Urteil des LG Potsdam vom 14.03.2017

LG Potsdam: einwilligung, internet, werbung, betreiber, gewinnspiel, adresse, post, affiliate, unterlassen, verkehr

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Gericht:
LG Potsdam 2.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
52 O 67/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 7 Abs 2 Nr 3 UWG, §
8 Abs 2 UWG
Wettbewerbsverstoß im Internet: Haftung eines Händlers für
das Verhalten seiner Affiliates
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,--, ersatzweise
Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken an die Adresse der
elektronischen Post von Verbrauchern unaufgefordert und ohne deren vorherige
Einwilligung Werbemitteilungen zu übermitteln bzw. übermitteln zu lassen;
2. an den Kläger EUR 200,-- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger, Dachverband u.a. der Verbraucherzentralen der Bundesländer, macht gegen
die Beklagte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
Die Beklagte betreibt im Internet einen „Gewinnspiel-Eintragungsservice“, mit dem sie
den Interessenten gegen Zahlung von EUR 5,--/Monat die Teilnahme an monatlich
ausgesuchten Preisverlosungsgewinnspielen von Produktanbietern vermittelt. Zur
Heranführung der Verbraucher an dieses Geschäftsmodell bedient sich die Beklagte
sogenannter Affiliates (Vertriebspartner). Hierbei handelt es sich um eine
internetbasierte Vertriebslösung, bei der ein kommerzieller Anbieter seinen
Vertriebspartner pauschal oder erfolgsorientiert durch eine Provision vergütet. Der
Produktanbieter stellt hierbei seine Werbemittel zur Verfügung, die der Affiliate auf
seinen Seiten zur Bewerbung des Produktes verwenden kann.
Einer dieser Affiliates der Beklagten ist die P. GmbH, die einem Herrn J. am 24.10.2006
eine die Beklagte betreffende Werbemitteilung per E-Mail zukommen ließ. Hiergegen
wendet sich der Kläger mit seinem Unterlassungsbegehren unter Berufung darauf, daß
Herr J. in die Übersendung dieser Werbemitteilung nicht eingewilligt habe. Die P. GmbH
hat sich demgegenüber gegenüber dem Kläger darauf berufen, daß Herr J. sich im Jahr
2004 für ein Gewinnspiel eines Kreditvermittlers angemeldet und hierbei folgenden
Passus durch Anklicken bestätigt habe:
„Sie sind damit einverstanden, daß Ihre persönlichen Daten vom Betreiber
elektronisch gespeichert und ausgewertet werden. Sie sind damit einverstanden, daß
Ihre Daten für zukünftige Aktivitäten des Betreibers genutzt und auch an dessen Partner
zu Werbezwecken übermittelt werden, um Ihnen weitere interessante Angebote
telefonisch, schriftlich oder per E-Mail zu unterbreiten. Ihnen ist bekannt, daß Sie dieses
jederzeit widerrufen können. Sie willigen darin ein, daß Ihre Daten nicht nur vom
Betreiber selbst - gleich unter welcher Domain - sondern auch von dessen
Kooperationspartnern genutzt werden können...“.
