Urteil des LG Potsdam vom 02.04.2017

LG Potsdam: hotel, tarif, unterlassen, gemeinschaftsanlage, werk, veranstalter, hörfunk, ausstattung, aufenthalt, form

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Gericht:
LG Potsdam 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 O 437/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 15 Abs 3 UrhG, § 20b UrhG, §
87 UrhG, § 97 UrhG, § 13
UrhWahrnG
Unterlassungsanspruch bei Kabelweitersendung: Weiterleitung
von Rundfunk- und Fernsehprogrammen an Empfangsgeräte in
Hotelzimmern
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen,
die terrestrisch oder satellitär ausgestrahlten Programme, deren Rechte von der
Klägerin wahrgenommen werden, nach Empfang aufzubereiten und über eigene oder
fremde Kabel- bzw. Verteiler anlagen in ihre Gastzimmer weiterzuleiten.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Klägerin gegen Sicherheitsleitung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch aus dem Urheberrechtsgesetz.
Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte
für Medienunternehmen des privaten Hör- und Fernsehfunks wahrnimmt. Darunter fallen
auch die Rechte für die analoge und digitale Weitersendung der terrestrisch und satellitär
verbreiteten Fernseh- und Hörfunkprogramme von privaten Sendern wie RTL, SAT. 1,
MTV usw. (Anlage K1 zur Klageschrift). Die Klägerin stellte gemäß § 13 UrhWG einen Tarif
für die Kabelweitersendung von Programmen in Hotels aus (Anlage K 2). Im November
2004 schloß sie einen Vertrag mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter e.V.
(BVMV). Zu der BVMV gehört auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband
(Dehoga) (Anlage K 4). In diesem Vertrag einigten sich beide Seiten über die
Weiterleitung der Programme über Verteileranlagen in Hotels zu den Bedingungen des
bereits aufgestellten Tarifes (§ 3 des Dehoga - Gesamtvertrages). Nach § 2 des Dehoga
- Gesamtvertrages kann jedes Mitglied des Dehoga über Einzelverträge die
Nutzungsrechte zur Weiterleitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen gegen den
beschlossenen Tarif erwerben.
Die Beklagte betreibt das S.hotel in ... mit mindestens 137 Zimmern. Sie ist Mitglied des
Dehoga. In sämtlichen Gästezimmern hat sie Fernsehgeräte aufgestellt. Über ein
hotelinternes Verteilernetz wird das einkommende Fernseh- und Rundfunksignal,
welches über eine große zentrale Parabolantenne empfangen wird, per Kabel an die
Fernsehgeräte auf einem Großteil der Zimmer weitergeleitet. Dabei wird das Signal von
der Beklagten nicht verändert und die Zusammensetzung der Programme nicht
modifiziert. Lediglich einige Zimmer verfügen über eine eigene Satellitenanlage, so daß
in diesen der Fernsehempfang nicht von der Weitersendung über Kabel abhängt.
Ein Einzelvertrag über die Weitersenderechte nach Maßgaben des Dehoga-
Gesamtvertrages wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen. Die Klägerin
versuchte mit Schreiben aus April, Mai sowie November 2005, die Beklagte zum
Abschluß eines solchen Vertrages zu bewegen (Anlagen K 7 bis K 11).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte verletze widerrechtlich die von der
Klägerin wahrgenommenen Kabelweitersenderechte. Die Weiterleitung von Fernseh- und
Hörfunkprogrammen in Hotels sei eine Sendung an die Öffentlichkeit i.s.d. § 20 UrhG. Zu
dieser Weiterleitung sei die Beklagte nur dann befugt, wenn sie einen Einzelvertrag mit
der Klägerin schließen würde.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft,
zu unterlassen, die terrestrisch oder satellitär ausgestrahlten Programme, deren Rechte
von der Klägerin wahrgenommen werden, nach Empfang aufzubereiten und über eigene
oder fremde Kabel- bzw. Verteileranlagen in ihre Gastzimmer weiterzuleiten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Weiterhin ist die der Ansicht,
die Klage sei nicht zulässig, da aufgrund des zu geringen Streitwertes das Landgericht
sachlich nicht zuständig sei. Des weiteren sei die Einspeisung von Fernseh- und
Hörfunkprogrammen in das hoteleigene Kabelnetz keine Sendung i.S.v. §§ 87, 20 UrhG.
