Urteil des LG Potsdam vom 15.03.2017

LG Potsdam: vergabeverfahren, ausschreibung, verfügung, erlass, link, sammlung, rechtswidrigkeit, quelle, öffentlich, anforderung

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Gericht:
LG Potsdam 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 O 412/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 241 BGB, § 311 Abs 2 BGB, Art
3 Abs 1 GG, § 13 GVG, § 6 Nr 2
VOB A
Vergaberecht: Zivilrechtlicher Primärrechtsschutz bei
Vergabeverfahren für Aufträge unterhalb des Schwellenwerts;
Reichweite des Justizgewährungsanspruchs und Selbstbindung
der Vergabestelle durch Anwendung der VOB/A; Entstehen von
Rechtsbeziehungen zum Bieter mit Anforderung der
Ausschreibungsunterlagen; Einstellung eines Vergabeverfahrens
wegen offensichtlicher Vergaberechtswidrigkeit bei
Lückenhaftigkeit des Leistungsverzeichnisses
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 2.
November 2007 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der
Antragsgegnerin aufgegeben wird, ein Ausschreibungsverfahren bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens auszusetzen.
Nach Vortrag der Antragstellerin schrieb die Antragsgegnerin im August 2007
Straßenbauarbeiten aus. Die Antragstellerin habe hierauf am 19.09.2007 ein Angebot
mit einer Angebotssumme von 204.829,08 € abgegeben. Nach Eröffnung der Angebote
am selben Tag habe die Antragstellerin an erster Stelle gelegen.
Mit Schreiben vom 11.10.2007 habe die Antragsgegnerin durch ein von ihr beauftragtes
Ingenieurbüro mitteilen lassen, dass die Ausschreibung aus schwerwiegenden Gründen
aufgehoben worden sei. Zur Begründung habe sie angegeben, dass das niedrigste
Angebot deutlich die verfügbaren, nach den Erfahrungswerten zum Zeitpunkt der
Ausschreibung ermittelten Ausgabemittel überstiege und eine Nachfinanzierung derzeit
nicht möglich sei. Es sei beabsichtigt, die geplante Bauzeit komplett in das Jahr 2008 zu
verschieben und die Leistung noch in diesem Jahr erneut öffentlich auszuschreiben.
Eine weitergehende Begründung sei nicht erfolgt.
Die Antragsgegnerin habe dann im Ausschreibungsblatt des Landes Brandenburg vom
29. Oktober 2007 dieselben Bauarbeiten erneut ausgeschrieben. Dort sei das Ende der
Angebotsfrist auf den 28. November 2007 und das Ende der Bindefrist auf den 27.
Dezember 2007 bestimmt.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass sich der geltend gemachte Anspruch daraus
ergebe, dass zwischen den Parteien ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden sei
und die Ausschreibung vom August 2007 mangels Aufhebungsgrundes nicht habe
aufgehoben werden dürfen. Nach deren Aufhebung lebe das ursprüngliche
Vergabeverfahren wieder auf, so dass wegen des weiter bestehenden
Beschaffungswillens der Antragstellerin der Zuschlag zu erteilen sein werde.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist für das
Begehren der Antragsgegnerin der Zivilrechtsweg eröffnet (BVerwG, Beschluss vom 2.
Mai 2007, Az. 6 B 10.07; OVG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 28.07.2006, Az. 1
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Mai 2007, Az. 6 B 10.07; OVG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 28.07.2006, Az. 1
L 59.06).
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da es der Antragstellerin an einem
Verfügungsanspruch fehlt. Die Antragstellerin kann im Wege des hier beschrittenen
Primärrechtsschutzes ihr Begehren nicht erfolgreich geltend machen.
Die Antragstellerin kann als Bieterin eines Vergabeverfahrens unterhalb des
Schwellenwerts nicht die Aufhebung eines Vergabeverfahrens verlangen.
Der Gesetzgeber hat die in den §§ 97 ff. GWB getroffene Regelung explizit auf Verfahren
oberhalb der Schwellenwerte beschränkt (vgl. § 100 Abs. 1 GWB). Angesichts dieser
eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung folgt die Kammer der Entscheidung des
OLG Dresden, Beschluss vom 25.04.2006, Az. 20 U 467/06), wonach sich
Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte zumindest nicht dergestalt gewähren
lasse, dass die hierzu angerufenen Gerichte die vorgenannten Grenzen der
gesetzgeberischen Regelung schlicht ignorieren und Vorschriften, die hierfür nach
Wortlaut und Sinngehalt nicht gedacht sind, auf Sachverhalte anwenden, die der
Gesetzgeber ausdrücklich hiervon ausgeschlossen wissen wollte.
Die Kammer folgt damit auch nicht der Auffassung des Landgerichts Cottbus, Urteil vom
24.10.2007, Az. 5 O 59/07, dass sich die Verpflichtung zur Gewährung von
Primärrechtsschutz in Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes aus Art. 19 Abs.
4 GG ergebe. Etwas Entsprechendes folgt nicht aus dem Beschluss des BVerfG in NJW
2006, 3701, wonach der allgemeine Justizgewährungsanspruch den Rechtssuchenden
davor bewahren soll, dass durch die sofortige Vollziehung einer Tat Maßnahmetatsachen
geschaffen werden, die im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nicht mehr rückgängig gemacht
werden können.
Der Gesetzgeber verweist Bieter in Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes auf
den Sekundärrechtsschutz. Dies ist auch zulässig, weil die betroffenen Vergabeverfahren
Auftragsvolumen von überschaubaren Umfang zum Gegenstand haben. Es kann auch
nicht davon gesprochen werden, dass Tatsachen nicht mehr rückgängig gemacht
werden können. Der finanzielle Schaden, der durch eine Nichtberücksichtigung in einem
solchen Vergabeverfahren entsteht, kann später auf dem Sekundärrechtswege
ausgeglichen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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