Urteil des LG Potsdam vom 15.03.2017

LG Potsdam: künftige nutzung, grundstück, positive feststellungsklage, genehmigung, ddr, wohnung, anwendungsbereich, pachtvertrag, grundbuch, familie

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Gericht:
LG Potsdam 10.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 O 167/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 Nr 3 S 2 Buchst e
SachenRBerG, EigenheimV
Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet:
Ankaufsberechtigung bei Um- bzw. Ausbau von
Wochenendhäusern zu Wohngebäuden aufgrund eines
Pachtvertrages
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die Berechtigung des Klägers nach dem Sachenrechts-
bereinigungsgesetz.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass zu seinen Gunsten am
Grundstück „B.str 23.“ in Potsdam eine Anspruchsberechtigung nach dem
Sachenrechtsbereinigungsgesetz besteht. Das Grundstück hat eine Größe von 403 qm.
Es ist im Grundbuch von Potsdam Blatt …, Flur …, Flurstück …, eingetragen. Es steht im
Eigentum der Stadt Potsdam und wurde der Beklagten in der Nachwendezeit durch
bestandskräftigen Bescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus auf Grundlage des VZOG
zugeordnet.
Dem Kläger wurde das streitgegenständliche Grundstück durch Pachtvertrag vom
27.08.1979, abgeschlossen mit dem VEB Gebäudewirtschaft Potsdam, zur Nutzung als
Garten überlassen. Das Pachtverhältnis begann am 1.09.1979 und lief auf unbestimmte
Zeit. Der vom Kläger jährlich zu entrichtende Pachtzins betrug 0,10 Mark/DDR, mithin 40
Mark/DDR im Jahr. Die Errichtung von Baulichkeiten (Lauben, Ställen, etc.) war gemäß §
5 des Vertrages nur mit Genehmigung des Verpächters zulässig. Das Grundstück wurde
seinerzeit noch unter der postalischen Anschrift „B.str. 17“ geführt. Der Kläger erwirkte
zu Zeiten der ehemaligen DDR folgende Genehmigungen:
Im Rahmen der Bewässerung/Wasserversorgung ergingen in den Jahren 1981 bis 1983
folgende Genehmigungsschreiben:
Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund vorgenannter Investitionen und Baumaßnahmen
stehe ihm eine Ankaufsberechtigung nach dem SachenRBerG zu. Das errichtete Objekt
sei zum dauerhaften Wohnen geeignet und verfüge über Heizung, Strom und
Wasseranschluss. Der (Um-)Bau sei mit Billigung staatlicher Stellen erfolgt. Zur
Verlagerung des Schwerpunktes der Lebensführung trägt er vor, dass er seine
ehemalige Wohnung mit der postalischen Anschrift „S.allee“ im Jahr 1988 aufgegeben
habe und diese dem Sohn sowie dessen Familie überlassen worden sei.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass er als Nutzer des Grundstücks B…weg 23, Flur …, Flurstück
…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam, Blatt …,
Anspruchsberechtigter nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ist.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt dem Anspruch entgegen.
Eine Anspruch auf Sachenrechtsbereinigung scheitere zum einen daran, dass die gem. §
5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 SachenRBerG erforderliche Billigung staatlicher Stellen fehle, zum
anderen auch daran, dass der Kläger auf dem Grundstück seinerzeit noch nicht seinen
Lebensmittelpunkt im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 2 SachenRBerG begründet habe. Die
vorgelegte Baugenehmigung beziehe sich lediglich auf den Bau eines Garten- oder
Wochenendhauses, denn das Grundstück sei dem Kläger als Gartenland überlassen
worden. Die Errichtung eines Gartenhauses auf einem lediglich für gärtnerische Zwecke
überlassenen Grundstücks eröffne nicht den Anwendungsbereich der
Sachenrechtsbereinigung.
Auch der Vortrag zur dauerhaften Wohnnutzung sei widersprüchlich. Denn eine
Ummeldung des Klägers sei erst am 10.12.1991 erfolgt. Der Vortrag, die bisherige
Wohnung in der „S.allee“ sei im Jahre 1988 aufgegeben worden und die Wohnung
sodann ausschließlich von dem Sohn und dessen Familie genutzt worden, könne
insoweit nicht zutreffen. Der Kläger habe seine bisherige Wohnung danach gerade nicht
aufgegeben, sondern beibehalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf Feststellung der Anspruchsberechtigung gerichtete Klage ist gemäß § 108 ff
Sachenrechtsbereinigungsgesetz (im Folgenden: SachenRBerG) zulässig.
Eine vorangehende Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens gem. § 87 ff.
SachenRBerG ist entbehrlich. In Rechtsprechung und Kommentarliteratur, der die
Kammer folgt, ist anerkannt, dass der Nutzer jederzeit, vor oder während des notariellen
Vermittlungsverfahrens, Klage auf positive Feststellung erheben kann, wenn der
Eigentümer generell den Anwendungsbereich des SachenRBerG verneint (vgl. Vossius,
SachenRBerG, 2. Aufl., § 108 Rn. 13; Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz,
SachenRBerG, § 108 Rn. 8; Cremer in MünchKomm, 4. Aufl., SachenRBerG, § 108 Rdnr.
