Urteil des LG Potsdam vom 02.04.2017

LG Potsdam: kollision, kreuzung, schmerzensgeld, arbeitsunfähigkeit, betriebsgefahr, verkehrsunfall, mithaftung, beschädigung, polizei, brille

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Gericht:
LG Potsdam 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 O 418/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 2 StVG, § 8 StVO
Haftung bei Verkehrsunfall: Vorfahrtverletzung durch
Liegenbleiben des Wartepflichtigen im Kreuzungsbereich
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin des PKW Seat Arosa, amtliches Kennzeichen
... Am ...01.2004 gegen 6:00 Uhr befuhr sie mit dem PKW Seat in Brandenburg a.d.H. die
W Straße in Richtung der G alle. Im Kreuzungsbereich beider Straßen hat der Verkehr auf
der W Straße gemäß § 41 II StVO Zeichen 205 Vorfahrt zu gewähren. Die Klägerin, die
nach links in die G alle einbiegen wollte, hielt zunächst an der Kreuzung und fuhr sodann
in diese hinein. Während des Abbiegevorganges kam es inmitten des Kreuzungsbereichs
auf der G alle zur Kollision des PKW der Klägerin mit dem aus ihrer Sicht von links in die
Kreuzung ein- und die vorfahrtberechtigte G allee befahrenden PKW Honda des diesen
steuernden und haltenden Beklagten zu 1. mit dem amtlichen Kennzeichen ..., der bei
der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist. Die genannten Straßen waren
am ...01.2004 gegen 6:00 Uhr schneebedeckt und nicht beräumt.
Durch die Kollision erlitt die Klägerin eine HWS-Distorsion, eine Thorax-Kontusion und
eine Kontusion des rechten Schultergelenks. Der Unfall wurde von der Polizei in
Brandenburg a.d.H. zur Tagebuchnummer 80/261013/04/01 aufgenommen und
Gegenstand der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Potsdam, Az. 480 Js 6149/04.
Die Klägerin gab beim Dipl.-Ing. N... eine Unfallrekonstruktionsgutachten in Auftrag,
welcher dieses unter dem 30.09.2004 erstellte und mit 2.741,08 Euro abrechnete. Für
den Inhalt des Gutachtens wird auf die Anlage K 12 zur Klageschrift Bezug genommen.
Mit den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 30.03.2004 zugegangenem Schreiben
vom 29.03.2004 wies die Beklagten zu 2. von der Klägerin erhobene Schadensersatz-
und Schmerzensgeldansprüche zurück.
Die Klägerin trägt zum Unfallhergang wie folgt vor:
a) in der Klageschrift
Sie habe an der Kreuzung angehalten, da sie zwei von links auf der G allee fahrende PKW
habe passieren lassen müssen. Im Abbiegevorgang sei der Motor ihres PKw
abgestorben, so daß sie schräg im Einmündungsbereich gestanden habe. Sie habe
versucht, den PKW zu starten. Während dieser etwa 10 Sekunden währenden Phase sei
der Beklagte zu 1. nahezu ungebremst in die linke Seite ihres PKW gefahren. Die
Kollisionsgeschwindigkeit habe 25 - 30 km/h betragen. Entweder sei er zuvor schneller
als 25 - 30 km/h gefahren oder er habe nicht hinreichend auf den Querverkehr geachtet;
denn bei 25 - 30 km/h hätte er einen Anhalteweg von 19 Metern gehabt, ihren PKW aber
schon 34 Meter vor der Kollisionsstelle in der Kreuzung stehen sehen können.
b) im Schriftsatz vom 24.01.2006
Sie habe zwei von rechts kommende PKW passieren lassen müssen. Dann habe sie den
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Sie habe zwei von rechts kommende PKW passieren lassen müssen. Dann habe sie den
Beklagten zu 1. in einer Entfernung von etwa 250 bis 300 Metern in die G allee einbiegen
sehen und sei hierbei angefahren. Nach der Kollision habe der Beklagte zu 1. zu ihr
gesagt: "Sagen Sie mal, warum sind Sie stehen geblieben und nicht weitergefahren ?".
