Urteil des LG Ravensburg vom 18.08.2006

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LG Ravensburg Urteil vom 18.8.2006, 4 O 191/06
Widerrufsbelehrung beim Haustürgeschäft: Erforderlichkeit des Hinweises auf die Zulässigkeit des
Widerrufs in Textform
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.019,-- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.04.2006 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus einer angeblichen atypisch stillen Beteiligung der Klägerin an der
Beklagten keinerlei Ansprüche zustehen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Streitwerte:
Zif. 1 (Zahlungsklage):
1.019,-- EUR
Zif. 2 (Feststellungsklage): 9.000,-- EUR
Gesamtstreitwert:
10.019,-- EUR
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Beitritts der Klägerin, einer Verbraucherin, als atypisch stille
Gesellschafterin der Beklagten, bei der es sich um eine Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft im
Immobilienbereich handelt.
2
Die Klägerin hat in ihrer Privatwohnung im Rahmen eines Hausbesuchs eines Vertreters der Beklagten mit
schriftlichem Antrag vom 06.07.2004 den Beitritt als atypisch stille Gesellschafterin der Beklagten erklärt. Die
Beklagte nahm den Beitritt mit Schreiben vom 26.07.2006 an. Die Klägerin verpflichtete sich dazu, eine
Nominaleinlage von 10.000,-- EUR und ein Aufgeld von 600,-- EUR, also insgesamt 10.600,00 EUR an die
Beklagte zu bezahlen, wobei eine Anspardauer von 96 Monaten mit Raten von 104,17 EUR und eine jährliche
Sonderzahlung von 419,-- EUR vorgesehen waren. Die im Antragsformular enthaltene Belehrung über ihr
Widerrufsrecht nach § 355 BGB hat die Beklagte unterschrieben. Diese Belehrung lautet wie folgt:
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Ich weiß, dass ich meinen Beitrittsantrag innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen schriftlich
widerrufen kann. Die Frist beginnt mit Erhalt dieser Belehrung. Der Widerruf ist zu richten an: (es folgt die
genaue Adresse der Beklagten).
4
Mit Schreiben vom 27.09.2005 kündigte die Klägerin ihr Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum
nächstmöglichen Datum. Die Beklagte bestätigte diese Kündigung, allerdings erst zum 31.12.2016. Mit
Anwaltsschreiben vom 28.03.2006 erklärte die Klägerin schriftlich den Widerruf und die Anfechtung ihrer
Beitrittserklärung. Insgesamt hat die Klägerin Zahlungen in Höhe von 1.019,00 EUR an die Beklagte geleistet,
die sie mit dem Schreiben vom 28.03.2006 unter Fristsetzung zum 07.04.2006 zurückgefordert hat.
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Die Klägerin meint, dass der Widerruf wirksam und nicht verspätet sei, da sie im Antragsformular nicht
wirksam über ihre Rechte belehrt worden sei.
6
Die Klägerin beantragt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.019,-- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz seit dem 08.04.2006 zu bezahlen.
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2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus einer angeblichen atypischen stillen Beteiligung der Klägerin an
der Beklagten keinerlei Ansprüche zustehen.
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Die Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entsprochen
habe.
Entscheidungsgründe
I.
12 Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von 1.019,-- EUR aus §§ 346 Abs. 1,
357 Abs. 1 S. 1, 355 Abs. 1 S. 1 BGB, nachdem sie die Beitrittserklärung gem. §§ 312 Abs. 1 S. 1, 355 BGB
mit Schreiben vom 28.03.2006 wirksam widerrufen hat.
13 1. Der Vertrag über den Beitritt der Klägerin als atypisch stille Gesellschafterin der Beklagten stellt ein
Haustürgeschäft im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB dar. Die Klägerin wurden zum Abschluss dieses
Vertrages von einem Vertreter der Beklagten durch mündliche Verhandlungen im Bereich ihrer Privatwohnung
bestimmt. Der Vertrag hat eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand und wurde zwischen einem Unternehmer
gem. § 14 BGB und einem Verbraucher gem. § 13 BGB abgeschlossen.