11). Die Beklagte hat die Berechtigung der Klägerseite insgesamt in Abrede gestellt.
Die Klage bleibt jedoch erfolglos. Eine Anspruchsberechtigung des Klägers, das
Grundstück auf Grundlage des SachenRBerG zum hälftigen Bodenwert anzukaufen,
besteht nicht. Der Kläger ist nicht anspruchsberechtigt im Sinne des § 5 I Nr. 3 Satz 2 lit.
e) SachenRBerG. Im Einzelnen:
1) Ein Überlassungsvertrag i.S.d. § 5 Absatz I Ziffer 3 lit. c) SachenRBerG liegt unstreitig
nicht vor. Vordringliches Kennzeichen derartiger Überlassungsverträge i.S.d. Art. 232 §
1a EGBGB ist dabei die fällig werdende „Sicherheit“, die vom Empfänger zu hinterlegen
ist, und die nach Beurteilung der Rspr. einem „Kaufpreis“ vergleichbar entrichtet wurde
(vgl. BGH VIZ 2001, 503). Eine derartige Sicherheit wurde nach Maßgabe des
Pachtvertrag vom 27.08.1979 weder gefordert noch gezahlt.
2) Eine Ankaufsberechtigung ergibt sich gleichfalls nicht aus § 5 Absatz I Ziffer 3 lit. e)
SachenRBerG. Hiernach können auch als Wohnhäuser geeignete und hierzu dienende
Gebäude den Anwendungsbereich der Sachenrechtsbereinigung eröffnen, wenn diese
mit Billigung staatlicher Stellen errichtet wurden. Diese Voraussetzungen liegen jedoch
nicht vor. Denn nach dem Inhalt der Baugenehmigung aus dem Jahre 1980 ist davon
auszugehen, dass diese Baugenehmigung nur für den Ausbau eines Garten- oder
Wochenendhauses (Bl. 8 GA) erteilt wurde. Die in der Genehmigung erteilte Auflage,
dass alle tragenden Hölzer und Schalungen mit einem zugelassenen Holzschutzmittel
gegen Pilze und Insekten zu behandeln sind, ist für eine Wohnbebauung bereits
untypisch.
Die gemäß § 5 I Nr.3 S. 2 lit. e) SachenRBerG erforderliche Billigung staatlicher Stellen
muss sich hingegen auf die künftige Nutzung zu Wohnzwecken beziehen (vgl. OLG
Brandenburg, Urt. v. 6.11.1997, VIZ 1997, 331). Hieran fehlt es. Die im Jahre 1982
erteilte Zustimmung zur Errichtung eines Schornsteins nebst Kohleraumheizer
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erteilte Zustimmung zur Errichtung eines Schornsteins nebst Kohleraumheizer
ermöglicht keinen Rückschluss auf eine behördliche Billigung zu Wohnzwecken. Gleiches
gilt für die am 30.12.1981 erteilte Genehmigung zur Grundwasserentnahme sowie die
Stellungnahme zur beabsichtigten Errichtung einer Pumpenanlage im Jahr 1983. Im
Gegenteil: Nach dem Inhalt des als Anlage K 3 eingereichten Schreibens vom
30.12.1981 bezieht die Genehmigung zur Grundwasserentnahme von bis zu 7 cbm
(allein) auf die Gartenbewässerung; auch nach dem Inhalt der Stellungnahme vom
23.08.1983 sollte die Pumpenanlage für 15 Gartenparzellen erteilt werden, nicht jedoch
für die dort anzusiedelnde Wohnbebauung.
Nichts anderes folgt aus der Mitteilung der damaligen Gewässeraufsicht vom 6.06.1983,
derzufolge der Errichtung einer abflusslosen Sammelgrube aus gewässerrechtlicher
Sicht keine Bedenken entgegenstehen. Eine Wohnbebauung oder dauernde
Wohnnutzung wurde danach weder angezeigt noch genehmigt.
a) Zwar erfasst das Regelbeispiel des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e) SachenRBerG auch
die mit staatlicher Billigung durchgeführten Umbauten (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG)
von Wochenendhäusern zu Wohngebäuden (vgl. BT-Drucks. 12/5992, S. 103; BR-Drucks.
515/93, S. 103; BGHZ 139, 235, 243; Czub in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz,
SachenRBerG, § 5 Rdn. 125). Die Billigung staatlicher Stellen wäre jedoch nur dann
anzunehmen, wenn eine derartige Zustimmung oder Genehmigung nach der
Verordnung zur Förderung des Baus von Eigenheimen oder der nachfolgenden
EigenheimVO genehmigt worden wäre (vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Komm.
zum SachenRBerG, § 5 Rn. 125). Entsprechende Unterlagen hat der Kläger trotz
Hinweises in der Terminsverfügung vom 7.05.2007 nicht vorzulegen vermocht.
b) Schließlich kann eine Billigung staatlicher Stellen auch nicht daraus hergeleitet
werden, dass der Bungalow tatsächlich zu Wohnungszwecken geeignet war. Bislang hat
der Kläger zur Wohnfläche keine konkreten Angaben gemacht. Bei einer Wohnfläche von
bis zu 40 qm dürfte bereits nach der Quadratmeterzahl begrifflich kein Eigenheim,
sondern lediglich ein Wochenendhaus vorliegen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v.