Die gelte erst recht für den hier vorliegenden Fall der unveränderten Einspeisung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den
Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Das Landgericht Potsdam ist sachlich zuständig. Es ist von einem Streitwert von
10.000,- € auszugehen. Dieser richtet sich nach dem Interesse, das die Klägerin an dem
Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten hat (Zöller, ZPO, § 3 Rz. 2;
Thomas/Putzo, ZPO, § 3 Rz. 152). Dieser kann nicht allein anhand der im einzelnen
anfallenden Gebühren bemessen werden. Für den Unterlassungsanspruch maßgeblich
ist vielmehr die grundsätzliche Frage, ob eine Vergütungspflicht der Beklagten besteht.
Da das Verfahren auch weitere noch offene Rechtsverhältnisse zu anderen Hotels betrifft
und davon auszugehen ist, daß der Ausgang des Rechtsstreits auch Einfluß auf diese
haben kann, ist das Interesse der Klägerin nach § 3 ZPO mit 10.000,- € angemessen
bewertet.
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Weiterleitung
von Programmen der von ihr vertretenen Privat-Sender aus den §§ 97, 87, 20, 20 b UrhG
zu.
Die Klägerin ist zur Wahrnehmung der Rechte der in Anlage K 1 aufgeführten Sender
aktivlegitimiert. Das Bestreiten der Beklagten ist insoweit aufgrund fehlender
Substantiierung unerheblich.
Die Beklagte verletzt widerrechtlich die von der Klägerin wahrgenommenen
Kabelweitersenderechte im Sinne der §§ 97, 20 20 b UrhG.
Die Weitersendung der von den Fernseh- und Hörfunksendern ausgestrahlten
Programme mittels einer Kabel-Verteileranlage auf die Gästezimmer ist eine Sendung
nach § 20 UrhG. Der Betreiber der Anlage unternimmt besondere Anstrengungen, um
die von ihm empfangenen und weiter übertragenen Rundfunksendungen in einem
bestimmten Bereich öffentlich zu machen. Dies stellt auch der Bundesgerichtshof in der
insoweit maßgeblichen Entscheidung vom 08. Juli 1993 (GRUR 1994, 45 –
Verteileranlagen) klar. In der Entscheidung des BGH geht es zwar um die Weiterleitung
von Signalen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt, allerdings greift der BGH ausdrücklich
auf die zum alten Recht ergangenen Entscheidungen für die
Rundfunkvermittlungsanlagen (BGHZ 36, 1712 – Rundfunkempfang im Hotelzimmer I)
zurück. Die Beurteilung, daß die Rundfunkvermittlungsanlagen in Hotels dem
Senderecht unterfielen, gelten nach der Auffassung des BGH auch für die nunmehr nach
§ 20 UhrG zu beurteilenden Verteileranlagen für Fernseh- und Hörfunk.
Eine Weiterleitung per Kabel, wie sie die Beklagte vornimmt, unterfällt dem
Kabelfunkbegriff des § 20 UrhG und dem hiervon abgeleiteten Kabelweitersenderecht
des § 20 b UrhG (Dreier/Schulze/Dreier, UrhG, § 20 Rz 1). Es ist dabei unerheblich,
welche konkrete technische Ausstattung verwendet wird. Entscheidend ist die
Werknutzung. Diese erfolgt im Hotel der Beklagten durch die Bereitstellung von
Empfangsgeräten, an die per Kabel weitergesendet wird (vgl. BGH GRUR 1994, 797 –
Verteileranlage im Krankenhaus).
