben des
Werbenden selbst. Um das Trennungsgebot nicht zu verletzen und den Eindruck
einer getarnten redaktionellen Werbung zu vermeiden, sind solche Beiträge
deutlich und auch für den flüchtigen Verkehr unübersehbar, etwa mit dem Zusatz
„Anzeige“ oder „Werbung“ zu kennzeichnen, um deutlich zu machen, dass es sich
um Werbung und nicht um eine Stellungnahme der Redaktion handelt
(Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 3.21a).
14 Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Verhalten der Verfügungsbeklagten als
wettbewerbswidrig zu bezeichnen. Die angegriffenen Beiträge vermitteln dem
aufmerksamen Durchschnittsleser den Eindruck eines redaktionellen Beitrages
und verschleiern, dass es sich dabei um der Verkaufsförderung dienende
Werbung handelt.
1.
15 Die beiden Beiträge stellen die vorgestellten Produkte übermäßig werbend heraus:
a)
16 Bei dem Beitrag über luxuriöse Strick-Shirts werden die Vorteile eines Stoffes aus
Kaschmir und Seide mit werbenden Worten beschrieben. Dabei werden nicht nur
die sachlichen Vorteile herausgestellt, sondern Kaschmir als „das perfekte Material
übers Jahr“ und Materialmischungen aus Seide als „echtes Wohlfühl-Programm
auf der Haut“ bezeichnet. Außerdem wird ausgeführt, dass Seide dem Material
einen „edlen“ Schimmer verleihe und „wunderbar“ weich sei.
17 Bei dem Beitrag über Kompressionsstrümpfe wird hervorgehoben, dass Damen mit
ihren Beinen einen „göttlichen“ Auftritt wagen könnten. Überschrieben ist der
Beitrag mit „Göttliche Beine“.
b)
18 Zu der einseitig werbenden sprachlichen Formulierung und den Fotos, die
denjenigen auf der Werbeanzeige ähneln, kommt hinzu, dass in den angegriffenen
Beiträgen lediglich ein Produktanbieter genannt wird. Ein sachlicher Anlass, nur die
Produkte einer bestimmten Firma dieser Produktkategorie herauszustellen, ist nicht
ersichtlich. Die Produktinformation über Wäsche aus Kaschmir und Seide oder
über Kompressionsstrümpfe könnte auch ohne Nennung der Firmennamen
erfolgen oder auch unter Nennung der Namen mehrerer konkurrierender Anbieter.
c)
19 Die Werbeabsicht wird außerdem dadurch unterstrichen, dass von demselben
Produktanbieter in gleichen Zeitschrift Werbeanzeigen geschaltet sind. Der die
Anzeigen unterstützende Charakter der Produktvorstellung liegt hier auf der Hand.
Im vorliegenden Fall wird dies noch durch korrespondierende Fotos verdeutlicht:
aa)
20 Auf dem Foto neben dem Beitrag über Feinstrick-Shirts aus Kaschmir und Seide ist
ein mit schwarzer langer Unterwäsche angezogener Mann auf einem Sofa
abgebildet, der seine nackten Füße auf einem flauschigen Teppich abstellt. Das
Sofa steht vor einer mit Holzbrettern verschalten Wand, durch das Holzfenster wird
ein Wald sichtbar. Das Foto auf der Werbeanzeige, auf dem eine Familie mit
Angorawäsche abgebildet ist, zeigt ebenfalls im Hintergrund eine mit Holzbrettern
verschalte Wand, sowie einen Kamin mit Holzfeuer, so dass der Eindruck entsteht,
beide Fotos seien im selben Raum aufgenommen.
bb)
21 Bei dem Beitrag über Kompressionsstrümpfe befindet sich ein Foto, auf dem zwei
mit Wolljacken und hellen Röcken bekleidete Damen ab der Taille abwärts mit
ihren bestrumpften Beinen abgebildet sind. Auch die auf dem Foto in der
Werbeanzeige der Anbieterin der Kompressionsstrümpfe abgebildeten drei Damen
tragen Wolljacken und ebenfalls helle Röcke.
2.
22 Das Argument der Verfügungsbeklagten, dass ein Leser bei Produktvorstellungen
in einer kostenlosen Zeitschrift des Fachhandels keine kritische Berichterstattung
erwarte, verfängt nicht. § 4 Nr. 3 UWG soll verhindern, dass der Verbraucher erst
einen Werbebeitrag lesen muss, um diesen dann als Werbung klassifizieren zu
können, er soll nicht erst den Sinn eines Hinweises wie im vorliegenden Fall der
Überschrift „GesundheitsBoutique“ hinterfragen müssen. Er soll vielmehr von
Anfang an klar und deutlich darauf hingewiesen werden, ob ihm Werbung oder ein
redaktioneller Beitrag präsentiert wird, ohne sich zuvor im Einzelnen mit dem Inhalt
des Beitrages zu beschäftigen. Er soll vor dem Lesen entscheiden können, ob er
umworben oder informiert werden möchte (LG München I, Urteil vom 17.03.2009,
Az. 33 O 2958/08, Rn. 71, zitiert nach juris). Dieser Mindeststandard des Schutzes
des Verbrauchers vor getarnter Werbung muss auch bei kostenlosen Zeitschriften
gelten.
3.
23 Auch der Einwand der Verfügungsbeklagten, in ihre Pressefreiheit werde
übermäßig eingegriffen, überzeugt nicht. Es ist keine übermäßige Einschränkung,
wenn die Verfügungsbeklagte auf verschleierte werbende Produktvorstellungen
verzichten muss, sofern sie in der gleichen Ausgabe vom beworbenen
Produktanbieter eine Anzeige schaltet. Sie verzichtet damit nur auf eine Art von
Werbung, die der Gesetzgeber in § 4 Nr. 3 UWG missbilligt.
24 Alternativ könnte sich die Verfügungsbeklagte bei Produktvorstellungen, die sich
mit dem Produkt nur eines Anbieters befassen, auf sachliche Informationen
beschränken und auf Fotos mit werbendem Charakter verzichten.
25 Wenn die Verfügungsbeklagte diese beiden Wege nicht beschreiten will und
dennoch in ihrer Rubrik „GesundheitsBoutique“ für die Produkte einzelner
Produktanbieter werben will, hat sie den Ausweg, die Werbebeiträge als solche zu
kennzeichnen, etwa durch die Überschrift „Anzeige“ oder „Werbung“.
26 Kosten: § 91 ZPO