c) im Termin vom 30.01.2006 im Rahmen ihrer Anhörung als Partei
Sie habe den Beklagten zu 1. nach links in die G alle einbiegen sehen und sei
angefahren. In der Kreuzung sei dann, was vorher nie passiert sei, der Motor
ausgegangen. Sie habe überlegt, was zu tun sei, und nach links zum Beklagten zu 1.
geschaut, der noch etwa 300 Meter entfernt gewesen sei. Sie habe dann die Zündung
angemacht und den Motor starten wollen. In diesem Augenblick sei es schon zur
Kollision mit dem PKW des Beklagten zu 1. gekommen; ihr PKW sei 6 bis 7 Meter nach
rechts die G allee runter geschleudert worden. Sie habe dann den PKW rechts an der
Bushaltestelle auf dem Radweg abgestellt, wobei sie nicht mehr wisse, ob sie dorthin
gerollt sei oder ob der Motor wieder angesprungen und sie dorthin gefahren sei.
Die Klägerin behauptet, an ihrem PKW sei durch den Unfall ein Schaden in Höhe von
4.133,62 Euro entstanden. Hiervon seien 3.800,- Euro für ihre Kaskoversicherung
abzuziehen. Weiter macht die Klägerin 266,46 Euro für ein Schadensgutachten, die
2.741,08 Euro für das Unfallrekonstruktionsgutachten, 40,60 Euro für eine Auskunft des
Deutschen Wetterdienstes, 94,21 Euro für einen Brillenschaden, insgesamt 576,75 Euro
an Attest-, Medizin- und Heilbehandlungszuzahlungskosten und Praxisgebühren und
eine Kostenpauschale von 25,- Euro geltend. Der Gesamtschaden betrage damit
4.077,71 Euro. Für Einzelheiten wird auf Seite 4 der Klageschrift verwiesen.
Weiter behauptet die Klägerin, infolge der unstreitigen Unfall-Verletzungen bestehe eine
Bewegungseinschränkung der HWS in allen Richtungen mit endgradigem Schmerz und
eine Minderung der Kraft im rechten Arm; außerdem verspüre sie ein starkes Kribbeln in
den Fingerspitzen der rechten Hand. Aufgrund eines degenerativen Vorschadens -
unstreitig Bandscheibenprotrusionen bei C 4/5, C 5/6 und C 6/7 - seien durch den Unfall
vorher nicht vorhandene Schmerzsymptome ausgebildet und die Vorschäden
verschlimmert worden. Neben der unmittelbar verursachten Arbeitsunfähigkeit vom
Unfalltage bis zum 20.02.2004 habe der Unfall auch die seit dem 1.05.2004 bestehende
dauerhafte Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt; sei sei nicht mehr in der Lage ihre bisherige
Tätigkeit auszuüben.
Die Klägerin meint, die durch den Unfall verursachten Verletzungen und
Beeinträchtigungen würden ein Schmerzensgeld von mindestens 12.000,- Euro
rechtfertigen. Für den Unfall und die Folgen würden die Beklagten zu 3/5 haften, so daß
sie Anspruch auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.446,63 Euro und Anspruch
auf Schmerzensgeld in Höhe von 7.200,- Euro habe.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 2.446,63 Euro nebst
Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2004 zu zahlen
2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein angemessenes
Schmerzensgeld mindestens in Höhe von 7.200,- Euro zu zahlen
3. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und
immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 5.01.2004 in Brandenburg,
Kreuzungsbereich W Straße/G allee zu ersetzen, sofern nicht etwaige Ansprüche auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, der Beklagte zu 1. sei von der August-Bebel-Straße nach links
in die G alle eingebogen; von dort bis zur Unfallstelle seien es keine 300 Meter. Er sei
dann die G alle Richtung W Straße mit einer Geschwindigkeit von 25 bis 27 km/h
gefahren. Die Klägerin sei, als der Beklagte zu 1. sich bereits kurz vor der Kreuzung
befunden habe, in die Kreuzung eingefahren, so daß der Beklagte zu 1. trotz sofort
eingeleiteter Bremsung die Kollision nicht habe verhindern können.