19.05.2005, 5 U 108/04). Nichts anderes folgt aus dem Pachtvertrag vom 27.08.1979,
mit dem dem Kläger das Grundstück lediglich als Gartenland, mithin zur gärtnerischen
Nutzung, überlassen wurde. Ebenso führt die Billigung der nachträglichen Errichtung
eines Schornsteins nicht dazu, dass damit zwangsläufig die Billigung zu Wohnzwecken
verbunden wäre. Denn aus einer solchen - eher untergeordneten - Baumaßnahme, kann
nicht gefolgert werden, dass das ursprünglich genehmigte Garten- oder Wochenendhaus
nunmehr dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt wird.
c) Eine Billigung staatlicher Stellen ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass
gegenüber dem Kläger keine Abrissverfügung ergangen ist. Es mag zwar innerhalb der
nachfolgenden Jahre keine Abrissverfügung ergangen sein (§ 11 III DDR-
BevölkerungsbauwerkeVO vom 22. März 1972 bzw. 8.11.1984). Dennoch kann sich der
Kläger nicht auf § 10 II 2 SachenRBerG berufen, wonach eine Billigung staatlicher Stellen
vermutet wird, wenn in einem Zeitpunkt von 5 Jahren nach Fertigstellung des Gebäudes
und vor Ablauf des 2.10.1990 keine behördliche Abrissverfügung ergangen ist. Denn das
in § 3 II 2 SachenRBerG vorgeschriebene Nachzeichnungsprinzip gebietet insoweit nur
die Einbeziehung derjenigen Wohngebäude in den Schutzbereich des SachenRBerG,
hinsichtlich derer die Investitionen auch nach dem Recht der DDR besonders gesichert
hätten werden müssen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 7.11.1996, VIZ 1998, 154 [155]).
Die Einbeziehung in die Sachenrechtsbereinigung ist danach nur dann gerechtfertigt,
wenn die Nutzer aufgrund typischen Vertrauens, dass durch die Billigung staatlicher
Stellen begründet wurde, davon ausgehen durften, dass ihre baulichen Investitionen
geschützt sind (BT-Dr. 12/ 7135 S. 103). Zugunsten eines Nutzers, der ohne Billigung
staatlicher Stellen auf lediglich vertraglicher Grundlage eine zu Wohnzwecken geeignete
Baulichkeit errichtete, konnte hingegen bereits kein vom Grundstückseigentum
getrenntes Eigentum an der Baulichkeit entstehen. Dass die Behörden aus dem Umfang
der angezeigten Baumaßnahmen auf eine dauerhafte Wohnnutzung schließen mussten,
ist gleichfalls nicht ersichtlich.
d) Auch den Beginn sowie die fortdauernde Nutzung des Grundstücks als neuem,
ganzjährigen Lebensschwerpunkt vermochte der Kläger zur Überzeugung des Gerichts
nicht darlegen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass hierfür auch eine Aufgabe
der bisherigen Wohnnutzung erforderlich ist, die nach Maßgabe der erst zum 10.12.1991
erfolgten Ummeldung jedoch erst Ende des Jahres 1991 erfolgt ist. Eine
Anspruchsberechtigung der Kläger nach Maßgabe des SachenRBerG ist auch danach
nicht ersichtlich.
Soweit dem Kläger, wie aus den Grundakten ersichtlich, durch spätere
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Soweit dem Kläger, wie aus den Grundakten ersichtlich, durch spätere
Baugenehmigungen des Magistrates der Stadt Potsdam vom 21.06.1991 der Anbau
einer Garage sowie der Ausbau des Bungalow zum Eigenheim genehmigt wurde, eröffnet
dies nicht mehr den Anwendungsbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Denn
im Rahmen der Nachzeichnungslösung ist auf die in der ehemaligen DDR bis zum
2.10.1990 vorhandenen tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen. Investitionen, die
nach dem Beitritt und somit in Kenntnis der ungeklärten Eigentumslage erfolgten,
bleiben insoweit unberücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Der Gebührenstreitwert wird auf 77.376 € festgesetzt (403 m
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x 240 € abzgl. 20 %).
Bei Streitigkeiten nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ist von dem vollen
Bodenwert des streitgegenständlichen Grundstücks auszugehen. Da es sich um eine
positive Feststellungsklage handelt, ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen (vgl. BGH,
VIZ 2001, 163; Brandenburgischen Oberlandesgerichts ZOV 2002, 33).
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