Der Kläger, der der Auffassung ist, daß, die behauptete Einwilligung des Herrn J. als
zutreffend unterstellt, einer solchen „Generaleinwilligung“ die Wirksamkeit zu versagen
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zutreffend unterstellt, einer solchen „Generaleinwilligung“ die Wirksamkeit zu versagen
und die P. GmbH als Beauftragte der Beklagten anzusehen sei, womit diese sich deren
Vorgehen zurechnen lassen müsse, beantragt nach erfolgloser vorgerichtlicher
Abmahnung der Beklagten (mit dem Zahlungsantrag wird eine Abmahnpauschale
geltend gemacht),
die Beklagte strafbewehrt zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken an die
Adresse der elektronischen Post von Verbrauchern unaufgefordert und ohne deren
vorherige Einwilligung Werbemitteilungen zu übermitteln bzw. übermitteln zu lassen;
hilfsweise,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs an
die Adresse der elektronischen Post von Verbrauchern Werbemitteilungen, wie die aus
der Anlage Antrag 1 ersichtliche zu versenden bzw. versenden zu lassen, wenn die
Verbraucher in die Übermittlung der Werbemitteilungen nicht eingewilligt und lediglich an
einem Gewinnspiel eines Kreditvermittlers teilgenommen haben, bei dem folgende
Bedingung gestellt worden ist:
Sie sind damit einverstanden, daß Ihre persönlichen Daten vom Betreiber
elektronisch gespeichert und ausgewertet werden. Sie sind damit einverstanden, daß
Ihre Daten für zukünftige Aktivitäten des Betreibers genutzt und auch an dessen Partner
zu Werbezwecken übermittelt werden, um Ihnen weitere interessante Angebote
telefonisch, schriftlich oder per E-Mail zu unterbreiten. Ihnen ist bekannt, daß Sie dieses
jederzeit widerrufen können. Sie willigen darin ein, daß Ihre Daten nicht nur vom
Betreiber selbst - gleich unter welcher Domain - sondern auch von dessen
Kooperationspartnern genutzt werden können. Der Partner kann dabei unter Beachtung
des geltenden Datenschutzrechts Zugriff auf die Datenbank des Betreibers halten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte - anhängig ist die Klage am 25.04.2007 gemacht worden - erhebt die
Einrede der Verjährung. Hierzu bezieht sie sich auf eine von dem Kläger vorgelegte
Beanstandung des Herrn J. mit E-Mail vom 25.10.2006 an die sog. Internet-
Beschwerdestelle.
In der Sache selbst macht die Beklagte geltend, daß sie ihre Affiliates - nach ihrer
Behauptung der Anzahl nach ca. 50.000 - mit ihren AGB wie folgt zu
wettbewerbsgemäßer Werbung angewiesen habe:
„Dem Partner ist es ausdrücklich verboten, in wettbewerbswidriger Art und Weise
zu werben. Insbesondere ist dem Partner das Versenden von nicht erwünschten Emails
mit Werbung verboten. Die PRO... GmbH weist den Partner hiermit nochmals
ausdrücklich darauf hin, daß das Versenden von Werbe-Emails ohne Genehmigung
wettbewerbswidrig ist, Der Partner darf nur an Teilnehmer Werbe-Emails versenden, die
dem Empfang von Werbung an ihre Email-Adresse zuvor ausdrücklich zugestimmt
haben. Im Zweifelsfall hat der Partner der PRO... GmbH diese Genehmigung der
Teilnehmer vorzulegen...
Sofern der Partner entgegen vorstehender Verbote oder in wettbewerbswidriger
Art und Weise wirbt, wird dieser mit sofortiger Wirkung vom Partnerprogramm
ausgeschlossen. In diesem Fall wird durch die PRO... GmbH der Account des Partners
gesperrt und der Partner verliert seinen Anspruch auf die Auszahlung der bis dahin
verdienten Provisionen.“
Hieran habe sich die P. GmbH ohne ihr, der Beklagten, Wissen und Wollen offensichtlich
nicht gehalten, weshalb sie dann auch sofort die entsprechenden Maßnahmen gegen
diese Gesellschaft eingeleitet habe.
Sie, die Beklagte, könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Mitstörerhaftung in
Anspruch genommen werden, zumal sie mit ihren AGB alles in ihrer Macht Stehende
getan habe, um eine Rechtsverletzung von vorneherein zu unterbinden. Die Affiliates
könnten auch nicht als Beauftragte i.S.d. § 8 Abs. 2 UWG eingestuft werden, da der
Merchant keinen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluß habe, sondern der Affiliate
grundsätzlich selbst bestimme, wie er werbe. Wolle man eine Mithaftung bejahen, führte
dies zu einer uferlosen Haftung mit dem Ergebnis des faktischen Endes des Affiliate-
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dies zu einer uferlosen Haftung mit dem Ergebnis des faktischen Endes des Affiliate-
Marketings in Deutschland.
Zum Verjährungseinwand macht der Kläger geltend, von der E-Mail des Herrn J. erst am
31.10.2006 erfahren zu haben habe. Die Internet-Beschwerdestelle werde - insoweit
unstreitig - nicht von ihr, sondern vom Verband der Internetwirtschaft e.V. betrieben.