Die Beklagten bestreiten, daß der Motor des klägerischen PKW während des
Abbiegevorgangs ausgegangen sei und der PKW dann 10 Sekunden bis zur Kollision in
der Kreuzung gestanden habe. Weiter bestreiten sie die Höhe des Schadens am
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der Kreuzung gestanden habe. Weiter bestreiten sie die Höhe des Schadens am
klägerischen PKW, die Gutachterkosten für die Schadensfeststellung, den Anfall von
Attestkosten und Praxisgebühren, die Beschädigung der Brille durch den Unfall und die
Ursächlichkeit des Unfalls für die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 30.01.2006 verwiesen. Die Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft Potsdam, Az. 480 Js 6149, ist beigezogen und zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus den §§ 823 I BGB, 7 I , 11
S. 1, 17, 18 StVG, 3 Nr. 1, 2 PflVersG keinen Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens.
Die §§ 7 I, 18 StVG sind, da zwei Fahrzeughalter Unfallbeteiligte sind, im Lichte von §
17 I, II StVG anzuwenden. Das bedeutet, für das Ob und den Umfang eines klägerischen
Anspruch auf Schadensersatz sind mit Blick auf den Schaden die wechselseitigen
Verursachungsanteile gegeneinander abzuwägen. Neben der jeweiligen Betriebsgefahr
ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit die Unfallbeteiligten ein
Verschuldensvorwurf trifft.
Diese Abwägung der Verursachungsanteile nach § 17 I, II StVG ergibt, daß die Klägerin
keinerlei Anspruch auf Schadensersatz nicht hat. Die Klägerin hat den Unfall und die
daraus resultierenden Schäden schuldhaft verursacht, da sie dem Beklagten zu 1. nicht
seine Vorfahrt gewährt hat, § 8 StVO. Dies folgt daraus, daß sie den gegen sie als
Wartepflichtige sprechenden Beweis des ersten Anscheins schuldhaften Verhaltens nicht
hat erschüttern können.
Ihr Vortrag insoweit ist unschlüssig und widersprüchlich.
Die Klägerin widerlegt ihren Sachvortrag zur räumlichen Vermeidbarkeit der Kollision
durch das von ihr vorprozessual eingeholte Rekonstruktionsgutachten selbst.
Nach dem Gutachten N... (Anlage K 12) betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des PKW
des Beklagten zu 1. ca. 25 - 30 km/h; der PKW der Klägerin habe bei der Kollision
gestanden. Von einem Bremsen des Beklagten zu 1. vor der Kollision könne nicht
ausgegangen werden, so daß der Beklagte zu 1. vor der Kollision höchstens 30 km/h
gefahren sein könne. Er sei etwa 34 Meter von dem Kollisionspunkt entfernt gewesen, als
die Klägerin in die Kreuzung eingefahren sei. Nach Berücksichtigung der Dauer einer
Anfahrbewegung des klägerischen PKW von ca. 2 Metern sei der Beklagte zu 1. noch
19,19 Meter bzw. 2,46 Sekunden vom Kollisionspunkt entfernt gewesen, als mit einer
Reaktion des Beklagten zu 1. zu rechnen gewesen sei. Da bei einer Geschwindigkeit von
25 - 30 km/h der Anhalteweg jedoch 22,32 - 32,65 Meter betrage, hätten dem Beklagten
zu 1. die 19,19 Meter bzw. 2,46 Sekunden nicht ausgereicht, eine Kollision mit dem PKW
der Klägerin zu vermeiden (s. Seiten 26 - 29 des Gutachtens).