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Die Weiterleitung des Signals in die Gästezimmer eines Hotels ist eine Sendung an die
Öffentlichkeit. Nach § 15 III UrhG ist dies der Fall, wenn die urheberrechtlich geschützten
Werke für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt sind. Zur
Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht durch eine persönliche Beziehung mit dem
Veranstalter oder den anderen das Werk konsumierenden Personen verbunden ist. Ziel
dieser Regelung ist es, kleine Gemeinschaftsantennenanlagen in nachbarschaftlichen
Verhältnissen von der urheberrechtlichen Vergütungspflicht auszunehmen. Ein solcher
Fall liegt jedoch bei der Beklagten nicht vor. Ein Hotel mit weit über 100 Zimmern und in
etwa ebenso vielen Anschlußstellen unterscheidet sich ganz erheblich von der Größe
einer kleinen Gemeinschaftsanlage. Vor allem aber besteht zwischen den einzelnen
Gästen kein auf Dauer angelegtes nachbarschaftliches Verhältnis. In der Regel kennen
sich die Gäste, deren Aufenthalt im Hotel für gewöhnlich ein vorübergehender ist,
untereinander nicht, so daß eine persönliche Verbundenheit zwischen ihnen ausscheidet.
Die Beklagte ist ferner als Betreiberin des Hotels für die Sendung nach §§ 20, 20 b UrhG
verantwortlich. Dies ergibt sich daraus, daß sie die Weitersendung mittels einer
Verteileranlage betreibt. Es kommt nicht darauf an, wer im einzelnen die Anlage
technisch betreut, sondern wer letztendlich darüber entscheidet, ob und in welcher Form
die einkommenden Signale weitergeleitet werden (vgl. BGH GRUR 1994, 45, 46). Diese
Entscheidung liegt bei der Beklagten als Betreiberin des Hotels.
Der von der Beklagten erhobene Einwand, sie leite das Signal unverändert an die
Endgeräte in den Gästezimmern weiter, greift nicht durch. Entscheidend ist, daß die
Beklagte über das Ob und das Wie der Weiterleitung durch die Verteileranlage
entscheiden kann. Daß sie das Signal unverändert auf die Gästezimmer weitersendet,
hindert nicht daran, die Weiterleitung als Sendung durch die Beklagte zu qualifizieren.
Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten, sie sei nicht Werknutzerin, überzeugen
nicht. Es ist zwar im Ausgangspunkt richtig, wenn die Beklagte vorträgt, der Empfang
von Fernsehprogrammen und Hörfunkprogrammen über eine einfache Zimmerantenne
auch in Hotels sei urheberrechtlich nicht als Sendung des Hotelbetreibers zu
qualifizieren. Auch mag der Empfang von terrestrischen Digitalsendern (DVB-T) im Hotel
der Beklagten über separate digitale Receiver in jedem Zimmer ohne weiteres möglich
sein. Entscheidend ist jedoch, daß die Beklagte eine solche Anlage nicht betreibt. Bei ihr
wird das einkommende Signal von einer Verteilerstation auf die Zimmer der Gäste an
die von ihr zur Verfügung gestellten Empfangsgeräte per Kabel weitergeleitet. Dabei
handelt es sich nicht nur um den Empfang eines Signals, sondern auch um die
Weiterleitung. Daß der Empfang technisch auch außerhalb der betriebenen Anlage ohne
eine Weiterleitung möglich wäre, ist in Anbetracht der Gesetzeslage letztlich unerheblich.
Abzustellen ist auf die tatsächliche Weiterleitung, nicht auf nicht realisierte technische
Möglichkeiten, die eine Weiterleitung überflüssig machen würden.
Die Beklagte ist zur Weiterleitung der Programme der von der Klägerin vertretenen
Privat-Sender nicht berechtigt, da zwischen den Parteien ein Vertrag über die
Einräumung von Nutzungsrechten nicht zustande gekommen ist. Die Beklagte hat auch
kein ihr von einem Dritten eingeräumtes Kabelweiterleitungsrecht dargelegt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 I, 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt. Zur Begründung wird auf die
Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit des erkennenden Gerichts Bezug
genommen.
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