Im übrigen hält er der Beklagten entgegen, daß diese vergeblich vermeintliche
systemimmanente Besonderheiten für sich in Anspruch nehme, indem sie für sich
einerseits ein aus ihrer Sicht augenscheinlich günstiges System reklamiere, sich
andererseits aber im Ergebnis zugleich auf mangelnde Kontrollierbarkeit berufe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gemäß §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG begründet.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist nicht verjährt, da er geltend macht, daß er
als Unterlassungsgläubiger (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG) - auf die Kenntnis der Internet-
Beschwerdestelle kommt es hierbei nicht an - erst am 31.10.2006 von dem Sachverhalt
Kenntnis erlangt habe und die Klage damit in nicht verjährter Zeit anhängig gemacht
wurde (§§ 11 Abs. 1 UWG, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO). Mit diesem Vortrag hat der
Kläger seiner Erklärungslast Genüge getan; dies zu widerlegen, wäre Sache der
Beklagten (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., UWG § 11 Rn
1.54).
Die P. GmbH hat sich mit der Übermittlung der E-Mail - was auch die Beklagte letztlich
nicht mehr in Frage stellt - wettbewerbswidrig verhalten, da eine unzumutbare
Belästigung eines Marktteilnehmers insbesondere dann gegeben ist, wenn eine Werbung
unter Verwendung elektronischer Post erfolgt, ohne daß eine Einwilligung des Adressaten
vorliegt.
Hierbei kann dahinstehen, ob die von der P. GmbH bemühte Einwilligung vorlag. Denn
der Kläger rügt zu Recht, daß die Einwilligung für den konkreten Fall erteilt sein muß, eine
Generaleinwilligung gegenüber jedermann mithin unwirksam ist
(Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., UWG § 7 Rn 73). Hinzu kommt, daß es ohnehin
fraglich erscheint, ob die behauptete Teilnahme an einem Gewinnspiel im Jahr 2004 mit
dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar ist, da bei der Beklagten für die Teilnahme
ein Entgelt zu entrichten ist (zur Voraussetzung der „Ähnlichkeit“ der beworbenen Ware
oder Dienstleistung vgl. Hefermehl/Köhler, a.a.O., UWG § 7 Rn 89).
Dieses wettbewerbswidrige Verhalten muß sich die Beklagte dergestalt zurechnen
lassen, daß auch sie hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs passivlegitimiert ist.
Hierbei stellt sich allerdings nicht das Problem, unter welchen Voraussetzungen eine
Störerhaftung über §§ 823, 1004 BGB gegeben sein kann, hiermit einhergehend auch
nicht die Frage nach Prüfungspflichten bzw. -möglichkeiten (vgl. hierzu - sämtlich zur
Störerhaftung in Fällen von Markenverletzungen, bei denen eine Haftung als
Betriebsinhaber von vorneherein nicht in Betracht kam - etwa BGH, NJW 2004, 3102 ff.;
LG Hamburg, Urteil vom 03.08.2005, Az. 315 O 296/05; LG Frankfurt a.M., Urteil vom
15.12.2005, Az. 2/03 O 537/04). Entscheidend ist vielmehr und allein, daß die P. GmbH
als Beauftragte der Beklagten i.S.d. § 8 Abs. 2 UWG handelte. Die Kammer teilt die
Auffassung, daß auch bei Affiliates, jedenfalls wenn das Verhältnis zum Händler wie im
vorliegenden Fall ausgestaltet ist, die erforderliche, aber auch ausreichende
Zugehörigkeit zum betrieblichen Organismus des Händlers zu bejahen ist, zumal sich
bei anderer Betrachtung der Händler bei Verstößen des Affiliates im Wettbewerb, der
schließlich ihm zugute kommen soll, hinter diesem verstecken könnte; das von der
Beklagten prognostizierte Aus dieses Geschäftsmodells braucht nicht weiter hinterfragt
zu werden, da auch dies ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen würde (vgl. OLG Köln,
Urteil vom 24.05.2006, Az. 6 U 200/05; LG Berlin, MMR 2006, 118 f.).
Der Zahlungsanspruch - der Höhe nach bestehen keine Bedenken (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG § 12 Rn 1.98), werden von der Beklagten auch nicht
geltend gemacht - ergibt sich aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert : EUR 30.200,--.
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