Nach dem Gutachten ist der Beklagte zu 1. damit weder über 30 km/h gefahren, wie die
Klägerin alternativ behauptet und als zu schnell bewertet, noch war für ihn die Gefahr in
zu einer Reaktion nötigenden Weise bereits 34 Meter vor der Kollision bei einen
Anhalteweg von nur 19 Metern erkennbar - vielmehr betrug der Anhalteweg zwischen
22,32 und 32,65 Meter, während der Beklagte zu 1. erst ca. 19,19 Meter vor dem
Kollisionspunkt Anlaß zu einer Reaktion hatte. Damit hatte der Beklagte zu 1. nach dem
Gutachten entgegen der Behauptung der Klägerin nicht genügend Raum und Zeit,
seinen PKW rechtzeitig zum Stillstand zu bringen.
Der Vortrag der Klägerin zu ihrer bei Zutreffen zu Lasten der Beklagten gehenden
Behauptung, sie habe vor der Kollision 10 Sekunden lang in der Kreuzung gestanden und
der Beklagte zu 2. sei bei Einfahren in die Kreuzung noch 250 bis 300 Meter weit entfernt
gewesen, ist ebenfalls nicht stringent und unschlüssig.
So heißt es im Schriftsatz vom 24.01.2006, der Beklagte zu 1. sei, als die Klägerin in die
Kreuzung eingefahren sei, rund 250 bis 300 Meter entfernt gewesen, während die
Klägerin im Termin vom 30.01.2006 ausführte, der Beklagte zu 1. sei noch 300 Meter
entfernt gewesen, nachdem ihr der Motor nach Einfahren in den Kreuzungsbereich
ausgegangen sei und sie überlegt habe, was zu tun sei.
Letzteres unterstellt und ebenfalls zu Gunsten der Klägerin unterstellt, die Kollision sei
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Letzteres unterstellt und ebenfalls zu Gunsten der Klägerin unterstellt, die Kollision sei
10 Sekunden nach Erblicken des 300 Meter entfernten Beklagten zu 1. erfolgt, so hätte
der Beklagte zu 1. durchgehend 108 km/h schnell gefahren sein müssen. Das ist
offenkundig abwegig und widerspricht auch dem durch die Klägerin vorgelegten
Gutachten, wonach die Kollisionsgeschwindigkeit höchstens 30 km/h betragen habe und
mangels Bremsen auch die Ausgangsgeschwindigkeit nicht größer als 30 km/h gewesen
sein könne. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der Beklagte zu 1. unstreitig erst auf die G
allee einbog, also zu Beginn der unterstellten Strecke von 300 Metern noch hätte
beschleunigen müssen, um auf eine Geschwindigkeit von 108 km/h zu kommen; das
bedeutet, der Kläger hätte kurz vor der Kollisionsstelle noch wesentlich schneller als 108
km/h sein müssen, um die 300 Meter in 10 Sekunden zurückgelegt haben zu können.
Auch wenn man den Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 24.01.2006 unterstellt und
von einer Entfernung des Beklagten zu 1. von 250 Metern ausgeht, als die Klägerin in die
Kreuzung einfuhr, gelangt man zu nicht zu einer mit dem Gutachten vereinbarenden
Geschwindigkeit des Beklagten zu 1. Auch bei dieser Variante wäre von einer Standzeit
der Klägerin in der Kreuzung nach Absterben des Motors bis zur Kollision von 10
Sekunden auszugehen und darüberhinaus eine Zeitspanne von ca. 2 Sekunden für das
Einfahren in die Kreuzung bis zum Absterben des Motors zu veranschlagen. Dann hätte
der Beklagte zu 1. 250 Meter in 12 Sekunden zurückgelegt haben müssen, was immer
noch eine dem Gutachten der Klägerin eindeutig widersprechende Geschwindigkeit des
Beklagten zu 1. von 75 km/h voraussetzen würde, wobei auch hier wieder zu
berücksichtigen wäre, daß der Beklagte zu 1. erst auf die G alle eingebogen ist etc.
(s.o.).
Umgekehrt formuliert hätte der Beklagte zu 1. bei einer Distanz von 250 Metern zur
Unfallstelle bei Einfahren der Klägerin in die Kreuzung und einer nach dem Gutachten
anzunehmenden Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h 30 Sekunden gebraucht, um die
Unfallstelle zu erreichen; es hätte also nicht schon oder 10 oder 12 Sekunden nach
Erblicken des Beklagten zu 1. durch die Klägerin zu der Kollision kommen können.