14 2. Die Klägerin hat ihre am 06.07.2006 abgegebene Beitrittserklärung durch Schreiben vom 28.03.2006
rechtzeitig widerrufen. Zwar beträgt die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich nur zwei
Wochen. Im vorliegenden Fall hat die Frist jedoch gem. § 355 III S. 3 BGB nicht zu laufen begonnen da die
Klägerin nicht ordnungsgemäß gem. § 355 II 1 BGB über ihr Widerrufsrecht belehrt worden ist. Eine
ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung setzt voraus, dass dem Verbraucher seine Rechte entsprechend den
Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels deutlich gemacht werden, wobei der
Widerrufsadressat genannt werden und über den Fristbeginn, die Dauer der Frist, die Form des Widerrufs und
die Einhaltung der Frist durch rechtzeitige Absendung des Widerrufs belehrt werden muss. Diesen
Anforderungen wird die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung offensichtlich nicht gerecht. Auf der von
der Klägerin unterzeichneten Beitrittserklärung wird in dem Abschnitt „Widerrufsbelehrung“ lediglich darauf
hingewiesen, dass der Beitretende seinen Beitrittsantrag „innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von
Gründen schriftlich widerrufen kann.“ Dieser Hinweis genügt aus zwei Gründen nicht den gesetzlichen
Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung:
15 a) Erstens wird der Verbraucher nicht darüber aufgeklärt, dass bereits die rechtzeitige Absendung des
Widerrufs zur Wahrung der Zweiwochenfrist genügt. Dies gehört nach § 355 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2 BGB zum
notwendigen Inhalt der Widerrufsbelehrung, so dass darüber deutlich zu informieren ist.
16 b) Zweitens fehlt der Hinweis, dass auch ein Widerruf in der Textform des § 126 b BGB möglich ist. Auch der
Hinweis auf die Textform gehört nach § 355 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2 BGB zum gesetzlichen Mindestinhalt
einer Widerrufsbelehrung (AG Siegburg, NJW-RR 2002, 129; Palandt/Heinrichs, 65. Aufl., § 355 BGB Rn. 14).
Die durch die Beklagte erteilte Belehrung ist daher mangelhaft. Sie erweckt den Eindruck, dass nur ein die
Schriftform des § 126 BGB wahrender Widerruf beachtlich sei. Die Unterscheidung zwischen der Schriftform
des § 126 BGB und der Textform des § 126 b BGB stellt auch keinen für den Verbraucher unbedeutenden
Formalismus dar. Beispielsweise würde ein Widerruf des Verbrauchers per E-Mail oder anderem dauerhaften
Datenträger der Textform des § 126 b BGB genügen, nicht aber der Schriftform des § 126 BGB, da es bei einer
E-Mail an einer Urkunde mit eigenhändiger Unterschrift fehlt. Aus gutem Grund enthält das Musterformular
einer Widerrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten
nach bürgerlichem Recht einen ausdrücklichen Hinweis auf die Textform sowie darüber hinaus sogar auf die
Möglichkeit, per E-mail zu widerrufen. Ob es des zusätzlichen auslegenden Hinweises auf die
Widerrufsmöglichkeit mit E-Mail bedarf (verneinend OLG München, NJW - RR 2005, 573), kann im
vorliegenden Fall dahinstehen, weil es bereits an der Verwendung des Begriffes Textform fehlt.
II.
17 Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist seit dem 08.04.2006 gem.
§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Verzug. Ihr wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 28.03.2006 eine
Zahlungsfrist bis zum 07.04.2006 gesetzt.
III.
18 Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagten aus der atypisch stillen Beteiligung der Klägerin
an der Beklagten keinerlei Ansprüche zustehen, ist ebenfalls begründet. Denn durch den wirksamen Widerruf
der Beitrittserklärung wurde das Vertragsverhältnis der Parteien beendet.
19 Nebenentscheidungen: §§ 91, 708 Nr. 11, 711 S. 2 ZPO.