Danach ist der gesamte bestrittene Vortrag der Klägerin, sie habe 10 Sekunden in der
Kreuzung gestanden, und zur Entfernung des Beklagten zu 1. zur Unfallstelle nicht
stringent und auch unschlüssig, da er im Widerspruch zum selbst vorgelegten Gutachten
steht.
Es entlastet die Klägerin im Rahmen von §§ 17 I, II StVG, 8 StVO nicht, daß ihr nach
ihrem Vortrag in der Kreuzung der Motor ihres PKW gegen ihren Willen ausgegangen sei.
Der Vortrag überzeugt zunächst einmal schon nicht, da unklar bleibt und keinerlei
technische Erklärung angeboten wird, warum denn der Motor plötzlich ausgegangen sein
soll. Es müßte sich jedenfalls um einen nur ganz kurze Zeit andauernden Defekt und
einmaligen gehandelt haben, da die Klägerin ihren PKW schon kurze Zeit später mit
laufendem Motor aus dem Unfallbereich herausfuhr. Dies folgt für das Gericht aus der
seitens der Klägerin im Termin vom 30.01.2006 unwidersprochen gebliebenen
Einlassung des Beklagten zu 1., sie sei nach dem Unfall mit ihrem PKW an ihm
vorbeigefahren und habe den PKW an der Bushaltestelle geparkt. Nicht überzeugend war
insoweit die zuvor abgegebene Erklärung der Klägerin, sie könne sich nicht erinnern, ob
sie dorthin gefahren oder nur gerollt sei; zum einen, weil unklar ist, wie man sich dieses
Rollen vorstellen muß (bergab und/oder unter geschickter Bändigung und Steuerung der
durch die Kollision übertragenen Bewegungsenergie ?), zum anderen, weil die Klägerin in
ihrer Unfallschilderung gegenüber der Polizei vom 16.05.2004 noch wußte, jedenfalls zu
wissen vorgab, daß sie nach der Kollision auf den Fahrradweg gefahren sei, "um den
Verkehr nicht zu behindern", und dann das Auto "ausgestellt" habe.
Da demnach von einem "Augenblicksversagen" des Motors des klägerischen PKW nicht
ausgegangen werden kann, verbleibt nur die Möglichkeit, daß die Klägerin ihn abgewürgt
hat, ihr also ein im Rahmen der Abwägung nach § 17 I, II StVG zu ihren Lasten gehender
Bedienungsfehler unterlaufen ist.
Letztlich kommt es aber auf diesen Gesichtspunkt nicht entscheidend an, da es die
Klägerin auch nicht in relevanter Weise entlastet hätte, wenn der Motor tatsächlich
aufgrund eines einmaligen technischen Defektes und nicht wegen eines
Bedienfehlers ausgegangen wäre. Denn die Klägerin als Halterin und Fahrerin ist für den
Zustand ihres PKW verantwortlich und hat daher dafür einzustehen, wenn dieser
aufgrund technischer Defekte plötzlich stehen bleibt und hierdurch im Straßenverkehr
Gefahren oder gar Schäden verursacht. Dieser technische Defekt und die mit ihm
einhergehenden Risiken hätten dann zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr der Klägerin
geführt, was im Rahmen der Abwägung nach § 17 I, II StVG ebenfalls zu ihren Lasten
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geführt, was im Rahmen der Abwägung nach § 17 I, II StVG ebenfalls zu ihren Lasten
gegangen wäre.
Es führt nicht zu einer Mithaftung der Beklagten, daß der Gutachter N... festgestellt hat,
bei einem rechtzeitigen Bremsen des Beklagten zu 1. wäre der Schaden geringer
ausgefallen (Seiten 30 f. des Gutachtens). Zum einen erhebt die Klägerin diese
Feststellung nicht ausdrücklich zu ihrem Sachvortrag. Zum anderen tritt bei
Vorfahrtsverletzungen in der Regel die Betriebsgefahr des Vorfahrtberechtigten auch
dann zurück, wenn ihm der Unabwendbarkeitsbeweis nach § 17 III StVG mißlingt (vgl.
, StrVerkR, 38. Aufl., § 8 StVO Rz. 69). Hier ist zu berücksichtigen, daß die
Klägerin diesen Beweis mit dem Gutachten N... zu Gunsten des Beklagten zu 1.
annähernd geführt hat (s.o.: räumliche Unvermeidbarkeit) und insgesamt ein erheblich
fehlerhaftes Fahrverhalten des Beklagten zu 1. nicht feststellbar ist. Allein der Umstand,
daß er nach dem Gutachten N... mit der Folge geringerer Schadensverursachung hätte
bremsen können - was getan zu haben, die Beklagte behaupten -, also möglicherweise
nicht gebremst hat, würde jedenfalls angesichts der auch in diesem Fall nicht gegebenen
Vermeidbarkeit des Unfalls eine Mithaftung des Beklagten zu 1. nicht rechtfertigen. Eine
Beweiserhebung insoweit (hat der Beklagte zu 1. gebremst ?) ist daher mangels
Erheblichkeit nicht angezeigt.
Die Beklagten sind nicht nur dem Grunde nach nicht verpflichtet, der Klägerin ihren
materiellen Schaden nicht zu ersetzen; auch die Schadenshöhe hat die Klägerin
teilweise nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt.
Die Beklagten haben den KfZ-Schaden der Höhe nach bestritten und die Nichtvorlage
eines Schadens-Gutachtens und damit auch dessen Kosten bestritten. Ferner haben sie
den Anfall von Attestkosten und Praxisgebühren und eine Beschädigung der Brille durch
den Unfall bestritten. Die Klägerin hat hierauf nicht reagiert und keinen weiteren
Sachvortrag zu den Schadenspositionen gehalten geschweige denn diese unter Beweis
gestellt.
Damit sind unstreitig als materielle Schäden angefallen nur die Kostenpauschale von
25,- Euro, 40,60 Euro für die Wetterauskunft, die Zuzahlungen für Heilbehandlungen und
Medikamente in Höhe von 331,44 Euro und die Kosten für das Rekonstruktionsgutachten
in Höhe von 2.741,08 Euro, mithin insgesamt 3.138,12 Euro. Da aber die Beklagten wie
vorstehend ausgeführt schon dem Grunde nach nicht haften, hat die Klägerin auch
insoweit keinen Anspruch auf materiellen Schadensersatz.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auch auf Schmerzensgeld
aus den §§ 823 I, 253 II BGB, 7 I, 11 S. 2, 17, 18 StVG, 3 Nr. 1, 2 PflVersG keinen
Anspruch (Antrag zu 2.). Die Klägerin hat ihre Verletzungen und von ihr als
unfallursächlich behaupteten Beeinträchtigungen durch ihren Vorfahrtverstoß
mindestens ganz überwiegend selbst verschuldet, so daß eine Mithaftung der Beklagten
nicht in Betracht kommt. Für die Begründung im einzelnen wird auf die vorstehenden
Ausführungen Bezug genommen. Da bereits eine Haftung der Beklagten auf
Schmerzensgeld dem Grunde nach nicht in Betracht kommt, war Beweis über die
Behauptung der Klägerin, außer den unstreitigen unmittelbaren Verletzungen seien auch
die weiteren im Tatbestand näher beschriebenen körperlichen Beeinträchtigungen und
ihre Arbeitsunfähigkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen, nicht zu
erheben.
Schließlich hat aus den vorstehenden Gründen auch der zulässige Feststellungsantrag
(Antrag zu 3.) keinen Erfolg; die Beklagten haften der Klägerin weder für bereits
eingetretene noch für sich zukünftig realisierende materielle oder immaterielle Schäden,
die auf dem streitgegenständlichen Unfall beruhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Verfahrenswert wird wie folgt auf 12.146,63 Euro festgesetzt:
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